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Download: Unvereinbarkeit von Betriebsratvorsitz und Amt des Datenschutzbeauftragten - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit

Nach einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs durch Urteil vom 09.02.2023 (C-453/21 – X-FAB Dresden) hält das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden für unvereinbar mit dem Amt des Datenschutzbeauftragten. Die Inkompatibilität der Ämter mache den zunächst zum Betriebsratsvorsitzenden gemäß § 26 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) gewählten und später zum Datenschutzbeauftragten bestellten Kläger für dieses Amt unzuverlässig. Hierin ist indessen keine Unzuverlässigkeit in der Person des Klägers zu sehen, die Unzuverlässigkeit ergibt sich vielmehr aus der Kombination, der Inkompatibilität der Ämter.

Der konkret zu entscheidende Fall

Der Kläger war Betriebsratsvorsitzender der beklagten, dem X. Konzern angehörenden Gesellschaft. Er wurde 2015 zusätzlich von der Beklagten, deren Muttergesellschaft sowie deren weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften jeweils gesondert zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Mit der parallelen Bestellung des Klägers verfolgten die Unternehmen das Ziel, einen konzerneinheitlichen Datenschutzstandard zu etablieren.

2017 äußerte der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gegenüber Muttergesellschaft der Beklagten, er habe Bedenken, dass der Kläger die zur Erfüllung seiner Aufgaben als betrieblicher Datenschutzbeauftragter erforderliche Zuverlässigkeit besitze, und stützte sich hierbei auf § 4f Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes in der bis zum 24.05.2018 gültigen Fassung (BDSG aF).

Mit Schreiben aus November 2017 stellte der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gegenüber der Muttergesellschaft abschließend fest, der Kläger verfüge nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit. Aufgrund der Inkompatibilität mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden sei der Kläger bereits nicht wirksam zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Das Unternehmen verfüge deshalb seit 2015 über keinen betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Die Muttergesellschaft erhielt fristgebundene Gelegenheit zur Stellungnahme mit dem Hinweis, dass nach Fristablauf ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter von Amts wegen bestellt werde und die Verletzung der Pflicht, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen, mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet werden könne.

Die Beklagte und die weiteren in Deutschland ansässigen Konzernunternehmen teilten dem Kläger daraufhin in eigenständigen Schreiben mit, dass eine wirksame Bestellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter nicht erfolgt sei und nunmehr zur Vermeidung eines Bußgeldes ein geeigneter Datenschutzbeauftragter bestellt werde. Hilfsweise widerriefen sie seine Bestellung mit sofortiger Wirkung. Vorsorglich beriefen sie ihn nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gemäß Art. 38 Absatz 3 Satz 2 DSGVO als Datenschutzbeauftragten ab.

Der Kläger meinte, er sei wirksam für deren Betrieb zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Seine Abberufung sei daher nicht wirksam. Die Beklagte beantragte Klageabweisung, da jedenfalls der durch sie erklärte Widerruf der Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten Wirksamkeit entfaltet hätte.

Seiner Klage hat das Arbeitsgericht Dresden stattgegeben, die Berufung der Beklagten hat das Sächsische Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf ihre Revision hat das BAG nun die Klage abgewiesen.

Die Entscheidungsgründe
Das BAG meint, der Kläger sei zwar wirksam zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden, seine Bestellung sei durch die beklagte Arbeitgeberin aber ebenso wirksam widerrufen worden.

- Zur Stellung des Datenschutzbeauftragten
Die Überschneidung der Interessensphären des Betriebsratsvorsitzenden einerseits und des Datenschutzbeauftragten andererseits könne, so das BAG, der vom BDSG geforderten Zuverlässigkeit entgegenstehen. Dafür reiche nicht jede Berührung der verschiedenen Aufgaben aus, da das Gesetz die Berufung eines Arbeitnehmers zum Datenschutzbeauftragten im Grundsatz zulasse, aber der Datenschutzbeauftragte habe das Arbeitsumfeld eines jeden Mitarbeiters zu überwachen, letztlich also auch sich selbst.

Es müsse gewährleistet sein, dass der Datenschutzbeauftragte seine Pflichten in völliger Unabhängigkeit erfüllen könne. Ein Grund für den Widerruf der Funktion des Datenschutzbeauftragten sei danach in der Regel gegeben, wenn der Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner weiteren Aufgaben und Pflichten gestaltenden Einfluss auf die Datenverarbeitung in der verantwortlichen Stelle habe. In einem solchen Fall könne die unabhängige Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten gefährdet sein. Das Recht des Verantwortlichen, die Bestellung des Datenschutzbeauftragten im Fall eines gestaltenden Einflusses auf die Datenverarbeitung zu widerrufen, wahre dessen funktionelle Unabhängigkeit, genauer: diejenige des Amtes, und gewährleiste damit die Wirksamkeit der datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Der Datenschutzbeauftragte habe auf die Einhaltung des BDSG alter Fassung und anderer Vorschriften über den Datenschutz hinzuwirken. Dabei habe er insbesondere die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen, zu überwachen sowie die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen durch geeignete Maßnahmen mit den Vorschriften über den Datenschutz und mit den jeweiligen besonderen Erfordernissen des Datenschutzes vertraut zu machen.

- Die Stellung des Betriebsratsvorsitzenden
Das BAG lässt offen, ob die Stellung als einfaches Betriebsratsmitglied mit derjenigen des Datenschutzbeauftragten vereinbar ist, die des Vorsitzenden sei es jedenfalls nicht.

Der Betriebsrat lege als Gremium Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Er entscheide, unter welchen konkreten Umständen er welche personenbezogenen Daten in Ausübung der ihm zugewiesenen Aufgaben erhebe und auf welche Weise er diese anschließend verarbeite.

In bestimmten sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten stünden dem Betriebsrat Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte zu, die von der bloßen Anhörung bzw. Unterrichtung, über die Beratung bis hin zum Zustimmungsverweigerungsrecht und schließlich zum Mitbestimmungsrecht reichten. In Erfüllung dieser Aufgaben verarbeite der Betriebsrat personenbezogene Daten, die er vom Arbeitgeber erhalte, aber auch von Beschäftigten selbst, etwa im Rahmen der Sprechstunde, einer Beschwerde, des Vorschlagsrechts der Arbeitnehmer, des Meinungsaustauschs im Rahmen von Betriebs- oder Abteilungsversammlungen oder der Anhörung eines von einer personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers. Des Weiteren könne der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen schließen, etwa zu technischen Überwachungseinrichtungen, die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand haben könnten. Im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben lege der Betriebsrat die Zwecke der Datenverarbeitung fest und insbesondere, welche mitarbeiterbezogenen Informationen er verlange und wie er damit tatsächlich umgehe.

- Der Abgleich der beiden Positionen
Schon nach dem BDSG alter Fassung habe es dem Datenschutzbeauftragten oblegen, die Datenschutzkonformität der auf Anforderung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber vorgenommenen Übermittlung personenbezogener Mitarbeiterdaten zu überprüfen. Bei der Übermittlung sensitiver Daten habe er dementsprechend in eigener Sache überwachen müssen, ob das Schutzkonzept des Betriebsrats datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprochen habe und der Arbeitgeber die Daten an den Betriebsrat habe übermitteln dürfen.

Demgegenüber bestimme der Betriebsrat auch über die Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Als Beauftragter für den Datenschutz sei der Vorsitzende des Betriebsrats verpflichtet zu prüfen, ob die von ihm nach außen vertretene Beschlusslage des Betriebsrats mit den Bestimmungen des Datenschutzes im Einklang stehe. Zwar sei er in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Funktion in erster Linie Mitglied des Betriebsrats, habe aber dessen Beschlüsse nach außen zu vertreten. Zudem sei er zur Entgegennahme von dem Betriebsrat gegenüber abzugebenden Erklärungen berechtigt. Diese Aufgaben stellten die funktionelle Unabhängigkeit als Datenschutzbeauftragter und damit die Gewährleistung des Datenschutzes infrage.

Bei gleichzeitiger Wahrnehmung der Funktion eines Datenschutzbeauftragten müsse er in identischer Angelegenheit – neutral und allein dem Datenschutz verpflichtet – überprüfen, ob Auskunftsersuchen und beschlossene Schutzvorkehrungen datenschutzrechtlichen Vorgaben genügen, und den Arbeitgeber insoweit unter Umständen datenschutzrechtlich beraten. Dies sei wegen seiner Bindung an Betriebsratsbeschlüsse gegebenenfalls nicht möglich. Dieser Interessenkonflikt beeinträchtige die funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten und gefährde die Wirksamkeit datenschutzrechtlicher Regelungen, so dass er den Arbeitgeber zum Widerruf der Bestellung berechtige.

PDF als Download: Ermittlungspflicht des Insolvenzverwalters – Verjährung von Anfechtungsansprüchen
PDF als Download: BGH, Urteil vom 27.07.2023 – IX ZR 138/21 aus beck-online

Ansprüche verjähren. Sie gehen dadurch nicht ersatzlos unter, beruft sich jedoch der Forderungsschuldner berechtigterweise auf die Verjährung, kann der Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden, eine nach der Verjährung erhobene Klage ist abzuweisen.

Der Kläger verfolgt mit seinem Klageantrag die Ausschließung des Beklagten aus der GmbH. Die Gründe hierfür werden im Urteil des BGH nicht benannt, was darauf beruht, dass der BGH in diesem Verfahren zwei Rechtsfragen anders beurteilte als das OLG München in der Berufungsinstanz und im Anschluss hieran die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Das OLG München wird im neuerlichen Berufungsverfahren zu klären haben, ob die Voraussetzungen für eine Ausschließung des Beklagten tatsächlich vorliegen.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie beginnt nicht direkt mit dem Entstehen des Anspruchs, sondern nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Darlegungs- und beweispflichtig hierfür ist der Schuldner, denn ihm kommt die Möglichkeit der Verjährungseinrede zugute.

In der Praxis lässt sich der Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs im Nachhinein meist gut feststellen, zum Beispiel entstehen Anfechtungsansprüche mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Schwieriger ist die Feststellung der Kenntnis oder gar der grob fahrlässigen Unkenntnis. Um letzteres ging es in der Entscheidung des BGH vom 27.07.2023. Die vom Insolvenzverwalter etwa acht Jahre nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommene Anfechtungsgegnerin berief sich im Rechtsstreit auf Verjährung. Dass der Verwalter länger als drei Jahre zuvor Kenntnis von den Umständen erlangt hatte, die den Anfechtungsanspruch begründen, hatte die Beklagte aber nicht dartun können. Entscheidend war daher vor allem, ob der Verwalter schon längere Zeit zuvor Kenntnis hätte haben müssen, ob er also grob fahrlässig die Umstände nicht kannte, die den Anspruch begründeten. Dies wiederum hängt von der Frage ab, welche konkreten Aktivitäten ein Insolvenzverwalter zur Ermittlung von Anfechtungsansprüche ergreifen muss, um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auszuschließen, und wieviel Zeit seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihm hierfür eingeräumt werden kann.

Der PFO-Partner Rechtsanwalt Alexander Kubusch hat die der Prüfung zugrunde zu legenden Kriterien in einem Aufsatz in der Fachpresse umfassend beschrieben (Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht, Jahrgang 2018, Seite 634 ff.). Diesen Ausführungen hat sich der Insolvenzsenat des BGH mit dem Urteil vom 27.07.2023 angeschlossen.

PDF als Download:Wenn es nicht mehr anders geht: Die Ausschließung eines Gesellschafters aus der Gesellschaft – der BGH ändert teilweise seine Rechtsprechung

Der zu entscheidende Sachverhalt
Kläger und Beklagter sind jeweils hälftig an einer GmbH beteiligt. Das Stammkapital ist vollständig eingezahlt. Die Satzung der GmbH enthält keine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters oder zur Einziehung von Geschäftsanteilen. Entscheidend für den folgenden Streit über den Ausschluss des einen Gesellschafters durch den anderen war daher allein die Gesetzeslage.

Der Kläger verfolgt mit seinem Klageantrag die Ausschließung des Beklagten aus der GmbH. Die Gründe hierfür werden im Urteil des BGH nicht benannt, was darauf beruht, dass der BGH in diesem Verfahren zwei Rechtsfragen anders beurteilte als das OLG München in der Berufungsinstanz und im Anschluss hieran die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Das OLG München wird im neuerlichen Berufungsverfahren zu klären haben, ob die Voraussetzungen für eine Ausschließung des Beklagten tatsächlich vorliegen.

Folgende Vorfragen hat der BGH nun unter teilweise Änderung seiner Rechtsprechung entschieden:

Prozessführungsbefugnis für die Ausschließungsklage

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Ausschließungsklage grundsätzlich von der GmbH zu erheben. Ob abweichend hiervon in einer Zwei-Personen-GmbH den Gesellschaftern selbst ein Klagerecht zur Ausschließung des jeweils anderen zusteht, hat der BGH jedoch bisher noch nicht entschieden.

Die Frage ist in der juristischen Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Teilweise wird angenommen, dass in einer Zwei-Personen-GmbH jeder Gesellschafter persönlich eine Ausschließungsklage gegen den Mitgesellschafter anstrengen kann. Begründet wird diese Prozessführungsbefugnis zum einen mit Praktikabilitätserwägungen, zum anderen wird auf die Grundsätze der actio pro socio bzw. deren Rechtsgedanken zurückgegriffen.

Nach anderen Stimmen besteht kein Bedürfnis für eine vom allgemeinen Grundsatz – dem alleinigen Klagerecht der Gesellschaft – abweichende unmittelbare Klagebefugnis des ausschließungswilligen Gesellschafters bei einer Zwei-Personen-GmbH. Da über die Erhebung der Ausschließungsklage die Gesellschafterversammlung zu befinden habe und der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt sei, bestehe ein praktisches Bedürfnis für eine Prozessführungsbefugnis des ausschließungswilligen Gesellschafters allenfalls dann, wenn der auszuschließende Gesellschafter zugleich der einzige Geschäftsführer der GmbH sei.

Der BGH entscheidet die Streitfrage jetzt im Sinne der zuerst genannten Auffassung. Auch er überträgt die Grundsätze der actio pro socio auf den vorliegenden Fall. Aufgrund dieser Rechtsfigur kann ein Gesellschafter einer GmbH berechtigt sein, einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, was namentlich dann in Betracht kommt, wenn dieser seine zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt und durch eine damit verbundene Schädigung des Vermögens der Gesellschaft mittelbar auch dasjenige des klagenden Gesellschafters geschädigt hat. Die Übertragung dieser Grundsätze sei gerechtfertigt, weil auch die Ausschließung ihren Anlass in der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten habe. Hier wie dort sollten die anderen Gesellschafter vor Beeinträchtigungen durch eine unrechtmäßige Einflussnahme auf die Geschäftsführung bei der Verfolgung von aus der gesellschafterlichen Treuepflicht erwachsenden Ansprüchen geschützt werden. Der grundsätzlich bestehende Vorrang der Gesellschaftsklage müsse daher zurücktreten.

Der Zeitpunkt des Ausscheidens durch Gestaltungsurteil – Änderung der Rechtsprechung

Kommt es mangels gesellschaftsvertraglicher Regelung – wie vorliegend – nicht zu einer bestandskräftigen Ausschließung eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss, müssen der oder die ausschließungswilligen Gesellschafter hierauf klagen. Sofern das Gericht die Klage für begründet erachtet, erklärt es den Gesellschafter durch ein sogenanntes Gestaltungsurteil für ausgeschlossen. Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, wann der Ausschluss wirksam wird. Bisher hatte der BGH die Ausschließung eines Gesellschafters durch Gestaltungsurteil an die Bedingung geknüpft, dass der betroffene Gesellschafter binnen einer im Urteil festzusetzenden angemessenen Frist den ebenfalls im Urteil zu bestimmenden Gegenwert für seinen Geschäftsanteil tatsächlich ausgezahlt erhält (sogenannte Bedingungslösung). In Abkehr hiervon meint der BGH jetzt, dass in einem Fall, in dem ein Gesellschafter wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes ohne statutarische (satzungsmäßige) Regelung durch Urteil aus der GmbH ausgeschlossen wird, die Ausschließung bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam wird und nicht durch die Leistung der Abfindung bedingt ist.

Begründet wird diese Rechtsprechungsänderung mit Blick auf die neuere Rechtsprechung zur Einziehung eines Geschäftsanteils, wonach diese bereits mit der Mitteilung eines entsprechenden Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter wirksam wird, wenn der Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird. Der Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen wird, müsse allerdings davor geschützt werden, dass die verbleibenden Gesellschafter sich mit der Fortsetzung der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert seines Anteils aneignen und ihn aufgrund der gläubigerschützenden Kapitalerhaltungspflicht mit seinem Abfindungsanspruch leer ausgehen lassen. Die Gesellschafter hafteten daher dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig auf Zahlung der Abfindung, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen sei. Diese Rechtsprechung sei auf die Ausschließung eines Gesellschafters ohne statutarische Regelung durch Gestaltungsurteil übertragbar.

Die aufgrund der bisherigen Rechtsprechung auch nach der Rechtskraft des Urteils entstehende Schwebelage – bis zur Leistung der Abfindung – sei den übrigen Gesellschaftern in besonderem Maße unzumutbar, weil die Ausschließung, anders als die Einziehung, als äußerstes und letztes Mittel stets nur zulässig sei, wenn in der Person oder dem Verhalten des Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliege, mithin ein Verbleib des Gesellschafters in der Gesellschaft die gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellte oder aus sonstigen Gründen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar wäre.

Der Abfindungsanspruch des Gesellschafters werde auch bei einem mit Rechtskraft des Ausschließungsurteils wirksamen Ausscheiden ausreichend gesichert.

Einerseits gelte das Gebot der Kapitalerhaltung auch dann, wenn die Gesellschaft einen Gesellschafter ausschließen will. Könne ohne das Kapitalerhaltungsgebot der §§ 30, 31 GmbHG die Abfindung nicht geleistet werden, komme die Ausschließung eines Gesellschafters nicht in Betracht. Andererseits hafteten die verbliebenen Gesellschafter nach Wirksamwerden der Ausschließung persönlich für die Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters ab dem Zeitpunkt, in dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen sei. Das bestehen bleibende Restrisiko des ausgeschlossenen Gesellschafters sei hinzunehmen.

Zudem werde bei entsprechender Satzungsregelung auch bei der Ausschließung durch Beschluss deren Wirksamkeit von der Rechtsprechung seit jeher nicht an die Bedingung der Abfindungszahlung geknüpft. Die Gesellschafterstellung des Betroffenen lebe auch dort nicht wieder auf, wenn die Gesellschaft nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließe oder seine Abtretung verlange und nichts dazu tue, dass der Ausgeschlossene den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlange. Auch die fehlende vorweggenommene Zustimmung zum Ausschluss ohne satzungsmäßige Regelung zwinge nicht zur Kopplung des Abfindungsanspruchs an die Wirksamkeit der Ausschließung.

Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsverbot?

Wie schon erwähnt ist nach der neuen Rechtsprechung die Ausschließung durch Gestaltungsurteil nicht möglich, wenn die Gesellschaft die Abfindung nur unter Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot der §§ 30, 31 GmbHG leisten könnte.

Für das im Gläubigerinteresse bestehende Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt nach ständiger Rechtsprechung eine bilanzielle Betrachtungsweise. Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Deren Vorliegen bestimmt anders als bei der insolvenzrechtlichen Überschuldung im Sinne des § 19 InsO sich nicht nach Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz; stille Reserven finden keine Berücksichtigung. Ist ohne Verstoß hiergegen die Zahlung an den Auszuschließenden nicht möglich, ist – wie ebenfalls schon dargestellt – die Ausschließung nicht zulässig. Allerdings steht dem solventen ausschließungswilligen Gesellschafter eine Möglichkeit offen, diese Situation zu verhindern. Hat er nämlich mit der GmbH vereinbart, sie in der Weise auszustatten, dass die Zahlung der Abfindung an einen ausgeschiedenen Gesellschafter nicht zur Entstehung einer Unterbilanz führt, kann nach allgemeinen Grundsätzen die sich daraus ergebende Forderung der GmbH gegen den Gesellschafter in der Handelsbilanz der Gesellschaft aktiviert und so eine Unterbilanz oder gar Überschuldung verhindert werden. Es begegnet keinen Bedenken – so der BGH –, wenn sich ein Gesellschafter, gegebenenfalls auch erst im Rahmen des Ausschließungsprozesses, gegenüber der Gesellschaft dazu verpflichtet, sie so auszustatten, dass sie die Abfindungsforderung eines ausscheidenden Gesellschafters ohne Verstoß gegen das Auszahlungsverbot befriedigen kann.

Auch hierzu hatte das Berufungsgericht vorliegend keine ausreichenden Feststellungen getroffen, es wird dies in der neuerlichen Berufungsverhandlung ebenso nachzuholen haben.

Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Tennis-Point GmbH (AG Bielefeld; Az.: 43 IN 701/23) wird dazu führen, dass etliche Kunden dieses Online-Shops vermutlich (wieder einmal) einen finanziellen Schaden erleiden. Grund genug, sich daher einmal den rechtlichen Grundlagen und auch den Schutzmöglichkeiten für Kunden zuzuwenden.

Vorab:
Bestellen Sie einen Artikel bei einem Online-Händler, der wegen des Insolvenz(antrags)verfahrens nicht mehr geliefert wird, entsteht Ihnen so lange kein Schaden, wie Sie keine Zahlung geleistet haben. Gut, der bestellte Artikel wird u.U. nicht mehr geliefert, weil das Angebot zurückgezogen wird und Sie werden den Artikel anderweitig womöglich teurer kaufen können/müssen. Das lässt sich noch verkraften.

Vorsicht bei Vorkasse:
Wesentlich ärgerlicher wird es dann schon bei einer Vorkassezahlung,, die im Vorfeld des Insolvenzantragsverfahrens von Ihnen geleistet wurde. Wird dann der bestellte Artikel nicht mehr geliefert, ist einerseits der sowohl der Erfüllungsanspruch (Lieferung des Artikels), andererseits aber auch der Rückabwicklungsanspruch bei Rücktritt (Rückzahlung der Vorkassezahlung) eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Diese kann also (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden; es wird am Ende des Insolvenzverfahrens eine Insolvenzquote auf diese Forderung gezahlt. In der Regel verlieren also Vorkassezahler im Zuge eines Insolvenzverfahrens den Großteil ihrer Anzahlung.

Was ist mit Retouren?
Möglich ist auch die Konstellation, dass der Kunde seine Ware per Vorkasse bezahlt und sogar erhalten hat, im Anschluss das Insolvenzantragsverfahren eingeleitet wird und der Kunde dann feststellt, dass die bestellte Ware ihm/ihr nicht passt oder gefällt. Vorsicht ist bei einer kommentarlosen Rücksendung geboten, weil im Falle einer Rückabwicklung die Rückzahlung des Kaufpreises wieder eine Insolvenzforderung ist und ebenso nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann. Bedeutet also: Geld weg und Ware wieder zurückgeschickt! Bei der Tennis-Point GmbH führt diese Konstellation gerade dazu, dass Retouren derzeit gar nicht bearbeitet werden, um solche Schadenseintritte für Kunden möglichst zu vermeiden.

Gleiche Folgen bei Zahlung auf Rechnung?
Insolvenzrechtlich besser stehen dann schon die Kunden da, die ihre Warenlieferung erst nach Erhalt per Rechnung bezahlen. Hier wird seitens des Kunden keine Leistung ausgelöst, bevor die Ware beim Kunden angekommen ist. Gefällt die Ware dem Kunden, wird er sie behalten und den Kaufpreis dafür bezahlen. Gefällt oder passt die gelieferte Ware nicht, wird der Kunde diese (ohne Bezahlung) zurücksenden. Der bisweilen fällige Zahlungsaufschlag für eine Zahlung per Rechnung kann sich also in einem solchen Fall schon lohnen. Klar ist aber: das Insolvenz(antrags)verfahren des Lieferanten entbindet den Kunden nicht von der Zahlung der Rechnung, wenn er die Ware erhalten hat und behalten möchte.

Ist es jetzt "zu gefährlich" bei Tennis-Point GmbH zu bestellen?
Das kann man jetzt noch nicht abschließend beurteilen... grundsätzlich ermöglicht die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung unter gleichzeitiger Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann hierbei die Ermächtigung vom Insolvenzgericht erhalten, sog. Verbindlichkeiten aus Neugeschäften als Masseverbindlichkeiten einzugehen. Heißt also: wenn der vorläufige Insolvenzverwalter dem Geschäft zustimmt, dann ist dieses Geschäft (entweder durch Warenlieferung oder aber durch Zahlung) auch zu erfüllen. Wie das jedoch bei einer Vielzahl von täglichen Bestellungen über das Internet konkret ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sind Kunden gut damit beraten, die Lieferung auf Zahlung per Rechnung umzustellen - auch wenn dies manchmal mit Zahlungsaufschlägen verbunden ist.

Insolvenzantragspflichten

Bei juristischen Personen, aber auch bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (z. B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -, OHG, KG), bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, besteht für die Geschäftsleiter (im Folgenden: Geschäftsführer unabhängig von der Gesellschaftsform) nach § 15a InsO eine Insolvenzantragspflicht, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Der Insolvenzantrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Die Frist beginnt unabhängig von der Kenntnis des Geschäftsführers, knüpft also ausschließlich an den objektiven Eintritt des Insolvenzereignisses an. Sie ist eine Höchstfrist und darf nur ausgenutzt werden, wenn Sanierungsmaßnahmen innerhalb der Frist sinnvoll und erfolgversprechend erscheinen.

Schon hieran wird deutlich, dass der Geschäftsführer die finanzielle Lage der Gesellschaft stets überwachen muss, um bei Eintritt einer Krise gegebenenfalls rechtzeitig Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, denn innerhalb der Antragsfristen ist eine Sanierung in den wenigsten Fällen noch möglich.

Unabhängig davon hat seit 2021 nach § 1 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) der Geschäftsführer ohnehin fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können.

Erstattungspflichten der Geschäftsführer bei nicht rechtzeitigem Insolvenzantrag
Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, machen sich die Geschäftsführer nicht nur strafbar, sondern müssen auch nach Ablauf der Frist noch geleistete Zahlungen erstatten. Einzelheiten regelt heute § 15b InsO. Vor dessen Inkrafttreten 2021 gab es dem Grundsatz nach entsprechende, in Einzelheiten jedoch stark abweichende Regelungen in den Gesetzen, die die jeweilige Gesellschaftsform behandeln, für die GmbH war dies § 64 GmbHG a. F.

Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Die beiden Insolvenzgründe, Zahlungsunfähigkeit und insolvenzrechtliche Überschuldung, sind häufig nicht leicht zu ermitteln. Das Besprechungsurteil befasst sich mit letzterem.

Nach § 19 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Ob die bestehenden Verbindlichkeiten in diesem Sinne noch gedeckt sind, ergibt sich nicht aus der Handelsbilanz oder einer nach den bisherigen Bilanzgrundsätzen aufgestellten Zwischenbilanz, sondern aus der Überschuldungsbilanz, die zu diesem Zweck aufgestellt werden muss. Bei ihr sind die Aktiva nur mit den Werten anzusetzen, die eine Veräußerung im Insolvenzverfahren erbringen würde, also die Liquidationswerte, die um die Verwertungskosten und die Umsatzsteuer zu reduzieren sind. Reichen die so ermittelten Aktiva nicht aus, die Passiva zu decken, muss eine Fortführungsprognose erstellt werden. Es ist darin zu untersuchen, ob eine größere Wahrscheinlichkeit für das Überleben der Gesellschaft besteht oder für deren Scheitern. Der Prognosetatbestand ist nicht deckungsgleich mit der going-concern-Annahme nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Überwiegend wahrscheinlich ist die Fortsetzung, wenn von mehr als 50 % Fortsetzungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann. Nur dann liegt bei Vermögensunterdeckung der Insolvenzgrund der Überschuldung nicht vor.

Der entschiedene Fall

Dem Urteil des OLG Düsseldorf lag – etwas vereinfacht – folgender Fall zugrunde:

V gründete 2014 die R. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), ein Start-up-Unternehmen, über deren Vermögen am 28.12.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Schuldnerin plante ein Vertriebsportal für Gebraucht- und Nutzfahrzeuge ähnlich der heute bekannten Plattform „hey-car“ einzurichten und investierte erhebliche Beträge in die Entwicklung der Software.

Die Schuldnerin finanzierte sich im Wesentlichen über Darlehen eines Investors, der auch erhebliche Anteile an ihr hielt und ihr beginnend ab dem 10.07.2014 regelmäßig Darlehen „zur Stärkung des Eigenkapitals … in der Gründungsphase des Unternehmens … als Mezzanine Kapital“ gewährte. Sämtliche Darlehen waren bis zum 31.12.2017 befristet und danach zurückzuzahlen. Bis Ende 2015 beliefen sich diese Darlehensforderungen auf insgesamt 608.000 €. Sie wuchsen bis zum 20.07.2016 auf insgesamt 778.000 € an.
Im Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2014 wurde ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von rund 126.000 € ausgewiesen. Im Jahr 2015 erzielte die Schuldnerin lediglich Umsätze in Höhe von rund 12.000 € und erwirtschaftete einen Verlust von 494.000 €, was zu einer Erhöhung des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags auf rund 620.200 € zum 31.12.2015 führte.
Die Schuldnerin unterhielt bei einer Bank ein Geschäftskonto, das teils im Soll, teils im Haben geführt wurde. In dem Zeitraum zwischen dem 01.01.2016 und dem 29.02.2016 kam es zu Zahlungsbewegungen von insgesamt 55.000 €, denen teilweise Auszahlungen von dem zu diesen Zeitpunkten kreditorisch, also im Haben, geführten Geschäftskonto und teilweise Einzahlungen auf dem zu den entsprechenden Zeitpunkten debitorisch geführten Geschäftskonto zugrunde lagen.
Nachdem der klagende Insolvenzverwalter bestellt worden war, verlangte er von V, der seit der Gründung der Schuldnerin bis Anfang März 2016 deren Geschäftsführer gewesen war, die Erstattung der angeführten Zahlungen, weil er meinte, die Schuldnerin sei seit Ende 2015 überschuldet gewesen, sodass V zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet gewesen wäre. Er ging dabei von der Handelsbilanz aus und legte dar, er sehe keine stillen Reserven oder sonstige nicht in der Handelsbilanz abgebildete Vermögensgegenstände der Schuldnerin.
Der Beklagte meinte dagegen, die Schuldnerin sei nicht im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet gewesen, da die Darlehen wie Eigenkapital gewährt worden seien. Außerdem seien die bis Ende 2015 angefallenen Entwicklungskosten für die Software von ca. 320.000 € bzw. etwaige Anschaffungskosten von 650.000 € für eine externe Entwicklung als stille Reserven anzusetzen. Im Übrigen sei der Investor bereit gewesen, die Schuldnerin auf unbestimmte Zeit zu finanzieren, solange die Planungen realistisch erschienen, was jedenfalls bis September 2016 der Fall gewesen sei. Die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin sei sichergestellt gewesen. Er, der Beklagte, habe monatliche Finanzpläne aufgestellt, die bis 31.12.2020 gereicht hätten und ständig aktualisiert worden seien. Danach hätten im Juli 2016 erstmals Überschüsse erwirtschaftet werden sollen. Den sich aus der Planung ergebenden Finanzbedarf für die bevorstehende Planungsperiode habe er konkret mit dem Investor abgesprochen, die bevorstehenden Ausgaben seien sehr genau mit ihm abgestimmt und die notwendigen Mittel jeweils als Darlehen zur Verfügung gestellt worden. Bis zur Beendigung seiner – des Beklagten – Geschäftsführertätigkeit hätten keine Anzeichen bestanden, dass der Investor von seinem Fortführungswillen abrücken werde.
Das OLG verurteilte den Beklagten zur Erstattung der 55.000 €.

Die Begründung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf schließt sich der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, wonach die Handelsbilanz zwar nicht für die insolvenzrechtliche Überschuldung maßgeblich ist, ihr aber für die Frage der rechnerischen Überschuldung im auf Zahlungserstattung gerichteten Prozess gegen den Geschäftsführer indizielle Bedeutung zukommt. Legt der Insolvenzverwalter für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, und legt er dar, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind, muss der beklagte Geschäftsführer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vortragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

Vorliegend war von einem nicht durch Eigenkapitalbetrag gedeckten Fehlbetrag von mehr als 600.000 € auszugehen und der Kläger hatte geltend gemacht, stille Reserven seien nicht vorhanden.

Der Beklagte hatte sich einerseits darauf berufen, der Kläger habe immaterielle Vermögensgegenstände von beträchtlichem Wert, nämlich die erstellte Software, und eine harte Patronatserklärung des Investors nicht berücksichtigt. Außerdem habe dieser für seine Darlehensforderung eine Rangrücktrittserklärung abgegeben. Sie seien in der Überschuldungsbilanz folglich nicht zu berücksichtigen.

Dagegen stellte das OLG Düsseldorf nach der Vernehmung von Zeugen fest, dass die in der Bilanz mit 30.000 € angesetzte Software im Insolvenzverfahren nur für 10.000 € veräußert werden konnte, stille Reserven also nicht beinhaltete. Von einer harten Patronatserklärung, wie vom Beklagten behauptet, konnte das OLG sich ebenfalls nicht überzeugen. Schließlich erklärte der als Zeuge vernommene Investor, keinen Rangrücktritt für seine Darlehen erklärt zu haben. Auch in den schriftlichen Darlehensverträgen konnte das OLG eine solche nicht auffinden.

Als Folge der Unterdeckung blieb daher zu klären, ob eine positive Fortführungsprognose bestand. Der hieran anzulegende Maßstab, so meint das OLG, müsse von dem üblichen Maßstab, den die Rechtsprechung hierfür entwickelt habe, unter Berücksichtigung der Start-up-Situation modifiziert werden.

Solche Unternehmen seien in einer – mehr oder weniger langen – Anfangsphase meist nicht ertragsfähig, jedoch seien operative Geschäftschancen trotz möglicherweise derzeit fehlender Ertragskraft nicht auf Dauer ausgeschlossen. In Fällen von Start-Ups sehe auch der BGH die Ertragsfähigkeit (Selbstfinanzierungskraft) nicht als Voraussetzung einer positiven Fortführungsprognose an. Es liege in der Natur eines solchen Unternehmens, dass es zunächst nur Schulden mache und von Darlehen abhängig sei. In diesen Fällen müsse daher auf die Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum (12 Monate) abgestellt werden, wobei die erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) kurz-, mittel- oder langfristig zur Verfügung gestellt werden könnten. Der Rückgriff auf eine Ertragsfähigkeit würde diesen Unternehmen dagegen die Überlebensfähigkeit absprechen und sie zum Marktaustritt zwingen. Bei einem Start-Up-Unternehmen müssten daher die Anforderungen an die Fortführungsprognose im Lichte der Besonderheiten derartiger Unternehmen betrachtet werden. Die Fortführungsfähigkeit muss im Sinne des § 19 InsO überwiegend, also zu mehr als 50% wahrscheinlich sein; maßgeblich sei also, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken. Das OLG knüpft damit die Fortführungswahrscheinlichkeit an die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsfähigkeit an.

Als Grundlage dieser Beurteilung fordert es allerdings eine nachvollziehbare, realistische (Finanz-)Planung mit einem operativen Konzept, das die in den Blick genommene Etablierung der Geschäftsidee eines Start-Up-Unternehmens erfolgversprechend erscheinen lasse. Denn eine mittelfristige Liquiditätssicherung werde in der Regel nur dann erreicht, wenn durch das operative Geschäft auf Dauer ausreichend eigene Erträge erzielt werden könnten. Die bloße Darstellung von Zahlen reiche hierfür folglich nicht aus. Vielmehr sei die Liquiditätsplanung ständig an die tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Soweit hierbei auf Finanzierungszusagen Dritter rekurriert werde, müsse der Nachweis erbracht werden, dass die Planungen diesen zur Kenntnis gebracht worden seien und sie ihre Finanzierungszusagen aufrechterhalten haben.

Diese Nachweise habe der Beklagte nicht erbracht. Seine entsprechenden Behauptungen wurden von dem auch hierzu als Zeugen vernommenen Investor nicht bestätigt.

Trotz der wie dargestellt reduzierten Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose konnte sich das OLG Düsseldorf nicht von deren Vorliegen überzeugen und verurteilte den Beklagten dem Klageantrag entsprechend.

Eine weitere Besonderheit des Falles musste das OLG Düsseldorf bei der Entscheidung berücksichtigen. V hatte als Geschäftsführer, wie oben erwähnt, nicht nur Zahlungen vom kreditorisch geführten Konto geleistet, sondern zu Zeiten, in denen dieses im Soll geführt wurde, Forderungen der Schuldnerin hierauf eingezogen. Die Summe dieser Buchungen ergab den Klagebetrag von 55.000 €. Auf den ersten Blick erscheint es befremdlich, den Forderungseinzug als „Zahlung“ zu interpretieren. Verdeutlicht man sich jedoch, dass bei debitorischem Konto der Bankkredit reduziert wird, stellt sich der Forderungseinzug wirtschaftlich als Zahlung an einen einzelnen Gläubiger, nämlich die Bank, dar, was es nach der Rechtsprechung des BGH rechtfertigt, ihn als solche zu behandeln und die Erstattungspflicht hierauf zu erstrecken.

Parallele Wertungen im Insolvenzanfechtungsrecht

Die Modifizierung der Voraussetzungen einer positiven Fortführungsprognose im Rahmen des § 19 InsO korrespondiert mit der Rechtsprechung des BGH zu den Anforderungen, die bei der Insolvenz von Start-Up-Unternehmen an die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes im Sinne des Insolvenzanfechtungstatbestands des § 133 InsO gestellt werden (BGH, Urteil vom 05.03.2009 – IX ZR 85/07). Danach gilt: Überträgt der Gründer eines Unternehmens der finanzierenden Bank nahezu das gesamte Vermögen zur Sicherung ihrer Kredite, handelt er auch dann nicht mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn seine Hoffnung, die Gründung werde erfolgreich sein, objektiv unberechtigt ist. Der BGH stellt damit auch insoweit auf die besondere Situation von Start-Up-Unternehmen ab.

Liegt eine steuerrechtliche Organschaft vor, wird die Organgesellschaft steuerrechtlich nicht mehr als Steuersubjekt behandelt, die steuerrechtliche Verantwortung für die Organgesellschaft lastet vielmehr auf dem Organträger, das heißt, die durch die Organgesellschaft verursachten Steuern werden als Steuern des Organträgers behandelt. Im Umsatzsteuerrecht steht ihm allerdings auch der Vorsteuerabzug zu. Es ist daher sehr wichtig, eine Organschaft zu erkennen und entsprechende Steuererklärungen und – voranmeldungen abzugeben. Die Verkennung der Organschaft, aber auch ihre unzutreffende Annahme können weitreichende Folgen nach sich ziehen, insbesondere, aber nicht nur, wenn im sog. Organkreis ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, sei es über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft.

Kursorische Übersicht über die Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft, die nicht mit der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nach §§ 14 ff. Körperschaftsteuergesetz (KStG) verwechselt werden darf, ist in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt.

Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird danach nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

Schlagwortartig zusammengefasst müssen für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein.

Für die finanzielle Eingliederung ist erforderlich, dass der Organträger über eine Kapitalbeteiligung verfügt, die ihm nach Gesetz und Satzung ermöglicht, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen, im Regelfall also mehr als 50 % der Anteile.

Da der umfassend vorinformierte und deshalb nicht beratungsbedürftige Mandant in der Rechtswirklichkeit die Ausnahme bildet, hat der Rechtsanwalt immer von der Beratungsbedürftigkeit auszugehen. Dies gilt selbst gegenüber rechtlich vorgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Mandanten, auch sogar gegenüber Rechtsanwälten als Mandanten. Der anwaltlich vertretene Mandant hat Anspruch darauf, dass er die erforderliche Beratung erhält. Er muss die Beratung nicht durch eigene Überlegungen ersetzen und erst recht keinen weiteren Berater hinzuziehen. Die Beratungsbedürftigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil der Mandant von sich aus in der Lage wäre, die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Der Rechtsanwalt darf deshalb nur dann von einer (weiteren) Beratung des Mandanten absehen, wenn er positiv weiß, dass dieser über die erforderlichen Informationen bereits verfügt.

Die wirtschaftliche Eingliederung setzt voraus, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint, weil ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist.

Dieorganisatorische Eingliederung folgt nicht notwendig aus der finanziellen, viel-mehr wird verlangt, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft wirklich wahrgenommen wird. Der Abhängigkeitsvermutung des § 17 AktG kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Nach der seit einigen Jahren herrschenden Rechtsprechung ist erforderlich, dass der Organträger seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann.

Die neuen Entscheidungen
„Juristische Person“ als Organgesellschaft

Die erste Neuerung betrifft die Anforderungen an die Beteiligten des Organkreises, genauer an die Organgesellschaft. Der Gesetzeswortlaut ist hier eindeutig, Organgesellschaft kann nur eine juristische Person sein (vor allem eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH). Dennoch gibt es seit längerer Zeit Bestrebungen, auch Personenhandelsgesellschaften, also OHG und KG hierunter zu fassen. Im speziellen Fall der sogenannten Personenhandelsgesellschaft mit einer „kapitalistischen Struktur“ (etwa eine GmbH & Co. KG) hatte der BFH diesen Forderungen schon früher nachgegeben, dabei allerdings vorausgesetzt, dass neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Diese Anforderung gibt der BFH mit dem Urteil vom 16.03.2023 jetzt auf. Eine Personenhandelsgesellschaft mit einer „kapitalistischen Struktur“ kann daher auch Organgesellschaft sein, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind. Das betrifft sowohl juristische wie natürliche Personen als Gesellschafter.

Die erforderliche Kapitalbeteiligung
Das Gesetz verlangt eine Beteiligung des Organträgers am Kapital der Organgesellschaft von mehr als 50 %, grundsätzlich genügt somit eine exakt fünfzigprozentige Beteiligung nicht. Mit dem Urteil vom 18.01.2023 macht der BFH auch hiervon eine Ausnahme, allerdings ist auch dieser Fall sehr speziell.

Ausgehend von der Überlegung, dass die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger diesem die Durchsetzung seines Willens in der Organgesellschaft ermöglichen soll, beharrt der BFH schon bisher nicht auf der Voraussetzung einer Beteiligung von mehr als 50 %; weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab, ist nämlich auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Verfügt der Organträger über mehr als 50 % der Stimmrechte, so genügt dies, da er auch so seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Daran anknüpfend gilt nach dem neuen Urteil nunmehr: Eine finanzielle Eingliederung kann auch dann vorliegen, wenn die erforderliche Willensdurchsetzung dadurch gesichert ist, dass der Gesellschafter (Organträger) zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, er aber eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt. Da der Organträger in der Gesellschafterversammlung hier nicht überstimmt werden kann, reicht die Einflussnahme auf den von ihm gestellten Geschäftsführer aus, um seinem Willen bei Stimmengleichheit zum Durchbruch zu verhelfen, meint der BFH.

Aspekte der wirtschaftlichen Eingliederung
Auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Eingliederung scheint der Wortlaut des Gesetzes recht eindeutig. Die Organgesellschaft muss in das Unternehmen des Organträgers wirtschaftlich eingegliedert sein. Bei genauerer Betrachtung fordert das Gesetz aber nicht, dass die Eingliederung auf der unmittelbaren Beziehung zwischen Organgesellschaft und Organträger beruhen muss, sondern weiter zu fassen ist. Gibt es etwa neben der (potenziellen) Organgesellschaft weitere Organgesellschaften, die sich wirtschaftlich ergänzen, kann für die Organschaft ausreichend sein, dass eine Verflechtung dieser Gesellschaften im Organkreis gegeben ist. Nach der Rechtsprechung ist allerdings ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen erforderlich, wobei die Tätigkeiten in diesen Bereichen zumindest aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen müssen.

Dem Urteil vom 11.05.2023 lag dabei folgender Fall zugrunde: Die Klägerin, eine GmbH, meinte, in das Einzelunternehmen des G, dessen Gegenstand der Erwerb von Immobilienvermögen war, auch wirtschaftlich eingeordnet zu sein, was das Finanzamt in Abrede stellte.

Die Klägerin war Teil der „V-Gruppe“, der mehrere Kapitalgesellschaften sowie eine KG angehörten und die Dienstleistungen im Immobilienbereich anbot. Hierzu gehörten neben der Sanierung und dem Neubau von Wohn- und Geschäftshäusern die Finanzierungsberatung von Anlegern und Eigentümern, die Vermittlung, Vermarktung, Vermietung und Verwaltung von Objekten sowie die Projektentwicklung, wobei jede Gesellschaft ihren eigenen Geschäftsbereich hatte. Die KG trat als Spitze der Unternehmensgruppe auf. Zur Geschäftstätigkeit der Klägerin gehörte unter anderem die Verwaltung von Mieteinheiten, die sich auf zwölf mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken befanden, die im Eigentum des G standen. Zudem mietete die Klägerin Büroräume von einer GbR, an der G zu 95 % beteiligt war. Der BFH, ein Revisionsgericht, das erstinstanzliche Urteile ausschließlich auf Rechtsfehler hin untersucht, sah sich auf der Basis dieses vom Finanzgericht in erster Instanz festgestellten Sachverhalts nicht in der Lage zu entscheiden, ob eine ausreichende Verflechtung der Klägerin mit den anderen Gesellschaften bestand, die es gerechtfertigt hätte, eine wirtschaftliche Eingliederung in das Unternehmen des G anzunehmen. Er hat die Sache daher aufgehoben und an das Finanzgericht zu neuerlicher Entscheidung zurückverwiesen.

Zum Umfang der anwaltlichen Beratungspflicht
Führt die anwaltliche Beratung nicht das vom Mandanten gewünschte Ergebnis herbei, kommt es nicht selten zu einem zweiten Rechtsstreit, nämlich über die Haftung des Rechtsanwalts wegen mangelhafter Beratung. So auch vorliegend.

Der BGH stellt seiner Entscheidung in der Sache einen kurzen Überblick über einige Aspekte der Beratungspflichten eines Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten voran:

Amtliche Leitsätze der Entscheidung:
1. Der Rechtsanwalt ist im Grundsatz gehalten, den Mandanten in die Lage zu versetzen, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Abschluss eines Vergleichs zu treffen; hierzu hat er den Mandanten über die Vor- und Nachteile des Vergleichs zu beraten.

2. Die Beratungsbedürftigkeit des Mandanten entfällt erst dann, wenn der Mandant aus anderen Gründen über die Vor- und Nachteile des Vergleichs im Bilde ist; dies hat der Rechtsanwalt darzulegen und zu beweisen.

Grundsatz der umfassenden Beratungspflicht:
Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige Mandanten muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist.

Einschränkungen des Grundsatzes der umfassenden Beratungspflicht:
Nicht jeder Mandant ist beratungsbedürftig. Das gilt auch im Fall der beabsichtigten Beendigung einer Rechtsangelegenheit durch Vergleich. Ist der Mandant aus anderen Gründen über die Vor- und Nachteile im Bilde und deshalb in der Lage, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Vergleich zu treffen, bedarf es keiner (zusätzlichen) Beratung durch den Rechtsanwalt.

Da der umfassend vorinformierte und deshalb nicht beratungsbedürftige Mandant in der Rechtswirklichkeit die Ausnahme bildet, hat der Rechtsanwalt immer von der Beratungsbedürftigkeit auszugehen. Dies gilt selbst gegenüber rechtlich vorgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Mandanten, auch sogar gegenüber Rechtsanwälten als Mandanten. Der anwaltlich vertretene Mandant hat Anspruch darauf, dass er die erforderliche Beratung erhält. Er muss die Beratung nicht durch eigene Überlegungen ersetzen und erst recht keinen weiteren Berater hinzuziehen. Die Beratungsbedürftigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil der Mandant von sich aus in der Lage wäre, die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Der Rechtsanwalt darf deshalb nur dann von einer (weiteren) Beratung des Mandanten absehen, wenn er positiv weiß, dass dieser über die erforderlichen Informationen bereits verfügt.

Beweislast für umfassende Vorinformation des Mandanten:
Behauptet der Rechtsanwalt im Regressprozess, der Mandant sei umfassend informiert und deshalb nicht beratungsbedürftig gewesen, trifft ihn insoweit die Beweislast.

Der notwendige Beratungsinhalt:
Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-)Entscheidungen in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Dazu muss sich der Anwalt über die Sach- und Rechtslage klarwerden und diese dem Auftraggeber verständlich darstellen. Der Mandant benötigt, insbesondere wenn er juristischer Laie ist, nicht unbedingt eine vollständige rechtliche Analyse, sondern allein die Hinweise, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage liefern. Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen.

Beratungspflicht bei beabsichtigtem Vergleichsschluss:
Zu den entscheidenden Weichenstellungen in einer Rechtsangelegenheit zählt die Frage, ob diese durch einen Vergleich beendet werden soll. Auch hier muss der Mandant in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dazu bedarf es in aller Regel einer anwaltlichen Beratung, deren Art und Umfang nicht generell abstrakt festgelegt werden kann. Die konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmen vielmehr, in welcher Art und in welchem Umfang der Mandant zu beraten ist.

Um eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Abschluss eines Vergleichs treffen zu können, muss der Mandant insbesondere um die Vor- und Nachteile einer (vorzeitigen) Beendigung seiner Rechtsangelegenheit durch Vergleich wissen. Eine Beendigung der Angelegenheit durch Vergleich kann für den Mandanten derart nachteilig sein, dass der Rechtsanwalt vom Vergleichsschluss abzuraten hat.

Die Frage, ob der Rechtsanwalt über die Vor- und Nachteile eines Vergleichs zu beraten hat, ist unabhängig vom vorgesehenen Inhalt des Vergleichs. Ist der Mandant über die Vor- und Nachteile des Vergleichs nicht bereits aus anderen Gründen im Bilde, muss er in jedem Fall entsprechend beraten werden. Zwar kann ein Abfindungsvergleich besondere Risiken für den Mandanten mit sich bringen. Das bedeutet aber nicht, dass der Mandant nicht oder nur in abgeschwächtem Maße über die Vor- und Nachteile eines Vergleichs zu beraten ist, der keine Abfindungsregelung enthält. Der notwendige Beratungsaufwand wächst mit der Komplexität des vorgesehenen Vergleichs und dessen (Abfindungs-)Folgen.

Der zu entscheidende Fall
Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Anspruch. Er wirft ihm vor, über die Folgen eines (Abfindungs-)Vergleichs nicht ordnungsgemäß beraten zu haben. Dem liegt der folgende Ausgangsrechtsstreit zugrunde:

Der Kläger beauftragte einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb (im Folgenden: Betrieb) mit Drainage- und Abdichtungsarbeiten an seinem Hausgrundstück. Nach Durchführung der Arbeiten bemängelte er Feuchteschäden am Haus und beauftragte einen Privatsachverständigen, der ein Gutachten erstellte, und den jetzt beklagten Rechtsanwalt. Letzterer leitete ein selbstständiges Beweisverfahren ein, das allein der Tatsachenfeststellung dient und nicht zu einem Urteil führt. Das Gericht bestellte ebenfalls einen Sachverständigen, der einen ersten Ortstermin durchführte, in dem er sich ein äußerliches Bild von den Gegebenheiten machte. Aufgrabungen zu einer näheren Begutachtung des Werks des Betriebs wurden nicht vorgenommen. Im Anschluss an den ersten Ortstermin erstellte der Sachverständige einen Zwischenbericht, in dem er mit hoher Wahrscheinlichkeit Arbeiten an der Drainage für erforderlich hielt und darauf hinwies, dass ein Teil der Mängelbeseitigungskosten Sowieso-Kosten sein könnten, die im Rahmen der Mängelbeseitigung nicht vom Unternehmer zu tragen sind.

Anlässlich eines zweiten Ortstermins (Teilnehmer aufseiten des Klägers: der Kläger, der Privatsachverständige und der Rechtsanwalt) stand ein Bagger bereit, mit dessen Hilfe die erforderlichen Aufgrabungen vorgenommen werden sollten. Noch vor Beginn dieser Arbeiten wurde ein durch gerichtlichen Beschluss bestätigter Vergleich geschlossen, durch den sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertrag über die Drainage- und Abdichtungsarbeiten abgegolten und erledigt sein sollten.

Der Kläger behauptet im vorliegenden Regressprozess gegen den Rechtsanwalt, die tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten betrügen mehr als das Vierfache der Vergleichssumme von 55.000 €. Er verlangt von seinem Rechtsanwalt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen Vergleichssumme und Mängelbeseitigungskosten.

Die Klage hatte weder vor dem Land- noch dem Oberlandesgericht in der Berufung Erfolg. Auf die Revision des Klägers hat der BGH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidungsgründe
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze meint der BGH, das Berufungsgericht hätte aufklären müssen, ob der Rechtsanwalt den Kläger über den Inhalt des Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltungsklausel beraten hatte. Dies habe es unterlassen. Anders als das Berufungsgericht sieht der BGH im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses Prognoseschwierigkeiten über den notwendigen Umfang und die Kosten der Mängelbeseitigung und der vom Kläger selbst zu tragenden Sowieso-Kosten. Es habe nicht einmal eine konkrete Vorstellung über die Kosten gegeben. Der Rechtsanwalt hätte den Kläger umfassend über die sich hieraus ergebenden Risiken beraten müssen, insbesondere darüber, dass die Kosten weit über 55.000 € liegen könnten. Der beklagte Rechtsanwalt habe auch nicht ausreichend dargelegt, dass der Kläger auch ohne Beratung über die Risiken im Bilde gewesen sei. Erforderlich dafür wäre die Kenntnis des Klägers darüber, dass er möglicherweise einen ganz erheblichen Teil der Mangelbeseitigungskosten selbst zu tragen haben würde. Zu einer solchen Kenntnis hatte das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

Nach der Zurückverweisung wird das Oberlandesgericht die bisher nicht getroffenen Feststellungen nachzuholen und eine neue Entscheidung zu treffen haben.

Das Amt des Geschäftsführers einer GmbH ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies gilt nicht nur für das operative Geschäft der Gesellschaft, vielmehr hat der Geschäftsführer stets die finanzielle Lage zu überwachen, um gegebenenfalls Krisen zu erkennen und, wenn sie sich nicht innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Fristen beseitigen lassen, zur Vermeidung der eigenen persönlichen Haftung und Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung, einen Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft zu stellen.

Ungemach droht dem Geschäftsführer allerdings auch, wenn er die steuerlichen Pflichten, die ihm die Abgabenordnung für die Gesellschaft auferlegt, nicht erfüllt. Nach § 35 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch den Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Als gesetzlicher Vertreter der GmbH hat er deshalb gemäß § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden und Steuererklärungen vollständig, richtig und rechtzeitig abgegeben und unzutreffende berichtigt werden. Verletzt er diese Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig, kann ihn das Finanzamt nach § 69 AO durch Haftungsbescheid nach § 191 AO in Haftung nehmen, wenn Steuern in Folge der Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet werden. Unter Umständen kommt die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO hinzu.

Der zu entscheidende Fall
Der Kläger und Revisionskläger war in der Zeit zwischen 2002 und 2012 alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Faktischer Geschäftsführer der GmbH, also derjenige, der die Geschäfte tatsächlich führte, war allerdings der Sohn des Klägers, B, der formal als Prokurist der GmbH angestellt war. Zudem war der Kläger zu 90 % an der GmbH beteiligt. Die übrigen 10 % der Gesellschaftsanteile hielt sein Enkelsohn, C. Dieser übernahm 2012 auch die Geschäftsführung der GmbH.

Ab dem Jahr 2010 führte die Steuerfahndung Oldenburg bei der GmbH eine Fahndungsprüfung durch. Diese kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger und sein Sohn, B, in der Zeit von 2007 bis 2011 Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer verkürzt hätten. Dabei habe der Kläger in Kenntnis aller Umstände zumindest geduldet, dass sein Sohn als faktischer Geschäftsführer 67 Scheinrechnungen tatsächlich nicht existierender Firmen und 34 beleglose Buchungen für angebliche Wareneinkäufe und Fremdleistungen in die Buchführung der GmbH eingestellt und zur Grundlage der jeweiligen Jahressteuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen gemacht habe. Tatsächlich hätten diesen Rechnungen jedoch keine realen Leistungen zugrunde gelegen.

Das Finanzamt erließ in der Folge der Betriebsprüfung entsprechende Änderungsbescheide gegenüber der GmbH. Die ursprünglichen Steuerbescheide hatten auf den unzutreffenden Steuererklärungen der GmbH beruht. Diese Änderungsbescheide sind bestandskräftig.

Gegen den Kläger wurde wegen Steuerhinterziehung ein Strafverfahren eingeleitet, das allerdings gegen Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Der Sohn des Klägers wurde wegen Steuerhinterziehung und weiterer Delikte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Im Strafverfahren hatte er eingeräumt, dass es sich bei den von der Steuerfahndung aufgegriffenen Rechnungen um „Scheinrechnungen“ gehandelt habe. Ebenfalls verurteilt wurde der Rechnungsaussteller, der eingeräumt hatte, auf Veranlassung des Sohnes des Klägers und nach dessen Vorgaben die Scheinrechnungen ausgestellt zu haben.

Über das Vermögen der GmbH wurde im Jahr 2013 auf Antrag des Finanzamts das Insolvenzverfahren eröffnet.

Das Finanzamt nahm den Kläger wegen Steuerschulden der GmbH nach § 69 AO in Verbindung mit § 34 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch. Seinen Einspruch wies das Finanzamt zurück. Mit seiner Klage blieb er vor dem Finanzgericht Münster ohne Erfolg. Auch mit seiner Revision konnte der Kläger nicht durchdringen.

Der Kläger hatte sich unter anderem darauf gestützt, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Er meinte, auch ein sorgfältig handelnder Geschäftsführer hätte nicht erkennen können, dass Scheinrechnungen und beleglose Buchungen in die Buchführung eingestellt worden seien. Zudem wäre er aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und insbesondere aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht in der Lage gewesen, Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen.

Die Entscheidungsgründe
Der BFH stellt seinem Beschluss folgenden Leitsatz voraus:

„Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.“

Diese auf der bisherigen Rechtsprechung des BFH beruhende Entscheidung wird im Einzelnen wie folgt begründet: Der Kläger habe durch die Abgabe unrichtiger Steuerklärungen, teilweise auch die Nichtabgabe von Steuererklärungen seine aus § 34 Abs. 1 AO beruhenden Pflichten verletzt. Er habe dabei auch mit der von § 69 AO vorausgesetzten groben Fahrlässigkeit gehandelt. Hier gelte die prozessrechtliche Besonderheit, dass die objektive Pflichtverletzung das notwendige Verschulden indiziere. Das wiederum bedeute für den in Haftung Genommenen, hier den Kläger, dass er das durch die objektive Pflichtverletzung indizierte Verschulden entkräften muss.

Der Kläger hatte sich hierfür zunächst darauf berufen, seinem Sohn die Geschäftsführungsaufgabe überlassen zu haben. Der BFH folgt dieser Argumentation nicht. Grundsätzlich brauche ein Geschäftsführer die steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft zwar nicht selbst zu erledigen, sondern dürfe sie anderen Personen übertragen. Der Geschäftsführer dürfe aber nur innerhalb gewisser Grenzen der Redlichkeit seiner Hilfspersonen, hier der Sohn des Klägers, Vertrauen schenken, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen wolle. Er sei daher verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der steuerlichen Pflichten übertrage, sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen. Er müsse sich insbesondere ständig so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen könne und ihm ein Fehlverhalten des beauftragten Dritten rechtzeitig erkennbar werde. Mangelhafte Überwachung der zur Pflichterfüllung herangezogenen Personen sei regelmäßig als grob fahrlässige Pflichtverletzung einzustufen, wenn auch die notwendigen Überwachungsmaßnahmen weitgehend von den Umständen des Einzelfalls abhingen. Die Anforderungen seien umso höher, je weniger sich der Geschäftsführer ein auf Tatsachen gegründetes Urteil darüber bilden konnte, ob die hinzugezogene Person die notwendige Gewähr der zuverlässigen Erledigung biete.

Der Kläger konnte sich auch mit der Auffassung nicht durchsetzen, das Verschulden entfalle, weil er nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, sei es seiner Unfähigkeit oder seinem Alter geschuldet. Wie im Leitsatz formuliert, könne sich niemand auf eigens Unvermögen berufen. Wer die Stellung eines Geschäftsführers nominell und formell übernehme, hafte, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit gemacht werden könne, nach § 69 AO grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben nachzukommen. So könne sich ein Geschäftsführer nicht damit entschuldigen, dass in Wirklichkeit zum Beispiel der Ehepartner die Geschäftsführung innehatte. Ebenso wenig entschuldige, dass der Betreffende als Strohmann oder Strohfrau nur vorgeschoben worden sei.

Vorliegend habe der Kläger die faktische Geschäftsführung durch seinen Sohn geduldet, sich um die GmbH nicht gekümmert und auch keinerlei Überwachungsmaßnahmen ergriffen. Er habe sich deshalb auch nicht darauf berufen können, dass für einen sorgfältigen Geschäftsführer die Manipulationen des B ebenfalls nicht erkennbar gewesen seien. Ein solcher hätte schon die faktische Geschäftsführung nicht geduldet oder für ausreichende Überwachung gesorgt. Zudem hätte der Kläger „durch einen Blick in die Buchführung“ die beleglosen Buchungen erkennen können.

Die Forderungsanmeldung
Wer im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine vermögensrechtliche Forderung – in erster Linie ist das ein Anspruch auf Zahlung von Geld - gegen den Insolvenzschuldner hat, kann diesen nicht mehr selbst durchsetzen, sondern muss seine Forderung zur Insolvenztabelle schriftlich unter Beifügung geeigneter Belege anmelden. Häufig stellen die Insolvenzverwalter hierfür Formulare auf einer Website zur Verfügung. Das Insolvenzgericht bestimmt für die Forderungsanmeldung eine Frist.

Ferner setzt das Insolvenzgericht einen sogenannten Prüfungstermin an, an dem neben dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner alle Insolvenzgläubiger oder ihre Vertreter teilnehmen können. In diesem Termin muss der Insolvenzverwalter erklären, welche der angemeldeten Forderungen er anerkennt und welche er bestreitet. Auch jeder einzelne Gläubiger hat das Recht der Forderung eines anderen zu widersprechen. Die nicht bestrittenen Forderungen stellt das Gericht zur Tabelle fest, sie nehmen später an der Auszahlung der Quote teil.

Bestrittene Forderungen werden dagegen jedenfalls zunächst nicht zur Tabelle festgestellt. In der Tabelle wird der Widerspruch vermerkt. Der Gläubiger hat aber die Möglichkeit, gegen den Bestreitenden eine sogenannte Tabellenfeststellungsklage zu erheben. Ist die angemeldete Forderung dagegen tituliert, liegt etwa ein vollstreckbares Urteil oder ein Vollstreckungsbescheid vor, bleibt es dem Bestreitenden überlassen, gegen den anmeldenden Insolvenzgläubiger gerichtlich vorzugehen, um das Nichtbestehen der Forderung feststellen zu lassen. Das gilt ebenso, wenn das eine Steuerforderung zur Tabelle anmeldende Finanzamt die Steuer durch Bescheid feststellt, nachdem sie bestritten wurde, oder der Anmeldung eine bereits durch Steuerbescheid festgesetzte Steuerforderung zugrunde liegt, denn auch dies ist eine Titulierung.

Häufig ist der Insolvenzverwalter im Prüfungstermin noch nicht in der Lage, den Bestand oder die Höhe der angemeldeten Forderung abschließend zu beurteilen. Im Allgemeinen erklärt er dann, dass er die Forderung vorläufig bestreitet, und teilt nach Abschluss seiner Ermittlungen mit, ob das Bestreiten endgültig ist oder er die Forderung nachträglich ganz oder teilweise anerkennt. In der Insolvenzordnung ist dieses vorläufige Bestreiten zwar nicht vorgesehen, es entspricht aber einem praktischen Bedürfnis und auch der Handhabung in der Praxis. Rechtlich ist das vorläufige Bestreiten so zu behandeln wie das uneingeschränkte Bestreiten, die (vorläufig) bestrittene Forderung wird also nicht zur Tabelle festgestellt, aber das vorläufige Bestreiten ebenso wie das uneingeschränkt erklärte Bestreiten in der Tabelle vermerkt.

Der zu entscheidende Fall
Im vorliegenden Fall geht es um ein solches vorläufiges Bestreiten, bei dem der Insolvenzverwalter nach Ansicht des klagenden Gläubigers, hier der Freistaat Sachsen, vertreten durch das Finanzamt, Fehler bei der weiteren Abwicklung gemacht haben soll.

Das Finanzamt hatte Steuerforderungen in Höhe von 50.000 € zur Insolvenztabelle angemeldet, die nur in Höhe von 9.000 € zur Tabelle festgestellt wurden, die weitergehende Forderung in Höhe von 41.000 € hatte der beklagte Insolvenzverwalter vorläufig bestritten. Später teilte er dem Finanzamt schriftlich mit, nach nochmaliger Prüfung könne die Forderung mit kleinen Ausnahmen insgesamt anerkannt werden. Das Finanzamt unterließ es deshalb, die Forderung durch Bescheid festzustellen, wie oben beschrieben.

Erst nachdem der Schlusstermin für das Insolvenzverfahren bekannt gemacht worden war, forderte das Finanzamt die Insolvenztabelle an und verlangte von dem Verwalter die Korrektur wegen der Steuerforderung, also die nachträgliche Feststellung zur Tabelle. Dieser lehnte das Ansinnen als rechtlich nicht mehr möglich ab. Da die Steuerforderung folglich bestritten blieb, erhielt das Finanzamt keine Quote zugeteilt, die anderenfalls rund 4.000 € betragen hätte.

Das Finanzamt meint, es habe nur deshalb keinen Feststellungsbescheid erlassen, weil der Verwalter die Forderung anerkannt habe. Er hätte entweder das Insolvenzgericht von der Aufgabe des Bestreitens informieren oder das Finanzamt zur Betreibung der Tabellenberichtigung auffordern müssen. Da er beides nicht getan habe, habe er sich in Höhe der anderenfalls ausgezahlten Quote dem Finanzamt gegenüber persönlich schadenersatzpflichtig gemacht. Diesen Betrag verlangt das Finanzamt mit seiner Klage und stützt sich dabei auf § 60 InsO.

In beiden Vorinstanzen, Amts- und Landgericht, hatte das Finanzamt keinen Erfolg. Das Landgericht hatte jedoch die Revision zugelassen, sodass trotz des geringen Streitwerts das Finanzamt Revision zum BGH einlegen konnte. Diese hatte insoweit Erfolg als der BGH das landgerichtliche Urteil aufhob und die Sache an das Landgericht zurückverwies.

Die Begründung des BGH
Ebenso wie das Finanzamt und entgegen den Vorinstanzen meint der BGH, dass der Insolvenzverwalter sich im Ausgangspunkt persönlich schadenersatzpflichtig gemacht habe. Auch er leitet dies aus § 60 InsO ab. Nach dieser Norm ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten des Insolvenzverfahrens zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen

Zu den Beteiligten des Insolvenzverfahrens gehören zweifelsfrei die Insolvenzgläubiger, hier also auch der durch das Finanzamt vertretene Freistaat Sachsen. Schwieriger ist zu ermitteln, welche Pflichten insolvenzspezifisch sind, sodass ihre Verletzung zu einer Ersatzpflicht nach § 60 InsO führen kann. So werden auch die Pflichten des Verwalters im Zusammenhang mit der Rücknahme des Bestreitens einer Insolvenzforderung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und juristischen Fachliteratur nicht einheitlich beurteilt. Der BGH hatte die Frage bisher noch nicht entscheiden müssen. Vertreten wird auf der einen Seite, der Insolvenzverwalter müsse das Insolvenzgericht zur Berichtigung der Tabelle, in der der Widerspruch noch eingetragen ist, veranlassen. Auf der anderen Seite wird angenommen, der Verwalter müsse den Gläubiger von der Aufgabe des Bestreitens unterrichten. Vertreten wird aber auch, dass der Verwalter zwischen diesen beiden Möglichkeiten wählen könne.

Im Grundsatz schließt der BGH sich der letzten Auffassung an, lässt dem Insolvenzverwalter also die Wahl. Allerdings modifiziert er diese Auffassung maßgeblich. Nehme nämlich der Insolvenzverwalter seinen ursprünglichen Widerspruch zurück, werde die Insolvenztabelle unrichtig, der Verwalter habe deshalb alles dafür zu tun, dass durch den Vermerk der Rücknahme die Tabelle wieder korrekt werde, müsse also auf ihre Berichtigung hinwirken. Entweder er beantrage selbst bei Gericht die Berichtigung oder er weise den Gläubiger auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Antrags an das Gericht hin.

Für den Hinwies an den Gläubiger reiche jedoch nicht die einfache Information über die Rücknahme, die der Verwalter vorliegend allein erteilt hatte. Er hafte deshalb grundsätzlich nach § 60 InsO gegenüber dem durch das Finanzamt vertretenen Freistaat Sachsen.

Der BGH konnte den Fall allerdings nicht abschließend entscheiden, da das Berufungsgericht – aus seiner Sicht konsequent – ein Mitverschulden des Finanzamts, das dem Freistaat zuzurechnen wäre, nicht geprüft hatte. Eine solche Tatsachenprüfung ist dem BGH als reiner Rechtsinstanz verwehrt. Der BGH macht keine Ausführungen dazu, worin er ein Mitverschulden des Finanzamts erblickt. Naheliegend wäre zu berücksichtigen, dass das Finanzamt sich über mehrere Jahre um seine Forderung nicht gekümmert und erst nach Einreichung des Schlussberichts des Verwalters Informationen aus der Tabelle verlangt hat. Von erheblichem Gewicht dürfte sein, dass das Finanzamt die Mittelung des Verwalters über die Rücknahme des Widerspruchs nicht zum Anlass genommen hat, sich zu erkundigen, ob dieser auch für die Berichtigung der Tabelle gesorgt hatte. Dabei wird auch die Wertung des § 183 Abs. 2 InsO zu berücksichtigen sein, der es für den Fall des Obsiegens des Gläubigers im Feststellungsprozess diesem überlässt, die Berichtigung der Tabelle bei Gericht zu beantragen. Zwar gab es hier keinen Feststellungsprozess, die Interessenlage ist aber vergleichbar.

Wohnungsrecht gegen Eigentumsrecht
Die Wohnung ist unverletzlich. Das gilt auch für den Wohnungsmieter. Dieses Gebot des Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) richtet sich wie alle Grundrechte in erster Linie an den Staat, aber zumindest mittelbar über Gerichtsentscheidungen auch an die Bürger, da die Gerichte als staatliche Institutionen durch die Grundrechte gebunden sind.

Aber auch der Vermieter von Wohnraum ist in seinem Eigentumsrecht durch das Grundgesetz geschützt, denn Art. 14 Abs. 1 GG bestimmt: Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

Will der Wohnungseigentümer die vermietete Wohnung veräußern, hat er ein massives Interesse daran, die Wohnung mit Maklern, Kaufinteressenten, Handwerkern und anderen Personen zu betreten. Im Gegensatz dazu möchte der Mieter ungestört sein – im Grundsatz auch den Eigentümer ausschließendes – Besitzrecht an der Wohnung ausüben. Erschwert wird die Situation zusätzlich, dadurch, dass auch das Besitzrecht an der Mietwohnung nach der Rechtsprechung des BVerfG durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt wird.

Ein vergleichbarer Interessengegensatz ergibt sich auch, wenn der Vermieter während des Laufs der Kündigungsfrist bereits mit neuen Mietinteressenten oder Maklern die noch vermietete Wohnung besichtigen möchte.

Zur Vermeidung von Streitigkeiten finden sich in vielen Fällen bereits vertraglich geregelte Zutrittsrechte für den Vermieter. So hatten auch die Parteien im vorliegenden Fall in § 14 des Mietvertrags das Recht zum Betreten der Mieträume geregelt:

Dem Vermieter oder seinem Beauftragten oder beiden steht aus besonderem Anlass (insbesondere im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses zwecks anderweitiger Vermietung oder bei beabsichtigtem Verkauf der Mietsache) die Besichtigung der Mieträume zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung an Werktagen (auch samstags) frei.

Zudem bestätigt der BGH im vorliegenden Urteil seine frühere Rechtsprechung, wonach eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht zur Duldung der Besichtigung aus dem Mietvertrag besteht, selbst wenn eine solche vertraglich gar nicht geregelt ist. Er leitet diese Nebenpflicht aus § 242 BGB ab. Die Vorschrift bestimmt, dass die Parteien ihre beiderseitigen Leistungen nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erbringen haben.

Trotz dieser oder einer vergleichbaren Regelung im Vertrag und trotz der allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht kommt es doch immer wieder zum Streit über das Besichtigungsrecht des Vermieters, so auch in diesem sehr speziellen Fall.

Der zu entscheidende Fall
Die Wohnung ist unverletzlich. Das gilt auch für den Wohnungsmieter. Dieses Gebot des Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) richtet sich wie alle Grundrechte in erster Linie an den Staat, aber zumindest mittelbar über Gerichtsentscheidungen auch an die Bürger, da die Gerichte als staatliche Institutionen durch die Grundrechte gebunden sind.

Zur Begründung verwies sie auf ihre schwerwiegende psychische Erkrankung. Ein später vom Landgericht in der Berufungsinstanz eingeholtes psychologisches Sachverständigengutachten ergab ein komplexes, seit über 20 Jahren bestehendes psychisches Störungsbild mit depressiven Verstimmungszuständen, Ängsten, Zwängen und dissoziativen Störungen. Die Mieterin war in dieser Zeit in teilweise stationärer Behandlung und unternahm mehrere Suizidversuche. Der Sachverständige befand, dass trotz andauernder fachärztlicher Behandlung im Falle ihrer Verurteilung sowie bei Vollstreckung eines Urteils, das dem Vermieter die Besichtigung ermögliche, ein hohes Risiko von selbstschädigenden Handlungen bis hin zum vollendeten Suizid bestehe. Der ohnehin schlechte Zustand drohe sich noch weiter zu verschlechtern. Die Mieterin empfinde ihre Wohnung als Rückzugs- und Schutzraum.

Nachdem das Amtsgericht die Mieterin in erster Instanz verurteilt hatte, den genannten Personen (maximal zwei) werktags zwischen 10.00 und 18.00 Uhr mit einer Woche Ankündigungsvorlauf für die Dauer von höchstens 45 Minuten Zutritt zu gewähren, wies das Landgericht auf die Berufung der Mieterin unter Berücksichtigung des Gutachtens die Klage ab.

Die Revision des Vermieters hatte Erfolg. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.

Die Begründung des BGH
Dieses Ergebnis der Revisionsinstanz erscheint zunächst etwas überraschend, zumal der BGH die gesamten Urteilsgründe des Landgerichts für zutreffend erachtet. Unter Berücksichtigung des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG stehe dem Vermieter grundsätzlich das von ihm wegen der geplanten Veräußerung geforderte Besichtigungsrecht zu. Die Einschränkung des ebenfalls durch Art. 14 GG geschützten Besitzrechts der Mieterin und ihr Interesse, gemäß Art. 13 GG in der Wohnung „in Ruhe gelassen zu werden“, sei im Regelfall geringfügig und müsse hinter dem berechtigten Interesse des Vermieters zurücktreten.

Unter besonderen Umständen, wie sie im konkreten Fall vorliegen, muss in die Interessenabwägung jedoch ein weiteres Interesse des Mieters einbezogen werden, nämlich das durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das von den Gerichten verlangt, Beweisangeboten besonders sorgfältig nachzugehen und bei der Interessenabwägung besondere Rücksicht auf die der einen Partei drohenden Gefahren zu nehmen. Deshalb hatte das Landgericht richtigerweise das psychiatrische Gutachten eingeholt und überwiegend zutreffend bei der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung gewürdigt.

Dabei hatte es den besonders gravierenden Krankheitszustand der Mieterin ebenso im Blick wie die zwanzigjährige im Ergebnis nicht sehr erfolgreiche Therapie, auch hatte es berücksichtigt, dass eine zukünftige Besserung des Zustands äußerst unwahrscheinlich war. Auf der anderen Seite hatte es nicht übersehen, dass das geschilderte Krankheitsbild unter Umständen zu einem dauerhaften Entzug des Besichtigungsrechts führen könnte, dem aber auch entgegengehalten, dass, wenn auch mit Einschränkungen, eine Veräußerung ohne Besichtigung möglich sei und zumindest zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Preisverfall auf dem Wohnungsmarkt nicht drohte. Zugunsten der Mieterin lehnte das Landgericht eine temporäre Unterbringung der Mieterin in einer psychiatrischen Einrichtung zutreffend als unverhältnismäßig ab.

Diese Abwägung des Landgerichts hält auch der BGH in der Begründung und im Ergebnis für richtig. Das Landgericht hatte aber bei seinen Überlegungen die Ansicht des Sachverständigen nicht einbezogen, das Risiko gesundheitlicher Komplikationen lasse sich verringern, wenn die Mieterin sich von einer Vertrauensperson beziehungsweise einem Rechtsanwalt vertreten lasse, weil es fälschlich annahm, der Sachverständige hätte dies nur im Fall einer zuvor eingetreten Besserung des Gesundheitszustands in Erwägung gezogen.

Dieser Fehler in der Sachverhaltsermittlung führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. In der jetzt anstehenden neuerlichen Berufungsinstanz wird das Landgericht den Widerspruch in den Ausführungen des Sachverständigen aufzuklären haben, der einerseits bereits die Verurteilung der Mieterin als lebensbedrohlich eingeschätzt, andererseits aber ein vermindertes Risiko bei einer Besichtigung attestiert hatte, wenn die Mieterin sich durch eine Vertrauensperson vertreten lasse. Hierzu wird der Sachverständige ergänzend befragt werden müssen.

BGH, Beschluss vom 02.03.2023 – V ZB 64/21
Ein Grundstück, sei es Hausgrundstück, eine Gewerbeimmobilie oder landwirtschaftliche Nutzfläche, stellt im Allgemeinen einen erheblichen Vermögenswert dar, auf den Gläubiger säumiger Schuldner gern zugreifen. Grundstücke werden zudem als Kreditsicherheiten eingesetzt. Der Wert des Grundstücks als Zugriffs- oder Sicherungsobjekt sinkt, wenn es dinglich, durch Eintragung im Grundbuch belastet ist. Neben den in der Abteilung III. des Grundbuchs einzutragenden Sicherungsrechten, etwa eine Grundschuld, eine Hypothek oder auch eine in der Zwangsvollstreckung einzu-tragende Zwangssicherungshypothek, gibt es weitere nicht so bekannte Rechte, die in der Abteilung II. des Grundbuchs vermerkt werden. Hierzu gehören Wege- oder Überbaurechte, aber auch die sogenannten beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten.

Nach § 1190 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann. Eine besondere Form der be-schränkten persönlichen Dienstbarkeit ist das in § 1093 BGB geregelte Wohnungsrecht. Es gestattet dem Wohnungsberechtigten, ein Gebäude oder einen Teil hiervon unter Ausschluss des Eigentümers zu benutzen. Der Berechtigte ist befugt, seine Familie sowie die (das BGB trat 1900 in Kraft) zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in der Wohnung aufzunehmen. Das Wohnungsrecht kann unentgeltlich und auf Lebenszeit des Berechtigten eingeräumt werden, es ist nicht übertragbar und kann einem anderen nur dann zur Ausübung überlassen werden, wenn dem Berechtigten dies ausdrücklich gestattet wird. Für Wohnungseigentum gilt Entsprechendes.

Dass das Wohnungsrecht, das nicht zur Ausübung an Dritte überlassen werden kann, und das gesamte Gebäude oder – bei Wohnungseigentum – die gesamte Wohnung umfasst, die Verwertung des Grundstücks oder des Wohnungseigentums in der Zwangsvollstreckung, also typischerweise durch Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung, und in der Insolvenz erheblich erschwert und häufig wirtschaftlich unmöglich macht, bedarf keiner näheren Erläuterung. Das wäre im Ergebnis immer noch unproblematisch, wenn das Wohnungsrecht selbst gepfändet werden oder in der Insolvenz mit dem Grundstück verwertet werden könnte. Dies ist indessen nicht der Fall, weil § 857 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass unter anderem das Wohnungsrecht, das nicht einem Dritten zur Ausübung überlassen werden kann, der Pfändung nicht unterliegt. Es steht damit für den Zugriff der Gläubiger in der Zwangsvollstreckung nicht zur Verfügung und fällt deshalb nach den insolvenzrechtlichen Regelungen nicht in die Insolvenzmasse. Das bedeutet, dass der Insolvenz-verwalter das Grundstück nur mit der Belastung durch das Wohnungsrecht veräußern kann, Interessenten dürften hierfür im Allgemeinen fehlen. Dasselbe Bild zeigt sich in der Einzelzwangsvollstreckung. Das Grundstück ist faktisch wertlos.

Nach dem gesetzlichen Modell der beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten kann der Eigentümer des Grundstücks ein solches Recht nur einem Dritten einräumen, nicht aber sich selbst. Dennoch hat der Bundesgerichtshof schon 1964 auch die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück für zulässig erachtet. In der Folge ergibt sich hieraus, dass ein Schuldner, der den wirtschaftlichen Wert eines Wohngrundstücks oder eines Wohnungseigentums seinen Gläubigern entziehen möchte, nicht einmal auf das Mittun eines Dritten angewiesen ist. Es scheint sich also um ein perfektes Modell der Gläubigerbenachteiligung zu handeln.

Bisherige Rechtsprechung
Dieser Missstand könnte beseitigt werden, wenn der Insolvenzverwalter mithilfe der Insolvenzanfechtung den Schuldner auf Löschung des Wohnungsrechts in Anspruch nehmen könnte. Diese Möglichkeit versagt ihm der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedoch, weil er jegliche Anfechtung gegenüber dem Schuldner für unzulässig erachtet. Zwar ist der Bundesfinanzhof, der für Anfechtungen des Finanzamts nach dem Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens zuständig ist, hier großzügiger und lässt die Anfechtung auch gegenüber dem Schuldner zu, eine Anglei-chung der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung hat jedoch bislang nicht stattgefunden.

Zumindest in der Insolvenz hielt die Gläubigerbenachteiligung durch Einräumung ei-nes Wohnungsrechts am eigenen Grundstück daher stand.

Der zu entscheidende Fall
Der vorliegend zur Entscheidung berufene V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte – etwas vereinfacht - folgende Situation zu klären. Der spätere Insolvenzschuldner bestellte sich an seinem eigenen werthaltigen Grundstück ein Wohnungsrecht, das nicht zur Ausübung an Dritte überlassen werden konnte. Das Wohnungsrecht wurde im Grundbuch eingetragen. Drei Jahre später wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Verwalter bewilligte und beantragte die Löschung des zugunsten des Schuldners eingetragenen Wohnungsrechts. Seinem Antrag gab das Grundbuchamt statt und löschte das Wohnungsrecht im Grundbuch.

Hiergegen wendete sich der Schuldner mit seiner Beschwerde und mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er blieb in allen Instanzen erfolglos.

Der V. Senat des Bundesgerichtshofs verweist auf seine schon erwähnte Rechtsprechung aus dem Jahr 1964, wonach nicht nur die Eintragung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück zulässig ist, sondern dass in diesem Sonderfall stillschweigend die Gestattung der Überlassung des Wohnungsrecht an Dritte gleichsam automatisch als Inhalt des Wohnungsrechts zu erachten ist. Anders formuliert: Das außerhalb von Zwangsvollstreckung und Insolvenz nicht übertragbare Wohnungsrecht wird in für deren Zwecke so behandelt, als sei die Überlassung zur Ausübung an Dritte im Bestellungsakt vereinbart worden.

Der bisher gegenteilig entscheidende IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Anfrage des V. Senats erklärt, an seiner gegenteiligen Rechtsprechung nicht mehr festhalten zu wollen.

Seinen Beschluss begründet der V. Senat mit dem Schutzzweck des Übertragungsverbots. Bei dem gesetzgeberischen Modell der Personenverschiedenheit von Eigentümer und Wohnungsberechtigtem solle die Unübertragbarkeit des Wohnungsrechts den Eigentümer davor schützen, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden könne. Dieses Schutzes bedürfe der Schuldner mit Wohnungsrecht am eigenen Grundstück nicht, er müsse sich so behandeln lassen, als habe er gestattet, die Ausübung einem anderen zu überlassen. Seine Gläubiger können folglich außerhalb der Insolvenz in das Grundstück zusammen mit dem Wohnungsrecht vollstrecken, der Insolvenzverwalter kann es freihändig verwerten. Eine Art der Verwertung liegt in der Löschung des Wohnungsrechts.

Diese Rechtsfolge soll zudem unabhängig davon eintreten, ob der Schuldner bei Bestellung des Wohnungsrechts schon Eigentümer des Grundstücks war oder es erst später erworben hat. Sie soll auch greifen, wenn der Schuldner das Grundstück nach Bestellung des Wohnungsrechts veräußert hat und dieses erst aufgrund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Erwerber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder für den Schuldner im Grundbuch eingetragen wird.

Damit ist das in der Überschrift dieses Beitrags erwähnte Schlupfloch zugunsten der Gläubiger geschlossen.

BGH, Urteil vom 17.11.2022 – IX ZR 42/22

BGH, Urteil vom 13.10.2022 – IX ZR 266/20

BGH, Urteil vom 10.03.2022 – IX ZR 178/20

Stellung und Funktion des gemeinsamen Vertreters
Der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger ist eine weitgehend unbekannte Rechtsfigur, obwohl er in der Praxis eine wichtige Rolle spielt. Das gilt nicht nur für werbende Schuldner (im Folgenden als Unternehmer bezeichnet), die Schuldverschreibungen begeben, sondern auch dann, wenn der Unternehmer sich im Insolvenzverfahren befindet. Maßgeblich sind die Grundsätze des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG). Dieses Gesetz gilt für nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungen), jedoch nicht für gedeckte Schuldverschreibungen im Sinne des Pfandbriefgesetzes und nicht für Schuldverschreibungen, deren Schuldner eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft ist.

Die Gläubiger können nach Maßgabe des § 5 SchVG die Anleihebedingungen mit der erforderlichen Stimmenmehrheit ändern und zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Der gemeinsame Vertreter hat nach § 7 SchVG die Aufgaben und Befugnisse, welche ihm durch Gesetz oder von den Gläubigern durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt wurden und hat die Weisungen der Gläubiger zu befolgen. Er haftet den Gläubigern für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben, bei der er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden hat. Vom Unternehmer kann er alle Auskünfte verlangen, die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Die Kosten und Aufwendungen des gemeinsamen Vertreters, einschließlich einer angemessenen Vergütung, trägt der Unternehmer. Da die Schuldverschreibungen häufig in sehr großer Zahl begeben werden, erleichtert die Installation des gemeinsamen Vertreters die Handhabung, denn die große Zahl der Gläubiger bereitet leicht erhebliche logistische Schwierigkeiten. Die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters liegt damit in der Regel sowohl im Interesse des Unternehmers wie der Gläubiger.

In den letzten Jahren ist eine besondere Form des gemeinsamen Vertreters gelegentlich in der Wirtschaftspresse im Zusammenhang mit insolventen Gesellschaften in Erscheinung getreten, die vor ihrem Zusammenbruch im Rahmen von Anlegerbetrugsmodellen Schuldverschreibungen begeben haben. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Infinus-Gruppe aus Dresden.

In der Insolvenz des Unternehmers und unter besonderen Umständen in der Restrukturierung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz können die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen besonderen Typus des gemeinsamen Vertreters bestellen. Das Insolvenzgericht muss zu diesem Zweck eine Gläubigerversammlung einberufen. Dieser gemeinsame Vertreter wird ausschließlich im Insolvenzverfahren tätig und ist allein für alle Gläubiger berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Anders als der einzelne Gläubiger braucht der gemeinsame Vertreter die Schuldurkunden nicht vorzulegen, was insbesondere dann von Vorteil ist, wenn die aktuellen Gläubiger nicht bekannt sind, denn die Rechte aus der Schuldverschreibung sind häufig abtretbar.

Auch dem gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren steht eine Vergütung zu. Wie er diese erlangen kann, ist Gegenstand der drei Besprechungsentscheidungen des Bundesgerichtshofs. Dieser hat bereits 2016 und 2017 entschieden, dass im Ausgangspunkt auch in der Insolvenz der Unternehmer die Vergütung des gemeinsamen Vertreters aller Gläubiger zu tragen hat. Im SchVG ist allerdings nicht geregelt, ob es sich bei der Vergütung um Insolvenzforderungen handelt, die im Allgemeinen nur mit einer geringen Quotenzahlung rechnen können, oder um Massekosten oder -verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter vorab aus der Masse zu leisten hat. In Betracht kommt schließlich, dass die Vergütungsforderung weder Insolvenzforderung noch Masseverbindlichkeit ist, sondern sich gegen das freie Vermögen des Insolvenzschuldners richtet, der gemeinsame Vertreter aller Gläubiger also sogenannter Neugläubiger ist und auch dann faktisch keine Aussicht auf Befriedigung hat.

Der Bundesgerichtshof hat sich im Urteil vom 12.01.2017 – IX ZR 87/16 – für Letzteres entschieden, was bei wirtschaftlicher Betrachtung dazu führt, dass der gemeinsame Vertreter aller Gläubiger de facto keine Vergütung erhält, ein Ergebnis, das das Gericht dogmatisch zwar zutreffend abgeleitet hat, das praktisch aber ausgesprochen unbefriedigend ist, da unter diesen Bedingungen kaum qualifizierte Person zur Übernahme des Amts bereit sind.

Der zu entscheidende Fall
Die Klägerin hält Schuldverschreibungen einer inzwischen insolventen F. KGaA. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der Beklagte durch Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung, an der die Klägerin nicht teilnahm, zum gemeinsamen Vertreter bestellt.

In der Folgezeit zahlte der Insolvenzverwalter an den Beklagten einen Abschlag auf die zu erwartende Insolvenzquote. Der Beklagte leitete den auf die Klägerin entfallenden Betrag an diese weiter, behielt jedoch einen Betrag in Höhe von 1,1% der Nominalhöhe der Schuldverschreibung zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 654,50 €, als Abschlag auf seine Vergütung ein.

Die Klägerin verlangt nunmehr auch die Auszahlung des einbehaltenen Betrags. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der 654,50 € verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts, also die Klageabweisung, erreichen. Der Bundesgerichtshof gibt ihm Recht.

Entnahmerecht des gemeinsamen Vertreters aus der ausgezahlten Insolvenzquote
Der von der Gläubigerversammlung bestellte gemeinsame Vertreter hat, so der Bundesgerichtshof, Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Dieser Anspruch richte sich zwar – wie oben dargestellt - grundsätzlich gegen den Unternehmer, was auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu gelten habe. Auch hier stehe dem gemeinsamen Vertreter kein selbständig durch¬setz¬barer Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung gegen den einzelnen Gläubiger zu, wenn er mit diesem keine gesonderte Vergütungsvereinbarung geschlossen habe.

Der Vergütungsanspruch berechtigt den gemeinsamen Vertreter jedoch, die angemessene Vergütung und seine Auslagen der auf den einzelnen Gläubiger entfallenden Quote zu entnehmen. Grundlage dieser Entnahmebefugnis sei der nach § 19 SchVG gefasste Mehrheitsbeschluss der Gläubiger. Das SchVG schütze den einzelnen Gläubiger nicht vor Mehrheitsbeschlüssen, die sich nachteilig auf dessen Hauptforderung auswirkten. Die Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Vergütung des gemeinsamen Vertreters auch in der Insolvenz des Unternehmers diesem zur Last falle, lasse sich im Insolvenzverfahren nicht mehr verwirklichen.

Diese erstmals im Urteil vom 10.03.2022 – IX ZR 178/20 – vom BGH angeführte Begründung ist dogmatisch zwar kaum zu vertreten und deshalb in der juristischen Literatur heftig kritisiert worden, der Bundesgerichtshof hat die Kritik zur Kenntnis genommen, hält aber in den beiden angeführten neueren Entscheidungen ohne weiterreichende Begründung an ihr fest.

Die Folge ist, dass die Vergütung des gemeinsamen Vertreters für alle Gläubiger nunmehr über den Einbehalt von den Gläubigern der Schuldverschreibung anteilig zu tragen ist. Wirtschaftlich entspricht dieses dogmatisch zweifelhafte Urteil praktischer Vernunft, tragen doch jetzt die von der Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters Begünstigten auch dessen Vergütung. Dass allerdings auch der Insolvenzverwalter und damit letztlich die Insolvenzmasse durch die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters eine Entlastung erfährt, spiegelt das Ergebnis nicht wider.

BGH, Urteil vom 14.03.2023 – II ZR 162/21

Die Haftung des Geschäftsführers – ein weites Feld
Der Geschäftsführer einer GmbH handelt nicht nur für die Gesellschaft, er haftet auch persönlich, wenn er seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. Meist geht es um Schadenersatzansprüche der Gesellschaft, nicht selten aber auch um Ansprüche dritter Personen.

Gegenüber der Gesellschaft haftet er gemäß § 42 Abs. 2 GmbHG, wenn er in deren Angelegenheiten nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anwendet, wie es § 43 Abs. 1 GmbHG formuliert. Auf ihn finden dabei die haftungsrechtlichen Milderungen nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen keine Anwendung. Insbesondere hat der Geschäftsführer die finanzielle Lage der Gesellschaft zu beobachten und darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesell-schafter auszahlen. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und / oder der Überschul-dung im insolvenzrechtlichen Sinn ist er nach § 15a InsO verpflichtet, für die Gesell-schaft einen Insolvenzantrag zu stellen, und darf im Grundsatz keine Zahlungen mehr leisten. Verstößt er hiergegen, hat er der Gesellschaft die pflichtwidrigen Zah-lungen aus seinem eigenen Vermögen zu erstatten. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, ist es Aufgabe des Insolvenzverwal-ters, diese Ansprüche gegen den Geschäftsführer durchzusetzen. Zwar kann wegen der Haftungsrisiken eine D&O-Versicherung abgeschlossen werden, ob sie im Fall der Insolvenzverschleppung aber eintritt, ist in der Praxis zweifelhaft. Häufig muss gegen den Versicherer ein Deckungsprozess geführt werden.

Im öffentlich-rechtlichen Bereich droht dem Geschäftsführer vor allem die Haftung gegenüber der Finanzverwaltung nach § 69 AO, wenn Steuern infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten steuerrechtlichen Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden oder es zu ungerechtfertig-ten Steuererstattungen kommt. Im sozialrechtlichen Umfeld ist vor allem die Haftung für nicht abgeführte Beiträge zur Gesamtsozialversicherung zu nennen.

Besonderheiten bei der GmbH & Co. KG
Besonders gelagerte Fragen stellen sich im Bereich der Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH & Co. KG, die der Bundesgerichtshof bisher nur für den Fall entschieden hat, dass die GmbH innerhalb der KG die Funktion der (geschäftsführenden) Komplementärin übernommen hatte. Hier erstreckt Bundesge-richtshof in ständiger Rechtsprechung den Schutzbereich des zwischen der Kom-plementär-GmbH einer GmbH & Co. KG und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsfüh-rers aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft, was bedeutet, dass der Geschäftsführer auch für Schäden der Kommanditgesellschaft einzustehen hat.

Der zu entscheidende Fall
Im konkreten Fall war die maßgebliche GmbH jedoch nicht Komplementärin, sondern unüblicherweise eine Kommanditistin. Komplementärin muss daher eine weitere, vom Bundesgerichtshof allerdings nicht erwähnte GmbH gewesen sein. Nach dem Gesellschaftsvertrag oblag der Kommanditistin dennoch die alleinige Geschäftsfüh-rung der KG. Der Beklagte wiederum war einer von zwei Geschäftsführern der GmbH, die auch in weiteren Kommanditgesellschaften, es handelte sich um soge-nannte Fondsgesellschaften, diese Rolle spielte.

In den mit einer Vielzahl von Anlegern geschlossenen Gesellschaftsverträgen hatte die GmbH Co. KG sich verpflichtet, die Anlegergelder einer D. AG als Darlehen zur Verfügung zu stellen, jedoch nur nach Stellung werthaltiger Sicherheiten. Dennoch hatte sie dieser Aktiengesellschaft bei werthaltigen Sicherheiten in Höhe von lediglich 2,7 Mio. € Darlehen in Höhe von 38 Mio. € ausgereicht. In dieser Situation überwies der weitere Geschäftsführer der GmbH an die D. AG noch einmal 510.000 €. Nach-dem über das Vermögen der GmbH & Co. KG ein Insolvenzverfahren eröffnet wor-den war, verlangt der Insolvenzverwalter von dem Beklagten Erstattung der 510.000 €.

Es stellten sich folglich mehrere Fragen:

1. Ist die oben dargestellte Rechtsprechung auf den Fall zu übertragen, dass die ge-schäftsführende GmbH nicht Komplementärin, sondern (nur) Kommanditistin der GmbH & Co. KG ist?

2. Gilt das gegebenenfalls auch dann, wenn die Führung der Geschäfte der GmbH & Co. KG nicht die alleinige oder zumindest wesentliche Aufgabe der GmbH darstellt?

3. Haftet der Beklagte selbst, obwohl nicht er, sondern der weitere Geschäftsführer die Überweisung veranlasst hatte?

Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur geschäftsführenden Komplementärin auf die geschäftsführende Kommanditistin
Der Bundesgerichtshof bejaht die erste Frage, weil die Grundsätze über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hier zugunsten der GmbH & Co. KG fruchtbar gemacht werden könnten. Diese komme mit der Leistung des Geschäftsführers in gleicher Weise in Berührung wie bei der geschäftsführenden Komplementärin.

Das wohlverstandene Interesse der die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft führenden und an dieser beteiligten GmbH gehe dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der GmbH & Co. KG im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt. Sie müsse auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung be-dacht sein. Vor allem aber hafte sie der Kommanditgesellschaft für Schäden aus der Verletzung der von ihr im Gesellschaftsvertrag übernommenen Geschäftsführungs-aufgaben. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die geschäftsführende GmbH die Komplementärin oder eine Kommanditistin der Kommanditgesellschaft sei.

Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes bestehe ein Bedürfnis, was für die GmbH auch erkennbar war.

Exklusive Tätigkeit für die Kommanditgesellschaft erforderlich?
Auch die zweite Frage entscheidet der Bundesgerichtshof im Sinne des klagenden Insolvenzverwalters. Am Pflichtenkreis der geschäftsführenden GmbH ändere sich nichts dadurch, dass sie noch in weiteren Kommanditgesellschaften die Geschäfts-führung übernommen hatte. Der Geschäftsführer selbst habe sich bei Antritt seines Amts über den Umfang der Geschäftsführung und den damit verbundenen Aufgaben einen Überblick zu verschaffen. Könnten die GmbH oder ihr Geschäftsführer diese nicht gewährleisten, sei nicht der Haftungsumfang zu reduzieren, sondern die GmbH müsse ihren Aufgabenkreis so weit reduzieren, dass sie die von ihr geschuldeten, vertraglich übernommen Pflichten auch erfüllen könne.

Haftungsausschluss durch Ressortverteilung?
Schließlich komme es nicht darauf an, so der Bundesgerichtshof, dass der Beklagte nach der internen Ressortverteilung zwischen ihm und dem weiteren Geschäftsfüh-rer für die konkrete GmbH & Co. KG nicht einmal zuständig gewesen sei.

Den Geschäftsführer einer GmbH treffe grundsätzlich die Pflicht zur Geschäftsfüh-rung im Ganzen. Eine gleichwohl zulässige Ressortverteilung lasse daher die Ver-antwortung für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft nicht entfallen, vielmehr verblieben dem organisatorisch nicht betroffenen Geschäftsführer wegen seiner Allzuständigkeit Überwachungspflichten, deren Reichweite nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen sei. Insbesondere müsse der nach der Geschäftsverteilung nicht zuständige Geschäftsführer Hinweisen auf Fehl-entwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort immer und unverzüglich nachgehen.

Das Berufungsgericht habe zudem beanstandungsfrei festgestellt, dass der Beklagte seine Überwachungspflichten nicht erfüllt habe. Aus dem schon vor der Überweisung der 510.000 € vorliegenden Geschäftsbericht habe sich ergeben, dass nur ein Bruchteil der Anlegergelder wie in den Anlageverträgen versprochen von der D. AG besichert worden sei. Dieser Missstand im Kerngeschäft der Kommanditgesellschaft habe dem Beklagten bei pflichtgemäßer Geschäftsführung nicht verborgen bleiben können. Er hat deshalb persönlich einzustehen.

Haftungsausschluss wegen mangelnder persönlicher Fähigkeiten?
Bei den vielfältigen Haftungsrisiken des Geschäftsführers mag man sich die Frage stellen, ob im Fall persönlicher Unfähigkeit die Haftung des Geschäftsführers eingeschränkt werden kann.

Dies verneint der Bundesfinanzhof jedenfalls für die steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO mit Beschluss vom 15.11.2022 – VII R 23/19, und führt dazu im Leitsatz der Entscheidung aus:

„Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.“

Ein offenbar erst vor kurzem aufgetauchtes Testament aus dem Jahre 2005 könnte nach dem, was in den Medien berichtet wird, das Potenzial haben, die zuletzt angenommene gesetzliche Erbenstellung der beiden Töchter des im Jahre 2019 verstorbenen Schalke-Managers Rudi Assauer zu beseitigen. Bereits im Herbst 2022 erließ das zuständige Amtsgericht Recklinghausen einen Beschluss, wonach ein in 2012 von Rudi Assauer notariell errichtetes Testament, welches seine ältere Tochter Katy Assauer als Alleinerbin benennt, unwirksam sei. Assauer, auch bekannt für Krombacher Werbespots, litt an Demenz, weshalb aufgrund von Testierunfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung - so das AG Recklinghausen - nicht der Inhalt des Testaments, sondern die gesetzliche Erbfolge maßgeblich sein soll.

Das nunmehr aufgetauchte handschriftliche Testament aus dem Jahre 2005 soll Simone Thomalla, mit der Assauer von 2000-2009 liiert war, als Alleinerbin benennen. Dem Nachlassgericht zukommen lassen hat Thomalla das Testament über ihre Steuerberaterin per Fax. Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung zur Abgabe von Testamenten gem. § 2259 BGB. Wer der Ablieferungspflicht nicht nachkommt, läuft Gefahr, sich wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 StGB strafbar zu machen.

Auch wenn Thomalla bisher keinen Erbscheinsantrag gestellt haben soll, stellt sich die Frage wie das offenbar nur als Faxkopie vorhandene Testament zu bewerten ist. Das Oberlandesgericht Düsseldorf und das Oberlandesgericht München sind sich dahingehend einig und haben entschieden, dass auch ein nur noch in Kopie vorhandenes Testament zumindest zu eröffnen ist. Argumentiert wird damit, dass auch ein formunwirksames Testament, dem bspw. die Unterschrift fehlt, eröffnet werden muss. Zwar trifft die Eröffnung eines Schriftstücks als Testament noch keine Aussage über dessen Wirksamkeit, es ist jedoch auch nicht allzu schwer, ein wirksames Testament zu errichten: Testieren kann grundsätzlich jede testierfähige Person bereits ab ihrem 16. Lebensjahr, sofern sie das Testament eigenhändig verfasst und unterschreibt. Es kann daher mangels anderer Anhaltspunkte zunächst davon ausgegangen werden, dass Rudi Assauer 2005 ein wirksames Testament zu Gunsten von Simone Thomalla errichtet hat.

Auch wenn der Grundsatz gilt, dass die gewillkürte Erbfolge durch Vorlage der Originalurkunde zu belegen ist, so kann, wenn das Originaltestament nicht mehr auffindbar ist, die Existenz, die formgültige Errichtung sowie der Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln, also auch einer Kopie, bewiesen werden und damit unter engen Voraussetzungen die Erbenstellung begründen, so das OLG Naumburg .

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Streitigkeiten um Rudi Assauers Nachlass weiterentwickeln.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.08.2022 – I-3 Wx 119/22

OLG München, Beschl. 07.04.2021 – 31 Wx 108/21

OLG Naumburg, Beschl. v. 29.03.2012 – 2 Wx 60/11

Hatten wir in unserem News-Beitrag im „Anspruch auf Löschung des Merkmals Restschulbefreiung gegenüber der Schufa“ noch darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung des OLG Schleswig die Schufa zu einer Löschung des Merkmals „Restschuldbefreiung“ nach sechs Monaten verurteilt hatte, die Schufa jedoch gegen dieses Urteil Revision zum Bundesgerichtshof einlegte, kommt jetzt von unerwarteter Seite – nämlich von der Schufa höchst selbst – Bewegung in die Sache.

Am 28.03.2023 ließ die Schufa eigeninitiativ verlauten, dass sie die Speicherung von Einträgen zu Privatinsolvenzen von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt. Die Schufa begründet diesen Schritt mit dem Streben nach Klarheit und Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Meiner Einschätzung nach ist die Schufa damit einer absehbaren Verurteilung zur Löschung nach sechs Monaten zuvorgekommen. Der Bundesgerichtshof hatte nämlich in der Revisionsangelegenheit (siehe oben) ebenfalls am 28.03.2023 verfügt, die Revision auszusetzen, bis die Frage der Speicherdauer durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in zwei ganz ähnlich gelagerten Fällen geklärt ist. Es wird also definitiv eine Klärung, inwieweit die derzeitige dreijährige Speicherung mit geltendem und in Deutschland seit Mai 2018 umgesetzten EU-Datenschutzrecht vereinbar ist, geben. Gegenwärtig – und unseres Erachtens völlig zurecht – ist anzunehmen, dass sich der EuGH für die kürze Frist der Datenspeicherung von sechs Monaten entscheiden wird. Nur so ist auch das proaktive Handeln der Schufa zu erklären.

Spannend ist auch die Frage, ob ebenso ein Anspruch auf Löschung seitens der Verbraucher*innen nach sechs Monaten besteht, wenn die Betroffenen die Restschuldbefreiung nicht auf Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung, sondern auf andere Weise, z.B. durch Gläubigerentscheid im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens erhalten haben!

BFH, Urteil vom 17.06.2020 – X R 26/18
BFH, Urteil vom 12.05.2022 – V R 19/20

Verkäufe bei eBay oder anderen Versteigerungsplattformen gehören zum täglichen Leben. Handelt es sich dabei um einmalige oder seltene Verkäufe aus dem eigenen Bestand (private Vermögensverwaltung), unterliegen sie keinerlei Besteuerung. Anders kann es jedoch sein, wenn nicht vorhandene, sondern zum Zweck des Weiterverkaufs erworbene Gegenstände angeboten werden, wie es typischerweise bei gewerblichen Händlern der Fall ist.

Der zu entscheidende Fall

Die Klägerin kaufte von 2009 bis 2013 Gegenstände aus Haushaltsauflösungen an und bot sie auf eBay in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. Dort war sie als private Kundin angemeldet. Dazu legte sie vier eBay-Konten an und eröffnete zwei Girokonten. Steuererklärungen gab sie nicht ab. 2009 erzielte sie bei 577 Auktionen Einkünfte von ca. 40.000 €, 2010 bei 1057 Auktionen Einkünfte von ca. 78.000 €, 2011 bei 628 Auktionen Einkünfte von ca. 95.000 €, 2012 bei 554 Auktionen Einkünfte von ca. 90.000 € und 2013 bei 260 Auktionen Einkünfte von ca. 78.000 €.

Nach einer Außenprüfung meinte das Finanzamt, die Klägerin sei in diesen Jahren gewerblich tätig gewesen und setzte gegen sie Einkommen- sowie Umsatzsteuer fest und erließ Gewerbesteuermessbescheide, wobei es einen Schätzbetrag für Betriebsausgaben (30 %) abzog.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erreichte die Klägerin mit ihrer Klage zum Finanzgericht Hessen nur einen Teilerfolg, weil dieses die Betriebsausgaben auf 60 % schätze, die Veranlagung ansonsten aber für rechtmäßig erachtete. Ihre Revision, über die der BFH nach Trennung des Verfahrens in zwei verschiedenen Senaten verhandelte (im X. Senat wegen der Einkommen- und Gewerbesteuer und im V. Senat wegen der Umsatzsteuer), führte nicht zu dem von ihr erstrebten Erfolg. Die beiden Senate des BFH hoben zwar die jeweiligen Teile des erstinstanzlichen Urteils auf und verwiesen die Sachen an das Finanzgericht zurück, jedoch nur wegen eines Berechnungs- und eines Begründungsmangels. An der Gewerblichkeit der Auktionen hatten auch sie keine Zweifel. Im zweiten Durchgang wird das Finanzgericht lediglich die beiden Fehler zu beseitigen haben, an der Beurteilung der Gewerblichkeit wird sich nichts mehr ändern.

Mit der Revision hatte die Klägerin geltend gemacht, sie sei nicht als Händlerin anzusehen, da sie weder ein Konzept noch eine Organisation noch Vorkenntnisse im Handel habe. Sie kaufe gelegentlich aus Haushaltsauflösungen und verkaufe die Gegenstände wieder über eBay für ein Mindestgebot von 1 €. Zahlreiche Gegenstände verkaufe sie deutlich unter Einkaufswert, andere werfe sie einfach weg. Sie habe auch nichts dafür getan, die Gegenstände gewinnbringend zu veräußern (z.B. nicht geworben) und jedenfalls per Saldo keinen Gewinn erzielt. Ihr Ziel sei der Nervenkitzel gewesen, es habe sich um reine Liebhaberei gehandelt.

Rechtlicher Hintergrund bei der Einkommensteuer

Entscheidend für die Einkommensteuerpflicht ist in diesem Zusammenhang die Gewerblichkeit der fraglichen Tätigkeit, die zu verneinen ist, wenn es lediglich um private Vermögensverwaltung geht. Hierzu definiert § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, dass ein Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung ist, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Entsprechendes gilt für die Gewerbesteuer. Die Betätigung muss über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgehen. Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. Maßgebend ist unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, das einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das „Bild des Gewerbebetriebs“ durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Eine typische gewerbliche Tätigkeit ist der Handel. Zu seinem Wesen gehört der Kauf oder die sonstige Anschaffung von Sachen zum Zwecke der Weiterveräußerung in gleichem Zustand oder nach weiterer Be- oder Verarbeitung. Der Steuerpflichtige verhält sich wie ein Händler, wenn er planmäßig und auf Dauer mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht tätig geworden ist. Er handelt dann gewerblich.

Gemessen an diesen Grundsätzen sei die Einschätzung des Finanzgerichts Hessen, die Klägerin habe ein händlertypisches Verhalten gezeigt, nicht zu beanstanden, so der BFH.

Das Finanzgericht habe nicht allein auf die Dauer und die Anzahl bzw. Höhe der Verkäufe abgestellt. Vielmehr habe es im besonderen Maße den planmäßigen An- und Verkauf gewürdigt. Werde nämlich ein solcher wie im Streitfall betrieben und liege schon beim Ankauf Wiederveräußerungsabsicht vor, sei die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten. Eindeutig stehe bei der Klägerin die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung im Vordergrund. In den andauernden und wiederholten An- und Verkäufen der Klägerin sei ein planmäßiges Vorgehen zu sehen. Sie kaufe in systematischer Art und Weise einerseits bei Haushaltsauflösungen Gegenstände an und biete andererseits die hierbei erworbenen Gegenstände über eBay wieder zum Verkauf an.

Das Finanzgericht habe zudem die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin zutreffend festgestellt, nachdem es sich zu Recht davon überzeugt habe, dass die Klägerin in den Streitjahren tatsächliche Gewinne erzielt hatte. Der Betriebsausgabenabzug in Höhe von 60 % der Umsätze, den das Finanzgericht vorgenommen habe, sei fehlerfrei. Da die Klägerin pflichtwidrig keinerlei Aufzeichnungen getätigt habe, ließ sich ihre Behauptung, überhaupt keinen Gewinn erzielt zu haben, nicht verifizieren. War danach von tatsächlich erzielten Gewinnen, wenn auch nur in Höhe von 40 %, auszugehen, stellten diese nach der Rechtsprechung ein kaum zu widerlegendes Indiz dafür dar, dass auch die Absicht bestand, solche zu erzielen.

Nicht gegen die Gewerblichkeit ließe sich dagegen anführen, wie die Klägerin es versucht hatte, dass sie Spaß an der Versteigerung gehabt, sie kein bestimmtes Konzept verfolgt und keine Mindestpreise gefordert habe. Unerheblich sei ebenso, dass sie über keine Vorkenntnisse im Handel verfüge.

Rechtlicher Hintergrund bei der Umsatzsteuer

Der Umsatzbesteuerung unterliegen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen ausschließlich Unternehmer. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn – anders als bei der Einkommensteuer – die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Es muss sich dabei um eine wirtschaftliche Betätigung handeln, die nachhaltig ausgeübt wird. Der BFH hatte bereits früher entschieden, dass die Beurteilung als nachhaltig bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang in Betracht kommt, es liege keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternehme, indem er sich ähnlicher Mittel bediene wie ein Händler.

Auch der V. Senat des BFH sieht im Grundsatz keinen Anlass, die Entscheidung des Finanzgerichts zu kritisieren. Es habe richtig auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abgestellt und berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Verkaufstätigkeit über viele Jahre hinweg nachhaltig ausgeübt habe, weil auch die Anzahl der Verkäufe von beträchtlichem Umfang gewesen sei, was eine Betriebsorganisation erfordert habe. Sie habe Verpackungsmaterial kaufen, Waren verpacken, Porto zahlen und digitale Bilder der angebotenen Gegenstände fertigen müssen. Auf die Absicht der Gewinnerzielung stelle das Umsatzsteuerrecht zudem nicht ab.

Das Finanzgericht hatte danach zu recht die Klägerin der Umsatzsteuer unterworfen. Zurückverwiesen wurde die Sache, weil das Finanzgericht nicht festgestellt hatte, ob die Klägerin der sogenannten Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterfiel oder zumindest einzelne Umsätze nur dem ermäßigten Steuersatz hätten unterworfen werden dürfen.

BFH, Urteil vom 17.01.2023 – IX R 15/20

Die Erhebung des Solidaritätszuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17.01.2023 – IX R 15/20 entschieden.

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021. Das Finanzamt hatte für das Jahr 2020 einen Bescheid über 2.078 € und für das Jahr 2021 einen Vorauszahlungsbescheid über insgesamt 57 € Solidaritätszuschlag erlassen. Vor dem Finanzgericht hatte das klagende Ehepaar keinen Erfolg. Mit ihrer beim Bundesfinanzhof eingelegten Revision brachten sie vor, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags verstoße gegen das Grundgesetz. Sie beriefen sich auf das Auslaufen des Solidarpakts II und damit der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019 sowie die damit zusammenhängende Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Der Solidaritätszuschlag dürfe als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden. Sein Ausnahmecharakter verbiete eine dauerhafte Erhebung. Auch neue Zusatzlasten, die etwa mit der Coronapandemie oder dem Ukraine-Krieg einhergingen, könnten den Solidaritätszuschlag nicht rechtfertigen. Die Erhebung verletze sie zudem in ihren Grundrechten. Bei dem Solidaritätszuschlag handele es sich seit der im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderung um eine verkappte "Reichensteuer", die gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße.

Der BFH ist dem nicht gefolgt. Beim Solidaritätszuschlag handelte es sich in Jahren 2020 und 2021 um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe; eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht geboten.

Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes) hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Die Abgabe muss nicht von vornherein befristet werden und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben. Allerdings ist ein dauerhafter Finanzbedarf regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist.

Der Solidaritätszuschlag sollte bei seiner Einführung im Jahr 1995 der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Lasten dienen.
Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 hat der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren.

Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag besteht nicht. Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gegeben war, hingewiesen. Er hat weiterhin schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden.

Dass sich diese Kosten im Laufe der Zeit weiter verringern werden, hat der Gesetzgeber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tretenden Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen und der damit verbundenen Reduzierung des Aufkommens in Rechnung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags wird daher deutlich, dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit. Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert, kann auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen.
Da der ursprüngliche Zweck für die Einführung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht entfallen war, kommt es auf eine mögliche Umwidmung des Zuschlags für die Finanzierung der Kosten der Coronapandemie oder des Ukraine-Krieges nicht an.

Der Solidaritätszuschlag verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher kann auch der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt.

Anmerkung: Gegen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, des höchsten deutschen Steuergerichts ist nur noch eine Verfassungsbeschwerde möglich.

BFH, Urteil vom 16.03.2022 – VIII R 33/18

BFH, Urteil vom 24.08.2022 – XI 3 3/22

Es geht um eine Selbständige und Arbeitnehmer betreffende Frage: Kann ich die Kosten beruflich genutzter Kleidung, vor allem wenn sie speziell für die Berufsausübung angeschafft wird, steuermindert geltend machen, auch wenn es sich um bürgerliche Kleidung wie etwa einen schwarzen Anzug handelt, den ich aber außerhalb des Berufs nicht trage. Bei Selbständigen geht es dabei nicht nur um die Einkommensteuer, sondern auch um den Vorsteuerabzug.

Der zu entscheidende Fall
Die in den Streitjahren gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute waren als Trauerredner und Trauerbegleiter selbständig tätig. Sie machten die Kosten der Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) als Betriebsausgaben geltend und zogen die in den entsprechenden Rechnungen ausgewiesene Steuer als Vorsteuer ab.

Nach steuerlichen Außenprüfungen versagte das Finanzamt hinsichtlich der Einkommensteuer die Anerkennung der Kosten als Betriebsausgaben und bezüglich der Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug. Der nach den erfolglosen Einspruchsverfahren eingereichten Klage entsprach das FG Berlin-Brandenburg nicht. Auch die Revision, über die der BFH nach Trennung des Verfahrens in zwei verschiedenen Senaten verhandelte (im VIII. Senat wegen der Einkommen- und im XI. Senat wegen der Umsatzsteuer) führte nicht zum Erfolg der Eheleute.

Rechtlicher Hintergrund bei der Einkommensteuer
Dazu bestimmt § 12 Abs. 1 EStG unter anderem, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Derartige Aufwendungen, so der Bundesfinanzhof, sind durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (sogenannter Grundfreibetrag) pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbar. In aller Regel liegen allerdings die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs oder der außergewöhnlichen Belastungen jedenfalls nicht allein aufgrund der Beschaffung der für den Beruf benötigten Kleidung vor.

Allerdings gestattet das Einkommensteuergesetz den Abzug der Aufwendungen für typische Berufskleidung als Werbungskosten oder als Betriebsausgaben an. Welche Art von Kleidungsstücken unter den Begriff der „typischen Berufskleidung“ fällt, ist im Gesetz nicht näher definiert.

Bei der Gesetzesauslegung ist zu berücksichtigen, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung grundsätzlich den nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung zuzurechnen sind, die durch den Grundfreibetrag pauschal abgegolten werden. Typische Berufskleidung umfasst daher nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind. Dies gilt insbesondere für Uniformen, Kleidung mit dauerhaft angebrachten Firmenemblemen oder Schutzkleidung, wie zum Beispiel Arbeitsschutzschuhen.

Kleidungsstücke, die als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegen, fallen dagegen nicht unter den Begriff der typischen Berufskleidung, selbst wenn sie durch die berufliche Nutzung einem erhöhten Verschleiß unterliegen oder ihre Anschaffung überhaupt nur aus beruflichen Gründen erfolgt. Danach sind die Ausgaben für die von den Eheleuten als Trauerredner und Trauerbegleiter getragenen Kleidungsstücke nicht steuermindernd abziehbar, selbst wenn, wie sie im Rechtsstreit geltend gemacht hatten, von dieser Berufsgruppe kulturhistorisch von der Verkehrsauffassung das Tragen schwarzer Kleidung zwingend erwartet werden sollte.

Rechtlicher Hintergrund bei der Umsatzsteuer
Ein Unternehmer, hier die Eheleute, kann unter anderem die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, gemäß § 15 UStG als Vorsteuer abziehen. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Nicht abziehbar sind nach § 15 Abs. 1a UStG zum Beispiel Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot § 12 Nr. 1 EStG gilt. Wie zuvor zur Einkommensteuer schon behandelt, wird von diesem Abzugsverbot bürgerliche Kleidung, auch wenn sie ganz oder überwiegend beruflich getragen wird, betroffen.

Nachdem der VIII. Senat des BFH schon am 16.03.2022 den Abzug bei der Einkommensteuer nicht zugelassen hatte, schließt sich der XI. Senat in seinem Urteil vom 24.08.2022 im Wesentlichen der Entscheidung des VIII. Senats an. Mithin wurde den Eheleuten auch der Vorsteuerabzug versagt.

BFH, Beschluss vom 28.10.2022 – VI B 15/22 (AdV)

Der zu entscheidende Fall
Die Antragstellerin entrichtete die Lohnsteuer (2.805,54 €) und Umsatzsteuer (1.435,68 €) für Juli 2021 trotz Fälligkeit zum 10.08.2021 erst am 20.08.2021. Die dadurch angefallenen Säumniszuschläge in Höhe von 28 € zur Lohnsteuer und 14 € zur Umsatzsteuer entrichtete sie nicht. Das Finanzamt wies die Säumniszuschläge in einem Abrechnungsbescheid aus. Über den gegen diesen gerichteten Einspruch hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Die Antragstellerin begehrt vor dem Finanzgericht Münster (Beschluss vom 14.02.2022 – 8 V 2789/21) erfolgreich die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids. Auf die Beschwerde des Finanzamts hebt der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) diesen Beschluss auf und weist den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurück.

Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Nachzahlungszinsen
Die Abgabenordnung (AO) kennt neben den Straftatbeständen der Steuerhinterziehung einige Sanktionen für steuerliches Fehlverhalten. So kann nach § 152 AO gegen Steuerpflichtige, die ihrer Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommen, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Dieser beträgt im Allgemeinen für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer. Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, also verspätet oder eventuell gar nicht gezahlt, entsteht gemäß § 240 AO kraft Gesetzes für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % der rückständigen Steuer. Während die Verfassungsmäßigkeit der Verspätungszuschläge nicht ernstlich in Frage steht, werden in jüngerer Zeit wegen der lange andauernden Niedrigzinsphase vermehrt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge geäußert. Diese wurden vertieft durch zwei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17), nach denen die Verzinsung von Steuernachforderungen nach §§ 233a, 238 AO in Höhe 0,5 % pro Monat, jedoch sogar nur für volle Monate, derzeit als nicht verfassungsgemäß anzusehen ist. Zwar könne der Gesetzgeber, so das BVerfG, Zinsen typisierend – ohne Rücksicht auf den Einzelfall - regeln, eine solche gesetzliche Festlegung des Zinssatzes sei aber trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieser Zinssatz unter veränderten tatsächlichen Bedingungen wie etwa der Niedrigzinsphase seit 2014 oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist.

Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge?
In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist allerdings streitig, ob diese Entscheidungen des BVerfG ohne Weiteres auf die Säumniszuschläge übertragen werden können. Säumniszuschläge sind nämlich keine Zinsen, sondern zum einen ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll (Druckfunktion), zum anderen verfolgen sie den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das ungerechtfertigte Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten (Zinsfunktion). Durch die Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den Finanzämtern dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgerecht zahlen. In Rechtsprechung und juristischer Literatur ist im Einzelnen umstritten, welcher Anteil auf die einzelnen Funktionen entfällt. Weitestgehend gesichert ist nur, dass die Druckfunktion mit der Hälfte der Zuschläge, also mit 0,5 % monatlich zu Buche schlägt. Da die Abgeltung der Verwaltungsaufwendungen eher niedrig zu bemessen sein dürfte, lässt sich der Zinsfunktion der Säumniszuschläge grob ermittelt auch ein Anteil von 0,5 % der Zuschläge zuweisen. Bei dieser Aufteilung entspricht die Zinsfunktion rechnerisch der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten Verzinsung von Steuernachforderungen nach §§ 233a, 238 AO.

Diese Realation hat den V. und den VII. Senat des BFH bewogen, auch die Säumniszuschläge als derzeit nicht mit der Verfassung in Einklang stehend anzusehen: BFH, Beschluss vom 23.05.2022 – V B 4/22 (AdV) und BFH, Beschluss vom 26.05.2021 – VII B 13/21, wobei letzterer bereits vor den Entscheidungen des BVerfG ergangen ist.

Der VI. Senat des BFH tritt dem V. und dem VII. Senat jetzt in einer Serie von Beschlüssen vom 28.10.2022, die am 24.11.2022 veröffentlicht wurden, entgegen - VI B 15/22 (AdV), VI B 27/22 (AdV), VI B 31/22 (AdV), VI B 38/22 (AdV), VI B 48/22 (AdV) . Er kann die Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge nicht erkennen.

Besonderheiten des „AdV-Verfahrens“
Den Aktenzeichen aller genannter Beschlüsse lässt sich entnehmen, dass es um „AdV-Verfahren“ geht, schnellere Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids. Die Finanzgerichtsordnung sieht ein solches Verfahren vor, damit nicht Steuerbescheide, die im Allgemeinen vollziehbar, also vollstreckbar sind, vollzogen werden, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen und hierüber noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Diese brauchen nicht einmal zu überwiegen.

Trotz dieser relativ niedrigen Schwelle meint der VI. Senat des BFH, dass die vom BVerfG zu beurteilende Verzinsungspflicht nach §§ 233a, 238 AO und die Säumniszuschläge keine ausreichende Gemeinsamkeit aufweisen, um auch die Säumniszuschläge bei summarischer Prüfung für verfassungswidrig zu halten. Dies folge schon aus den drei Funktionen der Säumniszuschläge, die bei der Verzinsung keine Rolle spielten, insbesondere komme dieser keine Lenkungs- oder Druckfunktion zu. Außerdem vermöge ein lediglich gedachter, gesetzlich aber nicht quantifizierter Zinsanteil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht zu begründen. Werde die Lohnsteuer nicht rechtzeitig abgeführt, habe dies schon deshalb zu gelten, weil der Arbeitgeber nicht selbst Steuerschuldner sei, sondern der Arbeitnehmer, für den der Arbeitgeber lediglich treuhänderisch nach Abzug vom Lohn die Steuer abzuführen habe. Ähnliches gelte auch für die Umsatzsteuer, die der Unternehmer wirtschaftlich auf den Leistungsempfänger abwälze.

Ein völlig anderer Aspekt veranlasste den II. Senat des BFH ebenso zu entscheiden wie jetzt der VI. Senat, wenn auch nur im Ergebnis (Beschluss vom 20.09.2022 – II B 3/22). Beruhen nämlich die ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, wie hier bei den Säumniszuschlägen, auf eventuellen verfassungsrechtlichen Zweifeln an der ihm zugrunde liegenden Vorschrift und nicht auf schlichter Fehlanwendung eines Gesetzes, wird von der Rechtsprechung allgemein verlangt, dass ein besonderes Aussetzungsinteresse besteht. Dieses besondere Interesse verneint der II. Senat, wenn ein durchaus auch erheblicher Säumniszuschlag (im zu entscheidenden Fall immerhin über 6.000 €) den Steuerschuldner wirtschaftlich nicht erheblich belaste und seine wirtschaftliche Tätigkeit nicht in bedeutendem Maße beeinträchtigt.

Verfassungswidrigkeit nur der Gesamtregelung der Säumniszuschläge“
Einig sind sich alle Senate des BFH nur insoweit, als die Säumniszuschläge unter keinen Umständen nur teilweise als verfassungswidrig qualifiziert werden können, insbesondere nicht etwa beschränkt auf die Zinsfunktion. Sollte die Regelung des § 240 AO über die Säumniszuschläge verfassungswidrig sein, erfasste dies die gesamte Vorschrift. Der Gesetzgeber müsste sodann eine verfassungskonforme Neuregelung schaffen.

Ausblick
Angesichts dieser sich widersprechenden Beschlüsse des höchsten deutschen Steuergerichts bleibt nicht nur der Steuerbürger, sondern auch sein steuerlicher Berater etwas ratlos zurück. Es ist anzunehmen, dass erst eine Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge, insbesondere in einem Regelverfahren, nicht in einem solchen über die Aussetzung der Vollziehung endgültige Klarheit bringen wird.

Beginnend im September 2022 wurde den Arbeitnehmern einmalig zur Entlastung bei den gestiegenen Energiekosten die Energiepreispauschale (EPP) ausbezahlt. Die Auszahlung erfolgte bei Arbeitern und Angestellten über den Arbeitgeber mit dem Lohn/Gehalt zur Auszahlung gebracht und war weder der Lohnsteuer noch der Sozialversicherungsbeitragspflicht unterworfen. 300,00 EUR brutto gleich netto soweit so gut. Wie sieht jedoch die Situation in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leistungsempfängers aus? Das Amtsgericht Norderstedt hat hierzu in einem Beschluss vom 15.09.2022 – Az.: 66 IN 90/19 entschieden, dass die Energiepreispauschale im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens gemäß §§ 112 ff. EStG pfändbar ist und insbesondere dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO unterliegt. Der Insolvenzverwalter hat also – will er sich nicht persönlich haftbar machen – keine andere Möglichkeit, als dem betroffenen Insolvenzschuldner den gesamten Betrag der EPP zu nehmen und der Insolvenzmasse zukommen zu lassen. Es fragt sich sodann, welche Möglichkeiten der Schuldner hat, seine erhöhten Kosten letztendlich doch über die EPP abzudecken?

Auch hierzu hat sich das AG Norderstedt im Rahmen des vorgenannten Beschlusses geäußert: Möchte sich der Schuldner gegen die Vereinnahmung der EPP durch den Insolvenzverwalter zur Wehr setzen, muss er einen Antrag auf Vollstreckungsschutz für die EPP nach § 765a ZPO zum zuständigen Insolvenzgericht stellen:
Hier können Sie sich den Musterantrag herunterladen
Das AG Norderstedt hat aber schon in seinem oben zitierten Beschluss richtigerweise darauf hingewiesen, dass für den Erfolg eines solchen Antrages hohe Hürden zu überwinden sind. Es handelt sich bei § 765a ZPO um eine Ausnahmevorschrift! Der Antragsteller muss daher im Rahmen seines Antrages geltend machen, dass er tatsächlich von höheren Energiekosten und -preisen belastet ist, die einen Entzug des Geldes gegenüber den Gläubigern rechtfertigen können. Hierzu könnte auch gehören, dass der Schuldner diese erhöhten Kosten im Rahmen von Nachzahlungsbelegen, Vergleichsrechnungen der Benzinpreise etc. darlegt. Inwieweit die jeweiligen Insolvenzgerichte den Argumentationen der antragstellenden Schuldner folgen werden, bleibt abzuwarten.

Die Welt am Sonntag vom 06.11.2022 fasst im Wirtschaftsteil unter der Überschrift „Liquiditätsopfer“ vermeintliche Zahlungsschwierigkeiten beim Hannoveraner Medizin-Start-Up Syntellix AG zusammen. Im Artikel selbst wird von Mitarbeiterin berichtet, die längst fällige Gehaltszahlungen nicht erhalten haben und deswegen zum Teil auch vor das zuständige Arbeitsgericht gezogen seien. Dort seien dann jeweils Vergleiche geschlossen worden, in denen sich die Syntellix AG verpflichtet habe, die rückständigen und fälligen Gehälter zu bezahlen. Weiter wird berichtet, dass zunächst die im Vergleich vereinbarte Zahlungsfrist ohne Zahlung verstrichen sei und anschließende Vollstreckungsversuche aus den gerichtlichen Vergleichen für die Arbeitnehmer erfolglos verlaufen seien. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu Lasten eines Kontos der Aktiengesellschaft bei der NordLB hätten nicht zur Befriedigung der Forderungen aus den Vergleichen geführt. Konkret heißt es in dem Artikel: „Einige Ex-Beschäftigte haben sich aus Angst vor Repressalien vertraulich an WELT AM SONNTAG gewandt, ihre Namen sind der Redaktion bekannt. Syntellix bestreitet die Angaben des Amtsgerichts und der früheren Beschäftigten auf Anfrage: „Es trifft nicht zu, dass Anträge auf Pfändung des Kontos der Syntellix AG bei der NordLB vorliegen“, teilt das Unternehmen mit. „Die Syntellix AG ist selbstverständlich in der Lage, alle ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.““

Der Artikel wirft indirekt die Frage auf, was die (ehemaligen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit fälligen Gehaltsforderungen nun tun können. Er wirft weiter die Frage auf, ob die Syntellix AG möglicherweise insolvenzreif (zahlungsunfähig und/oder überschuldet) ist. Die Syntellix AG bestreitet dies. Eine Klärung ist auf diese Weise nicht möglich. Die Situation wirft aber dennoch die Frage auf, wie Gläubiger erforderlichenfalls ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners initiieren können bzw. dessen Insolvenzreife unabhängig prüfen lassen können.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Insolvenzantrag eines Gläubigers (sog. Fremdantrag) zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Legt man die Angaben der (ehemaligen) Mitarbeiter der Syntellix AG als zutreffend zugrunde, sind sie Gläubiger der Aktiengesellschaft. Sie verfügen über einen vollstreckbaren Titel in Form des arbeitsgerichtlichen Vergleichs und haben erfolglos versucht, aus diesem Vergleich die Vollstreckung zu betreiben. Reicht das für die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit? Im praktischen Fall müssten die (ehemaligen) Mitarbeiter wohl damit rechnen, dass sich die Syntellix AG gegen diese Behauptung im Rahmen eines Insolvenzantragsverfahrens zur Wehr setzt.

Zur Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit ist das praktisch gängigste Mittel die Vorlage einer sog. Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines Gerichtsvollziehers gemäß § 63 GVGA. Diese Bescheinigung sollte nicht älter als sechs Monate sein (so das OLG Dresden in ZInsO 2001, Seite 1110). Um eine solche zu erhalten, müssten also die Gläubiger zunächst einmal den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragen. Das kann dauern. Fraglich ist aber, ob das – weiterhin die Angaben im Zeitungsartikel als zutreffend unterstellt – überhaupt notwendig ist? Hierzu halten wir fest, dass die (ehemaligen) Mitarbeiter keine Befriedigung aus der Pfändung des Geschäftskontos erlangen konnten. Die Pfändung des Kontos wurde eingeleitet, nachdem die Syntellix AG die sie treffende Zahlungsverpflichtung aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen nicht – jedenfalls nicht fristgemäß – eingehalten hat. Hierzu wiederum heißt es bei Vuia – Münchener Kommentar zur InsO, 4. Auflage (2019), § 14, Rn. 14: „Als urkundliche Mittel der Glaubhaftmachung kommen bei der Zahlungsunfähigkeit … ferner schriftliche Erklärungen des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern, in denen er seine Zahlungsunfähigkeit für die absehbare Zukunft eingesteht, etwa Gesuche um Zahlungsaufschub von deutlich mehr als einem Monat, ferner schriftliche Anerkenntnisse oder Zahlungsankündigungen, denen (was gesondert glaubhaft zu machen ist) allenfalls eigenmächtige Teilzahlungen folgen sowie zuverlässige substantiierte Presseberichte, auch wenn keine amtliche Verlautbarung enthalten,“ [in Betracht].

Für die (ehemaligen) Mitarbeiter der Syntellix AG könnte sich also zur weiteren Sachaufklärung durchaus ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Syntellix AG lohnen. Die Vorlage des gerichtlichen Vergleichs, die Nichteinhaltung der im Vergleich enthaltenen vereinbarten Zahlungsfrist und die letztendlich erfolglose Pfändung des Geschäftskontos bei der NordLB könnten das Insolvenzgericht überzeugen, hier den Insolvenzantrag zunächst für zulässig zu erachten und einen Gutachter zur weiteren Sachaufklärung zu bestellen.

Unabhängig von der objektiven Frage der Insolvenzreife zeigen Fremdanträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch immer wieder, dass solche Anträge dem betroffenen Schuldner lästig sind und er infolgedessen bisweilen neue Eigen- und/oder Fremdmittel beschafft, um letztendlich die der Antragstellung zugrundeliegenden Forderung doch noch zu erfüllen!

BGH, Urteil vom 23.09.2022 – V ZR 148/21

Allgemeines zum Autokauf

Für die Übertragung des Eigentums reicht der Abschluss eines Kaufvertrags entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht aus, hinzukommen muss die Übereignungshandlung. Bewegliche Sachen, zu denen auch PKW gehören, werden übereignet, indem der bisherige Eigentümer sich mit dem Erwerber, meist ein Käufer, darüber einig wird, dass das Eigentum übergehen soll, was nicht notwendig ausdrücklich, sondern auch durch schlüssiges Handeln erfolgen kann, und die Sache körperlich übergeben wird. Bei der Übereignung eines PKW werden dazu im Allgemeinen die Fahrzeugschlüssel übergeben.

Sinnvoll, aber keineswegs erforderlich ist wiederum entgegen weit verbreiteter Ansicht die Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil I und II (früher KFZ-Schein und KFZ-Brief).

Im Grundsatz möglich ist es aber auch, von einem Nichteigentümer – auch gegen den Willen des tatsächlichen Eigentümers – das Eigentum zu erwerben, wenn die Voraussetzungen des sogenannten gutgläubigen Erwerbs vorliegen. Der Bundesgerichtshof hatte in folgendem Sachverhalt zu klären, ob dies der Fall war.

Der zu entscheidende Fall

Die Käuferin schloss mit einem Autohaus einen Kaufvertrag über einen PKW zum Preis von 30.000 € ab. Der PKW gehörte allerdings nicht dem Autohaus, sondern einer Leasinggesellschaft, die auch die Zulassungsbescheinigung Teil II in ihrem Besitz und der Veräußerung nicht zugestimmt hatte. Der PKW wurde der Käuferin am Tag des Kaufes übergeben, nicht jedoch die Zulassungsbescheinigung Teil II. Diese sollte ihr einige Tage später zugeschickt werden, was aber nicht geschah.

Später erfuhr die Käuferin, dass der Geschäftsführer des Autohauses in ähnlicher Weise etwa 100 weitere Kunden betrogen hatte. Nach erfolglosen außergerichtlichen Bemühungen klagt nun die Käuferin gegen die Leasinggesellschaft auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II. Sie behauptet dazu, ihr sei eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II beim Kauf vorgelegt worden, in der das Autohaus als Halter eingetragen gewesen sei. Sie sei Eigentümerin des PKW geworden und daher auch Eigentümerin der Zulassungsbescheinigung Teil II, sodass ihr ein Herausgabeanspruch zustehe.

Die Leasinggesellschaft bestreitet die Vorlage einer gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II und meint, sie sei nach wie vor Eigentümerin des PKW. Sie erhebt deshalb Widerklage gegen die Käuferin auf Herausgabe des PKW.

Der Klage wurde stattgegeben, die Widerklage abgewiesen.

Die Zulassungsbescheinigung Teil II

Erneut entgegen weit verbreiteter Ansicht wird in der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht der Eigentümer, sondern der Halter des PKW eingetragen, die häufig nicht identisch sind. Ein typischer Fall für das Auseinanderfallen dieser beiden Eigenschaften ist die Sicherungsübereignung des PKW, die ohne Übergabe des Fahrzeugs möglich ist. Eigentümer ist hier die finanzierende Bank, Halter hingegen der Kreditnehmer, der das Auto in Besitz behält und nutzt. Genauso verhält es sich bei Leasingfahrzeugen, hier tritt an die Stelle der Bank im vorigen Beispiel die Leasinggesellschaft.

Das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II steht dem Eigentümer des PKW zu, wird also das Eigentum am PKW übertragen, geht das Eigentum an der Bescheinigung automatisch auf den Erwerber des Fahrzeugs über.

Im zu entscheidenden Fall kam es daher für die Klage und die Widerklage allein darauf an, ob die Käuferin das Eigentum am PKW erworben hatte oder ob die Leasinggesellschaft weiter Eigentümerin war.

Der gutgläubige Erwerb des Fahrzeugs

Für einen gutgläubigen Eigentumserwerb von einem Veräußerer, der selbst nicht Eigentümer ist, muss der Erwerber beim Übertragungsakt berechtigter Weise davon ausgehen dürfen, dass der Veräußerer zur Veräußerung berechtigt ist, er muss also glauben dürfen, dieser sei der Eigentümer. Das Gesetz formuliert negativ, der Erwerber sei nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

Da die Käuferin nicht wusste, dass der PKW nicht dem Autohaus, sondern der Leasinggesellschaft gehörte, hatte sie nur dann nicht das Eigentum erworben, wenn sie dies grob fahrlässig nicht bemerkt hätte. Hier kommt die Zulassungsbescheinigung Teil II ins Spiel. Wie schon ausgeführt, ist in dieser zwar nicht der Eigentümer, sondern der Halter eingetragen, sie gibt daher – anders als das Grundbuch – keine Auskunft über die Eigentümerstellung. Da üblicherweise jedoch der Eigentümer auch im Besitz der Bescheinigung ist, verlangt die Rechtsprechung, dass ein Erwerber, dem die sie nicht vorgelegt wird, nachforschen muss, weshalb der Veräußerer sie nicht vorlegen kann. Tut er das nicht, ist er grob fahrlässig und daher nicht in gutem Glauben. Er kann das Eigentum nicht gutgläubig erwerben. Nicht anders ist es, wenn die Bescheinigung zwar vorgelegt wird, jedoch jemand anderes als der Veräußerer als Halter eingetragen ist.

In unserem Fall behauptete die Käuferin, sie habe wegen der Hochwertigkeit der Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht erkennen können, dass das Autohaus in Wahrheit nicht Halter des PKW gewesen sei, sie habe daher gutgläubig das Eigentum erworben. Das bestreitet aber die beklagte Leasinggesellschaft. Es kam daher darauf an, ob die Käuferin ihre Gutgläubigkeit oder umgekehrt die Leasinggesellschaft deren Bösgläubigkeit zu beweisen hat. Aus der Formulierung des Gesetzes ergibt sich, dass der bisherige Eigentümer die Bösgläubigkeit zu beweisen hat, dem Erwerber obliegt es nur, die Tatsachen vorzutragen, aus denen er seine Gutgläubigkeit ableitet.

Dieser sogenannten Vortragslast war die Käuferin mit ihren Ausführungen zur Vorlage einer Fälschung nachgekommen. Die Leasinggesellschaft hätte daher beweisen müssen, dass deren Behauptungen zur Vorlage einer Fälschung nicht zutrafen. Das wäre etwa durch Benennung des Geschäftsführers des Autohauses als Zeugen möglich gewesen. Einen Beweis hatte die Leasinggesellschaft jedoch nicht angeboten. Da das Gericht im Zivilrechtsstreit anders als zum Beispiel im Strafverfahren den Lebenssachverhalt nicht von sich aus ermittelt, war die Behauptung der Käuferin zur Fälschungsvorlage als zutreffend anzusehen und der Entscheidung zugrunde zu legen, sodass die Käuferin als gutgläubig zu behandeln war. Ihr wurde deshalb ein Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II zugesprochen und die Widerklage auf Herausgabe des PKW abgewiesen.

Rechte des bisherigen Eigentümers

Der bisherige Eigentümer in einer solchen Situation ist nicht vollständig rechtlos gestellt. Zwar hat er das Eigentum an der Sache (hier PKW) verloren, kann aber von dem unberechtigt handelnden Veräußerer verlangen, dass dieser ihm herausgibt, was er für die Sache erhalten hat, regelmäßig also den Kaufpreis. Ist dieser jedoch nicht mehr vorhanden, was bei kriminellem Vorgehen nicht unüblich, aber auch sonst nicht ausgeschlossen ist, bleibt der bisherige Eigentümer auf dem Schaden sitzen. Das Gesetz mutet dem Eigentümer also zu, auf seine Sachen Acht zu geben und genau zu schauen, wem er den Besitz daran überlässt.

Angemerkt sei noch, dass ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist, wenn dem Eigentümer die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen ist, er also den Besitz unfreiwillig verloren hat.

BFH, BGH, Beschluss vom 15.08.2022 – IX ZB 17/21 >br>BGH, Beschluss vom 15.08.2022 – IX ZB 19/21

In jedem Beruf gibt es schwarze Schafe, leider auch unter Insolvenzverwaltern.

Nach § 58 InsO steht der Insolvenzverwalter unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Begeht er in Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren eine Straftat, zum Beispiel eine Untreue, hat das für ihn regelmäßig nicht nur strafrechtliche Folgen, sondern fordert auch insolvenzgerichtliche Maßnahmen heraus.

In dem Verfahren, das dem ersten Beschluss des BGH zugrunde lag, hatte der (spätere) Insolvenzverwalter für seine Gutachtertätigkeit im Eröffnungsverfahren aus der Staatskasse die ihm zustehende Vergütung erhalten, dennoch entnahm er nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet und er zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, der Masse ein zweites Mal diese Vergütung.

Dieses Vorgehen musste insolvenzgerichtliche Sanktionen nach sich ziehen, nachdem es bekannt wurde. In Betracht gekommen wäre ohne Weiteres von Amts wegen eine Entlassung aus dem Amt des Insolvenzverwalters nach § 59 InsO, wenn er nicht seinerseits einen eigenen Antrag auf Entlassung aus dem Amt gestellt hätte, dem das Insolvenzgericht nachgekommen war.

Grundsätzlich hat allerdings auch derjenige Insolvenzverwalter Anspruch auf die Vergütung seiner Tätigkeit, der sich nicht pflichtgemäß verhält. Dementsprechend stellte der (jetzt frühere) Insolvenzverwalter einen Antrag an das Gericht, seine Vergütung festzusetzen. Das Gericht wies seinen Antrag zurück, weil er seinen Vergütungsanspruch verwirkt habe. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht zurück. Ebenso wenig hatte er mit seiner Rechtsbeschwerde zum BGH Erfolg.

Der Insolvenzverwalter, so das Bundesgericht, verwirkt seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als „unwürdig“ erweist. Da der Insolvenzverwalter einen gemäß Art. 12 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit hat, kommt ein solcher Ausschluss der Vergütung bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.

Dafür genügt nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung. Die Versagung jeglicher Vergütung kommt vielmehr nur bei einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat. Eine solche gravierende Straftat liegt in einer bewusst die Insolvenzmasse schädigenden Untreuehandlung, wie sie hier gegeben war.

In dem zweiten Verfahren hatte der Verwalter zwar keine Unterschlagung begangen, das Insolvenzgericht hat ihm dennoch die Vergütung versagt, weil er in dem ersten Verfahren die erwähnte Unterschlagung begangen hatte und es in 18 weiteren Insolvenzverfahren zu erheblichen Pflichtverletzungen gekommen war. Eine Pflichtverletzung in diesem zweiten Verfahren war jedoch nicht gegeben.

Der BGH hat sich auch in diesem Fall den Vorinstanzen angeschlossen, die den Vergütungsanspruch als verwirkt angesehen hatten. Dieses Ergebnis begründet der BGH wie folgt.

Die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters könne grundsätzlich nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden, für das er eine Vergütung beansprucht. Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters in anderen Verfahren führten demgegenüber nur unter besonderen Umständen zum Verlust des Anspruchs auf Vergütung. So komme die Versagung der Vergütung grundsätzlich nur bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtverstößen in Betracht. Allerdings könne eine einmalige, in der Begehung einer Straftat zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung genügen, denn auch eine in einem anderen Verfahren verübte Straftat könne die unbedingt und ausnahmslos erforderliche charakterliche Eignung des Verwalters, fremdes Vermögen zu verwalten, entfallen lassen.

BFH, Urteil vom 12.07.2022 – VIII R 8/19

Allgemeines zum häuslichen Arbeitszimmer
Das häusliche Arbeitszimmer (ein eigener Raum in Wohnung oder Haus mit nur untergeordneter privater Mitbenutzung) kann einkommensteuermindernd berücksichtigt werden – jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit steht dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz, etwa im Betrieb des Arbeitgebers, zur Verfügung, das häusliche Arbeitszimmer ist aber nicht Tätigkeitsmittelpunkt. Hier ist die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € im Kalenderjahr begrenzt. Abzugsfähig sind zum Beispiel die anteilige Wohnungsmiete, bei Eigentümern die anteilige AfA, die Heiz- und Reinigungskosten, die Anschaffungskosten für Möbel, insbesondere einen Schreibtisch. Typische Betroffene können hier unter vielen anderen Lehrer oder Richter sein.
  • Die Begrenzung auf 1.250 € gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
  • Liegen die Voraussetzungen eines häuslichen Arbeitszimmers nicht vor, wird die betriebliche oder berufliche Tätigkeit aber ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb belegene Betätigungsstätte aufsucht, ist ein pauschaler Abzug von 5 € je Kalendertag, höchstens 600 € pro Kalenderjahr zulässig (sogenannte Homeoffice-Regelung).

Die für den Steuerabzug notwendigen Angaben hat der Steuerpflichtige in seiner jährlichen Einkommensteuererklärung zu machen. Es ist offensichtlich, dass diese Angaben leicht manipuliert werden können, viele Steuerpflichtige können dieser Versuchung auch nicht widerstehen. Insbesondere die tatsächliche Nutzung und Gestaltung des angeblichen Arbeitszimmers wird häufig „geschönt“.

Dementsprechend kritisch betrachten die Veranlagungsbeamten der Finanzämter die Angaben der Steuerpflichtigen, gelegentlich möchten sie sich auch vor Ort von den Tatsachen überzeugen. Das ist grundsätzlich zulässig, aber auch das Finanzamt muss die dafür geltenden Regeln beachten, insbesondere darf es nicht gegen den auch für das Arbeitszimmer geltenden Grundrechtsschutz aus Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen, der die Unverletzlichkeit der Wohnung als Teil der Privatsphäre schützt.

Der zu entscheidende Fall
Im hier besprochenen Fall hatte die Steuerpflichtige, die die Kosten ihres Arbeitszimmers steuermindernd geltend machen wollte, ihrer Einkommensteuererklärung eine Skizze beigefügt, auf der nicht alle Räume der Wohnung, sondern nur ein als Schlafzimmer bezeichneter Raum und ein Wohn-/Essraum verzeichnet waren. Das Wort „Schlafzimmer“ war gestrichen und darunter „Arbeitszimmer“ vermerkt. Für den Veranlagungsbeamten lag der Schluss nahe, dass dies nur möglich war, wenn der Wohn-/Essraum auch zum Schlafen genutzt wurde. Hieran hatte er nicht ganz unberechtigte Zweifel. Er beauftragte daher einen Mitarbeiter der Steuerfahndung, einen „Flankenschutzprüfer“, mit einer Ortsbesichtigung.

Der Steuerfahnder erschien unangekündigt in der Privatwohnung der Steuerpflich-tigen, wies sich aus und betrat die Wohnung zur Überprüfung der Angaben in der Steuererklärung. Die Steuerpflichtige widersprach dem nicht. Dabei stellte sich heraus, dass die Angaben zum Arbeitszimmer zutrafen, die Skizze jedoch nicht alle Räume der Wohnung umfasste. Es gab zwei weitere Zimmer, von denen eines als Schlafzimmer diente.

Die Steuerpflichtige wies den Steuerfahnder zudem darauf hin, dass sie alsbald in die Nachbarwohnung umziehen werde.

Mit ihrer Klage möchte die Steuerpflichtige die Feststellung erreichen, dass die Besichtigung rechtswidrig war, was der BFH im Revisionsverfahren anders als erstinstanzlich das Finanzgericht Münster für berechtigt hält, weil die Klage zulässig und begründet war.

Rechtswidrigkeit der Besichtigung
Im Ergebnis meint der BFH, das Finanzamt habe mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Grundsätzlich gilt nach § 88 Abgabenordnung (AO) der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz, das bedeutet, dass das Finanzamt selbst alle für die Besteuerung notwendigen Tatsachen zu ermitteln hat. Dabei darf es sich nach pflichtgemäßem Ermessen aller zulässigen Beweismittel bedienen und dabei im Ausgangspunkt auf das zweckmäßigste Mittel zugreifen.

Bei der Ermessensausübung hat das Finanzamt dabei zunächst zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige den erheblichen Sachverhalt auf Nachfrage freiwillig offenlegen kann. Außerdem muss es wie bei jeder Maßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, mit anderen Worten muss es prüfen, ob das eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich ist, den erstrebten Zweck, hier die Ermittlung der Wohnungssituation der Steuerpflichtigen, zu erreichen. Nicht erforderlich ist eine Maßnahme, wenn eine andere, gleich wirksame, aber weniger fühlbar den Bürger einschränkende Maßnahme gewählt werden könnte.

Nach den §§ 92, 99 AO darf das Finanzamt grundsätzlich zur Einnahme eines Augenscheins die Wohnräume eines Bürgers betreten, zumal wenn dieser, wie hier die Steuerpflichtige, zustimmt. Die unangemeldete Besichtigung war auch geeignet, die Angaben der Steuerpflichtigen zu überprüfen.

Die unangekündigte Besichtigung war aber nach der höchstrichterlichen Ansicht nicht erforderlich, da mildere Mittel unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung zur Verfügung gestanden hätten. Das Finanzamt hätte zunächst die Steuerpflichtige zu einer ergänzenden Erläuterung zu ihrer Wohnung auffordern müssen, da zu vermuten stand, dass die entstandenen Unklarheiten der Raumsituation dadurch beseitigt werden konnten.

Zusätzlich war auch die konkrete Durchführung der Besichtigung nicht verhältnismäßig. Das Eindringen staatlicher Organe in die Wohnung bedeutet regelmäßig einen Eingriff in die persönliche Lebenssphäre des Bürgers. Daher muss es – so der BFH – zur Feststellung der häuslichen Verhältnisse im Allgemeinen genügen, aus dem äußeren Anschein die erforderlichen Folgerungen zu ziehen.

Im Zusammenhang mit dem Arbeitszimmer der Steuerpflichtigen bedeutet dies, dass eine Besichtigung nur ganz ausnahmsweise zulässig ist. Das Finanzamt ist in einem solchen Fall nach § 99 Abs. 1 AO gehalten, die Besichtigung angemessene Zeit vorher anzukündigen. Nur ausnahmsweise darf die Ankündigung unterbleiben, wenn anderenfalls der Zweck der Maßnahme gefährdet oder gar vereitelt wür-de, etwa die berechtigte Annahme besteht, das Besichtigungsobjekt, also das Ar-beitszimmer im Zusammenhang mit der gesamten Wohnungssituation könne ver-ändert werden. Anhaltspunkte dafür gab es vorliegend nicht.

Das Finanzamt handelte schließlich auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil nicht der Veranlagungsbeamte die Besichtigung durchführte, sondern ein Beamter der Steuerfahndung. Die Besichtigung durch die Steuerfahndung belastet den Bürger mehr, weil bei zufällig anwesenden anderen Personen der Eindruck entstehen könnte, gegen den Bürger werde strafrechtlich ermittelt, was sein persönliches Ansehen gefährden könnte. Dabei ist unerheblich, ob die Besichtigung tatsächlich von Dritten bemerkt wurde, es reicht insoweit die abstrakte Gefahr aus.

Weil die Steuerpflichtige in die Durchführung der Ortsbesichtigung eingewilligt hatte, lag zwar kein schwerer Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung vor, das Finanzamt durfte sein Ermessen dennoch selbstverständlich nur im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben ausüben.

BGH, Urteil vom 28.06.2022 – II ZR 112/21
BGH, Urteil vom 28.04.2022 – IX ZR 48/21
BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20

Alle drei Entscheidungen befassen sich mit dem im Insolvenzrecht zentralen Begriff der Zahlungsunfähigkeit, den die Insolvenzordnung in § 17 regelt. Ihm kommt insbesondere im Zusammenhang mit den folgenden Themen Bedeutung zu:

  • Die Zahlungsunfähigkeit ist neben der (insolvenzrechtlichen, nicht bilanziellen) Überschuldung Insolvenzgrund.
  • Bei juristischen Personen (z. B. GmbH, AG) trifft die Organe (Geschäftsführer, Vorstand) gemäß § 15a InsO eine Insolvenzantragspflicht spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, weshalb sie die Liquiditätslage ihrer Gesellschaft ständig überwachen müssen.
  • Unterlassen die Organe nach Eingreifen der Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit die rechtzeitige Insolvenzantragstellung, haften sie für nach diesem Zeitpunkt noch geleistete Zahlungen ihrer Gesellschaft persönlich, soweit die Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Das heißt, sie haben diese Zahlungen in voller Höhe der Gesellschaft zu erstatten.
  • Die Zahlungsunfähigkeit ist gemeinsam mit anderen Tatbeständen eine maßgebliche Voraussetzung mehrerer Insolvenzanfechtungstatbestände. So sind zum Beispiel in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung Leistungen des Insolvenzschuldners nach § 130 InsO anfechtbar, wenn der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit kannte.

Für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit in Abgrenzung zur Zahlungsstockung stellt das Gesetz mehrere Methoden zur Verfügung.

Erste Methode:

Zunächst ist der Schuldner nach § 17 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Diesen für Nichtjuristen schwer greifbaren Tatbestand hat der Bundesgerichtshof dahingehend konkretisiert, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn die liquiden Mittel die Verbindlichkeiten nicht zu mehr als 90 %decken, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Will der Geschäftsführer aktuell feststellen, ob sein Unternehmen zahlungsunfähig in diesem Sinne ist, muss er zunächst auf den laufenden Tag (Stichtag) einen sogenannten Liquiditätsstatus erstellen, in den auf der einen Seite die vorhandene Liquidität (Barkasse Bankguthaben, nicht ausgeschöpfter Kredit = Aktiva I) und auf der anderen die fälligen Verbindlichkeiten (Passiva I) eingestellt werden müssen. Erreicht der so ermittelte Deckungsgrad nicht mindestens 90 %, ist zu untersuchen, ob und wie sich die Finanzlage in den kommenden drei Wochen ändert. Dazu ist ein Finanzplan aufzustellen, bei dem auf der Aktivseite zusätzlich zu der Liquidität am Stichtag die im Drei-Wochenzeitraum zu erwartende Liquidität (Forderungseinzug, Erlös aus der Verwertung von schnell zu veräußernden beweglichen Gegenständen des Anlagevermögens, der in diesem Zeitraum zu erzielen ist, neue Kreditbeschaffung = Aktiva II) und auf der Passivseite die im Drei-Wochenzeitraum zusätzlich noch fällig werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II) einzustellen sind. Ergibt sich hieraus keine über 90 % hinausgehende Deckung, ist Zahlungsunfähigkeit mit den oben aufgezeigten Konsequenzen gegeben.

Allerspätestens jetzt, besser schon bei ernstlichen Zweifeln an der gegenwärtigen und/oder zukünftigen Liquidität der Gesellschaft, sollte die Geschäftsleitung einen erfahrenen Fachmann für Sanierungsberatungen hinzuziehen, um das Überleben der Gesellschaft zu sichern.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.06.2022 ist nunmehr eine modifizierte Methode zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zulässig, die allerdings nur bei rückwärtiger Betrachtung eingesetzt werden kann. Ausgehend von dem Stichtag, an dem der Liquiditätsstatus eine Unterdeckung von 10 % oder mehr ausweist, ist eine aussagekräftige Anzahl (ausreichend sind drei im Wochenabstand) taggenauer Liquiditätsstatus aufzustellen. Ergibt sich auch zu diesen Zeitpunkten kein besserer oder gar ein schlechterer Deckungsgrad, ist Zahlungsunfähigkeit eingetreten.

Da die erste Methode ein prognostisches Element enthält, kann sie zu anderen Ergebnissen führen als die retrograde, von feststehenden Zahlen ausgehende zweite Methode. Welcher in einem solchen Fall der Vorrang einzuräumen ist, hat der Bundesgerichtshof bislang allerdings nicht entschieden. Es spricht viel dafür, dass die retrograde Ermittlung hier maßgeblich ist.

Zweite Methode:

In diesem Zusammenhang arbeitet § 17 InsO mit einer sogenannten gesetzlichen Vermutung. Danach ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Trotz der Ähnlichkeit der Begriffe Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung sind sie inhaltlich nicht deckungsgleich. Die Zahlungseinstellung ist dasjenige äußerliche Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Sie wird nicht durch Liquiditätsstatus festgestellt, sondern beruht auf Indizien (tatsächlichen Umständen), die üblicherweise für einen Mangel an liquiden Mitteln sprechen.

In der Rechtsprechung sind dafür Kriterien herausgearbeitet worden, die entweder allein oder in ihrer Zusammenschau die Zahlungseinstellung ergeben können. Von der Rechtsprechung anerkannte Indizien sind (nicht abschließend) etwa:

  • Rückstände auf die Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung.
  • Steuerrückstände, insbesondere bei Umsatz- und Lohnsteuer.
  • Dauerhaft schleppende Zahlungsweise.
  • Eine Stundungsbitte, wenn sie mit der Erklärung verbunden ist, anderenfalls die Gläubigerforderung nicht, jedenfalls nicht vollständig begleichen zu können.
  • Die Erklärung des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein.
  • Nichteinhaltung von vereinbarten Raten oder Zahlungszusagen des Schuldners, insbesondere, wenn verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre erfolgen.
  • Rückstände bei betriebswichtigen Lieferanten, jedenfalls wenn sie nicht schnell ausgetauscht werden können.
  • Eine einzelne Verbindlichkeit kann die Zahlungseinstellung begründen, wenn sie gerade gegenüber dem Anfechtungsgegner besteht und absolut und relativ hoch ist.
  • Sprunghaftes Anwachsen der Zahlungsrückstände.
  • Liefersperren.
  • Belieferung nur noch gegen Vorkasse.
  • Zwangsvollstreckungen in das Schuldnervermögen.
  • Frühere Insolvenzanträge, auch wenn sie später zurückgenommen oder für erledigt erklärt wurden.
  • Rücklastschriften.
  • Ist der Schuldner gewerblich tätig, spricht eine Vermutung dafür, dass er weitere Verbindlichkeiten hat.

Rückstände bei den Trägern der Gesamtsozialversicherung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.04.2022 sehr konkret gewürdigt und erstmals eine Art Rasterprüfung vorgestellt. Danach gilt:

  • Mehr als sechsmonatiges Nichtabführen stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für die Zahlungseinstellung dar und reicht im Allgemeinen hierfür allein aus.
  • Viermonatiges Nichtabführen reicht in der Regel ebenfalls aus.
  • Zwei- bis dreimonatiges Nichtabführen soll dagegen allein nicht ausreichen, es müssen dann weitere für die Zahlungseinstellung sprechende Umstände (siehe oben) hinzutreten.
  • Durchgängig um einen Monat verspätete Zahlungen bilden zwar auch ein Indiz für die Zahlungseinstellung, jedoch ist sein Beweiswert deutlich reduziert.

Während herkömmlich alle diese Indizien im Grundsatz als gleichwertig eingeschätzt wurden und im Einzelfall gewichtet werden mussten, sieht der Bundesgerichtshof seit dem Urteil vom 06.05.2021 die eigene Erklärung des Schuldners im Vordergrund. Als besonders aussagekräftig im Sinne einer Zahlungseinstellung ist danach nunmehr die Erklärung des Schuldners, eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen drei Wochen nicht – und zwar auch nicht ratenweise - begleichen zu können. Besonders gravierend ist die ausdrückliche Erklärung des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein.

Fehlt es an einer solchen Erklärung, müssen die übrigen Umstände in der Gesamtschau ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können.

Bei allem soll nicht schematisch vorgegangen, sondern alle Aspekte des Einzelfalls gewürdigt werden. Allerdings hält der Bundesgerichtshof diesen Ansatz selbst nicht konsequent durch, wie etwa die Rasterprüfung zu Rückständen bei den Trägern der Gesamtsozialversicherung zeigt.

Ergibt sich aus der Wertung aller dafür und dagegen sprechenden Umstände die Zahlungseinstellung kann die daraus folgende Vermutung der Zahlungseinstellung von dem dadurch Belasteten, etwa dem Anfechtungsgegner oder dem auf Haftung in Anspruch genommenen Geschäftsführer entkräftet werden. Möglich ist dies im Rechtsstreit durch die Einholung eines (sehr teuren) Sachverständigengutachtens, typischerweise eines Wirtschaftsprüfers. Nach der langjährigen Erfahrung des Verfassers dieser Kommentierung wird die Zahlungsunfähigkeit bei zuvor festgestellter Zahlungseinstellung jedoch nahezu ausnahmslos durch das Sachverständigengutachten bestätigt. Dadurch erhöhen sich die Kosten des Rechtsstreits, die derjenige tragen muss, der im Prozess unterliegt, ganz erheblich. Bevor also ein Sachverständigengutachten zur Beweisführung im Prozess angeboten wird, müssen die Chancen und Risiken dieser Beweisführung sehr sorgfältig gegenübergestellt werden.

BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20

Der Bundesgerichtshof hatte schon mit Urteil vom 06.05.2021 die Voraussetzungen deutlich verschärft, unter denen Insolvenzverwalter die Vorsatzanfechtung im Insolvenzverfahren nach § 133 InsO durchführen können. So soll es insbesondere nicht mehr möglich sein, automatisch von der dem Insolvenzschuldner bekannten eigenen Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz zu schließen. Die gegenwärtige Zahlungsunfähigkeit allein spricht danach für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nur, wenn sie ein Ausmaß angenommen hat, das eine vollständige Befriedigung der übrigen Gläubiger auch in Zukunft nicht erwarten lässt, etwa deshalb, weil ein Insolvenzverfahren unausweichlich erscheint. Erst wenn also die Deckungslücke ein Ausmaß erreicht hat, nach dem selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung aufgrund objektiver Anhaltspunkte in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen und der absehbar hinzutretenden Gläubiger erwarten lässt, muss dem Schuldner klar sein, dass er nicht einzelne Gläubiger befriedigen darf, ohne andere zu benachteiligen. Nur wenn er in einer solchen Lage, die der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen muss, einzelne Gläubiger, handelt er weiterhin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, und solche Zahlungen bleiben anfechtbar nach § 133 InsO. Der Vorsatz fehlt hingegen (anders als nach der bis dahin geltenden Rechtsprechung), wenn Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit besteht. Wieviel Zeit dem Schuldner hierfür verbleibt, kann dabei nicht pauschal bestimmt werden, sondern hängt vom Verhalten der (übrigen) Gläubiger ab. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Sieht sich der Schuldner im Zeitpunkt der Rechtshandlung, die Gegenstand einer anfechtungsrechtlichen Auseinandersetzung ist, erheblichem Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck ausgesetzt, begrenzt dies den für eine Beseitigung der vorhandenen Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum. Das Gericht betont mehrfach, dass für die Feststellung des Vorsatzes eine pauschale Betrachtung nicht ausreicht, sondern alle Aspekte des jeweiligen Einzelfalls einer besonderen Würdigung zu unterziehen sind.

Mit dem neuen recht komplex gestalteten Urteil aus dem Frühjahr 2022 konkretisiert der Bundesgerichtshof nun diese bereits 2021 verschärften Anforderungen für eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO durch die Insolvenzverwalter. Maßgeblich ist danach auch, ob der noch zahlende Schuldner aufgrund der ihm bekannten Krisenursachen nach den objektiven Umständen erkannt hat, dass ein Insolvenzverfahren unvermeidlich ist und er tatsächlich keine Aussichten mehr hat, seine Gläubiger zukünftig zu befriedigen. Daran soll es fehlen, wenn der Schuldner nach den objektiven Umständen noch annehmen konnte, dass die Krise nur vorübergehend ist oder die von ihm eingeleiteten Schritte zur Überwindung der Krise oder die begonnenen Sanierungsmaßnahmen Erfolg haben werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner damit rechnet, dass alsbald ein anderer Gläubiger einen zulässigen und begründeten Insolvenzantrag stellen wird.

Bisher erschien es naheliegend, dass die Insolvenzantragspflicht bei juristischen Personen (etwa GmbH, AG oder auch eingetragener Verein) diesen Zeitraum auf drei Wochen begrenzt, denn die Organe sind bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit verpflichtet, spätestens nach dieser Zeit einen Insolvenzantrag zu stellen, sodass ein Insolvenzverfahren unausweichlich erscheint. Dieser Überlegung erteilt der Bundesgerichtshof jetzt aber bei der Vorsatzanfechtung eine Absage, weil die Voraussetzungen, unter denen der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz handele, nicht deckungsgleich seien mit dem vom Gesetzgeber für die Insolvenzantragspflicht der Organe der juristischen Person bestimmten Zeitraum.

Der Benachteiligungsvorsatz soll nicht mehr alleinstrong> aus der drohenden Zahlungsunfähigkeit hergeleitet werden können. Ausreichend soll bei drohender Zahlungsunfähigkeit aber sein, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sicher zu erwarten ist und alsbald bevorsteht, der Schuldner sich bewusst ist, dass er kurzfristig einen Insolvenzantrag stellen wird und er gleichwohl Gläubiger in der verbleibenden Zeit bis zum ohnehin beabsichtigten Insolvenzantrag gezielt befriedigt. Als weiteres Indiz wird eine unmittelbare Benachteiligung angesehen, die vorliegt, wenn die angefochtene Rechtshandlung selbst ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Benachteiligung bewirkt.

Unternimmt der Schuldner in der ihm verbleibenden Zeit einen Sanierungsversuch, kann dies auch gegen den Benachteiligungsvorsatz sprechen. Bislang verlangte die Rechtsprechung dann vom Anfechtungsgegner den Nachweis, dass das zugrunde liegende Konzept ungeeignet gewesen ist. Diese Beweislastverteilung ändert der Bundesgerichtshof nun ab. jetzt muss der Insolvenzverwalter beweisen, dass der Sanierungsversuch untauglich war und der Schuldner dies erkannt oder billigend in Kauf genommen hat.

Bisher wurde für ein erfolgversprechendes, den Vorsatz ausschließendes Sanierungskonzept verlangt, dass es im Zeitpunkt der Rechtshandlung bereits in den Anfängen in die Tat umgesetzt worden war, etwa die Bank einen Sanierungskredit zugesagt hatte. Bei der Anfechtung von Honorarzahlungen an einen Sanierungsberater soll dies nach der neuen Entscheidung nicht uneingeschränkt gelten, sofern der Sanierungsversuch nicht von vornherein aussichtslos ist und der Schuldner mit der Vorstellung handelt, dass eine Vergütung der Beratungsleistungen erforderlich ist, um die Erfolgsaussichten einer Sanierung prüfen oder eine Sanierung beginnen zu können.

Bemerkenswert ist bei allem, dass das Gesetz bei der für die Vorsatzanfechtung notwendigen Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners eine Vermutung aufstellt. Wusste dieser nämlich, dass der Schuldner zumindest drohend zahlungsunfähig war und dass die Rechtshandlung die übrigen Gläubiger benachteiligt, wird vermutet, dass er den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kannte. In einem solchen Fall muss der Anfechtungsgegner diese Vermutung widerlegen, was in der Praxis nur sehr schwer gelingt. Zumindest vordergründig erscheint es nicht vollständig ohne Widerspruch, den Vorsatz des Schuldners an anderen Maßstäben zu messen, wie es die neue Rechtsprechung tut.

In einer weiteren Entscheidung vom 03.03.2022 misst der Bundesgerichtshof der vom Insolvenzverwalter zu beweisenden insolvenzrechtlichen Überschuldung den Charakter eines eigenständigen Indizes für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei. Die Stärke des Beweisanzeichens soll davon abhängen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Überschuldung den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erwarten lässt und wann der Eintritt bevorsteht.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass Zahlungen im Vorfelde der Insolvenz für die Insolvenzverwalter nunmehr schwieriger anzufechten sind und die Erfolgssausichten von Zahlungsempfängern, sich gegen solche Anfechtungen zu wehren, damit erheblich gestiegen sind.

Boris Becker ist vom Southwark Crown Court in London zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen unvollständiger/falscher Angaben zu seinen Vermögenswerten in seinem Insolvenzverfahren verurteilt worden. Der ehemalige Ausnahmesportler musste nach Urteilsverkündung seine Haftstrafe umgehend aus dem Gerichtssaal antreten, wenngleich ihm noch das Rechtsmittel der Berufung zusteht.

Als Boris Becker seinen ersten von insgesamt drei Wimbledonsiegen erreichte, war ich selbst acht Jahre alt. Es ist wohl das älteste Sport-Großereignis, an das ich konkrete Erinnerungen habe. Steffi Graf, Boris Becker, Michael Stich, Anke Huber, Michael Westphal, Patrick Kühnen, Charly (Carl-Uwe) Steeb… sie alle haben in den 1980er und 1990er-Jahren zahlreiche Kinder und Jugendliche begeistert, sportlich inspiriert und letztendlich auch selbst zum Tennisspielen angetrieben. Und doch war „Boris“ immer besonders. Nicht nur sein langjähriger Trainer, Günther Bosch, sah das so, wie er in zahlreichen Co-Kommentatorenauftritten nimmermüde betonte. Boris war ein Garant für Drama, für Mitfiebern, für Kampf – er war im wahrsten Sinne des Wortes „mitreißend“. Und wenn sich diese Kindheitserinnerung nunmehr mit meiner beruflichen Expertise kreuzt, dann wird klar, warum mich dieser Fall beschäftigt.

Oft habe ich in letzter Zeit gelesen, dass Boris Becker „wegen Insolvenzverschleppung“ vor Gericht steht/verurteilt worden ist. Schon das ist so nicht korrekt und wäre im Übrigen auch nach deutschem Insolvenzrecht schlicht falsch. Das „delayed filing for insolvency“ ist zwar grundsätzlich auch im Vereinigten Königreich strafbar, jedoch betrifft diese Straftat – ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland die Geschäftsführer/Vorstände von Kapitalgesellschaften. Deren strafbewehrte Pflicht ist es, unverzüglich bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Natürliche Personen (Menschen) sind jedoch weder in Großbritannien noch in Deutschland dazu verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, können also in diesem Sinne in Bezug auf ihr eigenes Vermögen schon keine Insolvenzverschleppung begehen.

Boris Becker hat im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen selbst beantragt. Im Jahre 2017 wurde er von einem Londoner Gericht für zahlungsunfähig erklärt, nachdem die britische Privatbank Arbuthnot Latham die gerichtliche Feststellung gegen Becker beantragt hatte. Dieser Fall ist soweit nicht ungewöhnlich und auch dem deutschen Insolvenzrecht nicht fremd: auch in Deutschland kann ein Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragen, wenn er gegenüber dem zuständigen Insolvenzgericht seine Gläubigerstellung und den Insolvenzgrund auf Seiten des Schuldners glaubhaft macht (§ 14 InsO).

Im Falle des Fremdantrages der britischen Privatbank über das Vermögen von Boris Becker hatte sich Letzterer im Jahre 2017 versucht, mit allen Mitteln gegen den Antrag zu stemmen. Die prominenteste Verteidigungsstrategie war sicherlich im April 2018 der Versuch der Prozessbevollmächtigten, Boris Becker diplomatischen Schutz aufgrund seiner Funktion als Sportattaché der Zentralafrikanischen Republik zuzubilligen, mit dem Ziel die Unzulässigkeit des Insolvenzverfahrens wegen diplomatischer Immunität zu erreichen. Ein Versuch, der allenfalls kreative Wertschätzung abringt, da unabhängig von der Tatsache, dass diplomatische Immunität sicher nicht rückwirkend entfaltet werden kann, es sich bei der Funktion des Sportattachés um kein Amt mit Diplomatenstatus handelte und Becker im Übrigen ein entsprechender Pass von der Regierung der Zentralafrikanischen Republik zu keinem Zeitpunkt ausgestellt wurde.

Das Insolvenzverfahren in Großbritannien über das Vermögen von Boris Becker wurde bekanntlich durchgeführt und Becker zur Zusammenarbeit mit dem „Trustee“ (Insolvenzverwalter) angehalten. Nichts anderes gilt auch in Deutschland: nach § 97 InsO ist der Insolvenzschuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts auch der Gläubigerversammlung Auskunft über „alle das Verfahren betreffende Verhältnisse“ zu geben. Dies beinhaltet selbstverständlich auch sämtliche Vermögenswerte des Schuldners, unabhängig davon, wo sich diese Vermögensverhältnisse befinden.

Boris Becker wurde nunmehr aufgrund der Verletzung einer inhaltsgleichen Verpflichtung nach englischem Insolvenzrecht verurteilt. Konkret hatte es der heute 54-jährige versäumt, richtige und vollständige Angaben zu seinen Vermögenswerten – konkret einer Immobilie in Leimen (Deutschland) und Gesellschaftsanteile an einer Firma für Künstliche Intelligenz sowie die Existenz einer Darlehensschuld – zu machen. Darüber hinaus hatte Becker unerlaubt hohe Summen auf andere (fremde) Konten transferiert und somit dem Zugriff des Insolvenzverwalters entzogen.

Sämtliche der vorstehenden Handlungen wären im Übrigen auch nach deutschem Recht in einem Insolvenzverfahren mit Folgen verbunden. Zum einen liefert der Schuldner als natürliche Person damit seinen Gläubigern einen Grund, einen (wohl begründeten) Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen. Die Erteilung einer Restschuldbefreiung ist aber nach deutschem Insolvenzrecht sowieso nur dann denkbar, wenn der Schuldner zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt hat, der wiederum regelmäßig mit einem eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden sein muss. Würde man also „deutsche Insolvenzrechtsmaßstäbe“ auf das Insolvenzverfahren Beckers übertragen, kam für Boris Becker die Erteilung einer Restschuldbefreiung in seinem Insolvenzverfahren nicht in Betracht, weil das Verfahren ja bekanntlich nur auf Antrag der englischen Privatbank eröffnet wurde.

Zum anderen wären aber auch die von Becker vorgenommen Handlungen bzw. seine Unterlassungen auch nach deutschem Strafrecht relevant gewesen: Betrug, Untreue, Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung oder auch Bankrott wären im vorliegenden Fall sicherlich Straftatbestände, nach denen ein deutscher Staatsanwalt das Verhalten Boris Beckers zu beurteilen gehabt hätte. Und auch hier wäre – insbesondere gemessen an den vergleichsweise hohen Vermögenswerten, die den Taten zugrunde liegen und eben nach der kriminellen Energie – eine nicht unempfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten gewesen. Die Strafzumessung muss letztendlich auch unter dem Aspekt betrachtet werden, dass Boris Becker zumindest den deutschen Strafverfolgungsbehörden – nicht nur wegen seines sportlichen Ausnahmekönnens – kein Unbekannter ist: am 24.10.2002 wurde Boris Becker wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, außerdem musste er einen Betrag von 200.000,00 EUR an eine gemeinnützige Einrichtung bezahlen.

Insgesamt können also folgende Punkte festgehalten werden:

1. Boris Becker ist ein Garant für Drama – auch lange Zeit, nachdem er seine aktive Tenniskarriere beendet hat;

2. Boris Becker hat aus seiner Vergangenheit nicht wirklich etwas gelernt: spätestens nachdem er wegen Steuerhinterziehung (möglicherweise aufgrund falscher Beratung?) verurteilt worden ist, hätte er ein eigenes Interesse an der Ordnung seiner Vermögensverhältnisse entwickeln müssen;

3. Boris Becker hat sowohl im Insolvenzverfahren als auch im sich anschließenden Strafverfahren schlicht eine falsche und für ihn verheerende Strategie gewählt: Falsch- und Desinformation sowie Verschleierung und Leugnung haben hier zu Kopfschütteln und rechtlichen Konsequenzen geführt, die durch Kooperation und Transparenz vollständig hätten vermieden werden können.

OLG Köln, Beschluss vom 13.10.2021 – 2 U 23/21
Die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber Steuerberatern und GmbH-Geschäftsführern insolventer Unternehmen ist für Insolvenzverwalter ein wichtiges Instrument zur Massegenerierung. Dass hierzu wohl in Zukunft vermehrt Sanierungsberater als Anspruchsgegner zur Kasse gebeten werden und für den Haftungsanspruch eine vergleichsweise geringe Hürde genommen werden muss, zeigt eine Entscheidung des OLG Köln vom 13.10.2021.

Dort hatte der Insolvenzverwalter einer insolventen GmbH die ehemalige Sanierungsberaterin auf Zahlung von knapp einer halben Million Euro in Anspruch genommen. Er stützte seinen Anspruch zum Teil auf erklärte Insolvenzanfechtung, zum Teil auf Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife von der GmbH geleistet wurden. Die Beklagte war von der Insolvenzschuldnerin zur Erstellung eines Sanierungs- und Finanzkonzepts beauftragt worden. Ausweislich des erstellten Sanierungskonzepts lag für die Insolvenzschuldnerin eine positive Zukunftsprognose, wenn auch mit angespannter Liquiditätssituation vor. Altverbindlichkeiten hätten selbst mit neuen Fremdmitteln nur nach einigen Monaten befriedigt werden können.

Die Beklagte hat gegen das erstinstanzlich vom Insolvenzverwalter gewonnene Urteil Berufung eingelegt, unterlag jedoch auch in der zweiten Instanz. Auch das Berufungsgericht sah die Voraussetzungen der §§ 143 I, 133 I InsO als gegeben an, worauf sich der klägerische Teilanspruch auf Rückzahlung des Beraterhonorars stützte. Insbesondere die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge, die offenen Steuerverbindlichkeiten und offenen Löhne, allen voran aber der Ratschlag der Beklagten, die Insolvenzschuldnerin solle ein Treuhandkonto einrichten, um Zahlungen an bestimmte Gläubiger priorisieren zu können, sah das Gericht als Indizien für die von der Beklagten erkannte Zahlungsunfähigkeit an.

Auch den Schadensersatzanspruchs nach den §§ 280 I, 611, 675, 398 BGB hinsichtlich des weiteren geltend gemachten Teilbetrags hat das Berufungsgericht im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) bejaht. Die Beklagte war aufgrund ihrer überlegenen Sachkunde verpflichtet, auf die Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin hinzuweisen. Denn der Sanierungsvertrag entfaltet eine Schutzwirkung zugunsten Dritter – vorliegend zugunsten des Geschäftsführers –, da die Insolvenzverschleppung strafbar ist und der Geschäftsführer insoweit persönlich zivilrechtlich haftet. Die Hinweispflicht bzgl. der Insolvenzantragspflicht greift auch dann, wenn keine entsprechende Beauftragung zugrunde liegt, sofern einem Sanierungsberater alle zur Prüfung relevanten Informationen zur Verfügung gestellt wurden und in dem Sanierungsvertrag keine konkreten Leistungen unter Ausschluss einer Beratung in rechtlichen und steuerlichen Angelegenheiten abschließend geregelt sind.

Die Arbeitnehmer eines in Insolvenz geratenen Unternehmens sind gewöhnlicherweise für den Zeitraum der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung (oder Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse) durch das Insolvenzgeld der örtlich zuständigen Bundesagentur für Arbeit abgesichert. Dies gilt aber nach einem Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.10.2018 (Az.: S 1 AL 3799/16) nicht für solche Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit dem später in Insolvenz fallenden Unternehmen zu einem Zeitpunkt abgeschlossen war, als der Arbeitgeber schon insolvenzreif war.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld gestellt. Der Arbeitnehmer war aber erst zu einem Zeitpunkt (hier: 01.05.2016) in das Unternehmen eingetreten, zu dem das Unternehmen bereits insolvenzreif (zahlungsunfähig und/oder überschuldet) war. Einen solchen Fall sichere das Insolvenzgeld nicht ab, so das Heilbronner Sozialgericht. Tatsächlich hatte der betroffene Arbeitnehmer zu keinem Zeitpunkt eine vertraglich zugesicherte Gehaltsleistung des später insolventen Arbeitgebers erhalten.

Ob die (spätere) Gewinnausschüttung eine einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Forderung aus Sicht der Gesellschaft darstellt, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur umstritten. Gegen eine Gleichbehandlung spricht z.B. eine unterschiedliche Verortung von Gesellschafterdarlehen (Fremdkapital) und stehengelassenen Gewinnen (Eigenkapital) in der Bilanz (siehe dazu Primozic/Ruf in NZI 2021, Seite 980). Im Endeffekt war jedoch für den Bundesgerichtshof die Gesellschafterintention maßgeblich. Ähnlich wie bei der Ausreichung eines (Gesellschafter-) Darlehens mag sich der Gesellschafter einerseits überlegen, dass die Gesellschaft das Geld wohl momentan „besser gebrauchen könne“, andererseits aber auch festen Willens sein, das Geld zu einem späteren Zeitpunkt von der Gesellschaft zu erhalten.

Interessant ist, dass im vorliegenden Fall der Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit nicht auf die Kenntnis des Arbeitnehmers von der wirtschaftlichen Krise des Arbeitgebers gestützt wurde, sondern von der objektiven Insolvenzreife. Es stellt sich hieraus die Frage, wie Arbeitnehmer hierauf reagieren und sich absichern können? Allein die Frage danach, ob es denn dem Unternehmen wirtschaftlich gut gehe, könnte einerseits wohl nicht den erhofften Effekt in Bezug auf eine Gewährung von Insolvenzgeld einbringen, andererseits aber auch negativen Einfluss auf die Entscheidung des Arbeitgebers nehmen, den so dreist nachfragenden Arbeitnehmer letztendlich einzustellen.

Entscheiden sich die Gesellschafter einer GmbH im Rahmen der Feststellung eines Jahresabschlusses dazu, den Gewinn in der Gesellschaft belassen, so kann eine zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommene Ausschüttungen nach §§ 129, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sein. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22.07.2021 – Az.: IX ZR 195/20 entschieden.

Worum es geht…
Im zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Alleingesellschafter einer GmbH den Jahresgewinn „seiner“ GmbH nicht ausgeschüttet, sondern in der Gesellschaft belassen. Im darauffolgenden Geschäftsjahr verfasste der Gesellschafter dann einen insoweit abändernden Beschluss, einen Teilbetrag von 200.000,00 EUR als Gewinn auszuschütten. Vier Monate nach diesem abändernden Beschluss stellte die GmbH einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im eröffneten Insolvenzverfahren forderte der Insolvenzverwalter die Ausschüttung von 200.000,00 EUR unter Berufung auf §§ 129, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO vom Gesellschafter zurück. Mit Erfolg, wie der Bundesgerichtshof urteilte.

Gewinnausschüttung als eine „einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Forderung“
Ob die (spätere) Gewinnausschüttung eine einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Forderung aus Sicht der Gesellschaft darstellt, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur umstritten. Gegen eine Gleichbehandlung spricht z.B. eine unterschiedliche Verortung von Gesellschafterdarlehen (Fremdkapital) und stehengelassenen Gewinnen (Eigenkapital) in der Bilanz (siehe dazu Primozic/Ruf in NZI 2021, Seite 980). Im Endeffekt war jedoch für den Bundesgerichtshof die Gesellschafterintention maßgeblich. Ähnlich wie bei der Ausreichung eines (Gesellschafter-) Darlehens mag sich der Gesellschafter einerseits überlegen, dass die Gesellschaft das Geld wohl momentan „besser gebrauchen könne“, andererseits aber auch festen Willens sein, das Geld zu einem späteren Zeitpunkt von der Gesellschaft zu erhalten.

Konsequenzen für die Beratungspraxis
Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung sind also nicht nur bei der Beratung in Zusammenhang mit der Ausreichung/dem Stehenlassen eines Gesellschafterdarlehens, sondern eben auch bei der Frage der Gewinnverwendung intime Kenntnisse der insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften gefordert. Dies schon deshalb, weil die Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO seit 2008 krisenunabhängig im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung möglich ist. Mithin sollten also auch Steuerberater zukünftig bei der Beratung im Zusammenhang mit der Gewinnverwendung einen entsprechenden Hinweis zur insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit stehengelassener Gewinne erteilen.

Seit jeher wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass ein gesellschaftsvertraglicher Ausschluss des Abfindungsanspruches nach § 738 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB bei Versterben eines Gesellschafters und Fortsetzung der Personengesellschaft keine pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkung i.S.d. §§ 2325 ff. BGB an die verbleibenden Gesellschafter darstellt. Gleiches gilt für den Fall einer gesellschaftsvertraglichen Begrenzung des Abfindungsguthabens, welches nach § 1922 BGB in den Nachlass fällt.

Zur Begründung wird angeführt, dass eine solche Regelung für alle Gesellschafter gilt und somit Gegenleistungscharakter hat: Jeder Gesellschafter hat beim Ableben eines Mitgesellschafters und der Fortsetzung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern die Chance, den Anteil des Ausgeschiedenen durch Anwachsung unter Ausschluss des Abfindungsanspruches zu erwerben, während für ihn gleichermaßen das Risiko besteht, bei Versterben seinen Anteil ohne Ausgleich für den Nachlass zu verlieren. Ferner diene eine solche Vertragsregelung dem Unternehmenserhalt.

Etwas anderes hat der BGH am 03.06.2020 nun für eine Konstellation entschieden (Az. IV ZR 16/19), in der die einzigen Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eheleute waren und sich der Gesellschaftszweck auf die Verwaltung von (z.T. selbstgenutztem) Immobilienvermögen beschränkte. Mit dem Tod des Ehemannes wurde die GbR aufgelöst und die Ehefrau erhielt die Anteile gemäß gesellschaftsvertraglicher Regelung. Eine Abfindung wurde im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen. In dem konkreten Einzelfall hat der BGH eine ergänzungspflichtige Schenkung an die Ehefrau angenommen, da im Vordergrund nicht die Fortführung des nicht am Wirtschaftsleben teilnehmenden Unternehmens stand, sondern eine Regelung vergleichbar der gewillkürten Erbfolge, mit der Pflichtteilsansprüche minimiert werden sollten.

Ob hier ein Paradigmenwechsel eingeleitet wird und der BGH das auch in Bezug auf andere ähnliche Konstellationen bei rein vermögensverwaltenden Gesellschaften so sehen wird, bleibt abzuwarten.

Nachdem das Vereinigte Königreich am 31.01.2020 die Europäische Union verlassen hat, stellt sich die Frage, welche gesellschaftsrechtlichen Folgen dies für Gesellschafter einer britischen Limited mit ausschließlichem Tätigkeitsfeld in der Bundesrepublik Deutschland hat. Aufgrund des Wegfalls der Niederlassungsfreiheit für Unternehmen nach britischem Recht erkennt Deutschland die britische Limited als solche nicht mehr an. Aufgrund ihrer ausschliefllichen Tätigkeit der Limited in der Bundesrepublik Deutschland besteht auch hier ihr “faktischer Verwaltungssitz”. Die fehlende Anerkennung der britischen Gesellschaftsform führt dann jedoch dazu, dass die Limited nicht mehr als Kapitalgesellschaft (mit beschränkter) Haftung, sondern rechtlich als Personenhandelsgesellschaft mit der Folge der vollumfänglichen persönlichen Haftung der Gesellschafter eingeordnet wird. Dies wurde durch das Urteil des OLG München vom 05.08.2021 - Az.: 29 U 2411/21 bestätigt. Je nach Ausgestaltung der unternehmerischen Tätigkeit kann die in Deutschland werbende britische Limited als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder Offene Handelsgesellschaft (OHG) einzuordnen sein.

Betroffene Unternehmer befinden sich daher gegenwärtig in einer Haftungslage, die sie durch Gründung einer haftungsbeschränkten (ausländischen) Gesellschaftsform gerade zu vermeiden versucht haben. Hier besteht Handlungsbedarf ! Bitte kontaktieren Sie gerne die gesellschaftsrechtlichen Spezialisten unserer Kanzlei.

Mit Urteil vom 18.11.2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Directors & Officers (D&O) Versicherung für den durch einen Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einer GmbH / Vorstand einer Aktiengesellschaft geltend gemachten sog. “Insolvenzverschleppungsschaden” einzustehen hat, sofern dieser Schaden durch das Vertretungsorgan nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde. Eine vorhergehende Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 20.07.2018 hatte Geschäftsführern/Vorständen insolventer Unternehmen zusätzlich schlaflose Nächte bereitet, da dieses geurteilt hatte, dass der Insolvenzverschleppungsschaden nach ß 64 Satz 1 GmbHG a.F. als Anspruch “sui generis” nicht von der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgedeckt sei. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr Klarheit zugunsten der versicherten Personen geschaffen: Auch der Verschleppungsschaden ist von der D&O Versicherung abgedeckt. Zur Begründung führte das höchste deutsche Zivilgericht aus, dass von einem Geschäftsführer/Vorstand, der/die zwar in der Regel geschäftserfahren sei, jedoch nicht erwartet werden könne, einen üblichen Haftpflichtanspruch von einem Anspruch nach ß 64 Satz 1 GmbHG a.F. zu erkennen. Deshalb sei der in Rede stehende Erstattungsanspruch (nach ß 64 Satz 1 GmbHG a.F.) von der Versicherung erfasst.

Ungeachtet dessen bereiten derartige Prozesse den Geschäftsführern bzw. Vorständen insolventer Unternehmen häufig schlaflose Nächte, da die geforderten Beträge häufig in Millionenhöhe gehen können. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich als betroffener Geschäftsführer/Vorstand frühzeitig professionellen Rat suchen.

Für einen Beratungsvertrag, der zwischen einer Aktiengesellschaft und einer von einem Aufsichtsratsmitglied vertretenen GmbH abgeschlossen worden ist, sind die ßß 113 ff. AktG anwendbar. Fehlt es an der Zustimmung des Aufsichtsrats zum Abschluss eines solchen Vertrages sind die auf Grundlage des Vertrages gezahlten Honorare an die Aktiengesellschaft zurückzugewähren. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.06.2021 - Az.: II ZR 75/20 entschieden.

Bei dieser Entscheidung zeigt sich erneut die Strenge des Aktienrechts. Möchte ein Aufsichtsratsmitglied als Geschäftsführer einer GmbH einen Beratungsvertrag zwischen der AG und “seiner” GmbH abschlieflen, bedarf dieser Vertrag für seine Wirksamkeit zwingend der Zustimmung des Aufsichtsrates. Ausdrücklich regelt dies ß 114 Abs. 1 AktG nur für die Tätigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds selbst. Der BGH sieht jedoch Raum für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs, da es unbeachtlich sei, dass das Aufsichtsratsmitglied ein vom wirtschaftlichen Erfolg der Aktiengesellschaft unabhängiges Gehalt bezieht. Vielmehr zeigt dieses Urteil, dass der BGH die Fragen eines Interessenkonflikts ernst nimmt und daher das Zustimmungserfordernis auch auf Sachverhalte ausdehnt, in denen das Aufsichtsratsmitglied mittelbar wirtschaftlich von einem Vertragsabschluss profitiert.

Wendet sich der aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossene Gesellschafter gegen seinen Ausschluss, muss er seinen Abfindungsanspruch nicht vor einer Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gegenüber der Gesellschaft geltend machen, so BGH ñ Urteil vom 18.05.2021 - Az.: II ZR 41/20. Im konkret durch den BGH entschiedenen Fall wurde der Gesellschafter einer GbR im Jahre 2009 aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Er wehrte sich gegen seinen Ausschluss über einen Zeitraum von sechs Jahren. Im Jahre 2015 machte er dann nach rechtskräftiger Feststellung des Ausschlusses seinen Abfindungsanspruch gegenüber der Gesellschaft geltend. Die übrigen Gesellschafter der GbR erhoben hiergegen die Verjährungseinrede.

Zu Unrecht, wie der BGH nun am 18.05.2021 entschied. Zwar entstehe der Anspruch auf Abfindung mit dem Ausscheiden der Gesellschaft und unterliege der dreijährigen Regelverjährungsfrist. Jedoch beginne die Verjährung nicht schon mit dem Ausschlieflungsbeschluss, sondern erst mit dessen Rechtskraft. Zuvor sei die Rechtslage im Falle eines Gesellschaftsausschlusses so wage, dass eine zusätzliche (Sicherheits- )Klage auf Zahlung einer Abfindung nicht zumutbar sei. Etwas anderes könne nach BGH nur für solche Fälle gelten, in denen entweder die Wirksamkeit des Ausschlusses nicht streitig sei oder aber der Ausschluss offensichtlich wirksam ist.

Auch dieser Fall zeigt, dass im Rahmen des Gesellschaftsrechts eine taktische Beratung von Beginn einer Auseinandersetzung angefordert ist. Kontaktieren Sie daher im Falle eines Gesellschafts-/Gesellschafterstreits frühzeitig unsere Experten auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts.

Eine natürliche Person, der im Rahmen eines Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt worden ist, hat spätestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses über die Restschuldbefreiung gegenüber der Schufa einen Anspruch auf Löschung der eingetragenen Restschuldbefreiung. Dies urteilte das Oberlandesgerichts Schleswig am 02.07.2021 - Az.: 17 U 15/21. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Dennoch urteilte das OLG Schleswig in bemerkenswerter Klarheit, dass ein ehemaliger Insolvenzschuldner ein berechtigtes Interesse an der Löschung schon nach sechs Monaten habe. Ein berechtigtes Interesse für die dreijährige Speicherung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO habe die Schufa nicht, da eine solch lange Speicherung der in § 3 InsoBekV zuwiderlaufen würde.

Das OLG Schleswig “harmonisiert” durch sein Urteil die Fristen zur Löschung des Merkmals der Restschuldbefreiung im Rahmen der “Insolvenzbekanntmachungen” mit denen der Schufa. Unter Insolvenzbekanntmachungen.de wird der Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung sechs Monate nach Rechtskraft wieder gelöscht und ist für Dritte nicht mehr einsehbar. Sollte das Urteil auch nach der Revision beim Bundesgerichtshof Bestand haben, bedeutet dies, dass ehemalige Insolvenzschuldner den Nimbus der früheren Insolvenz ca. sieben Monaten nach Erteilung der Restschuldbefreiung endgültig abstreifen können.

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