Massgeschneiderte Beratung auf höchstem Niveau ist die Grundlage der nachhaltigen Zufriedenheit unserer Mandanten.
Als mittelständische, auf das Wirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit Standorten in München, Nürnberg und Berlin betreuen wir Ihre rechtlichen Anliegen kompetent, effektiv und “auf den Punkt”, egal wo Sie uns brauchen.
Die Ausstattung unserer Kanzleistandorte mit modernster Technik erlaubt es uns, mit Ihnen jederzeit auf über große Distanz auch über Videokonferenz zu kommunizieren.
Wenn Sie also auf dem Gebiet des (internationalen) Wirtschaftsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts oder auch des Sanierungs- und Insolvenzrechts einen lösungsorientierten Partner suchen, sind wir gerne an Ihrer Seite! Individuelle Beratung, Vertragsgestaltung, und Prozessvertretung gehören zu unseren Stärken, auf die Sie bauen können
Die Effektive Durchsetzung Ihrer Rechte und Interessen Stehen im Zentrum Unserer Beratung.
Gemeinsam mit Ihnen als Mandanten erörtern wir zunächst eingehend Ihre Ziele und Wünsche. Sodann identifizieren wir unter Einbeziehung unserer interdisziplinären Betrufsträger mit Ihnen zusammen den Weg, um Ihr Ziel zu erreichen. Die Erfassung komplexer Sachverhalte und die Entwicklung einer klaren und nachvollziehbaren Handlungsstruktur für Ihr Vorhaben bilden dabei die Kernkompetenzen unserer Kanzlei.
Die Spezialisten unserer Kanzlei stehen Ihnen auf ihren jeweiligen Fachgebieten gerne zur Verfügung. Zur der für Sie zu bearbeitenden Fragestellung wählen Sie das in Betracht kommende Tätigkeitsgebiet aus, für das wir in unserer Kanzlei den oder die richtigen Experten haben.
Unser Fachwissen ist immer topaktuell, intensive Aus- und Weiterbildung ist für uns Selbstverständlichkeit.
3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälteca. 100 MITARBEITER
Die Rechtsanwaltskanzlei Pöhlmann Früchtl Oppermann ist ursprünglich aus dem Zusammenschluss dreier mittelständischer Rechtsanwaltskanzleien an den Standorten München und Nürnberg im Jahr 2005 entstanden. Um der zunehmenden Nachfrage des Marktes nach überregionalen, interdisziplinären Rechtsdienstleistungen gerecht zu werden, haben wir eine entsprechende Kanzleistruktur aufgebaut, die im Jahre 2020 durch den Beitritt der Rechtsanwaltskanzlei Houben aus Berlin sinnvoll ergänzt wurde. Hierdurch können wir unseren Mandanten ein Höchstmaß an Flexibilität, kompetente Ansprechpartner vor Ort und eine moderne Beratungsstruktur bieten.
An unseren Standorten in München, Nürnberg und Berlin sind wir mit 22 Berufsträgern, davon 8 mit der Berechtigung einen oder mehrere Fachanwaltstitel zu führen, dort für Sie tätig, wo Sie uns brauchen. Mit dieser Struktur können wir uns Ihrem Vorhaben professionell, schnell und “auf den Punkt” annehmen. Komplexe Beratungen begleiten wir mit interdisziplinären Teams, um für Sie sämtliche Facetten einer rechtlichen Gestaltung zu beleuchten. Dabei achten unsere Spezialisten auf eine klare und verständliche Sprache. Jederzeitige Erreichbarkeit und Kommunikation sind für uns wichtige Bausteine einer langfristigen Partnerschaft.
3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälteca. 100 MITARBEITER
Über unseren Registersitz in München sind wir seit dem 11.12.2012 durch die SGS Gruppe Deutschland (TÜV Saarland) gemäß DIN ISO 9001 : 2015 zertifiziert worden. Daneben verfügen alle Standorte innerhalb der CURATOR AG über zusätzliche Zertifizierungen für die von uns auch ausgeübte Tätigkeit der Insolvenzverwaltung und damit über eine ganzheitlich geordnete Struktur sowie eine niedergeschriebene Ablauf- und Aufbauorganisation, die regelmäßig durch unabhängige Auditoren im Rahmen interner und externer Audits überprüft wird.
Die Zertifizierung ermöglicht es uns, noch flexibler unsere Prozesse ggf. auch in bestimmten Bereichen kurzfristig und optimal für unsere Mandanten anzupassen. Personenunabhängig sind wir durch die Zertifizierung in der Lage, die hohe Qualität unserer Arbeit für unsere Mandanten transparent zu gestalten und Kontinuität zu sichern.
Bereits vor Jahren haben sich unsere Partner über ihr berufliches Engagement hinaus auch für die Rechte der schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft eingesetzt. In diesem Bestreben haben sich insgesamt sieben mittelständische Unternehmer im Februar 2011 zusammengefunden und den Verein Perspektiven e.V. zur Unterstützung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher gegründet. Im Rahmen dieses Vereins werden Spendengelder sowohl durch Beiträge als auch durch Charity-Veranstaltungen generiert und dann auf direktem Wege zum Zwecke der Ausbildung oder der Förderung von Freizeitaktivitäten an Kinder und Jugendliche eingesetzt.
Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Verein hierbei zu 100% ehrenamtlich geführt wird und die Gelder gerade nicht einfach an Träger von Kinder- und Jugendheimen weitergeleitet, sondern gezielt und direkt zum Wohle der Kinder und Jugendlichen verwendet werden. Gerne unterstützen wir daher sowohl finanziell als auch durch unsere ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstände und Mitglieder im Verein Perspektiven e.V. die Ziele des Vereins und sorgen dafür, dass auch diesen Kindern eine positive Zukunftsperspektive aufgezeigt werden kann.
Der seit Februar 2022 währende Krieg in der Ukraine und die damit einsetzende Fluchtbewegung innerhalb Europas hat uns dazu bewogen, auch dort helfend aktiv zu werden. Gemeinsam mit weiteren Freunden, die teilweise selbst aus verschiedenen Regionen der Ukraine stammen, wurde der gemeinnützige Verein Ukraine Donation e.V. gegründet. Zweck des Vereins ist es Sach- und Geldspenden einzusammeln, um diese dann im Rahmen von eigens organisierten Hilfstransporten direkt nach Dnipro zu bringen. Dort werden Krankenhäuser, Kinderheime, aber auch ukrainische Flüchtlingsfamilien mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und - wenn benötigt - mit Kleidung versorgt. Teilweise kommen Familien mit wortwörtlich nichts als der eigenen Kleidung in Dnipro aus den unmittelbar von Kampfhandlungen betroffenen Regionen an. In diesem Zusammenhang erreichen uns dramatische Schicksale, gleichzeitig aber auch ungblaublich große Dankbarkeit der Zivilbevölkerung.
Deswegen möchten wir auch Sie dafür gewinnen, nach Ihren Möglichkeiten einen Beitrag für Menschen in größter Not zu spenden. Nähere Informationen finden Sie unter auf der Webseite UADONATION unseres Vereins.
Mit einem Klick erhalten Sie alle Infomation über das jeweilige PFO Mitglied
Bei uns finden Sie Berufsträger für die verschiedensten Fachgebiete, die sich in speziell für Ihren Fall zusammengestellten Teams um Sie kümmern.
Wir verstehen uns nicht nur als konstruktive aber auch kritische Prüfer, Berater und Ideengeber, sondern auch als visionäre Wegbereiter, die zu Lösungen anregen.
Klicken Sie auf ein Foto, um mehr über die jeweilige Person zu erfahren.
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Wir haben Büros in München, Nürnberg und Berlin, um Sie erfolgreich und nahe an Ihrem Standort betreuen zu können.
Landsberger Straße 346, 80687 Münchent +49-89-23806-0 f +49-89-23806-120e muenchen@pfo-anwaelte.de
Nordostpark 7-9, 90411 Nürnbergt +49-911-59890-20 f +49-911-59890-49e nuernberg@pfo-anwaelte.de
Fasanenstraße 71, 10719 Berlint +49-30-484824-60 f +49-911-59890-95e berlin@pfo-anwaelte.de
Um den wachsenden Anforderungen an die Betreuung von Insolvenzverfahren gerecht zu werden, agieren die Rechtsanwälte unserer Kanzlei, die auch als Insolvenzverwalter bestellt werden und tätig sind, seit dem 1.12.2012 unter der CURATOR AG - Insolvenzverwaltungen, an der wir als einer von zwei Gründungsgesellschafter beteiligt sind. Die CURATOR AG ist bundesweit tätig, und hier kooperieren allein für diesen Tätigkeitsbereich inzwischen 14 Insolvenzverwalter aus neun Kanzleien, die über ein interdisziplinäres Know How und ein umfassendes Netzwerk verfügen und die in einem engen Verbund in großen und komplexen Verfahren sich gegenseitig unterstützen.
Als Insolvenzverwalter und auch als Sachwalter im Rahmen von Eigenverwaltungen werden von der PFO Dr. Werner Pöhlmann, Dr. Stefan Oppermann, Alexander Kubusch, André Houben, Sirko Hampel und Hannah Rady regelmäßig von vielen Insolvenzgerichten bestellt und sind im Verbund der CURATOR AG tätig. Im Bereich der Insolvenzverwaltung sind alle unsere Standorte sowohl nach DIN ISO 9001:2015 als auch nach GOI (Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung) von der DQS GmbH zertifiziert und decken alle Bereiche der Insolvenzverwaltung ab. Sämtliche Verwalter sind dazu in der Lage, Verfahren jeder Größenordnung zu betreuen, Insolvenzpläne zu erarbeiten und (vorläufige) Eigenverwaltungen zu beaufsichtigen. Insolvenzrechtliche Beratungen von Gläubigern und die Begleitung von Schuldnern in Eingeverwaltungsverfahren erfolgen im Rahmen unserer anwaltlichen Tätigkeit in der PFO.
Wir halten Sie auf dem Laufenden mit aktuellen Informationen und hilfreichen News.
Download: Mängelgewährleistung beim Werkvertrag - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit
Überblick
Nach § 633 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hat der Unternehmer dem Besteller das zu erstellende Werk, beispielsweise ein Wohnhaus, frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat und, soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, wenn das Werk sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
Bei Vorliegen eines oder mehrerer Mängel bestimmt § 634 BGB die Gewährleistungsrechte des Bestellers (ganz ähnlich wie § 437 BGB die Rechte des Käufers bei Mängeln der Kaufsache):
„Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. nach § 635 Nacherfüllung verlangen,
2. nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,
3. nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und
4. nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.“
Die Handhabung dieser Vorschrift ist nicht nur wegen der vielfachen Verweise auf andere Paragraphen nicht ganz einfach.
Die Ausübung der Rechte nach den Nrn. 2 bis 4 setzt im Allgemeinen voraus, dass der Besteller zunächst Nacherfüllung vom Unternehmer verlangt. Das Verhältnis der Gewährleistungsrechte zueinander hängt davon ab, ob der Besteller ein Recht ausübt, das den Vertrag beendet, oder im Gegenteil die Wahl des Rechts ergibt, dass er die Leistung trotz des Mangels behalten möchte wie etwa bei der Erklärung der Minderung. Soweit der Besteller zum Beispiel nach Nr. 2 den Mangel selbst beseitigten will, gewährt ihm das Gesetz hierfür einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Unternehmer. Nach ständiger Rechtsprechung kann er auch einen Kostenvorschuss verlangen, den er nach Durchführung der Mangelbeseitigung abzurechnen hat.
Der zu entscheidende Fall
Die Parteien streiten über Ansprüche der Beklagten auf Zahlung von Kostenvorschüssen für die Beseitigung von Schallschutzmängeln an dem von der Klägerin als Unternehmer errichteten Wohnhaus der Beklagten. Zuvor hatten sie wegen derselben Mängel eine Minderung der Vergütung erklärt.
Die Klägerin erstellte eine Schlussrechnung, aus der sich zu ihren Gunsten eine Restforderung ergab, die sie im vorliegenden Verfahren eingeklagt hat, was aber vor dem Bundesgerichtshof (BGH) nicht mehr in Streit steht. Die Beklagten haben widerklagend gestützt auf ihre erklärte Minderung Rückzahlung von ihrer Meinung nach bereits überzahlter Vergütung verlangt. Zu den geltend gemachten Mängeln gehören Schallschutzmängel betreffend „Lüfter“, „Abwasseranlage“ und „Trittschall“.
Das Landgericht (LG) hat zur Feststellung der behaupteten Mängel und über die Frage, wie sich die festgestellten Mängel auf den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auswirken, Beweis erhoben. Hinsichtlich der Schallschutzmängel hat das LG die Forderung der Beklagten für unbegründet erachtet, da diese Mängel keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks hätten.
In der Berufungsinstanz haben die Beklagten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 20.000 € nicht mehr als Minderungsbetrag, sondern als Kostenvorschuss begehrt. Nach einer weiteren Beweisaufnahme zum Vorliegen der behaupteten Schallschutzmängel und der Höhe der Mängelbeseitigungskosten hat das Berufungsgericht die Klägerin verurteilt, an die Beklagten weitere 16.730,36 € als Kostenvorschuss zu zahlen.
Der Revision der Klägerin blieb daher der Erfolg versagt.
Die Begründung des BGH
Der Anspruch auf Kostenvorschuss, so der BGH, folge aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 und 3 BGB und sei nicht nach § BGB § 634 Nr. 2, § 637 Absatz 1, § 635 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Nach § 637 Abs. 1 BGB sei das Selbstvornahmerecht und der Anspruch auf Kostenvorschuss zwar ausgeschlossen, wenn der Unternehmer zu Recht die Nacherfüllung verweigere. Nach § 635 Abs. 3 BGB könne der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei. Diese Voraussetzungen lägen indessen offensichtlich nicht vor. Zum einen bestünden Schallschutzmängel, die für die Qualität des Wohnens von nicht unwesentlicher Bedeutung seien, zum anderen seien die Aufwendungen zur Mangelbeseitigung keinesfalls unangemessen.
Die Kostenvorschussansprüche seien auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagten wegen derselben Mängel zunächst die Minderung der Vergütung erklärt hatten.
Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen sei, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt habe, existiere nicht. Weder § 634 BGB noch §§ 637, 638 BGB regelten, in welchem Verhältnis das Recht des Bestellers auf Minderung der Vergütung und die ihm zustehende Befugnis zur Selbstvornahme sowie sein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses stehen. Nach dem Gesetzeswortlaut sei vielmehr davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.
Es sei gesetzgeberische Absicht gewesen, dass grundsätzlich die Geltendmachung eines Mängelrechts andere Mängelrechte nicht ausschließe. Nur wenn der Besteller Schadensersatz statt der Leistung begehre, sei ausdrücklich geregelt, dass der Anspruch auf Nacherfüllung erlösche, sobald der Besteller dieses Recht ausübe (§§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 4 BGB). Diese Regelung diene dem Schutz des Unternehmers, der sich darauf einstellen können solle, nicht mehr einem Anspruch auf Nacherfüllung ausgesetzt zu sein. Damit werde ihm eine sicherere Einsatzplanung der von ihm vorgehaltenen und auf seinen Baustellen einzusetzenden Produktionsmittel gewährleistet, da er nicht parallel auf Schadensersatz und Nacherfüllung in Anspruch genommen werden könne.
Der BGH hatte bereits abgelehnt, diese Regelung auf die Befugnis zur Selbstvornahme und damit den Anspruch auf Kostenvorschuss zu erstrecken (BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17). Diese Rechtsprechung beruhe auf dem Wortlaut von § 281 Abs. 4 BGB, der gesetzgeberischen Absicht und dem Sinn und Zweck des Kostenvorschussanspruchs. Dieser diene dazu, dem Besteller die Nachteile und Risiken abzunehmen, die mit einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung einhergingen. Wähle der Besteller Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes, könne er den Mangel selbst beseitigen und die damit verbundenen Aufwendungen als Schaden von dem Unternehmer erstattet verlangen. Durch die Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung anstelle der Selbstvornahme solle der Besteller aber nicht schlechter gestellt werden. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses sei deshalb nur gewährleistet, wenn der Besteller – auch nach Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes – weiterhin Vorschuss verlangen könne.
Dem Besteller stehe es daher frei, nach seiner Erklärung, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes zu verlangen, den Mangel zunächst nicht zu beseitigen und den Schaden in Anlehnung an die in §§ 634 Nr. 3, 638 BGB geregelte Minderung zu bemessen. Das hindere ihn aber nicht, sich später für eine Beseitigung des Mangels zu entscheiden und deshalb einen Kostenvorschussanspruch hierfür geltend zu machen.
Diese Erwägungen hätten entsprechend für das Verhältnis der Minderung nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB zum Kostenvorschussanspruch zu gelten. Wähle der Besteller zunächst das Mängelrecht der Minderung, steht es ihm grundsätzlich frei, zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen. Die Rechtsnatur der Minderung stehe dem nicht entgegen.
Mit der Minderung bringe der Besteller zum Ausdruck, keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer zu wollen, weshalb mit ihr der Nacherfüllungsanspruch erlösche. Zudem bringe der Besteller zum Ausdruck, das Werk trotz des Mangels behalten zu wollen, so dass wegen dieses Mangels der Rücktritt vom Vertrag grundsätzlich ausgeschlossen sei. Das Gleiche gelte für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des großen Schadensersatzes, mit dem die Rückgängigmachung des Vertrags verlangt werde. Dagegen sei der Besteller nach erklärter Minderung nicht gehindert, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend zu machen.
Hiervon ausgehend könne der Besteller auch nach erklärter Minderung den Mangel beseitigen und die dafür getätigten Aufwendungen als Schadensersatz statt der Leistung von dem Unternehmer erstattet verlangen. Dies sei ihm weder nach der Gesetzessystematik noch aufgrund der Gestaltungswirkung der Minderung verwehrt.
Minderung und Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes seien ihrem Inhalt nach darauf gerichtet, das verletzte Leistungsinteresse des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalte, auszugleichen. Diese Mängelrechte schlössen sich daher nicht aus, sondern ergänzten sich. Um einen möglichst umfassenden Ausgleich des Leistungsinteresses zu gewährleisten, sei es gerechtfertigt, dem Besteller ergänzend einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung (kleinen Schadensersatz) zuzubilligen, wenn ein über den Minderungsbetrag hinausgehender Schaden entstehe. Dieser könne auch nach erklärter Minderung in – über den Betrag der durch die Minderung ersparten Vergütung hinausgehenden – aufgewandten Mängelbeseitigungskosten bestehen.
Dem Unternehmer sei hier kein schützenswertes Interesse zuzubilligen, nach einer einmal erfolgten Minderung der Vergütung nicht mehr auf die Kosten einer Mängelbeseitigung in Anspruch genommen zu werden. Es bestehe kein Grund, über das Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs hinaus die Dispositionsfreiheit des Bestellers zugunsten des Unternehmers einzuschränken. Es sei vielmehr der Unternehmer, der in doppelter Weise vertragswidrig gehandelt habe, indem er weder ein mangelfreies Werk hergestellt habe noch seiner Nacherfüllungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sei.
Die Gestaltungswirkung der Minderung beschränke sich damit auf die Mängelrechte der Nacherfüllung, des Rücktritts und des großen Schadensersatzes in Form der Rückgängigmachung des Vertrags. Sie nehme dem Besteller, der das mangelhafte Werk behalte, jedoch nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung in vollem Umfang durchzusetzen.
Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH (Urteil vom 09.05.2018 –VIII ZR 26/17) stehe dieser Entscheidung entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen, da der VIII. Zivilsenat zum Mängelgewährleistungsrecht beim Kauf gleichlautend geurteilt habe.
Download: Beweisführung im Schadensfall - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit
Überblick
Rechtsstreite nach Schadensereignissen sind vielleicht nicht die Regel, aber zumindest sehr häufig. Gestritten wird dabei einerseits um die Schadensverursachung, andererseits über die Höhe des Schadens, der sowohl in der Beschädigung von Sachen als auch in der Verletzung der Person liegen kann, Auch psychische Beeinträchtigungen können im Einzelfall in Betracht kommen. Autounfälle sind als Schadensverursachung in erster Linie zu nennen.
Die Beweisführung obliegt im Grundsatz dem Geschädigten. Er muss alle Voraussetzungen einer Schadensersatznorm dartun und, wenn diese vom Gegner bestritten werden, auch beweisen.
Bei Schäden im außervertraglichen Bereich ist eine zentrale Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Der Geschädigte muss danach die Verletzungshandlung des Anspruchsgegners, den Schadeneintritt und die Höhe sowie die Kausalität zwischen der Handlung und dem eingetretenen Schaden behaupten und gegebenenfalls beweisen.
Was für den Beweis erforderlich ist, bestimmt das Zivilprozessrecht, konkret § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO):
„Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.“
Auf der Grundlage dieser Vorschrift ist der volle Beweis zu erbringen, das heißt, dass das Gericht vom Vorliegen der zu beweisenden Tatsache subjektiv überzeugt sein muss, wenn es sie seiner Urteilsfindung zugrundlegen will. Bloße Wahrscheinlichkeiten reichen dafür ebenso wenig aus wie auf der anderen Seite keine absolute Gewissheit verlangt wird, die ohnehin nicht zu erlangen wäre.
Von der Grundregel des § 286 ZPO gibt es allerdings viele Abweichungen. Teilweise ergeben sich diese aus dem materiellen Recht. So wird etwa im Zusammenhang mit der sogenannten Vorsatzanfechtung nach § 133 der Insolvenzordnung, die den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon verlangt, letztere vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass der Schuldner bei der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war und die anderen Gläubiger benachteiligt werden.
Neben den gesetzlichen Beweiserleichterungen gibt es eine große Zahl solcher, die in der Rechtsprechung herausgebildet wurden.
Zu den im Schadensersatzprozess häufigsten Beweiserleichterungen gehört § 287 ZPO, der das Beweismaß zugunsten des Geschädigten reduziert:
„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen...“
Auch vorliegend geht es um Schäden, von denen der Kläger behauptet, sie seien bei einem Unfall mit dem Beklagten zu 1 entstanden. Der ebenfalls beklagte Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1, die Beklagte zu 2, behauptet dagegen, der Unfall habe schon gar nicht stattgefunden, er sei vorgetäuscht worden. Jedenfalls aber seien die vom Kläger behaupteten Schäden nicht auf den Unfall zurückzuführen. Für eine solche Manipulation gab es tatsächlich erhebliche Anhaltspunkte:
Versicherungsbetrug durch manipulierte Unfälle mit Kraftfahrzeugen ist in der Praxis nicht selten und durch die Versicherungsgesellschaften häufig nur schwer nachzuweisen, da in aller Regel beide Unfallbeteiligte dabei kollusiv zusammenwirken.
Der zu entscheidende Fall
Der Kläger nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch
Er fuhr nach seiner Behauptung am 14.12.2017 mit einem Mercedes-Benz E63 AMG, der am 27.11.2017 auf ihn zugelassen worden war, auf einer Bundesstraße. Der Beklagte zu 1 war Halter eines bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Mercedes-Benz Sprinter. Der Kläger behauptet, auf der Höhe einer wegen einer Baustelle verkürzten Auffahrt habe der Beklagte zu 1 beim Wechsel von der Einfädelspur auf die rechte Fahrspur nicht auf sein Fahrzeug geachtet, weshalb es zu einer seitlichen Kollision gekommen sei.
Am 18.12.2017 erstellte die R-GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, ein Schadensgutachten über Schäden an der rechten Seite des Mercedes-Benz E63 AMG. Die Besichtigung des PKW, der bereits einen Vorschaden hatte, durch die Beklagte zu 2 verweigerte er und veräußerte das Fahrzeug kurzfristig.
Das Landgericht (LG) hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Berufung des Klägers im Beschlusswege, also ohne mündliche Verhandlung, zurückgewiesen. Es hat angenommen, die geltend gemachten Fahrzeugschäden könnten nicht bei dem vom Kläger geschilderten Unfallgeschehen entstanden sein. Die Richtigkeit der Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen B. zum Zustand des Klägerfahrzeugs vor Fahrtantritt vorausgesetzt, könnten die nicht kompatiblen Schäden im Nachhinein hinzugekommen sein. Es stehe die ernsthafte Möglichkeit einer Manipulation im Raum. Dieser Verdacht werde gestützt durch die Verweigerung der erbetenen Besichtigung. Wenn der Kläger meine, bestimmte abgrenzbare Schäden (Türaußengriff, Beifahrertür, rechter Außenspiegel, Scheinwerfer, rechte Seitenwand) seien auch nach den Feststellungen des Sachverständigen auf das Unfallereignis zurückzuführen, ändere dies nichts. Der Kläger hätte darzulegen, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden sei. Dies erfordere bei einem Vorschaden die Darlegung eines bestimmten, näher abgrenzbaren Teils des Schadens. Daran fehle es hier. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche der Schäden an den von ihm nun benannten Fahrzeugteilen durch die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug entstanden seien und welche nicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen fänden sich etwa an der rechten Seitenwand Spurenzeichnungen, die durch die Streifkollision mit dem Mercedes-Benz Sprinter verursacht worden sein könnten, aber auch ein Spurenbild, welches wegen des Richtungsverlaufs nicht zu dem geschilderten Unfallhergang passe. Abgesehen davon habe der Kläger auch nicht dargelegt, welche der zahlreichen, im Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Der BGH hebt den Beschluss des OLG sowie das zugrundeliegende Verfahren auf und verweist die Sache an das OLG zurück.
Die Begründung des BGH
Der BGH meint, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs solle als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergehe, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien hätten. In diesem Sinne gebiete die Norm in Verbindung mit den Grundsätzen der ZPO die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Hiergegen werde unter anderem verstoßen, wenn das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt habe.
Das OLG habe verfahrensfehlerhaft allein tragend darauf abgestellt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, welche der behaupteten Schäden durch die Kollision entstanden seien und welche durch den Vorschaden. Er habe auch nicht dargelegt, welche der in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren Kompatibilität vom Privatsachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien.
Dagegen meint der BGH, es seien schon keine weiteren Darlegungen des Klägers zur Abgrenzung der Beschädigungen erforderlich gewesen. Denn der Sachverständige habe Ausführungen dazu gemacht, welche Beschädigungen durch die vom Kläger behauptete Kollision verursacht worden sein könnten. Diese reiche als Vortrag aus. Eine andere Frage sei, wie der Kläger dies beweisen könne.
Der Kläger habe zudem konkret vorgetragen, welche der geltend gemachten Beschädigungen durch den Unfall verursacht worden sein sollen. Er habe unter Bezugnahme auf das Gutachten ausgeführt, über die bloße Unfallkompatibilität hinausgehend sei nachgewiesen, dass bestimmte abgrenzbare Beschädigungen durch das Unfallereignis verursacht worden seien. Der Sachverständige habe konkrete Schäden zuordnen können. Es sei nicht ersichtlich, was der Kläger zur Abgrenzung der Beschädigungen hätte weiter sachdienlich darlegen oder ausführen können.
Ebenso überspannt seien die Anforderungen, die das OLG an den Vortrag zu den erforderlichen Reparaturarbeiten gestellt habe.
§ 287 ZPO erleichtere über seinen Wortlaut hinaus nicht nur die Beweisführung, sondern bereits die Darlegung der zugrunde liegenden Tatsachen. Der Geschädigte müsse zur substantiierten Darlegung des geltend gemachten Schadens weder ein Privatgutachten vorlegen noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend ergänzen. Er könne durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in welcher geringeren als von ihm ursprünglich geltend gemachten Höhe Reparaturkosten anfallen.
Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht habe die Möglichkeit einer Manipulation bislang nur ernsthaft angenommen, sich davon aber nicht überzeugt. Es könne daher nicht sicher ausgeschlossen werden, dass es zu dem Ergebnis gelange, der geltend gemachte Anspruch bestehe zumindest teilweise.
Mit dieser Entscheidung hat der BGH nicht etwa einen manipulierten Unfall ausgeschlossen, sondern lediglich das Verfahren des OLG für fehlerhaft erachtet. Über den Fortgang des Prozesses ist damit noch keine Aussage getroffen, vielmehr muss zunächst der Sachverhalt durch das OLG weiter aufgeklärt werden.
Überblick
Das Insolvenzanfechtungsrecht ist eine der schwierigsten Rechtsmaterien, obwohl die Insolvenzordnung (InsO) es in lediglich in 19 Vorschriften, ihren §§ 129 bis 147 regelt, und ist von einer starken Kasuistik geprägt.
Grundvoraussetzung jeder Anfechtung ist gemäß § 129 Abs. 1 InsO eine vor der Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlung, die die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger benachteiligt. Die Benachteiligung einzelner Gläubiger reicht dagegen nicht aus. Nach der gängigen Definition des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse (die Summe der Insolvenzforderungen) vermehrt oder die Aktivmasse (das in die Insolvenzmasse fallende Vermögen des Schuldners ohne Abzug der Verbindlichkeiten) verkürzt hat, wenn sich mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten, also eine höhere Insolvenzquote hätte ausgeschüttet werden können. Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung ist isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Eine Gläubigerbenachteiligung entfällt nicht deshalb, weil die anzufechtende Rechtshandlung in Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat. Als Vorteil der Masse sind nur solche Folgen zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der angefochtenen Rechtshandlung zusammenhängen.
Nicht gläubigerbenachteiligend ist der bloße Austausch von Sicherheiten, wenn die neue vom Schuldner gewährte Sicherheit keinen höheren Wert hat als die ursprüngliche, denn hierdurch erlangt er die zunächst gewährte Sicherheit zurück.
Zu diesem Erfordernis müssen die Voraussetzungen mindestens eines sogenannten Anfechtungstatbestands hinzukommen, etwa diejenigen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO oder diejenigen der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO, die – nicht ganz zutreffend – auch als Schenkungsanfechtung bezeichnet wird. § 134 Abs. 1 InsO lautet:
„Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.“
Während der Ablauf der Vier-Jahres-Frist im Allgemeinen relativ einfach festzustellen ist, bereitet die Subsumtion unter den Begriff „unentgeltliche Leistung“ durchaus Schwierigkeiten. Leistung in diesem Sinne ist jede Rechtshandlung, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen.
Sind an diesem Vorgang lediglich der Insolvenzschuldner und der spätere Anfechtungsgegner beteiligt, wird eine Leistung des Schuldners als unentgeltlich angesehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung des Anfechtungsgegners gegenübersteht, die dem vom Schuldner aufgegebenen Vermögenswert nach dem objektiven Wertverhältnis entspricht. Ob die Erfüllung einer schuldrechtlichen Verpflichtung entgeltlich ist, richtet sich danach, ob diese entgeltlich begründet wurde. So ist die Übereignung einer verkauften Sache entgeltlich, wenn für sie ein angemessener Kaufpreis vereinbart war, denn der Kaufvertrag war hier entgeltlich. Demgegenüber ist die Erfüllung eines Schenkungsversprechens, etwa die Übereignung eines Grundstücks, unentgeltlich, weil der zugrundeliegende rein schuldrechtliche Schenkungsvertrag unentgeltlich war.
Eine Sonderstellung nimmt die Stellung von Sicherheiten durch den Schuldner ein. Hier sagt die Rechtsprechung im Grundsatz, dass die Sicherheitenbestellung für eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners entgeltlich ist, wenn die Verbindlichkeit selbst entgeltlich begründet wurde, und unentgeltlich im gegenteiligen Fall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Sicherheit zusammen mit der Begründung der Verbindlichkeit bestellt wird.
Besichert der Schuldner die Verbindlichkeit eines Dritten, ist dies in aller Regel unentgeltlich, weil durch sie der Masse nichts zufließt.
Erhält der Schuldner nach der vertraglichen Absprache zwar auch einen Vermögenswert, hat seine Leistung aber den höheren Wert, kann diese eventuell wegen Teilunentgeltlichkeit angefochten werden.
Der zu entscheidende Fall
Etwas vereinfacht hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über folgenden Sachverhalt zu entscheiden.
Der Schuldner verpfändete am 30.05.2008 an die Klägerin, ein Kreditinstitut, ein Termingeldkonto über 40.000 € zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen eine GmbH (Darlehen), zudem übernahm er zur Sicherung dieser Forderungen eine Bürgschaft zugunsten der Klägerin.
Am 12.10.2014 schloss er eine private Rentenversicherung ab und veranlasste die Überweisung des Versicherungsbeitrags in Höhe von 51.500 € an den Versicherer. Die Ansprüche und Rechte aus diesem Versicherungsvertrag trat der Schuldner am 29.12.2014 in voller Höhe an die Klägerin, zur Sicherung von Ansprüchen gegen ihn selbst und die Gesellschaft (Restforderung aus dem Darlehen) ab. 2016 wurde über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet und auf Antrag vom 09.03.2017 am 17.08.2017 auch über das Vermögen des Schuldners. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Klägerin meldete eine Forderung über 90.000 € aus der vom Schuldner übernommenen Bürgschaft zur Insolvenztabelle an. Sie kündigte gegenüber dem Versicherer den Versicherungsvertrag und bat um Auszahlung des Rückkaufswerts, der sich auf 55.000 € belief. Der Versicherer zahlte die Summe an den Beklagten aus.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Auskehrung dieses Betrags und beruft sich hierzu auf ein Absonderungsrecht. Der Beklagte wendet dagegen die Anfechtbarkeit der Sicherheit ein, die Klägerin meint der Anfechtungsanspruch sei verjährt, außerdem habe es sich um einen nicht gläubigerbenachteiligenden Sicherheitentausch gehandelt, der nicht angefochten werden könne.
Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der BGH hebt das Urteil und das zugrundeliegende Verfahren auf und verweist die Sache an das OLG zurück.
Die Begründung des BGH
Aus den angegebenen Daten folgt ohne Weiteres, dass der Anfechtungszeitraum von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag gemäß § 134 InsO nicht abgelaufen ist, die Abtretung erfolgte am 29.12.2014, der Antrag wurde am 09.03.2017 gestellt. Diese Zession war auch unproblematisch eine Rechtshandlung im Sinne der §§ 129, 134 InsO.
Was die Gläubigerbenachteiligung angeht, bezieht sich der BGH auf die eingangs wiedergegebene Definition. Nach seiner ständigen Rechtsprechung kann allerdings, selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Benachteiligung fehlen, wenn der Gläubiger im Umfang der Zahlung insolvenzbeständig am Schuldnervermögen gesichert war. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Rechtshandlung dazu führt, dass eine wirksam und unanfechtbar bestellte Sicherheit unmittelbar durch eine gleichwertige andere Sicherheit ersetzt wird, ohne dass damit für das Schuldnervermögen ein zusätzlicher Rechtsverlust verbunden wäre, allerdings nur in dem Umfang des für die ursprüngliche Sicherheit vereinbarten Sicherungszwecks.
Ob die Voraussetzungen eines solchen unmittelbaren Austausches gleichwertiger Sicherheiten gegeben waren, konnte der BGH den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.
Das Guthaben des zugunsten der Klägerin verpfändeten Termingeldkontos belaufe sich, so der BGH, auf 40.000 €; die Zahlung an den Versicherer habe jedoch 51.500 € betragen. Mangels anderweitiger Feststellungen muss der Schuldner folglich über den Wert des ursprünglich verpfändeten Guthabens hinausgehendes Vermögen eingesetzt haben, um den Versicherungsbeitrag leisten zu können. Ferner habe das Berufungsgericht ausdrücklich offengelassen, ob sich die Sicherungsabrede im Zuge der Neubesicherung geändert habe und deshalb die Sicherungszession gläubigerbenachteiligend sei, weil die vorgenommene Neubesicherung die Verpfändung des Termingeldkontos letztlich ersetzt habe.
Weiter stehe nicht fest, dass die Freigabe des zugunsten der Klägerin verpfändeten Termingeldkontos erst erfolgt sei, nachdem der Schuldner der Klägerin die Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherheit abgetreten habe. Sollte er die Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag erst an die Klägerin abgetreten haben, nachdem er bereits über das Guthaben des Termingeldkontos verfügt habe, fehle es an einem, die Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO ausschließenden, unmittelbaren Sicherheitentausch. Denn in diesem Fall hätte der Klägerin in dem Zeitraum zwischen Verfügung des Schuldners über das Guthaben und Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag keine Sicherheit zugestanden. Nur eine ununterbrochene Sicherheitenkette könne jedoch zu einem Ausschluss der Gläubigerbenachteiligung führen.
Dies wird das OLG im zweiten Rechtszug aufzuklären haben.
Auch die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO konnte der BGH nicht abschließend beurteilen, weil es an Feststellung des OLG fehlte.
Der BGH geht revisionsrechtlich davon aus, dass die Klägerin aus der zugunsten der GmbH bestellten Sicherung vorgeht.
Ausgehend von der oben dargestellten Frage, wann eine Sicherheit unentgeltlich bestellt wird, führt der BGH aus, die Besicherung einer fremden Schuld sei grundsätzlich unentgeltlich, entgeltlich aber dann, wenn der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber für seine Leistung die Kreditgewährung an einen Dritten verspreche. Von der Schenkungsanfechtung freigestellt sei der Sicherungsnehmer schließlich auch dann, wenn er für die Zuwendung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung an diesen oder einen Dritten erbringe. Dagegen reiche das Versprechen, einen sonst durchsetzbaren Rückforderungsanspruch gegen einen Dritten stehen zu lassen, nicht aus, um die nachträgliche Besicherung der fremden Schuld als entgeltlich einordnen zu können.
Wie die Dinge insoweit hier liegen, lasse sich aufgrund der Feststellungen des OLG nicht abschließend entscheiden.
Dass die Zession auch der Besicherung der zugunsten der Klägerin vom Schuldner übernommenen Bürgschaft diene, führe nicht dazu, dass es sich um eine Sicherheit für eigene Verbindlichkeiten des Schuldners handele. Die Grundsätze zur Unentgeltlichkeit der Besicherung fremder Schuld hätten auch zu gelten, wenn der Schuldner eine Personalsicherheit (etwa eine Bürgschaft) für die fremde Schuld übernehme und zusätzlich zur Absicherung der Ansprüche aus der Personalsicherheit eine weitere Sicherheit bestelle. Diese Besicherung der eigenen Verbindlichkeit aus der Personalsicherheit sei ebenfalls nach den Grundsätzen einer Fremdbesicherung zu behandeln. Ob die Klägerin hierfür eine ausreichende Gegenleistung erbracht habe, sei nicht festgestellt.
Für die nachträgliche Bestellung einer neuen Sicherheit ergebe sich nicht bereits eine ausgleichende Gegenleistung daraus ergebe, dass der Schuldner der Klägerin im Jahr 2008 eine andere Sicherheit bestellt habe und diese Sicherheit eine entgeltliche Leistung dargestellt habe. Ob die Leistung des Schuldners entgeltlich sei, richte sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Rechtserwerbs der Klägerin als Anfechtungsgegnerin an der neuen Sicherheit. Die Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit folge nicht allein daraus, dass eine zuvor für die gleichen Verbindlichkeiten bestellte Sicherheit eine entgeltliche Leistung darstellte. Bei der Besicherung einer fremden Verbindlichkeit komme es vielmehr darauf an, ob der Gläubiger eine ausgleichende Gegenleistung erbringe.
Dass der Schuldner ausweislich der Sicherungsvereinbarung die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auch zur Absicherung eigener Verbindlichkeiten vorgenommen habe, schließe die Anfechtung nicht in Gänze aus, es komme hier eine Anfechtung wegen Teilunentgeltlichkeit in Betracht. Sei die Leistung des Schuldners teilbar, könne die Anfechtung auf den unentgeltlichen Teil der Leistung beschränkt werden. Diese Voraussetzungen seien regelmäßig erfüllt, wenn der Schuldner die Sicherheit sowohl für eine eigene wie für eine fremde Schuld bestelle. Die Teilbarkeit der Leistung ergebe sich aus den unterschiedlichen Arten der besicherten Verbindlichkeiten. Damit könne in diesen Fällen allein die Besicherung der fremden Schuld als unentgeltliche Leistung angefochten werden.
Schließlich weist der BGH darauf hin, dass für den Fall einer (Teil)Anfechtbarkeit der Zession der Beklagte diese auch einwenden könne, da selbst bei eingetretener Verjährung des Anfechtungsanspruchs er nach § 146 Abs. 2 InsO hierzu berechtigt sei. Die Vorschrift bestimmt, dass der Insolvenzverwalter auch bei eingetretener Verjährung die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern kann. Dies betreffe auch die Erfüllung von Aus- und Absonderungsrechten.
Überblick
Ein zulässiger Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners setzt nach § 14 der Insolvenzordnung (InsO) voraus, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Insolvenzeröffnungsgrund glaubhaft macht. Eröffnungsgründe sind zum einen die insolvenzrechtliche Überschuldung nach § 19 InsO und zum anderen die Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach § 18 InsO nur bei einem Eigenantrag des Schuldners Eröffnungsgrund.
Für die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO einer geordneten Gegenüberstellung der zum Stichtag zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und derjenigen, die in den folgenden drei Wochen fällig werden sowie der aktuellen liquiden Mittel des Schuldners und den in den folgenden drei Wochen hinzukommenden Mittel, etwa in Form einer Liquiditätsbilanz. Von einer Zahlungsunfähigkeit ist danach regelmäßig auszugehen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
Dass der Gläubiger im Allgemeinen kaum in der Lage sein wird, eine solche Liquiditätsbilanz oder einen vergleichbaren Nachweis zu erstellen, hat den Gesetzgeber veranlasst, eine andere Methode für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit in § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu ermöglichen. Danach ist die „Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat“.
Zahlungseinstellung ist wiederum nach der Rechtsprechung des BGH dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist.
Entscheidend, so der BGH, ist die am Beweismaß (sogenannter Vollbeweis) des § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen. Die Zahlungseinstellung kann aus einem einzigen Indiz gefolgert werden, wenn dieses Indiz eine hinreichende Aussagekraft hat. Nach der Rechtsprechung gilt dies insbesondere für die Erklärung des Schuldners, nicht zahlungsfähig zu sein. Fehlt es an einem hinreichend aussagekräftigen einzelnen Indiz, kommt der Schluss auf eine Zahlungseinstellung nur in Betracht, wenn die Gesamtheit der Indizien die begründete Überzeugung rechtfertigt.
Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen für eine Zahlungseinstellung häufig nicht. Es müssen dann Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafürsprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf fehlender Liquidität des Schuldners beruht. Solche Umstände können darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren (weitere) Leistungserbringung er zur weiteren Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Ferner kann der Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung ein größeres Gewicht verleihen. Ein schematisches Vorgehen verbietet sich. Maßgebend ist, dass die zusätzlichen Umstände im konkreten Einzelfall ein Gewicht erreichen, das der nach der Rechtsprechung des BGH besonders bedeutsamen Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können.
Auch beim Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern kommt es darauf an, ob die gesamten Umstände ein Gewicht erreichen, das einer Erklärung des Schuldners gleichsteht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können. Die mehr als halbjährige Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen bildet nach ständiger Rechtsprechung ein erhebliches Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung, das den Schluss allein tragen kann. Eine mehrmonatige – nicht notwendig sechsmonatige – Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist geeignet, eine Zahlungseinstellung nahezulegen. Daher kann ein Rückstand von mehr als vier vollen Monatsbeiträgen bei einem einzigen Sozialversicherungsträger die Zahlungseinstellung begründen. Geringfügigere Zahlungsverzögerungen reichen dagegen nicht aus, die Zahlungseinstellung allein zu rechtfertigen. Dies alles hat der BGH in einem relativ neuen Urteil vom 28.04.2022 - IX ZR 48/21 – zum wiederholten Mal entschieden.
Das Amtsgericht Hamburg – Insolvenzgericht - (AG) hatte im vorliegenden Fall darüber zu entscheiden, ob der den Insolvenzantrag stellende Sozialversicherungsträger den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit ausreichend glaubhaft gemacht hatte. Dieser hatte sich der Möglichkeit bedient, die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen, indem er sich auf die von ihm behauptete Zahlungseinstellung des Schuldners stützte.
Der zu entscheidende Fall
Der Sozialversicherungsträger (Antragstellerin) hatte seinen Insolvenzantrag darauf gestützt, dass die Schuldnerin fällige Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 01.11.2023 bis 30.06.2024 in Höhe von insgesamt 10.823,76 EUR schulde. Aufgrund des vorliegenden Rückstandszeitraums von mehr als sechs Monaten sei der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gegeben.
Mit Verfügung vom selben Tag wies das AG darauf hin, dass die Antragstellerin bisher die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe. Insbesondere sei nicht nachzuvollziehen, weshalb in dem Geschäftslokal der Schuldnerin kein Vollstreckungsversuch unternommen worden sei. Die Antragstellerin könne die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin insbesondere durch die Vorlage des Protokolls über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch des Gerichtsvollziehers oder über die Abgabe der Vermögensauskunft der Schuldnerin erbringen. Ferner wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass weder das AG noch das Landgericht Hamburg (LG) der sog. „Sechs-Monats-Rückstands-Indiz-Rechtsprechung“ des BGH folgen.
Die Antragstellerin reichte beim AG mehrere Drittschuldnererklärungen und Empfangsbekenntnisse der ...bank im Zusammenhang mit Pfändungsversuchen gegenüber der Schuldnerin im Juni, September und November 2023 sowie im März 2024 ein. Alle Pfändungsversuche bezogen sich auf dasselbe Bankkonto der Schuldnerin.
Durch Beschluss vom 29.07.2024 wies das Amtsgericht den Eröffnungsantrag als unzulässig ab, weil die Antragstellerin entgegen § 14 InsO den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit trotz des gerichtlichen Hinweises nicht glaubhaft gemacht habe. Die unternommenen Bankkontenpfändungsversuche änderten hieran nichts, da schon nicht vorgetragen oder ersichtlich oder glaubhaft gemacht sei, dass es sich insoweit um das einzige Konto der Schuldnerin gehandelt habe.
Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Schuldnerin habe über einen Zeitraum von insgesamt acht Monaten Gesamtsozialversicherungsbeträge nicht beglichen. Die letzte Zahlung sei am 16.01.2024, mithin vor sieben Monaten, erfolgt. Dieses Zahlungsverhalten komme nach der Rechtsprechung des BGH einer Zahlungseinstellung gleich. Es sei bei der Schuldnerin bereits zu vorrangigen Kontopfändungen von drei weiteren Gläubigern mit einem Forderungsvolumen von 7.088,87 EUR gekommen sei. Nur vier Monate später sei das Forderungsvolumen dreier vorrangiger Gläubiger auf einen Betrag von 22.538,98 EUR angestiegen.
Das AG half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem LG zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin durch ihr eigenes Vorbringen bestätige, nicht glaubhaft machen zu können, dass die von ihr dargelegten Kontopfändungsversuche das einzige Bankkonto der Schuldnerin betrafen. Eine erfolglose Pfändung in ein einziges Bankkonto des Schuldners genüge zur Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes der Zahlungsunfähigkeit jedoch allein nicht. Nichts Anderes gelte für einen mehr als sechsmonatigen Beitragsrückstand gegenüber einem Sozialversicherungsträger.
Die Begründung des Landgerichts Hamburg
Das LG weist die sofortige Beschwerde zurück.
Die Antragstellerin habe den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Sie habe keine weiteren Unterlagen, wie etwa das Protokoll über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch eines Gerichtsvollziehers oder über die Abgabe der Vermögensauskunft der Schuldnerin vorgelegt. Auch eine eidesstattliche Versicherung der Schuldnerin oder entsprechende schriftliche Erklärungen der Schuldnerin lägen nicht vor. Dasselbe gelte für eine eidesstattliche Versicherung einer sachkundigen Person, aus der sich ergebe, dass die Schuldnerin nicht zahlungsfähig sei.
Auch Sozialversicherungsträger hätten das Vorliegen eines Insolvenzgrundes in gleicher Weise glaubhaft zu machen wie andere Gläubiger auch. Die Strafbarkeit der Nichtabführung von Beiträgen sei einer von mehreren Umständen, der bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen seien. Sie bilde allein jedoch keinen Anlass, den Grundsatz der freien Beweiswürdigung teilweise außer Kraft zu setzen. Denn in der Praxis dürfte ein Schuldner eher Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen als beispielsweise Forderungen seiner Warenlieferanten, da er andernfalls Gefahr liefe, den Geschäftsbetrieb nicht fortführen zu können.
Der vom BGH in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 - IX ZB 238/05 aufgestellten Beweisregel, bei Rückständen von mindestens sechs Monaten sei in der Regel von Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen, werde nicht gefolgt.
Hinzukomme, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin nicht geschlossen sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin keinen Vollstreckungsversuch hinsichtlich des Geschäftslokals der Schuldnerin unternommen habe. Denn es bestehe vor diesem Hintergrund zumindest die Möglichkeit, dass die Schuldnerin zwar Sozialversicherungsbeiträge (bewusst) nicht zahle, im Übrigen aber ihre Gläubiger bediene und auch bedienen könne. Dies nachzuprüfen sei nicht Aufgabe des Insolvenzeröffnungsverfahrens. Es genüge daher nicht, dass die Antragstellerin auf die Drittschuldnererklärungen der ...bank und auf weitere Vollstreckungsgläubiger verweise. Da es sich bei diesen Gläubigern ebenfalls um Sozialversicherungsträger handele, gelte das soeben Gesagte entsprechend. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Schuldnerin ihre institutionellen Gläubiger nachrangig behandele, um zunächst aus ihrer Sicht für den Geschäftsbetrieb relevantere Gläubigerforderungen zu bedienen.
Die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO, über die der BGH zu entscheiden hätte, hat das LG nicht zugelassen.
Den kritischen Leser der Entscheidung überrascht nicht nur Letzteres, denn das Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfte in einem Fall wie dem vorliegenden dazu führen, den Zulassungsgrund der „Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung“ gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auszufüllen. Die Auffassung des LG mag ohne Weiteres juristisch vertretbar sein, möglicherweise hat sie sogar mehr für sich als die dargestellte Rechtsprechung des BGH, gegen die das LG sich ausdrücklich wendet. Das LG setzt sich jedoch hiermit nur ansatzweise auseinander und bezieht sich lediglich auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2006, anstatt das oben dargestellte wesentlich neuere Urteil aus dem Jahr 2022 in seine Würdigung einzubeziehen.
In den letzten Monaten haben sich vermehrt Mandanten an uns gewandt, um Unterstützung bei der Abwehr von Zahlungsansprüchen der MULPOR Company zu erhalten. Diese Ansprüche betreffen in der Regel Forderungen, die im Zusammenhang mit einem angeblichen Vertrag über die Veröffentlichung von Unternehmensdaten im „International Fairs Directory“ stehen.
Die Vorgehensweise der MULPOR:
Die MULPOR bereitet ein unscheinbares Formular vor, dass auf den ersten Blick lediglich der Bestätigung von Unternehmensdaten zu dienen scheint. Ohne dass dies klar ersichtlich ist, führt die Unterzeichnung dieses Dokuments jedoch – nach Ansicht der MULPOR Company – zu einem verbindlichen Vertragsabschluss. Der Vertragspartner sitzt in Costa Rica, und das Vertragsverhältnis unterliegt vermeintlich dem costa-ricanischen Recht. Als Ergebnis erhalten die Betroffenen kurz darauf eine Rechnung in Höhe von 1.210,00 EUR, die sich jedoch über eine Laufzeit von drei Jahren auf deutlich höhere Beträge summiert.
Unsere Einschätzung zur Abwehr der Forderung:
Nach unserer rechtlichen Auffassung bestehen gute Chancen, sich erfolgreich gegen diese Forderungen zur Wehr zu setzen. Dies stützen wir insbesondere auf die folgenden Argumente:
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Insolvenzrechtliche Ausgangslage
Welche Befriedigungschancen eine Forderung in der Insolvenz des Schuldners hat, hängt entscheidend von ihrem insolvenzrechtlichen Rang ab. Neben den hier nicht interessierenden Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen sind dies Insolvenzforderungen nach § 38 der Insolvenzordnung (InsO) und sogenannte Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die im eröffneten Insolvenzverfahren nur vom Insolvenzverwalter begründet werden können. Das Privileg der Masseverbindlichkeiten rechtfertigt sich, jedenfalls für vertragliche Ansprüche aus der Überlegung, dass derjenige, der sich auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlässt, darauf vertrauen können muss, dass er seine Gegenleistung aus der Insolvenzmasse vollständig erhält.
Insolvenzforderungen sind dagegen Forderungen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet waren.
Während die Masseverbindlichkeiten abgesehen von Fällen der Masseunzulänglichkeit volle Befriedigung erwarten dürfen, erhalten die Insolvenzgläubiger nur die Insolvenzquote, die häufig sehr niedrig ist, wie gerade auch der vorliegende Fall zeigt, in dem lediglich eine Quote von 0,1 % auf die Insolvenzforderungen gezahlt wurde. Nicht selten wird gar keine Quote gezahlt.
Im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung wird kein Insolvenzverwalter bestellt, diese Aufgabe übernimmt der Schuldner oder im Fall einer juristischen Person, etwa einer GmbH, ihr Geschäftsführer. Masseverbindlichkeiten begründet folglich hier der sich selbst verwaltende Schuldner.
Anders als Insolvenzforderungen können Masseverbindlichkeiten nicht durch ein Insolvenzplanverfahren geregelt werden, sie sind vielmehr unabhängig vom Inhalt des Insolvenzplans vollständig zu befriedigen.
Der zu entscheidende Fall
Im August 2019 buchte der Kläger für sich und die Klägerin bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen Flüge von Düsseldorf nach Westerland/Sylt und von Westerland/Sylt zurück nach Düsseldorf. Sie bezahlten den Flugpreis. Die Flüge sollten im Juni 2020 stattfinden. Am 01.12.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte setzte den Flugbetrieb fort. Am 28.05.2020 annullierte die Beklagte aufgrund von Reisebeschränkungen (COVID-19) die Flüge und bot einen Fluggutschein an, den die Kläger ablehnten. Ersatzflüge bot sie den Klägern nicht an. Noch an demselben Tag buchte der Kläger Ersatzflüge bei einer anderen Fluggesellschaft. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von 602,48 €. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten wurde, nachdem ein Insolvenzplan zustande gekommen war, mit Beschluss vom 26.11.2020 aufgehoben.
Der Insolvenzplan sieht für Insolvenzforderungen eine Quote von 0,1% und Zusatzquoten vor.
Die Kläger begehren Zahlung einer Ausgleichszahlung von 250 € pro Person zuzüglich Zinsen, darüber hinaus Erstattung der für die Ersatzbeförderung aufgewendeten Kosten in Höhe von 602,48 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 0,1% der geltend gemachten Forderungen stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht als Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, weil es die Forderungen der Kläger als Masseverbindlichkeiten angesehen hatte. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt auf die Revision der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil wieder her.
Die Forderung der Kläger beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (kurz: Fluggastrechte-VO).
Nach Art. 5 Abs. 1 Fluggastrechte-VO gilt unter anderem:
Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) …
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen…
Art. 7 Abs. 1 Fluggastrechte-VO lautet:
Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen…
Art. 8 Fluggastrechte-VO gewährt dem Reisenden bei Flugannullierungen unter anderem Anspruch auf einen Ersatzflug durch das Luftfahrtunternehmen, den die Beklagte, wie ausgeführt, nicht angeboten hat.
Die Begründung des BGH
Zwar geht auch der BGH vom Bestehen der Ansprüche der Kläger in der geltend gemachten Höhe aus, mit dem Amtsgericht behandelt er die Ansprüche der Kläger als bloße Insolvenzforderungen. Die Voraussetzungen für eine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO lägen nicht vor.
Dazu, ob Ansprüche aus der Fluggastrechte-Verordnung eine Masseverbindlichkeit oder eine Insolvenzforderung darstellen, wenn der Flug vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fluggesellschaft gebucht und bezahlt, der Flug aber erst nach der Eröffnung annulliert worden ist, gebe es keine spezialgesetzlichen nationalen oder europarechtlichen Regelungen. Vielmehr ergebe sich aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), dass für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedsstaates gelte, in dessen Hoheitsgebiet das Verfahren eröffnet werde. Mithin sei vorliegend allein das deutsche Recht maßgeblich ist, wie der BGH bereits mehrfach in Parallelfällen entschieden hat.
Ansprüche, die, wie die Ansprüche der Kläger, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren, seien gemäß § 38 InsO Insolvenzforderungen. Sekundäransprüche, also der Ausgleichs- und der Ersatzanspruch der Kläger, die aus der Nichterfüllung insolvenzbedingt nicht durchsetzbarer Ansprüche folgten, begründeten keine Masseverbindlichkeiten, was ebenfalls schon mehrfach entschieden wurde.
Im Streitfall handele es sich um solche Sekundäransprüche aus der Nichterfüllung insolvenzbedingt nicht durchsetzbarer Ansprüche. Dass und warum Handlungen des Verwalters oder des eigenverwaltenden Schuldners, die allein die Nichterfüllung vor der Eröffnung geschlossener, nicht aus der Masse zu erfüllender Verträge betreffen und damit nur der Abwicklung dienen, nicht § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO fallen hat der BGH auch bereits in früheren Entscheidungen dargelegt. Die Angriffe der Revision gäben keinen Anlass, hiervon abzuweichen. Motiv und Anlass, aus denen sich der Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Schuldner für die Nichterfüllung einer Forderung entschieden, seien insoweit ohne Bedeutung. Es sei mit den gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung nicht vereinbar, einen auf die Nichterfüllung bloßer Insolvenzforderungen gestützten Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch als Masseverbindlichkeit zu behandeln. Anderenfalls wären der Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Schuldner entgegen § 87 InsO mittelbar gezwungen, Insolvenzforderungen vollständig aus der Masse zu erfüllen. Dies zeigten auch die Regelung und Wertung des § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO, wonach ein Insolvenzgläubiger Ansprüche wegen Nichterfüllung eines gegenseitigen Vertrags nur als Insolvenzgläubiger verfolgen könne, wenn der Insolvenzverwalter im Falle noch nicht oder nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge die Erfüllung ablehne.
Die Fortsetzung des Flugbetriebs durch die Beklagte werte die Insolvenzforderung der Kläger nach der Rechtsprechung des Senats weder für sich genommen noch in Verbindung mit etwaigen Erklärungen der Beklagten, der Flugbetrieb werde fortgesetzt, zu Masseforderungen auf. Einen den Klägern zeitgleich mit der Annullierung des Flugs angebotenen Reisegutschein hätten sie nicht angenommen.
Auch das Ziel der Fluggastrechte-VO, ein hohes Schutzniveaus für Fluggäste zu gewähren, und deren gebotene weite Auslegung änderten nichts an der insolvenzrechtlichen Einordnung der geltend gemachten Ansprüche der Kläger. Es gehe hier nicht um Inhalt und Reichweite von Fluggastrechten, sondern um deren Schicksal in der Insolvenz des Luftfahrtunternehmens. Hierzu treffe die Fluggastrechte-VO keine Aussage.
Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bedürfe es nicht.
Überblick
Umsatzsteuerpflichtige Unternehmer müssen zwar die vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, sie sind im Grundsatz aber auch berechtigt, gemäß § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Vorsteuer, die ihnen von anderen Unternehmern für ihr Unternehmen in Rechnung gestellt wird, als Vorsteuer abzuziehen.
Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. Unter anderem bestimmt § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, dass der Vorsteuerabzug für Leistungen ausgeschlossen ist, die der Unternehmer seinerseits für steuerfreie Leistungen verwendet.
Zudem setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer, die „Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet“. Dazu muss objektiv betrachtet ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen. Das Abzugsrecht ist nur gegeben, wenn die Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören.
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird zugunsten des Unternehmers zudem auch bei Fehlen eines solchen Zusammenhangs angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind (Allgemeinkosten). Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.
Fehlt der so beschriebene Zusammenhang, hängen die Eingangsleistungen vielmehr mit steuerfreien Umsätzen zusammen, ist der Vorsteuerabzug nicht zulässig.
Lieferungen und sonstige Leistungen eines Unternehmers unterliegen – auch hier wiederum: im Grundsatz – der Umsatzsteuerpflicht. Eine gewichtige Ausnahme hiervon macht § 4 UStG, der zahlreiche Steuerbefreiungen normiert. Danach ist neben vielen anderen Lieferungen und sonstigen Leistungen die Vermietung von Wohnraum steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG). Zwar kann der Unternehmer gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten, „zur Steuer optieren“, um die Vorsteuerabzugsmöglichkeit für seine die Vermietungsleistung betreffenden Eingangsumsätze zu erhalten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Mieter auch Unternehmer ist. Bei Vermietung an Endverbraucher ist die Option nicht möglich.
Für den Vermieter von Wohnraum bedeutet dies, dass er die Vorsteuer aus der Anschaffung und Erhaltung des zu vermietenden Wohnraums regelmäßig nicht geltend machen kann.
Erbringt der Vermieter weitere Leistungen an den oder die Mieter, insoweit auch an Endverbraucher, muss im Einzelfall entschieden werden, ob diese Leistungen mit der Vermietung so eng zusammenhängen, dass es bei einer einheitlichen Vermietungsleistung verbleibt, oder ob es sich umsatzsteuerrechtlich um getrennte Leistungen handelt. Nur wenn von der steuerfreien Vermietung gesonderte Lieferungen oder sonstige Leistungen festzustellen sind, kann der Vorsteuerabzug dafür in Betracht kommen.
Mit dieser Abgrenzung beschäftigt sich der Besprechungsfall.
Der zu entscheidende Fall
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Lieferung von Mieterstrom eine (unselbständige) Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung darstellt oder ob es sich dabei um eine selbständige Hauptleistung neben der Vermietungsleistung handelt. Letzteres würde, wie oben dargestellt, den Vorsteuerabzug ermöglichen.
Der Kläger vermietet ein Mehrfamilien- und ein Doppelhaus. Die Vermietung erfolgt umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Er hat auf beiden Objekten im Dezember 2018 jeweils eine Photovoltaikanlage mit Messeinrichtungen installieren lassen. Hierfür ist ihm neben den Nettokosten vom Installateur Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden. Die erste Messeinrichtung erfasst die Gesamtproduktion des Stroms. Der erzeugte Strom, der direkt über den Batteriespeicher an die Mieter fließt, läuft über eine weitere Messeinrichtung. Der überschüssige Strom wird an die N-GmbH geliefert. Der gegebenenfalls von den Mietern zusätzlich benötigte Reststrom wird im Namen und im Auftrag des Klägers über andere Gesellschaften bezogen und mit einem Gewinnaufschlag an die Mieter abgegeben.
Der Kläger rechnet mit den Mietern, die für den Strom einen monatlichen Abschlag zu entrichten haben, jährlich über einen Gemeinschaftszähler und entsprechende Unterzähler nach der jeweiligen Verbrauchsmenge ab. Er hat mit den Mietern – zeitlich und inhaltlich unabhängig von den jeweiligen Mietverträgen – eine „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über Stromversorgung“ geschlossen. Nach deren § 2 kann der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Außerdem ist geregelt, dass der Mieter für den Fall, dass er nach der Kündigung des Stromliefervertrags anderweitig den Strom beziehe, die Kosten der Umbaumaßnahmen der Zähleranlage zu tragen habe. In den Wohnungsmietverträgen ist bestimmt, dass bauliche Veränderungen am Mietobjekt der Zustimmung des Vermieters bedürfen. Der Arbeitspreis je Kilowattstunde ist marktüblich.
In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Dezember 2018 machte der Kläger, die Vorsteuer aus der Anschaffung der Photovoltaikanlagen geltend.
Das beklagte Finanzamt (FA) ließ diese Vorsteuer nicht zum Abzug zu. Es nahm an, bei der Stromlieferung des Klägers an die Mieter handele es sich jeweils um eine unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung. Den hiergegen eingelegten Einspruch des Klägers wies das FA als unbegründet zurück.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der dagegen Klage statt, ließ also den Vorsteuerabzug zu. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts, die der Bundesfinanzhof (BFH) als unbegründet zurückweist.
Die Begründung des BFH
Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, so der BFH, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Umsatzsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasse.
Zwar sei jeder Umsatz in der Regel als eigenständige und selbständige Leistung zu betrachten; ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstelle, dürfe aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden.
Eine einheitliche Leistung liege vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Das sei insbesondere der Fall, wenn ein Teil oder mehrere Teile als Hauptleistung anzusehen, während andere Teile als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen seien. Vor allem sei das der Fall, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstelle, sondern das Mittel, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zur Abgrenzung seien die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln. Bei der Vermietung von Immobilien, hier Wohnraum, seien hierfür zwei Fallgruppen zu unterscheiden.
Sei zum einen der Mieter berechtigt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, könnten diese Leistungen grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Dies gelte insbesondere, wenn der Mieter über seinen getrennt abzurechnenden Verbrauch selbst entscheiden könne. Bei Dienstleistungen wie der Reinigung der Gemeinschaftsräume eines im Miteigentum stehenden Gebäudes seien diese als von der Vermietung getrennt anzusehen, wenn sie von jedem Mieter einzeln oder von den Mietern gemeinsam organisiert werden könnten und die an den Mieter versandten Rechnungen diese Lieferung getrennt von der Miete auswiesen.
Ergebe zum anderen die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit, könne demgegenüber eine einheitliche Leistung angenommen werden.
Der BFH habe daher bereits entschieden, dass die den Mietnebenkosten zugrunde liegenden Leistungen wie die Zurverfügungstellung von Wasser, Elektrizität oder Wärme, über deren Verbrauch der Mieter entscheiden könne und die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet würden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen seien.
Gemessen an diesen Grundsätzen sei das Urteil des FG, das in den Lieferungen von Mieterstrom selbständige umsatzsteuerpflichtige Leistungen gesehen hatte, nicht zu beanstanden.
Das FG habe festgestellt, dass ein gewichtiges Indiz für selbständige Leistungen darin liege, dass der Kläger die Verbrauchsmenge des Stroms mit seinen Mietern über individuelle Unterzähler abgerechnet habe. Ferner habe es zu Recht berücksichtigt, dass individuelle (Zusatz-)Vereinbarungen über die Stromlieferungen abgeschlossen worden seien, in denen auch vom Mietvertrag abweichende Kündigungsmöglichkeiten des Stromlieferungsvertrags vorgesehen gewesen wären. Weiter habe es zutreffend einbezogen, dass die Mieter bei einem Wechsel des Stromanbieters erforderliche Umbaukosten zu tragen gehabt hätten und die freie Wahl des Stromanbieters durch die Zusatzvereinbarung nicht ausgeschlossen gewesen wäre. Die generelle Möglichkeit der Mieter, den Stromlieferungsvertrag mit dem Kläger zu kündigen und zu einem anderen Anbieter zu wechseln, wäre nach der beanstandungsfreien Ansicht des FG durch die in diesem Fall vom wechselnden Mieter zu tragenden Umbaukosten zwar erschwert, jedoch nicht unmöglich.
Zudem ergebe sich die vom FG aus den vertraglichen Vereinbarungen abgeleitete Freiheit des Mieters, seinen Stromlieferanten frei zu wählen, auch aus gesetzlichen Vorschriften. § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bestimme ausdrücklich ein Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag. Danach dürfe ein Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom (Mieterstromvertrag) nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein. Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot sei der Mieterstromvertrag nichtig. Nach § 42a Abs. 3 Satz 3 EnWG sei eine Bestimmung, durch die das Kündigungsrecht während der Dauer des Mietverhältnisses ausgeschlossen oder beschränkt werde, unwirksam. Damit solle jegliche Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit des Mieters ausgeschlossen werden.
Die Einwendungen des FA gegen die Ausführungen des FG führten zu keiner anderen Beurteilung. Die Finanzverwaltung sei zwar in Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) der Ansicht, dass als Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung in der Regel unter anderem die Lieferung von Strom durch den Vermieter anzusehen sei, daran seien allerdings weder das FG noch der BFH gebunden, da es sich insoweit lediglich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handele, die außerhalb der Finanzverwaltung keine Bindungswirkung entfalte.
Da der Kläger mithin steuerpflichtige Lieferungen von Mieterstrom ausgeführt habe, stehe ihm der begehrte Vorsteuerabzug zu. Der schon oben erwähnte notwendige direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz (Anschaffung der Photovoltaikanlage) und den umsatzsteuerpflichtigen Stromlieferungen an die einzelnen Mieter, sei gegeben.
Das FG habe zwar nicht ausgeführt, inwieweit die Kosten der Photovoltaikanlage Kostenelemente der besteuerten Ausgangsumsätze des Klägers gewesen seien. Da der Kläger jedoch marktübliche Stromentgelte erhoben habe, die den Kostendeckel des § 42a Abs. 4 EnWG beachteten, und dadurch unter anderem zumindest die Kosten seiner Photovoltaikanlagen decke, liege diese Voraussetzung vor.
Allgemeine Übersicht
Die Frage, ob Geschäftsführer einer GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, ist nicht immer ganz einfach zu beantworten. Die Folgen einer Fehleinschätzung, die etwa bei einer Betriebsprüfung oder auch auf Grund von Recherchen eines Insolvenzverwalters in der Insolvenz der GmbH aufgedeckt werden kann, sind gleichwohl gravierend. Wird die Sozialversicherungspflicht zu Unrecht angenommen, bestehen zwar hinsichtlich nicht verjährter Beträge Rückforderungsansprüche, dem Geschäftsführer fehlt jedoch der mit der Versicherungspflicht verbundene Schutz. Für anderweitige Absicherung wird er häufig nicht vorgesorgt haben. Wird dagegen die Versicherungspflicht nicht erkannt, können erhebliche Nachzahlungen fällig werden. Auch kann sich eine anderweitige Vorsorge in diesem Fall als zumindest teilweise wirtschaftlich nicht sinnvoll erweisen.
Grundlage der Beurteilung der Versicherungspflicht ist § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs IV (SGB IV), wonach (versicherungspflichtige, abhängige) Beschäftigung „die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, ist. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung in diesem Sinn sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Eckpunkte für die Versicherungspflicht von Geschäftsführern sind zum einen der angestellte Geschäftsführer, der nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist, zum anderen der Gesellschafter-Geschäftsführer, der mindestens 50 % des Stammkapitals der Gesellschaft hält. Ersterer ist zweifelsfrei versicherungspflichtig, letzterer genau so zweifelsfrei nicht. Dazwischen liegt eine Grauzone.
Der vorliegende Fall betrifft einen Sachverhalt, bei dem zwar eine ausreichende gesellschaftsrechtliche Beteiligung gegeben war, allerdings in den Tatsacheninstanzen unaufgeklärt geblieben war, was für ein Verhältnis zwischen dem betroffenen Gesellschafter, der ursprünglich auch deren Geschäftsführer gewesen war, und der GmbH tatsächlich bestand.
Der zu entscheidende Fall
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der 1962 geborene Kläger war seit 1986 als Gesellschafter-Geschäftsführer der U- GmbH mit 50 % der Geschäftsanteile tätig. Den weiteren Geschäftsanteil von 50 vH hielt ein anderer Gesellschafter. Nach dem Gesellschaftsvertrag werden Beschlüsse, soweit dieser oder das Gesetz keine andere Mehrheit vorsieht, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Kläger war von 2006 bis Ende 2016 privat krankenversichert.
Am 03.01.2017 beschlossen die Gesellschafter die Liquidation der GmbH. Zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator wurde der Bruder des Klägers bestellt, was jedoch erst am 27.04.2017 ins Handelsregister eingetragen wurde. Noch am 03.01.2017 schlossen die GmbH i. L. und der Kläger einen bis zum 31.12.2017 befristeten "Arbeitsvertrag" über eine Tätigkeit des Klägers als "Assistent des Liquidators", wobei er hierfür dasselbe Gehalt erhalten sollte wie zuvor als Geschäftsführer. Eine Meldung zur Sozialversicherung wurde insoweit nicht erstattet. Am 08.02.2017 wurde der Kläger 55. Tags zuvor, am 07.02.2017, beantragte er zunächst seine Aufnahme als freiwilliges Mitglied der Beklagten und stellte mit Schreiben vom 10.02.2017 klar, er begehre die Aufnahme in die Pflichtversicherung.
Am 20.03.2017 schloss der Kläger einen Arbeitsvertrag mit einer Fa. E über eine Tätigkeit als Paketzusteller und am 05.05.2017 mit einer G-GmbH einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Gas-Wasser-Installateur. Für beide Tätigkeiten wurde er vom jeweiligen Arbeitgeber zur Sozialversicherung angemeldet. Insoweit stellte die beklagte gesetzliche Krankenversicherung (GKV) jeweils die Versicherungsfreiheit des Klägers in der GKV fest. Hinsichtlich der Tätigkeit als Assistent des Liquidators der GmbH stellte sie fest, dass in den Zweigen der Sozialversicherung keine Versicherungspflicht bestehe.
Das Sozialgericht hat die auf Feststellung einer Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ab 03.01.2017 gerichtete Klage abgewiesen, seine Berufung zum Landessozialgericht (LSG) blieb ohne Erfolg.
Auf seine Revision hebt das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des LSG auf und verweist die Sache schon wegen eines Verfahrensfehlers zurück. Die Vorinstanzen hatten es versäumt, die (möglichen) Arbeitgeber des Klägers zum Verfahren beizuladen, was zwingend erforderlich gewesen wäre.
Das BSG konnte nicht selbst entscheiden, weil das LSG keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hatte, ob es sich bei dem Anstellungsvertrag als „Assistent des Liquidators“ um ein Scheingeschäft gehandelt hat. Hierfür könnte die unveränderte Höhe des Gehalts des Klägers sprechen und die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis trotz Befristung bis zum 31.12.2017 offensichtlich bereits im März dieses Jahres geendet hat.
Die Begründung des BSG
Das BSG geht von § 7 Abs. 1 SGB IV (siehe oben) aus.
Nach seiner ständigen Rechtsprechung setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliege. Diese Weisungsgebundenheit könne ‑ vornehmlich bei Diensten höherer Art ‑ eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der zumindest 50 % der Anteile am Stammkapital halte, werde nach der ständigen Senatsrechtsprechung grundsätzlich als nicht abhängig beschäftigt beurteilt, da ihm die Rechtsmacht zukomme, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber zu lenken.
Auf dieser Basis sei eine abhängige Beschäftigung des Klägers nicht allein wegen seiner hälftigen Beteiligung an der GmbH ausgeschlossen. Ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft nicht (oder wie der Kläger nicht mehr) zum Geschäftsführer bestellt sei, sei regelmäßig abhängig beschäftigt. Allein aufgrund der gesetzlichen Gesellschafterrechte besitze er noch nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben. Denn das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH obliege ‑ sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart sei ‑ nicht der Gesellschafterversammlung, sondern sei Teil der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung.
Allein auf Grund seiner Beteiligung sei der Kläger auch nicht in der Lage gewesen, seinem zum Liquidator bestellten Bruder durch Gesellschafterbeschlüsse Weisungen zu erteilen und gegebenenfalls Weisungen durch diesen an ihn selbst als „Assistent des Liquidators“ zu verhindern.
Allerdings sei der Kläger bis zum Liquidationsbeschluss auch Geschäftsführer gewesen und als solcher in der Liquidation der Gesellschaft deren „geborener“ Liquidator, für den, soweit hier von Interesse, dieselben Regeln gelten, wie für einen Geschäftsführer. Vorliegend sei der Kläger aber durch Beschluss der Gesellschafterversammlung ebenfalls vom 03.01.2017 als Geschäftsführer abberufen worden, sei mithin nicht Liquidator geworden. Dass dies erst am 27.04.2017 ins Handelsregister eingetragen worden sei, ändere daran nichts. Die sogenannte negative Publizität des Handelsregisters nach §15 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sei für die versicherungsrechtliche Statusbeurteilung eines abberufen Gesellschafter-Geschäftsführers nicht entscheidend.
Die Vorschrift sei bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusabgrenzung grundsätzlich nicht anzuwenden. Sie normiere einen Einwendungsausschluss hinsichtlich (noch) nicht in das Handelsregister eingetragener Tatsachen und schützte das Vertrauen eines redlichen Dritten im Rechtsverkehr. Ein Dritter könne sich deshalb auf den Schutz dieser Bestimmung nur berufen, soweit er eine Rechtsposition geltend mache, die er aufgrund oder im Zusammenhang mit einer rechtsgeschäftlichen Betätigung im Vertrauen auf die registerliche Verlautbarung erlangt habe. Vorliegend sei der Anwendungsbereich von § 15 Abs 1 HGB schon deshalb nicht eröffnet, weil die Versicherungspflicht in der GKV kraft Gesetzes entstehe, sobald der geregelte Tatbestand verwirklicht ist. Für die Anknüpfung an ein Vertrauen in die Registerpublizität bestehe kein normativer Ansatzpunkt.
Nach allem wäre der Kläger ab dem 03.01.2017 sozialversicherungspflichtig bei der GmbH beschäftigt gewesen, wenn man seinen Vortrag zu der Beschäftigung als „Assistent des Liquidators“ zugrunde legt. Da das LSG die wahren Verhältnisse jedoch nicht festgestellt hatte, musste das BSG die Sache zurückverweisen.
Download: Die ausgesperrte Rechtsanwältin - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit
Die Zivilprozessordnung (ZPO) verlangt für viele Prozesshandlungen die Einhaltung einer näher geregelten Frist. So beträgt die Frist für die Einlegung der Berufung nach § 517 ZPO einen Monat, diejenige für die Begründung der Berufung nach § 520 ZPO zwei Monate. Im Allgemeinen führt die Fristversäumung zu einem Rechtsverlust. Versäumt der Berufungsführer die Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist, wird seine Berufung unzulässig und in der Folge das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig, im Allgemeinen kann es nicht mehr geändert werden.
Für bestimmte Fristen besteht jedoch die Möglichkeit, wegen der Fristversäumung, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu stellen. Dies ist möglich bei sogenannten Notfristen – das sind Fristen, die das Gesetz als solche bezeichnet, zum Beispiel die Berufungsfrist – und bei der Frist zur Begründung etwa der Berufung oder der Revision, wie sich aus § 233 ZPO ergibt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann allerdings nur Erfolg haben, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Der Partei schadet nicht nur ihr eigenes Verschulden, sie muss sich auch das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen, denn nach § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Ganz überwiegend steht ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwalt) in Rede, denn faktisch ist er es, der die Prozesshandlungen ausführt. Dementsprechend gibt es zahlreiche Entscheidungen zum Verschulden in der Person des Prozessbevollmächtigten, denn zur Fristwahrung hat er umfangreiche Vorsorge zu treffen, so ist er neben vielem anderen gehalten, einen Fristenkalender zu führen, sein Büropersonal ausreichend über die Bedeutung der Fristwahrung und der dazu erforderlichen Handhabung zu belehren, überhaupt nur geschultes und zuverlässiges Personal mit der Fristenkontrolle zu betrauen. Letzteres gilt insbesondere auch für die Berechnung des Fristlaufs. Nicht in der Rechtsanwaltskanzlei wird dies stets fehlerfrei durchgeführt.
Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt die Frist bis zuletzt ausnutzen, das heißt im Allgemeinen bis 24.00 Uhr des letzten Tags des Fristablaufs. Gleichzeitigt ist er jedoch gehalten, den sicheren Weg zu wählen. Nutzt er daher die Frist vollständig aus, muss er normale Verzögerungen bei seiner Planung einkalkulieren. Ist er an einer Maßnahme gehindert, muss er mögliche und zumutbare andere ergreifen.
Vorliegend war fraglich, ob die Prozessbevollmächtigte sich an diese Vorgaben gehalten hatte.
Der zu entscheidende Sachverhalt
Die Klägerin verlangte von den Beklagten die Rückzahlung von Darlehen. Das Landgericht (LG) Augsburg gab der Klage in vollem Umfang statt und verurteilte die Beklagten zur Darlehensrückzahlung.
Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 02.05.2023 zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist lief daher bis zum 02.06.2023, 24.00 Uhr. Die Rechtsanwältin legte am 05.06.2023 Berufung ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist. Zur Begründung führte sie aus, sie habe wegen eines unvorhergesehenen Schwindels das Büro am 02.06.2023 – dem Tag des Fristablaufs – vor Fertigstellung der Berufungsschrift verlassen müssen, um sich zuhause auszuruhen. Sie habe hierbei den Schlüssel in den Büroräumen vergessen, so dass sie das Büro nicht wieder habe betreten können, als sie – nachdem sie mehrere Stunden zuhause geschlafen habe – um 19.00 Uhr desselben Tages dorthin zurückgefahren sei, um die Berufungsschrift fertigzustellen. Sie habe sodann versucht, eine Kollegin, die sich jedoch auf einem Auswärtstermin befunden habe und deshalb nicht habe kommen und aufsperren können, telefonisch zu erreichen. Telefonnummern weiterer Kollegen oder auch der Sekretärin habe sie nicht in ihrem Handy gespeichert gehabt.
Das Oberlandesgericht (OLG) München hat als Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung im Beschlusswege als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
Die Begründung des BGH
Der Bundesgerichtshof (BGH) verwirft die Rechtsbeschwerde als unzulässig, sie ist zwar wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 522 Abs. Satz 4 ZPO statthaft, erfüllt aber nicht die Voraussetzungen, die § 574 Abs. 2 ZPO an die Begründung der Rechtsbeschwerde stellt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) meint anders als die Beschwerdeführerin, eine Entscheidung des Revisionsgerichts sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Der Beschluss des Berufungsgerichts stehe vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletze nicht die Ansprüche der Beklagten auf die Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 des Grundgesetzes (GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.
Die den Wiedereinsetzungsantrag tragenden Tatsachen seien weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden.
Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Parteien in der gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht sei danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht sei auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruhe. Gegen diese Vorgaben verstoße der Beschluss des OLG nicht.
Das OLG habe ausgeführt, es fehle an einer Darlegung der Anstrengungen der Beklagtenvertreterin zur Einschaltung eines Vertreters, also eines anderen Rechtsanwalts. Den Beschlussgründen sei zu entnehmen, dass die Beklagtenvertreterin keinen Kanzleimitarbeiter habe erreichen können, der im Stande gewesen wäre, ihr die Bürotür zu öffnen. Damit habe es den Kernbestandteil des Vorbringens der Beklagten bezüglich der Anstrengungen ihrer Beklagtenvertreterin zur Einschaltung eines Vertreters nicht übergangen, sondern den Versuch der telefonischen Kontaktierung der einzig im Handy eingespeicherten Kollegin für nicht hinreichend erachtet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt, der eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist infolgedessen ausgeschlossen, wenn von ihm nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten; hierzu kann auch der Versuch der Einschaltung eines Vertreters zählen. Diese Maßstäbe beziehen sich nicht ausschließlich auf krankheitsbedingte Ausfälle eines Prozessbevollmächtigten, sondern allgemein auf Ausfälle am letzten Tag der Frist. Daher sei es, so der BGH nicht von Bedeutung, ob die Prozessbevollmächtigte, wie die Rechtsbeschwerde argumentiere, ab 19.00 Uhr des letzten Tags der Frist tatsächlich wieder arbeitsfähig gewesen sei.
Den angeführten Maßstäben sei die Beklagtenvertreterin nicht gerecht geworden. Die Rechtsbeschwerde begründe nicht, warum die Beklagtenvertreterin nicht zu der im Außentermin befindlichen Kollegin gefahren ist, um den Kanzleischlüssel abzuholen. Ebenso wenig legten die Beklagten dar, dass es ihrer Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, über die bei dem Außentermin befindliche Kollegin die Telefonnummern weiterer Kanzleikollegen oder -mitarbeiter zu erfragen. Auch sei nicht vorgetragen, dass es der Beklagtenvertreterin nicht möglich gewesen sei, auf anderem als dem telefonischen Wege weitere Kanzleikollegen oder -mitarbeiter zu erreichen. Schließlich zeigten die Beklagten nicht auf, dass weder ein Kontakt zu einem Schlüsseldienst noch – im Falle der Aufschaltung der Alarmanlage der Kanzlei – zu einer Notrufzentrale möglich gewesen sei, um die alarmgesicherte Kanzleitür öffnen zu lassen.
Daher lasse sich ein den Beklagten zuzurechnendes Verschulden der Beklagtenvertreterin nicht ausschließen, es sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Beklagtenvertreterin alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen habe, die unter normalen Umständen zu einer Fristwahrung geführt hätten.
Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes sei nicht verletzt. Er verbiete es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Die Gerichte dürften daher bei Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen.
Hiernach sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen. Denn die Beklagtenvertreterin habe nicht dargelegt, alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen zu haben, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten, obwohl sie die Berufungsfrist bis zum letzten Tag ausgeschöpft und wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hatte, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen.
Die Regelungen zum Sanierungsgewinn
Verzichten Gläubiger gegenüber ihrem Schuldner auf Forderungen, führt dies regelmäßig zu einem Buchgewinn, der der Einkommen- und gegebenenfalls auch der Gewerbesteuer zu unterwerfen ist. Forderungsverzichte werden häufig in krisenhaften Situationen des Schuldners zum Zwecke der Sanierung vereinbart. Praktisch bedeutsam sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die in Insolvenzplänen vereinbarten Forderungserlasse.
Der Erfolg von Sanierungsbemühungen steht allerding häufig in Frage, weil die auf den Buchgewinn zu erhebenden Steuern die Finanzkraft des Schuldners erneut überfordern können.
Dem hatte der Gesetzgeber früher mit § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu begegnen gesucht. Nach dieser Vorschrift waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden (Buchgewinne), steuerfrei. Sie wurde jedoch ersatzlos mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 1998 aufgehoben.
Späterhin gab es nur noch eine Verwaltungsanweisung - den sogenannten Sanierungserlass -, wonach entsprechende Erträge weiterhin bei Einhaltung einer Reihe von Voraussetzungen, insbesondere nach vorherigem Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten, steuerfrei sein sollten (BMF-Schreiben v. 27.03.2003). Über mehr als ein Jahrzehnt hat sich diese Verwaltungsanweisung in der Praxis bewährt. Dennoch wurde sie 2016 vom Bundesfinanzhof (BFH) beanstandet, der die Steuerbefreiung allein auf Grundlage einer Verwaltungsanweisung und nicht durch Gesetz für unzulässig erachtete (Großer Senat des BFH, Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15).
Auf das dadurch entstandene Vakuum hat sodann der Gesetzgeber reagiert und für Schuldenerlasse, die nach dem 08.02.2017 erfolgen, mit einem neuen, auch heute noch geltenden § 3a EStG eine der vorherigen Verwaltungsanweisung weitgehend entsprechende gesetzliche Regelung geschaffen. Dazu bestimmt § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG, dass § 3a EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen auch in früheren Fällen, also vor dem 09.02.2017 erfolgte Erlassen, anzuwenden ist. Ziel des Gesetzgebers war es, die weiterhin für erforderlich gehaltene Steuerbefreiung von Sanierungserträgen zu gewährleisten und – frei von einem Ermessensspielraum der Finanzverwaltung – auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.
§ 3a EStG befasst sich in erster Linie mit der unternehmensbezogenen Sanierung. Nach Absatz 2 liegt sie vor, „wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist.“
Der zu entscheidende Fall
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gewinn aus einem im Streitjahr 2014 ausgesprochenen Forderungsverzicht eines Gläubigers die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns nach § 3a EStG erfüllt.
Der Kläger war seit 2001 sowohl einziger Komplementär als auch alleiniger Treugeber der einzigen Kommanditistin einer KG, die zahlreiche Tankstellen besaß. Weil dem Kläger steuerrechtlich sämtliche Anteile und Einkünfte der KG zuzurechnen waren, wurde eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der KG nicht vorgenommen; diese wurden vielmehr unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen des Klägers ermittelt und erfasst. Die KG bezog die von ihr vertriebenen Kraftstoffe größtenteils von der A-AG.
Schon 2003 hatte sich die KG in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Damals verzichteten die beiden Hauptgläubiger (die A-AG und eine Sparkasse) sowie eine Volksbank gegen Besserungsscheine auf Teile ihrer Forderungen gegen die KG.
2009 und 2010 gab es erneut aufgrund einer krisenhaften Entwicklung bei der KG Gespräche zwischen der KG und einer F-GmbH. Beabsichtigt war, dass sich die F-GmbH im Wege einer Kapitalerhöhung um 1 Mio. € mit anfänglich 49% und einer Option auf den Erwerb weiterer 49% an der KG beteiligen sollte. In diesem Zusammenhang wollte die A-AG gegen Rückzahlung eines Teilbetrags von 1 Mio. € auf den Besserungsschein verzichten. Diese Überlegungen wurden indessen nicht umgesetzt.
Im Februar 2012 verkaufte die KG 16 der zu diesem Zeitpunkt noch 19 ihr gehören-den Tankstellen an die F-GmbH; bei den übrigen drei Tankstellen handelte es sich um reine Automatenbetriebe ohne Verkaufspersonal.
Die Verkaufserlöse führten zum Eintritt der auflösenden Bedingungen der 2003 vereinbarten Besserungsscheine und mussten daher im Wesentlichen zur Schuldentilgung verwendet werden. Im Mai 2012 verzichtete die Sparkasse endgültig auf eine Restforderung von 150.000 €. Im Dezember 2012 betrieb die A-AG wegen ihrer Forderungen (seinerzeit 4.440.000 €) fruchtlos die Zwangsvollstreckung gegen die KG.
Am 25.03.2014 schloss die KG mit der A-AG einen Abfindungsvergleich. Danach hatte die KG einen Abgeltungsbetrag von 50.000 € zu zahlen. Im Gegenzug stellte die A-AG ihre Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein, verzichtete auf alle Sicher-heiten für ihre Ansprüche und verpflichtete sich, die KG und den Kläger von allen eventuellen Ansprüchen des Warenkreditversicherers freizustellen. Mit der Erfüllung des Vergleichs sollten alle wechselseitigen Ansprüche zwischen den Beteiligten (einschließlich des Klägers persönlich) erledigt sein. Aus dem Forderungsverzicht der A-AG resultierte bei der KG im Jahr 2014 ein Buchgewinn von 3.693.000 €.
Die A-AG teilte dem Finanzamt (FA) mit, die A-Gruppe sei eine Gemeinschaft, deren Mitglieder in den Grenzen des Zumutbaren zur gegenseitigen Solidarität verpflichtet seien. Die Zustimmung zum Abfindungsvergleich sei einerseits erfolgt, um einen Teil der Forderungen zu sichern, andererseits, um die bestehende Geschäftsbeziehung – soweit es möglich sei – zu retten. Der im Jahr 2014 geschlossene Abfindungsvergleich habe sich nicht mehr auf das im Jahr 2010 diskutierte, aber letztlich nicht durchführbare Sanierungskonzept bezogen. Ein weitergehendes Sanierungskonzept sei nicht aufgestellt worden. Die A-AG als größte Gläubigerin habe unter Beachtung der Solidarität das Ziel gehabt, ihre Forderungen zu reduzieren. Ihr Warenkreditversicherer habe auf Risikobegrenzung gedrängt und Ende 2012 eine Vertragsverlängerung abgelehnt, so dass der Versicherungsschutz für das Forderungsengagement gefährdet gewesen wäre. Die A-AG habe deshalb den Forderungsstand reduzieren müssen. Vor diesem Hintergrund sei im Dezember 2012 die Zwangsvollstreckung eingeleitet worden. Damit sei der Versicherungsfall beim Warenkreditversicherer eingetreten.
2020 meldete die KG ihr Gewerbe ab.
Das FA behandelte den Buchgewinn aus dem Forderungsverzicht im Einkommen-steuer- und Gewerbesteuermessbescheid 2014 als steuerpflichtig. Der Kläger be-gehrte hingegen die Anwendung des § 3a EStG und des § 7b des Gewerbesteuer-gesetzes und beantragte die rückwirkende Anwendung dieser Regelungen gemäß § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG. Dem folgte das FA nicht.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der BFH als – jedenfalls – unbegründet zurück.
Die Begründung des BFH
Über große Strecken befasst sich die Entscheidung mit den formalen Erfordernissen einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, auf die im Folgenden nicht näher eingegangen wird.
In der Sache ging es um die Frage, ob die Voraussetzungen eines Sanierungsgewinns im Sinne des § 3a EStG vorlagen. Die Vorschrift war aufgrund des Antrags des Klägers nach § 52 Abs. 4 Satz 3 EStG grundsätzlich anwendbar, obwohl ein Buchgewinn aus dem Jahr 2014 in Rede stand.
Der BFH führt aus, dass die Merkmale des Sanierungsgewinns im Sinne des § 3a EStG nach der Vorstellung des Gesetzgebers vollständig denjenigen des Sanierungserlasses vom 27.3.2003 enthaltenen Voraussetzungen eines hiernach begünstigten Sanierungsgewinns entsprechen sollten. Jene Voraussetzungen leiteten sich wiederum aus den vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen zur Auslegung der im Jahr 1997 aufgehobenen Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 66 EStG a. F. ab. Aus diesem Grund entspreche es allgemeiner Ansicht, dass für die Auslegung von § 3a EStG auf die zu § 3 Nr. 66 EStG ergangenen Rechtsprechungsleitlinien zurückzugreifen sei.
Der Kläger hatte weiterhin als vom Revisionsgericht klärungsbedürftig die Rechtsfragen gehalten, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen die Existenz eines schriftlichen Sanierungskonzepts zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses sowie den Abschluss des Sanierungsprozesses innerhalb einer bestimmten maximalen Zeitdauer voraussetze, ob Änderungen eines Sanierungsprogramms nur zwischen den jeweiligen Teilnehmern des Sanierungsprozesses abgestimmt werden müssten und ob solche Abstimmungen mündlich geschehen könnten.
Auch insoweit fehle es aber, so der BFH, an einer Auseinandersetzung mit den hierzu in Rechtsprechung – auch der Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 3a EStG – und Literatur vertretenen Auffassungen. § 3a Abs. 2 EStG sei zwar im Vergleich zu dem – auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhenden – früheren Sanierungserlass der Finanzverwaltung insoweit etwas anders formuliert, als die Norm verlange, dass der Steuerpflichtige die materiell-rechtlichen Voraussetzungen „nachweist“, ohne noch das Sanierungskonzept zu erwähnen. Gleichwohl wäre auch eine Auseinandersetzung mit der vor Einfügung des § 3a EStG zum Nachweis der Erlassvoraussetzungen, namentlich der Sanierungseignung, ergangenen umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen einschließlich der Frage, ob diese auf das – gleichlautende – nunmehrige gesetzliche Tatbestandsmerkmal übertragen werden könne. Letztlich greife der Kläger in diesem Teil der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die materiell-rechtliche Rechtsauffassung und Würdigung des FG einzelfallbezogen an, lege aber keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar.
Lediglich ergänzend weist der BFH darauf hin, dass ein schriftliches Sanierungskonzept schon deshalb keine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 3a EStG sein könne, weil diese Norm eine solche feste Beweisregel nicht kenne. Auch das erstinstanzliche Urteil lasse sich nicht dahingehend verstehen, dass es die Steuerfreiheit vom Vorliegen eines schriftlichen Sanierungskonzepts abhängig machen wolle. Vielmehr habe das Finanzgericht im Rahmen seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung zum gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Sanierungseignung in einem ersten Schritt geprüft, ob dem im Jahr 2014 ausgesprochenen Forderungsverzicht der A-AG ein – nicht notwendig schriftliches, aber nachvollziehbares und prüfbares – Sanierungskonzept zugrunde gelegen habe. Dabei wäre die Existenz eines solchen Konzepts zugunsten des Klägers als wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Sanierungseignung zu werten gewesen. Nachdem das Finanzgericht sich indessen nicht von der Existenz eines Sanierungskonzepts habe überzeugen können – was für sich alleine noch nicht zur Verneinung der Sanierungseignung ausreiche –, habe es im Anschluss in einem zweiten Schritt geprüft, ob eventuell rückblickend aus einer erfolgreichen Sanierung darauf geschlossen werden könne, dass die Sanierungseignung bereits zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts gegeben gewesen sei. Auch ein solcher tatsächlicher Sanierungserfolg wäre zugunsten des Klägers als wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Sanierungseignung zu werten gewesen; umgekehrt sei das rückblickend festgestellte Fehlen eines Sanierungserfolgs aber kein zwingendes Indiz gegen die Annahme, dass im Zeitpunkt des Forderungsverzichts eine Sanierungseignung gegeben gewesen sei. Da aus beiden vom Finanzgericht herangezogenen Hauptindizien keine Sanierungseignung abzuleiten war und auch keine sonstigen Indizien für eine Sanierungseignung erkennbar waren, habe es zu Recht – entsprechend der ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung der Feststellungslast an den Steuerpflichtigen durch § 3a Abs. 2 EStG, die aber auch aus den allgemeinen Regeln über die Feststellungslast folgen würde – die Sanierungseignung als nicht nachgewiesen angesehen.
Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, zum Beispiel ein Grundstückskaufvertrag, bedarf nach § 311b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der notariellen Beurkundung. Ein ohne die Beachtung dieser Form geschlossener Grundstückskaufvertrag ist gemäß § 125 BGB nichtig, er kann nicht Grundlage der Auflassung und der Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch sein.
Auch eine Falschbeurkundung, die die Parteien des Kaufvertrags durch Schwarzgeldabreden zum Zweck der Steuerhinterziehung und einer Notargebührenreduzierung bewirken, kann im Einzelfall zur Nichtigkeit des Gesamtkaufvertrags führen. Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bei seinem Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22 zu entscheiden. Eine Besprechung dieses Urteils finden Sie auch auf unserer Website. Nicht immer ist Hintergrund einer unzureichenden Beurkundung jedoch kriminelle Absicht.
Auch eine nicht beurkundete Vorauszahlungsabrede, die vielerlei Gründe haben kann, kann zur Formunwirksamkeit des Kaufvertrags führen. Zu einem solchen Fall erging das vorliegende Urteil.
Der zu entscheidende Sachverhalt
Der verstorbene Vater der Beklagten (im Folgenden: Erblasser) verkaufte mit notariellem Vertrag (UR-Nr. des Notars 975) vom 23.03.2017 einen hälftigen Miteigentumsanteil an seinem Grundstück an eine GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, zu einem Kaufpreis von 40.000 €.
Der Kläger persönlich, nicht die GmbH, zahlte am 06.04.2017 an den Erblasser 70.000 € per Überweisung unter Angabe des Verwendungszwecks „975/23.3.2017“ sowie am 15.05.2017 weitere 10.000 € mit dem Verwendungszweck „RESTZAHLUNG 975/23.3.2017“, insgesamt mithin 80.000 €. Der Kaufvertrag wurde vollzogen.
Am 08.11.2018 schlossen der Erblasser und der Kläger – nicht die GmbH – einen notariellen Kaufvertrag über die zweite Miteigentumshälfte des Erblassers an dem Grundstück zu einem Kaufpreis von ebenfalls 40.000 €. Die Übereignung (Auflassung) der zweiten Miteigentumshälfte ist nicht erfolgt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten als Erbin des Erblassers die Übereignung des zweiten Miteigentumsanteils an sich. Das Landgericht Bielefeld hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat sie auf die Berufung der Klägerin abgewiesen. Vor der mündlichen Verhandlung hatte es in der hierzu ergangenen Ladungsverfügung den Kläger darauf hingewiesen, dass es von der landgerichtlichen Entscheidung abzuweichen gedenke. Der Kläger hatte daraufhin mit entsprechendem Vortrag ein „Immobilien-Übergabeprotokoll“ vom 15.05.2017 eingereicht, aus dem sich nach seiner Ansicht die Vorauszahlung auf die noch nicht bestehende zweite Kaufpreisschuld ergeben sollte. Diesen Vortrag wies das OLG als verspätet zurück, legte ihn also seiner Entscheidung nicht zugrunde.
Der BGH hat nunmehr das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das OLG Hamm zurückverwiesen.
Die Begründung des BGH
Die Zurückverweisung wurde notwendig, weil das OLG Hamm keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe. Der BGH folgt dem OLG Hamm darin, dass die von dem Kläger behauptete Vereinbarung über die Vorauszahlung des Kaufpreises für den zweiten Miteigentumsanteil gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 125 Satz 1 BGB nichtig sein könnte, weil sie nicht notariell beurkundet wurde. Eine solche Vereinbarung sei beurkundungsbedürftig, weil sie konstitutive rechtliche Bedeutung habe. Im Zeitpunkt der Vorauszahlung bestehe die Kaufpreisforderung gerade noch nicht, sodass die Zahlung nicht schon von Rechts wegen zu einer Teilerfüllung der Kaufpreisschuld führen könnte. Sie wäre daher im Ausgangspunkt beurkundungspflichtig.
Damit stehe aber nicht fest, dass der notarielle Kaufvertrag vom 08.11.2018, aus dem sich der Übereignungsanspruch ergibt, gemäß § 139 BGB insgesamt nichtig sei. Diese Vorschrift enthält eine Auslegungsregel, wonach ein nichtiger Teil eines Rechtsgeschäfts zur Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts führt, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Es handelt sich um eine widerlegliche gesetzliche Vermutung. Diese Vermutung könne gerade im Falle einer Kaufpreisvorauszahlung bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt sein.
Nach der ständigen Rechtsprechung sei die wegen des Formmangels einer Vorauszahlungsabrede zur Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages führende Vermutung des § 139 BGB dann widerlegt, wenn der Käufer die im Voraus geleistete Zahlung auf den Kaufpreis beweisen könne, mithin die Zahlung auf die erst späterhin begründete Kaufpreisforderung. Nicht erforderlich sei dagegen, dass die Parteien eine ausdrückliche Vorauszahlungsabrede getroffen hätten.
Weise nämlich der Käufer seine Zahlung auf die zukünftige Kaufpreisforderung nach, sei die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede auf den beurkundeten Teil des Rechtsgeschäfts eingelassen hätten. Das könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der Verkäufer eine Quittung über die Zahlung erteilt habe. Ansonsten sei entscheidend, dass der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen könne, vor Vertragsschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu haben. Eines Hinweises im beurkundeten Kaufvertrag bedürfe es dafür nicht.
Vorliegend ergebe sich ein Beleg der Kaufpreiszahlung nicht aus den von dem Kläger vorgelegten Überweisungen. Zwar könnten Überweisungsträger grundsätzlich ausreichen. Hier fehle es aber an einer entsprechenden Tilgungsbestimmung. Die Überweisungsnachweise vom 06.04.2017 mit dem Verwendungszweck „…975/23.03.2017“ und vom 15.05.2017 mit dem Verwendungszweck „RESTZAHLUNG 975/23.03.2017“ bezögen sich ausdrücklich auf den ersten Kaufvertrag vom 23.03.2017, nicht auf den Erwerb des zweiten Miteigentumsanteils.
Wie erwähnt, hatte das OLG das vom Kläger nach dem Hinweis in der Berufungsinstanz eingereichte „Immobilien-Übergabeprotokoll“ nicht gewürdigt, weil es dies als verspätet zurückgewiesen hatte. Hierin liege, so der BGH, ein Verfahrensfehler. Eine in erster Instanz siegreiche Partei dürfe darauf vertrauen, von dem Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 der Zivilproessordnung (ZPO) zu erhalten, wenn dieses – wie hier – in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen wolle und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich halte. Der auf einen solchen Hinweis gehaltene Vortrag sei dann gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auch zu berücksichtigen. Anderenfalls liefe die Hinweispflicht des Berufungsgerichts leer.
Das „Immobilien-Übergabeprotokoll“ könne aus Sicht des Klägers den erforderlichen Nachweis über die Zahlung auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehende Kaufpreisforderung aus dem Kaufvertrag vom 08.11.2018 darstellen. Darin hatten die Parteien gemeinsam erklärt, der Kläger habe 80.000 € des Kaufpreises für die Immobilie gezahlt, wobei 40.000 € einen „Vorschuss für den Rest des Gebäudes“ darstellten, und die Parteien anerkennen, „dass sie keine weiteren Ansprüche haben“. Die Echtheit der Urkunde sei mangels gegenteiliger Feststellungen im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers zu unterstellen.
Darüber hinaus sei die Vorauszahlungsabrede mangels Beurkundung ohnehin unwirksam. Infolgedessen könne der Kläger die geleistete Vorauszahlung mangels Rechtsgrundes wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB von dem Verkäufer zurückfordern und mit dem Bereicherungsanspruch gegenüber der offenen Kaufpreisforderung die Aufrechnung erklären. Dies habe der Kläger nach den Ausführungen der Revision in der Berufungsinstanz hilfsweise getan.
Im zweiten Rechtszug wird das OLG Hamm diese Aspekte zu berücksichtigen haben.
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