Massgeschneiderte Beratung auf höchstem Niveau ist die Grundlage der nachhaltigen Zufriedenheit unserer Mandanten.
Als mittelständische, auf das Wirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit Standorten in München, Nürnberg und Berlin betreuen wir Ihre rechtlichen Anliegen kompetent, effektiv und “auf den Punkt”, egal wo Sie uns brauchen.
Die Ausstattung unserer Kanzleistandorte mit modernster Technik erlaubt es uns, mit Ihnen jederzeit auf über große Distanz auch über Videokonferenz zu kommunizieren.
Wenn Sie also auf dem Gebiet des (internationalen) Wirtschaftsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts oder auch des Sanierungs- und Insolvenzrechts einen lösungsorientierten Partner suchen, sind wir gerne an Ihrer Seite! Individuelle Beratung, Vertragsgestaltung, und Prozessvertretung gehören zu unseren Stärken, auf die Sie bauen können
Die Effektive Durchsetzung Ihrer Rechte und Interessen Stehen im Zentrum Unserer Beratung.
Gemeinsam mit Ihnen als Mandanten erörtern wir zunächst eingehend Ihre Ziele und Wünsche. Sodann identifizieren wir unter Einbeziehung unserer interdisziplinären Betrufsträger mit Ihnen zusammen den Weg, um Ihr Ziel zu erreichen. Die Erfassung komplexer Sachverhalte und die Entwicklung einer klaren und nachvollziehbaren Handlungsstruktur für Ihr Vorhaben bilden dabei die Kernkompetenzen unserer Kanzlei.
Die Spezialisten unserer Kanzlei stehen Ihnen auf ihren jeweiligen Fachgebieten gerne zur Verfügung. Zur der für Sie zu bearbeitenden Fragestellung wählen Sie das in Betracht kommende Tätigkeitsgebiet aus, für das wir in unserer Kanzlei den oder die richtigen Experten haben.
Unser Fachwissen ist immer topaktuell, intensive Aus- und Weiterbildung ist für uns Selbstverständlichkeit.
3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälteca. 100 MITARBEITER
Die Rechtsanwaltskanzlei Pöhlmann Früchtl Oppermann ist ursprünglich aus dem Zusammenschluss dreier mittelständischer Rechtsanwaltskanzleien an den Standorten München und Nürnberg im Jahr 2005 entstanden. Um der zunehmenden Nachfrage des Marktes nach überregionalen, interdisziplinären Rechtsdienstleistungen gerecht zu werden, haben wir eine entsprechende Kanzleistruktur aufgebaut, die im Jahre 2020 durch den Beitritt der Rechtsanwaltskanzlei Houben aus Berlin sinnvoll ergänzt wurde. Hierdurch können wir unseren Mandanten ein Höchstmaß an Flexibilität, kompetente Ansprechpartner vor Ort und eine moderne Beratungsstruktur bieten.
An unseren Standorten in München, Nürnberg und Berlin sind wir mit 22 Berufsträgern, davon 8 mit der Berechtigung einen oder mehrere Fachanwaltstitel zu führen, dort für Sie tätig, wo Sie uns brauchen. Mit dieser Struktur können wir uns Ihrem Vorhaben professionell, schnell und “auf den Punkt” annehmen. Komplexe Beratungen begleiten wir mit interdisziplinären Teams, um für Sie sämtliche Facetten einer rechtlichen Gestaltung zu beleuchten. Dabei achten unsere Spezialisten auf eine klare und verständliche Sprache. Jederzeitige Erreichbarkeit und Kommunikation sind für uns wichtige Bausteine einer langfristigen Partnerschaft.
3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälteca. 100 MITARBEITER
An unserem Kanzleistandort in München sind wir seit dem 20.12.2012 nach DIN ISO 9001:2015 zertifiziert. Die Re-Zertifizierung ist letztmals durch die SGS Société Générale de Surveillance SA, Zürich am 05.04.2023 erfolgreich vorgenommen worden. Das Zertifikat führen wir unter der Nummer DE13/81840258. Daneben verfügen alle Standorte innerhalb der CURATOR AG über zusätzliche Zertifizierungen für die von uns auch ausgeübte Tätigkeit der Insolvenzverwaltung und damit über eine ganzheitlich geordnete Struktur sowie eine niedergeschriebene Ablauf- und Aufbauorganisation, die regelmäßig durch unabhängige Auditoren im Rahmen interner und externer Audits überprüft wird.
Die Zertifizierung ermöglicht es uns, noch flexibler unsere Prozesse ggf. auch in bestimmten Bereichen kurzfristig und optimal für unsere Mandanten anzupassen. Personenunabhängig sind wir durch die Zertifizierung in der Lage, die hohe Qualität unserer Arbeit für unsere Mandanten transparent zu gestalten und Kontinuität zu sichern.
Bereits vor Jahren haben sich unsere Partner über ihr berufliches Engagement hinaus auch für die Rechte der schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft eingesetzt. In diesem Bestreben haben sich insgesamt sieben mittelständische Unternehmer im Februar 2011 zusammengefunden und den Verein Perspektiven e.V. zur Unterstützung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher gegründet. Im Rahmen dieses Vereins werden Spendengelder sowohl durch Beiträge als auch durch Charity-Veranstaltungen generiert und dann auf direktem Wege zum Zwecke der Ausbildung oder der Förderung von Freizeitaktivitäten an Kinder und Jugendliche eingesetzt.
Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Verein hierbei zu 100% ehrenamtlich geführt wird und die Gelder gerade nicht einfach an Träger von Kinder- und Jugendheimen weitergeleitet, sondern gezielt und direkt zum Wohle der Kinder und Jugendlichen verwendet werden. Gerne unterstützen wir daher sowohl finanziell als auch durch unsere ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstände und Mitglieder im Verein Perspektiven e.V. die Ziele des Vereins und sorgen dafür, dass auch diesen Kindern eine positive Zukunftsperspektive aufgezeigt werden kann.
Der seit Februar 2022 währende Krieg in der Ukraine und die damit einsetzende Fluchtbewegung innerhalb Europas hat uns dazu bewogen, auch dort helfend aktiv zu werden. Gemeinsam mit weiteren Freunden, die teilweise selbst aus verschiedenen Regionen der Ukraine stammen, wurde der gemeinnützige Verein Ukraine Donation e.V. gegründet. Zweck des Vereins ist es Sach- und Geldspenden einzusammeln, um diese dann im Rahmen von eigens organisierten Hilfstransporten direkt nach Dnipro zu bringen. Dort werden Krankenhäuser, Kinderheime, aber auch ukrainische Flüchtlingsfamilien mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und - wenn benötigt - mit Kleidung versorgt. Teilweise kommen Familien mit wortwörtlich nichts als der eigenen Kleidung in Dnipro aus den unmittelbar von Kampfhandlungen betroffenen Regionen an. In diesem Zusammenhang erreichen uns dramatische Schicksale, gleichzeitig aber auch ungblaublich große Dankbarkeit der Zivilbevölkerung.
Deswegen möchten wir auch Sie dafür gewinnen, nach Ihren Möglichkeiten einen Beitrag für Menschen in größter Not zu spenden. Nähere Informationen finden Sie unter auf der Webseite UADONATION unseres Vereins.
Mit einem Klick erhalten Sie alle Infomation über das jeweilige PFO Mitglied
Bei uns finden Sie Berufsträger für die verschiedensten Fachgebiete, die sich in speziell für Ihren Fall zusammengestellten Teams um Sie kümmern.
Wir verstehen uns nicht nur als konstruktive aber auch kritische Prüfer, Berater und Ideengeber, sondern auch als visionäre Wegbereiter, die zu Lösungen anregen.
Klicken Sie auf ein Foto, um mehr über die jeweilige Person zu erfahren.
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Wir haben Büros in München, Nürnberg und Berlin, um Sie erfolgreich und nahe an Ihrem Standort betreuen zu können.
Landsberger Straße 346, 80687 Münchent +49-89-23806-0 f +49-89-23806-120e muenchen@pfo-anwaelte.de
Nordostpark 7-9, 90411 Nürnbergt +49-911-59890-20 f +49-911-59890-49e nuernberg@pfo-anwaelte.de
Fasanenstraße 71, 10719 Berlint +49-30-484824-60 f +49-911-59890-95e berlin@pfo-anwaelte.de
Um den wachsenden Anforderungen an die Betreuung von Insolvenzverfahren gerecht zu werden, agieren die Rechtsanwälte unserer Kanzlei, die auch als Insolvenzverwalter bestellt werden und tätig sind, seit dem 1.12.2012 unter der CURATOR AG - Insolvenzverwaltungen, an der wir als einer von zwei Gründungsgesellschafter beteiligt sind. Die CURATOR AG ist bundesweit tätig, und hier kooperieren allein für diesen Tätigkeitsbereich inzwischen 14 Insolvenzverwalter aus neun Kanzleien, die über ein interdisziplinäres Know How und ein umfassendes Netzwerk verfügen und die in einem engen Verbund in großen und komplexen Verfahren sich gegenseitig unterstützen.
Als Insolvenzverwalter und auch als Sachwalter im Rahmen von Eigenverwaltungen werden Dr. Stefan Oppermann, Alexander Kubusch, André Houben und Sirko Hampel regelmäßig von vielen Insolvenzgerichten bestellt und sind im Verbund der CURATOR AG tätig. Im Bereich der Insolvenzverwaltung sind alle unsere Standorte sowohl nach DIN ISO 9001:2015 als auch nach GOI (Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung) vom TÜV Austria zertifiziert und decken alle Bereiche der Insolvenzverwaltung ab. Sämtliche Verwalter sind dazu in der Lage, Verfahren jeder Größenordnung zu betreuen, Insolvenzpläne zu erarbeiten und (vorläufige) Eigenverwaltungen zu beaufsichtigen. Insolvenzrechtliche Beratungen von Gläubigern und die Begleitung von Schuldnern in Eingeverwaltungsverfahren erfolgen im Rahmen unserer anwaltlichen Tätigkeit in der PFO.
Wir halten Sie auf dem Laufenden mit aktuellen Informationen und hilfreichen News.
Download: Wissentliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei D&O-Versicherung
Vorbemerkung
Nachdem in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vor einigen Jahren die Ansicht vertreten worden war, Ansprüche gegen den Geschäftsführer einer GmbH aus § 64 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) wegen unzulässiger Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft fielen nicht unter den Deckungsschutz der D&O Versicherung, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18.11.2020 (IV ZR 217/19) das Eingreifen des Deckungsschutzes klargestellt. Zwischenzeitlich haben eine Reihe von Versicherern Ansprüche aus § 64 GmbHG (heute § 15b der Insolvenzordnung [InsO]) ausdrücklich in den Versicherungsschutz aufgenommen. Damit ist die Eintrittspflicht der Versicherer allerdings nicht in jedem Fall gewährleistet, denn in Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind vielfach Ausschlüsse vom Versicherungsschutz aufgenommen, so auch bei der D&O Versicherung.
Dort regelt Nr. 6 Abs. 1 der „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten“ (D&O Bedingungen, kurz auch: ULLA):
6. Ausschlüsse
Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Haftpflichtansprüche wegen vorsätzlicher Schadenverursachung oder durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung durch eine versicherte Person.
Danach kommt es entscheidend darauf an, ob der Geschäftsführer als versicherte Person wissentlich eine Pflichtverletzung begangen hat. Die Frage ist von erheblicher Praxisrelevanz, entscheidet sie doch über die Leistungsfreiheit des Versicherers mit oft gravierenden wirtschaftlichen Folgen für den Geschäftsführer.
Entscheidend kommt es daher darauf an, ob der Geschäftsführer (zumindest) wissentlich gegen seine Pflichten verstoßen hat.
Wissentlich handelt nach der Rechtsprechung des BGH nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür nicht aus. Im Deckungsprozess muss daher feststehen, dass der Versicherte seine Pflichten zutreffend erkannt hat.
Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer. Er muss folglich im Prozess vortragen, dass die versicherte Person gewusst hat, wie sie sich hätte verhalten müssen.
Aus dieser grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast des Versicherers folgt, dass er zunächst einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet. Der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien für das Wissen des Geschäftsführers ist dabei dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann (sogenannte Kardinalpflichten).
Kann die Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, nicht festgestellt werden, muss der beweispflichtige Versicherer Anknüpfungstatsachen vortragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dieses geschehen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen.
Die Inanspruchnahme von Geschäftsführern wegen verbotswidriger Zahlungen gemäß § 64 GmbHG a. F. oder jetzt § 15b InsO erfolgt im Allgemeinen durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft. In diesen Fällen treten die betroffenen Geschäftsführer häufig, zum Beispiel im Rahmen eines Vergleichsschlusses, ihre Ansprüche aus der Versicherung an den Verwalter ab, sodass dieser gegen den Versicherer klagt, so auch vorliegend.
Nicht selten wird in diesem Zusammenhang darum gestritten, ob die Verletzung der Insolvenzantragspflicht eine Kardinalpflicht in diesem Sinne darstellt. Um eine solche Fallgestaltung ging es auch vorliegend.
Der zu entscheidende Fall
Der Insolvenzverwalter behauptete, der eingetragene Geschäftsführer der Gesellschaft X habe lediglich als Strohmann für den faktischen Geschäftsführer Y fungiert. Durch Auslegung des Entwurfs der dem Prozesskostenhilfeantrag beigefügten Klageentwurfs ermittelt das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG), dass der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer X in Anspruch nimmt, weil er den (vermeintlichen) faktischen Geschäftsführer Y nicht ordnungsgemäß überwacht habe. Nach den Feststellungen des OLG wurde der Geschäftsbetrieb trotz „eindeutiger und unverkennbarer Anzeichen für den Verlust der Zahlungsfähigkeit“ noch über ein weiteres Jahr aufrechterhalten.
Das OLG hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Begründung des OLG Frankfurt
Der Geschäftsführer X der Insolvenzschuldnerin habe vorliegend eine Kardinalpflicht verletzt, da er bei Eintritt der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag stellte und die Geschäfte weiterführte bzw. durch den faktischen Geschäftsführer führen ließ, ohne sich über die geschäftliche Situation ins Bild zu setzen und tätig zu werden.
Die Insolvenzantragspflicht nach § 64 GmbHG a. F. (§ 15a InsO) sei eine Kardinalpflicht im oben beschriebenen Sinne. Eine solche setze voraus, dass die von dem Versicherten verletze Rechtsnorm zu den zentralen, fundamentalen Grundregeln einer bestimmten Regelungsmaterie gehöre. Dazu zähle auch die Pflicht eines Geschäftsführers, weder sich noch Dritten aus dem Gesellschaftsvermögen Vorteile zu gewähren, auf die kein Anspruch bestehe, das Unternehmensvermögen nicht Zweck zu entfremden, und auch die Pflicht, bei Insolvenzreife rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Insolvenzantragspflicht sei eine wesentliche gläubigerschützende Regelung, die nach § 15a Abs. 4 InsO sogar strafbewährt sei. Zum Elementarwissen des Geschäftsführers gehöre die Verpflichtung zur Vergewisserung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie die Prüfung der Insolvenzreife und das Leisten der hierzu notwendigen Arbeiten. Geschäftsführern, die „blind in die Krise“ segelten, könne daher die Verletzung einer Kardinalpflicht vorgeworfen werden.
Vorliegend habe der Insolvenzverwalter die Indizwirkung der Kardinalpflichtverletzung nicht beseitigen können. Nach seinem Vortrag, so das OLG, habe der X die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, mithin den Eintritt des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit gekannt oder sich den zugrundeliegenden Tatsachen bewusst verschlossen. Sollte er tatsächlich als Strohmann aufgetreten sein, entlaste ihn dies nicht, weil er in diesem Fall die wissentliche Verletzung kardinaler Organisations- und Kontrollpflichten zu verantworten habe.
Die Insolvenzreife habe sich schon deshalb aufgedrängt, weil im maßgeblichen Zeitpunkt einer Steuerforderung von nahezu 100.000 € nur eine Liquidität von 12.000 € gegenübergestanden habe, was dem X nicht verborgen geblieben sein könne. Außerdem hätten eine Reihe von weiteren Aspekten für Insolvenzreife gesprochen.
Sei X lediglich als Strohmann anzusehen, entlaste ihn dies nicht, weil er dann den Y nicht überwacht habe.
Übe der eingetragene Geschäftsführer seine Tätigkeit nicht aus und habe er deswegen keine Kontrollmöglichkeit in Bezug auf die Geschäfte der Gesellschaft, müsse er eine Organisationstruktur aufbauen und unterhalten, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermögliche, anderenfalls müsse er zur Haftungsvermeidung sein Amt niederlegen. Daher sei der nur zum Schein, aber wirksam bestellte Strohmann-Geschäftsführer sogar verantwortlich, wenn er jedwede Tätigkeit unterlasse. Auf eine Abstimmung mit den Gesellschaftern komme es insoweit nicht an.
Gegen diese Kardinalpflicht habe der X, wenn er reiner Strohmann gewesen sei, wissentlich verstoßen, da das Wissen darum, dass mit der Eintragung als Geschäftsführer einer GmbH vielfältige Pflichten in Bezug auf die Unternehmensleitung verbunden seien, zum Allgemeinwissen aller Berufstätigen gehören dürfte. X müsse jedenfalls gewusst haben, dass er sich als eingetragener Geschäftsführer nicht jeglicher Kontrolle über die faktische Geschäftsführung habe enthalten dürfen.
Download: Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter
Vorbemerkung
Nach § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Voraussetzung ist ein entsprechender frist- und formgerechter Antrag. Allerdings muss die bedürftige Partei in gewissem Umfang ihr Einkommen und Vermögen zunächst für die Prozesskosten einsetzen. Nur wenn das nach näherer Maßgabe des § 115 ZPO nicht ausreicht, besteht der Anspruch auf PKH. Diese Regeln gelten für natürliche Personen.
Aber auch eine sogenannte Partei kraft Amtes kann PKH erhalten. Dies sind Personen, die zwar als Partei auftreten, aber fremde Interessen vertreten und nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Kosten des Prozesses aufzukommen haben. Ihr Amt wird ihnen durch einen besonderen Bestellungsakt übertragen, meist durch einen gerichtlichen Beschluss. Hierunter fallen vor allem die Insolvenz- und Zwangsverwalter. Sie haben, handelnd für das von ihnen verwaltete Vermögen, nicht für sich persönlich, unter den Voraussetzungen des § 116 ZPO Anspruch auf PKH. Entscheidend für die Gewährung sind in der Konsequenz nicht ihre persönlichen Verhältnisse, sondern die wirtschaftlichen Verhältnisse des von ihnen verwalteten Vermögens. § 116 ZPO lautet:
„Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag
1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2. eine juristische Person …
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.“
Der Gesetzestext verdeutlicht, dass nicht nur die unmittelbaren Verhältnisse des jeweils verwalteten Vermögens maßgeblich sind, sondern es auch auf die Frage ankommt, ob diejenigen, auf die sich das Ergebnis des Prozesses mittelbar auswirkt verpflichtet sind, die Prozesskosten ganz oder teilweise aufzubringen. Im Fall des Insolvenzverwalters sind dies in aller erster Linie die Insolvenzgläubiger, denn sie werden begünstigt, wenn der Insolvenzverwalter als Beklagter Ansprüche gegen die Insolvenzmasse abwenden oder als Kläger Ansprüche der Masse realisieren kann, denn dies wirkt sich auf die Insolvenzquote aus.
Prozesskostenhilfe kann immer nur für die jeweilige Instanz bewilligt werden. Möchte die beschwerte Partei gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einlegen und ist sie nicht in der Lage, die die Kosten hierfür aufzubringen, muss sie einen erneuten PKH-Antrag stellen. Wünschenswert ist, dass dieser Antrag nicht nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei – dies ist zwingend –, sondern auch in der Sache begründet wird. Sinnvoll ist dabei, schon in diesem Stadium die Ausführungen zu machen, die später als Begründung der Berufung dienen, insbesondere den Entwurf einer Berufungsbegründung dem PKH-Antrag beizufügen. Allerdings besteht hier das Risiko, dass das Gericht annimmt, wegen des schon gefertigten Entwurfs bedürfe die Partei der PKH gar nicht mehr.
Mit dieser Problematik befasst sich die Besprechungsentscheidung. Darüber hinaus geht es um die sogenannte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO. Dieser etwas antiquiert wirkende Begriff bedeutet, dass die Versäumung bestimmter Fristen bei rechtzeitigem Wiedereinsetzungsantrag unbeachtlich ist, wenn die Partei ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Frist einzuhalten. Dies gilt insbesondere für die sogenannten Notfristen, etwa die Berufungsfrist, und für die Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln, also zum Beispiel die Berufungsbegründungsfrist. „Ohne ihr Verschulden“ ist eine Partei auch dann säumig, wenn sie wegen wirtschaftlich begründeten Unvermögens den erforderlichen Rechtsanwalt nicht vergüten kann und alles ihr zumutbare unternommen hat, um PKH bewilligt zu erhalten.
Der zu entscheidende Fall
Die klagende Insolvenzverwalterin (Klägerin) nimmt den Beklagten nach Gewährung von PKH für das Verfahren erster Instanz aus Insolvenzanfechtung in Anspruch. Gegen das ihr am 13.10.2022 zugestellte, klageabweisende Urteil des Landgerichts Hamburg (LG) hat sie mit am Montag, den 14.11.2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Gewährung der beantragten Fristverlängerung zur Begründung der Berufung bis zum 13.01.2023 hat sie mit Schriftsatz vom selben Tag die Gewährung von PKH für die Durchführung des Berufungsverfahrens beantragt. Darin teilten ihre Prozessbevollmächtigten mit, das Berufungsverfahren solle nur unter der Bedingung der Gewährung von PKH durchgeführt werden, und kündigten für diesen Fall näher bezeichnete Berufungsanträge an. Zudem begründeten sie unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil die hinreichende Erfolgsaussicht der Berufung.
Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) hat das PKH-Gesuch mit Beschluss vom 08.02.2023 zurückgewiesen, weil die Mittellosigkeit der Klägerin für die Fristversäumung nicht ursächlich sei, nachdem ihr Prozessbevollmächtigte das Gesuch in gleicher Art und Weise wie eine Berufungsbegründung begründet habe. Zugleich hat das OLG darauf hingewiesen, dass es folglich beabsichtige, die Berufung wegen Fristversäumnisses als unzulässig zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 23.02.2023 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO beantragt und Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gegen die Zurückweisung des Antrags auf Gewährung von PKH erhoben. Es streite, so das OLG, eine Regelvermutung für die Ursächlichkeit der Mittellosigkeit einer Partei für eine Fristversäumung. Die Prozessvertreter hätten auch anwaltlich versichert, keine Bereitschaft zur Durchführung der Berufung ohne Gewährung von PKH oder eine anderweitige Finanzierung zu haben, dies sei jedoch nicht ausreichend. Vor dem Hintergrund der schon vorliegenden Begründung sei das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Prozessbevollmächtigten nicht auch ohne die Gewährung von PKH zur Durchführung der Berufung bereit gewesen seien. Am selben Tag begründete die Klägerin ihre Berufung.
Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen, die Berufung als unzulässig verworfen und die Anhörungsrüge gegen die Versagung von PKH zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. Das Rechtsmittel hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hinsichtlich der Versagung der Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und der Verwerfung der Berufung als unzulässig Erfolg, jedoch nicht im Hinblick auf die Versagung der PKH.
Die Begründung des BGH
Die Rechtsbeschwerde ist nach Ansicht des BGH nur hinsichtlich der Ablehnung der Wiedereinsetzung und der Verwerfung der Berufung zulässig, da die Rechtsbeschwerde insoweit kraft Gesetzes, also auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht zulässig ist. Insoweit sei die Rechtsbeschwerde auch begründet.
Die Klägerin habe die Berufungsbegründungsfrist zwar versäumt, da sie mit dem PKH-Antrag nur einen (nicht unterzeichneten) Entwurf der Berufungsbegründung eingereicht habe, ihr hätte insoweit jedoch auf ihren rechtzeitig eigereichten Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müssen.
Das OLG habe rechtsfehlerhaft angenommen, sie sei nicht schuldlos an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen.
Die Mittellosigkeit einer Partei stelle einen Entschuldigungsgrund im Sinne von § 233 ZPO dar, wenn sich die Partei infolge der Mittellosigkeit außerstande sehe, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels zu beauftragen.
Sei die bedürftige Partei bereits anwaltlich vertreten und lege ihr Rechtsanwalt uneingeschränkt Berufung ein, müsse sie allerdings glaubhaft machen, dass der Anwalt nicht bereit gewesen sei, die wirksam eingelegte Berufung im Weiteren ohne Bewilligung von PKH ordnungs- und fristgerecht zu begründen.
Dabei werde im Regelfall vermutet, eine Partei sei bis zur Entscheidung über ihr PKH-Gesuch so lange als schuldlos anzusehen, wie sie nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die PKH ablehnenden Entscheidung rechnen müsse.
Diese Vermutung sei vor allem dann erschüttert, wenn der Prozessbevollmächtigte neben dem PKH-Gesuch innerhalb der noch laufenden Begründungsfrist zugleich den Entwurf einer Rechtsmittelbegründung vorlege. So habe der BGH die Kausalität zwischen Mittellosigkeit und Fristversäumnis verneint, wenn ein Prozessbevollmächtigter nach Berufungseinlegung innerhalb laufender Begründungsfristen einen Antrag auf Bewilligung der PKH und die vollständige, unterschriebene – wenn auch als Entwurf gekennzeichnete – Berufungsbegründung beifügt habe; denn in diesem Fall habe er seine Leistung in vollem Umfang erbracht.
Habe dagegen der Anwalt nach unbedingter Einlegung des Rechtsmittels und Vorlage des Entwurfs einer nicht unterschriebenen Berufungsbegründung innerhalb laufender Rechtsmittelbegründungsfrist glaubhaft gemacht, er sei nicht bereit, ohne Vorschussanforderung oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe tätig zu werden, oder habe er mitgeteilt, dass der Entwurf noch der Bearbeitung oder Abstimmung bedürfe, habe der BGH angenommen, die Glaubhaftigkeit der anwaltlichen Erklärung, der anwaltliche Vertreter sei nicht bereit, die Mandanten in der Rechtsmittelinstanz über das Verfahren der Gewährung von Prozesskostenhilfe hinaus weitergehend zu vertreten, sei nicht erschüttert. Zu den Aufgaben eines Anwalts in der Rechtsmittelinstanz zähle nämlich nicht allein die Anfertigung von Schriftsätzen, er müsse für deren Inhalt durch seine Unterschrift die Verantwortung übernehmen; überdies habe er die gesamte Verfahrensführung zu übernehmen. Dafür reiche die Einreichung eines PKH-Antrags mit einem Schriftsatzentwurf zur Erläuterung des Antrags nicht aus.
Die Mittellosigkeit sei auch dann ursächlich für die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist geworden, wenn der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte ein ordnungsgemäßes PKH-Gesuch für eine beabsichtigte Berufung einreiche und dieses fristgemäß begründe, denn dies sei nicht mit einer vollständig erstellten Berufungsbegründung gleichzusetzen.
Gemessen an diesen Voraussetzungen habe das OLG zu hohe Anforderungen an ein fehlendes Verschulden gestellt. Zu Gunsten der Klägerin greife vielmehr die nicht durch die Fallumstände erschütterte Vermutung, ihre Mittellosigkeit sei für ihr Fristversäumnis kausal. Sie habe glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigen nicht bereit gewesen seien, ohne Vorschusszahlung oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren weitergehend für sie tätig zu werden. Gründe, die deren Glaubhaftigkeit erschüttern, seien nicht ersichtlich.
Es gelte die Vermutungsregel, dass eine Partei grundsätzlich bis zu einer Entscheidung über den PKH-Antrag so lange als schuldlos im Sinne des § 233 ZPO an der Fristwahrung gehindert anzusehen sei, wie sie nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung rechnen müsse, weil sie aus ihrer Sicht alles Erforderliche getan habe, damit aufgrund der von ihr vorgelegten Unterlagen über ihr Gesuch entschieden werden könne.
Vorliegend habe der Rechtsanwalt keinen Entwurf einer Berufungsbegründung vorgelegt und im Wiedereinsetzungsverfahren seine Bereitschaft zur Einreichung einer Berufungsbegründung verneint. An der Richtigkeit dieser Behauptung bestünden keine Zweifel. Insbesondere folgten solche nicht daraus, dass der Rechtsanwalt das PKH-Gesuch (ausführlich) begründet habe. Ein begründeter Prozesskostenhilfeantrag könne dem Entwurf einer Rechtsmittelbegründungsschrift nicht gleichgesetzt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Ausführungen Umfang und Tiefe einer Berufungsbegründung erreichten. Dies lasse nicht den Schluss zu, der Rechtsanwalt sei auch zur Einreichung der Berufungsbegründung bereit. Daran ändere auch die Berufungseinlegung nichts. Sie erfolge mittels eines standardisierten Schriftsatzes von wenigen Zeilen und lasse keinen Rückschluss auf die Bereitschaft zu, das Berufungsverfahren darüber hinaus zu fördern und hierfür die volle anwaltliche Haftung zu übernehmen.
In dieser Hinsicht hatte die Rechtsbeschwerde auch in der Sache Erfolg.
Unzulässig sei die Rechtsbeschwerde jedoch, soweit die Klägerin die Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung zwecks Gewährung von PKH begehre. Gegen die Versagung von PKH in zweiter Instanz sei die Rechtsbeschwerde nicht von Gesetzes wegen zugelassen und setze daher die Zulassung durch das Berufungsgericht voraus, die nicht erfolgt sei.
Die Entscheidungen über die Versagung von Prozesskostenhilfe erwüchsen allerdings nicht in materieller Rechtskraft, so dass die Klägerin nicht gehindert sei, einen neuen PKH-Antrag zu stellen.
Vorbemerkung
Nach § 35 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Die Insolvenzmasse ist nicht statisch, sie kann sich verringern, indem der Insolvenzverwalter Gegenstände der Masse an den Schuldner freigibt, sie kann sich durch Erwerb des Schuldners mehren.
Die Regelung des § 35 Abs. 1 InsO gilt nicht unbeschränkt, vielmehr macht § 36 InsO hiervon gewichtige Ausnahmen. So sind nach dessen Abs. 1 Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht massezugehörig und unterliegen daher nicht der Insolvenzverwaltung.
Welche Gegenstände vom Zwangsvollstreckungszugriff ausgenommen sind, regelt nicht die InsO, sondern die Zivilprozessordnung (ZPO), § 36 InsO verweist hierauf und nimmt für bestimmte Verfahren Modifikationen vor. Danach gehören zum Beispiel die Geschäftsbücher zur Insolvenzmasse. Wie in der Einzelzwangsvollstreckung ist aufgrund des pauschalen Verweises auf die ZPO etwa Arbeitseinkommen in bestimmten, von den persönlichen Verhältnissen des Schuldners abhängigen Grenzen nach §§ 850 ff. ZPO pfändungsfrei.
Unpfändbar sind zum Beispiel gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO „Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 5 400 Euro nicht übersteigt“.
Die Besprechungsentscheidung erörtert die Frage, ob Ansprüche auf Auszahlung von Geldern, die im Rahmen eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrt werden, direkt nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO oder in einer analogen Anwendung der Vorschrift unpfändbar sind.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Besprechungsentscheidung dazu folgenden Leitsatz vorangestellt: „Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von im Rahmen eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder sind grundsätzlich pfändbar und gehören zur Insolvenzmasse. Sie stehen weder nur bedingt pfändbaren Bezügen noch Ansprüchen aus Lebensversicherungen gleich, die nur auf den Todesfall abgeschlossen sind und deren Versicherungssumme 5.400 EUR nicht übersteigt.“
Daneben befasst sich das Urteil mit dem Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters bei sicherungszedierten Forderungen.
Der zu entscheidende Fall
Am 13.06.2020 beauftragte O (im Folgenden: Schuldnerin) die Streithelferin der Beklagten (im Folgenden: Streithelferin) mit der „Vornahme aller im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestattung anfallenden Dienstleistungen und Lieferungen“ entsprechend einer Kostenzusammenstellung („Bestattungsvorsorgevertrag“). Aus Anlass dieses Bestattungsvorsorgevertrags trafen die Schuldnerin, die Streithelferin und die Beklagte am 09.07.2020 eine als „Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. Darin verpflichtete sich die Beklagte, die von der Schuldnerin zur Finanzierung ihrer dereinstigen Bestattung bei ihr eingezahlten und noch einzuzahlenden Beträge nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen und treuhänderisch zu verwalten.
Die Schuldnerin leistete hierauf eine Einmalzahlung in Höhe von 2.500 EUR. Aufgrund weiterer Ratenzahlungen belief sich der bei der Beklagten verwahrte Betrag am 23.04.2021 auf 2.740 EUR. Die Vereinbarung regelte verschiedene Fälle der Auszahlung des verwahrten Betrags nebst Zinsen. Weiter enthielt die Vereinbarung eine Bestimmung, wonach die Schuldnerin zur Sicherung der dereinstigen Bestattungskosten ihre gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag an die Streithelferin abtrat und diese die Abtretung annahm.
Am 09.04.2021 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Er forderte die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des bei ihr verwahrten Betrags auf und kündigte vorsorglich den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag mit der Beklagten sowie den Bestattungsvorsorgevertrag mit der Streithelferin. Die auf Auszahlung des verwahrten Betrags gerichtete Klage blieb in den beiden Tatsacheninstanzen erfolglos. Auf die Revision des Klägers hat der BGH die Sache aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Begründung des BFH
Nach Ansicht des BGH ist das Guthaben aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag nicht in analoger Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i. V. m. § 36 Abs. 1 InsO pfändungsfrei und fällt daher in die Insolvenzmasse. Auch wenn ein solcher Vertrag grundsätzlich eine einer Sterbegeldversicherung entsprechende Funktion erfüllen könnte, käme insoweit auch keine analoge Anwendung in Betracht. Einer analogen Anwendung stünde der klare und eindeutige Wortlaut der Norm sowie der Umstand, dass die Pfändbarkeit von Renten und rentenähnlichen Bezügen sowie Kleinlebensversicherungen durch sie geregelt werde, entgegen.
Der Pfändungsschutz nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO setze voraus, dass dem Schuldner Bezüge ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt würden, was vorliegend nicht der Fall sei. Ein Vertrag über eine Lebensversicherung liege mit dem hier gegebenen Treuhandvertrag ebenfalls nicht vor.
Die analoge Anwendung einer Vorschrift sei nur dann zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthalte und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt habe, vergleichbar sei, dass angenommen werden könne, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Eine Analogie setze daher voraus, dass die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen sei. Erst die Planwidrigkeit der Regelungslücke eröffne die Möglichkeit einer Ausdehnung der Gesetzesvorschrift über ihren Wortlaut hinaus im Wege eines Analogieschlusses. Die Lücke müsse sich aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden – Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ableiten lasse.
Danach lasse sich nicht feststellen, dass die fehlende Erwähnung aufgrund eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder auf einer planwidrigen Regelungslücke beruhe.
Einer analogen Anwendung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO stehe allerdings nicht entgegen, dass es sich insoweit um eine Ausnahmevorschrift handele. Zwar sei eine Ausnahmevorschrift einer analogen Anwendung grundsätzlich nicht zugänglich, diese Regel greife aber nicht ein, wenn dem Ausnahmesatz seinerseits ein engeres Prinzip zugrunde liege. Der BGH habe daher bereits entschieden, dass die Vorschrift nicht lediglich auf Renten, Einkünfte oder Bezüge von Arbeitnehmern oder Beamten anwendbar sei. Ein treuhänderisch verwahrter Geldbetrag wie vorliegend stelle aber kein Einkommen oder sonstige andersartige Einkünfte im Sinn der Vorschrift dar.
Der Regelungszweck des § 850b ZPO erfasse keine von einem Unternehmen treuhänderisch verwahrten Gelder. Vielmehr diene der Pfändungsschutz von Geldrenten, die wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten seien, der Sicherung der Existenz des Schuldners. Es solle verhindert werden, dass er seine Existenzgrundlage verliere. Die ebenfalls von der Norm erfassten Haftpflicht- und Berufsunfähigkeitsrenten träten ganz oder zum Teil an die Stelle des bisherigen Einkommens des Schuldners. Auch dies sei vorliegend hinsichtlich des verwahrten Betrags nicht der Fall.
Der Gesetzgeber wolle mit der Pfändungsschutzbestimmung des § 850b ZPO Versicherungen erfassen, die dazu dienten, beim Tode des Versicherungsnehmers anfallende Ausgaben, vor allem Bestattungskosten, abzudecken. Eine solche Todesfallversicherung entlaste jene Personen, von denen die Kosten der Bestattung des Schuldners zu tragen seien. Angesichts dieses – auch auf die Vermeidung von Armenbestattungen gerichteten – Schutzzwecks genüge es für die Anwendbarkeit der Vorschrift, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherte identisch seien. Begünstigter könne auch ein Dritter, selbst ein Nichtangehöriger, sein, dem die Bestattung des Versicherungsnehmers obliege. Damit erfasse die Vorschrift insbesondere sogenannte Sterbegeldversicherungen.
Der Gesetzgeber habe aber Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen seien, für bedingt pfändbar erklärt, dabei jedoch nur Leistungen aufgrund von Versicherungsverträgen im Auge gehabt. Eine Erweiterung auf andere Vertragskonstruktionen habe er nicht vorgenommen. Auf eine nur versehentlich unterbliebene Erweiterung ließen weder die Gesetzgebungsmaterialien noch die nachfolgenden gesetzlichen Änderungen schließen.
Trotz der sich aus dem Vorstehenden ergebenden Massezugehörigkeit konnte der BGH nicht abschließend entscheiden, ob der Insolvenzverwalter die Rückzahlung zu Recht forderte. Zwar steht dem Insolvenzverwalter grundsätzlich das Recht zu Forderungen des Schuldners einzuziehen, und dies gilt auch gemäß § 166 Abs. 2 InsO für zur Sicherheit abgetretene Forderungen, vorliegend habe das Berufungsgericht, so der BGH, jedoch nicht ausreichend festgestellt, ob die Ansprüche aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag der Streithelferin nur zur Sicherheit abgetreten worden seien oder erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt wegen deren Leistungen aus dem Bestattungsvorsorgevertrag. In den letzten beiden Fällen stünde dem Insolvenzverwalter nicht das Recht zum Forderungseinzug zu, vielmehr sei dies allein Sache des Zedenten. Das Berufungsgericht wird aufzuklären haben, in welcher Weise die Zession erfolgt ist.
Download: Zwangsversteigerung als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des Einkommensteuerrechts
Vorbemerkung
Der Einkommensteuer unterliegen neben den klassischen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbetrieb, aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung nach § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch die sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 EStG. Zu letzteren zählen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG private „Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt … Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden“. Erfasst werden von der Norm also Grundstücke, die der Wertanlage und nicht zu eigenen Wohnzwecken dienen.
Neben dem Ablauf der Zehnjahresfrist kommt es hier auf die Begriffe der „Anschaffung“ und der „Veräußerung“ an. Sie sind beide nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum einen durch die Entgeltlichkeit der Übertragung des Wirtschaftsguts geprägt, zum anderen davon, dass Erwerb und Veräußerung wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sind. Vorliegend ging es um die Frage, ob der Eigentumserwerb und -verlust in einer Zwangsversteigerung des Grundstücks diese Voraussetzungen erfüllen. Für die Anschaffung des Grundstücks hatte der BFH bereits mehrfach entschieden, dass die Abgabe des Meistgebots, das zum Zuschlag des Grundstücks und damit zum Erwerb des Eigentums führt, ausreicht. Jedenfalls für die privaten Veräußerungsgeschäfte hatte der BFH jedoch noch nicht abschließend dazu Stellung genommen, ob der Eigentumsverlust in der Zwangsversteigerung als „Veräußerung“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert werden kann, was der BFH jetzt bejaht. Hierin liegt der erste Schwerpunkt der Besprechungsentscheidung.
Den zweiten Schwerpunkt bildet die Frage, ob der aufgrund der Zwangsversteigerung entstandene Veräußerungsgewinn bei einer Zwangsversteigerung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinsichtlich der sich daraus ergebenden Einkommensteuerforderung eine vorrangig vor den Insolvenzforderungen zu befriedigende Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) begründen kann. Vorliegend kam noch die Besonderheit hinzu, dass bereits vor dem Insolvenzverfahren die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet worden war.
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO lautet: „Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; …“.
Der zu entscheidende Fall
Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren des Insolvenzschuldners (Schuldner). Der Schuldner war seit November 2012 Eigentümer einer Eigentumswohnung. Aufgrund von Steuerrückständen beantragte das Finanzamt (FA) aus einer auf diesem Grundstück eingetragenen Zwangssicherungshypothek, die aufgrund von Steuerverbindlichkeiten des Schuldners im Grundbuch eingetragen worden war, die Zwangsversteigerung beim zuständigen Amtsgericht (AG). Der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde im Dezember 2018 vom AG positiv beschieden. Dieser Beschluss führt nach § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) zur Beschlagnahme des Grundstücks zugunsten des Gläubigers, hier des FA.
Über das Vermögen des Schuldners wurde im Mai 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Zuschlagsbeschluss des AG im November 2020 wurde die Eigentumswohnung veräußert. Es ergab sich ein zwischen den Beteiligten unstreitiger Veräußerungsgewinn in Höhe von … €. Das FA ging davon aus, dass dieser Gewinn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfülle.
Das FA vertrat weiter die Auffassung, es handele sich bei der auf diesen Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO. Daher erließ es einen an den Kläger als Insolvenzverwalter gerichteten Einkommensteuerbescheid für 2020. In diesem erfasste es den Veräußerungsgewinn als sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Der vom Kläger eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Seine Klage vor dem Finanzgericht Münster hatte Erfolg. Auf die Revision des FA hat der BFH die Klage jedoch abgewiesen.
Die Begründung des BFH
Der BFH geht auch vorliegend davon aus, dass für „Anschaffung“ und „Veräußerung“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erforderlich ist, dass sie wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen, mithin Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein müssen. Folgerichtig grenzt er den Begriff für den Fall der Enteignung oder Umlegung von Grundstücken ab. Dort hatte der BFH eine Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG verneint (zuletzt BFH, Urt. v. 14.02.2023 – IX R 11/21). Anders soll es nach der ständigen Rechtsprechung dagegen bei einer Veräußerung unter Zwang sein, da es auf die Motivlage des Steuerpflichtigen nicht ankomme.
Der Schritt von der Zwangslage, die für das rechtsgeschäftliche Handeln immerhin trotz des Zwangs noch eine Willensbetätigung des Veräußerers verlangt, zur Zwangsversteigerung, die ohne oder sogar gegen den Willen des Eigentümers durchgeführt wird, ist jedoch nicht unwesentlich. Dennoch behandelt der BFH den Fall der Zwangsversteigerung jetzt gleich. Der BFH stellt in seiner Argumentation jedoch mehr auf das Meistgebot ab, das in seinen Wirkungen dem Abschluss eines Kaufvertrags über das Grundstück entspreche. Eher nachgeschoben erscheint seine Begründung, die willentliche Betätigung sei durch die Zwangsversteigerung „nicht entfallen“.
Allerdings hätte er die willentliche Betätigung feststellen müssen, bevor über das „Entfallen“ nachgedacht werden konnte. Der BFH sieht die notwendige Betätigung vorgelagerten Unterlassen der Befriedigung des Gläubigers, die die Versteigerung abgewendet hätte, oder auch in der Nichtausübung des Antrags, die Zwangsversteigerung nach § 30a ZVG einstweilen einzustellen. Im Ergebnis rechnet der BFH damit dem Steuerpflichtigen ein – teilweise – rechtsgeschäftliches Unterlassen in der Vergangenheit bei der Beurteilung der Folgen des Meistgebots zu.
Allerdings hatte der BFH schon 1969 (BFH, Urt. v. 10.12.1969 – I R 43/67) entschieden, dass die Veräußerung eines Geschäftsanteils im Sinne des § 17 EStG, die ganz ähnliche Voraussetzungen hat wie die Veräußerung im Sinne des § 23 EStG, auch im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgen könne. Es sei, so die einzige Begründung damals, kein Grund erkennbar, den Versteigerungserlös anders zu behandeln als den Veräußerungspreis. Der BFH beruft sich zwar nicht ausdrücklich auf dieses Urteil, es bahnt aber den Weg zur vorliegenden Entscheidung.
Hinsichtlich der Einordnung der zuvor festgestellten Steuerforderung in die insolvenzrechtliche Befriedigungsreihenfolge kommt der BFH wie das FA zu Masseverbindlichkeiten. In inzwischen ständiger Rechtsprechung lässt der BFH sowohl für die Umsatzsteuer (Lieferung) als auch für die Ertragsteuern (Aufdeckung stiller Reserven) die Zwangsversteigerung des Grundstücks durch einen absonderungsberechtigten Gläubiger, hier das FA als Inhaber der Zwangssicherungshypothek, ohne Zutun des Insolvenzverwalters ausreichen, um das Entstehen der Steuer als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO zu attestieren. Der BFH sieht die Alt. 2 als erfüllt an, wenn die fraglichen Verbindlichkeiten einen irgendwie gearteten Bezug zur Insolvenzmasse aufweisen, was in der juristischen Literatur allerdings kritisch beurteilt wird. Der BFH geht auf diese Kritik vorliegend nicht ein. Ferner richte sich, so der BFH weiter, die Abgrenzung von Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen (allein) nach dem Zeitpunkt ihrer Begründung. Vor der Verfahrenseröffnung begründete Steuerforderungen seien Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO, danach begründete Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO. Diese Auffassung sieht der BFH dadurch bestätigt, dass ein Übererlös aus dem Zwangsversteigerungsverfahren in die Insolvenzmasse falle und den Insolvenzgläubigern zugutekomme.
Der Besprechungsfall wies allerdings wie erwähnt die bislang nicht entschiedene Besonderheit auf, dass das im Insolvenzverfahren versteigerte Grundstück bereits vor Insolvenzeröffnung zwangsvollstreckungsrechtlich zugunsten des absonderungsberechtigten FA durch Beschluss des Versteigerungsgerichts beschlagnahmt worden war. Der BFH hält diesen Aspekt für irrelevant. Er stellt insoweit darauf ab, dass die Beschlagnahme des Grundstücks durch den gerichtlichen Anordnungsbeschluss nach § 20 Abs. 1 ZVG vor Insolvenzeröffnung die Massezugehörigkeit des Grundstücks gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht hindere, sondern (nur) zu einem Absonderungsrecht nach § 49 InsO führe, das ohnehin auch ohne die Beschlagnahme allein wegen der Eintragung der Zwangssicherungshypothek bestanden hätte. Der mit einem Absonderungsrecht belastete Gegenstand gehöre zur Insolvenzmasse und gewähre dem Absonderungs-gläubiger lediglich nach Maßgabe der §§ 165 ff. InsO ein vorrangiges Befriedigungs-recht aus dem Gegenstand.
Im Ergebnis hatte nach der Besprechungsentscheidung das FA den Insolvenzverwalter zu Recht im Rang von Masseverbindlichkeiten in Anspruch genommen.
Vorbemerkung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich im Rahmen der Besprechungsentscheidung mit zwei Themenfeldern zu befassen, zum einen ging es um die Auslegung einer sogenannten Nachrangvereinbarung, zum anderen um die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit in dem Sonderfall, dass eine maßgebliche Verbindlichkeit (nur) vorläufig vollstreckbar tituliert ist.
Durch eine Rangrücktrittsvereinbarung tritt ein Gläubiger – häufig ein Darlehensgeber - mit seinem Anspruch auf Befriedigung einer Forderung hinter einen, mehrere oder alle anderen Gläubiger des Schuldners zurück. Der konkrete Inhalt einer solchen Rangrücktrittsvereinbarung ist vom Gesetz nicht vorgegeben, die Parteien der Vereinbarung haben daher einen weiten Gestaltungsspielraum. Er bezieht sich auf die Rangtiefe und kann sogar so formuliert werden, dass die Gläubigerforderung nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt werden darf, also so behandelt wird, als handele es sich bei ihr um statutarisches Kapital. Der Rangrücktritt kann zeitlich beschränkt oder auf Dauer vereinbart oder in seinen Wirkungen auf das eröffnete Insolvenzverfahren beschränkt werden oder auch bereits vorinsolvenzliche Wirkungen entfalten.
Die vorinsolvenzlichen Wirkungen können darin bestehen, dass der Gläubiger vor Verfahrenseröffnung keine Befriedigung seiner Forderung von der Gesellschaft verlangen kann, sofern bei dieser als Folge einer Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten droht. Im Falle des Rangrücktritts gegenüber bestimmten einzelnen Gläubigern können sich die Wirkungen aber auch darauf beschränken, dass der nachrangige Gläubiger seine Leistung im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit der Höhe nach bis zu deren Befriedigung nur gemindert erhält. Der Nachrang kann sich auf den Forderungsschuldner beschränken oder auch die Forderungen gegen Mithaftende (etwa Bürgen) erfassen.
Zur Frage der Berücksichtigung vorläufig titulierter Forderungen bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit hat der BGH folgenden Leitsatz formuliert:
Ein vorläufig vollstreckbarer Titel über eine streitige Forderung ist bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner in Höhe des Nennwerts der titulierten Forderung zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Titel vorliegen und der Titelgläubiger die Vollstreckung eingeleitet hat.
Der zu entscheidende Fall
Die beklagte Rechtsanwaltsgesellschaft beriet die Schuldnerin. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Schuldnerin.
Die B gewährte einer Tochtergesellschaft (T) der Schuldnerin 2008 ein Darlehen über 2,3 Mio. €, das dazu diente, die für ein Immobilienobjekt geforderte Eigenkapitalquote der T zu erfüllen. Das Darlehen wurde im Vertrag als „nachrangiges Darlehen“ bezeichnet. Unter Nr. 5 des Darlehensvertrags verpflichtete die T sich „bei Veräußerung des Projektes als Ganzes oder in Teilen“ den Verkaufserlös zunächst zur Rückführung des Darlehens eines weiteren Darlehensgebers zu verwenden und erst danach zugunsten der B. Weiter sollte die Rückführung der Darlehensvaluta der B allen Ansprüchen der T vorgehen. Weitere Regelungen zum Nachrang enthielt der Darlehensvertrag nicht. Die Schuldnerin erklärte im Darlehensvertrag ihren Schuldbeitritt. – Die Rückzahlung wurde mehrmals verschoben, zuletzt bis 31.03.2011. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Schuldnerin ihrer aus dem Schuldbeitritt folgenden Zahlungspflicht mangels Liquidität nicht nachkommen. Danach passierte tabellarisch gefasst Folgendes:
09.05.2011
B erstritt ein vorläufig vollstreckbares Urteil gegen die Schuldnerin über 2,3 Mio. €. Diese legte Berufung ein.
05.09.2011
Die Schuldnerin beantragte, die Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
13.10.2011
Das Oberlandesgericht (OLG) wies den Antrag auch mit der Begründung fehlender Erfolgsaussicht der Berufung zurück.
22.11.2011
B gewährte der Schuldnerin monatliche Raten in Höhe von 30 T€ und verzichtete auf die Vollstreckung bis 28.02.2012. Bestehende Vollstreckungsmaßnahmen sollten aufrecht erhalten bleiben. Die Schuldnerin nahm daraufhin die Berufung zurück.
01.06.2011 bis 21.12.2011
Die Schuldnerin leistete in insgesamt sieben Teilbeträgen 91 T€ an die Beklagte.
03.07.2012
Insolvenzantrag
01.10.2012
Insolvenzeröffnung. Der Kläger wird zum Verwalter bestellt.
Der Kläger begehrt die 91 T€ aufgrund der sogenannten Vorsatzanfechtung nach § 133 der Insolvenzordnung (InsO) von der Beklagten zurück. Das Landgericht (LG) verurteilt die Beklagte, das OLG weist die Klage ab. Der BGH hebt auf und verweist die Sache an das OLG zurück.
Die Begründung des BGH
Der Anspruch des Klägers könne sich aus der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung ergeben. Für den hierfür notwendige Gläubigerbenachteiligungsvorsatz könne die erkannte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sprechen. Allerdings reichten die Feststellungen des OLG bislang nicht aus, weshalb die Zurückverweisung erforderlich wurde.
Der BGH geht davon aus, dass die Schuldnerin am 01.04.2011 objektiv zahlungsunfähig war, weil sie die zu diesem Zeitpunkt fällige und durchsetzbare Forderung der B aus dem Schuldbeitritt aus Mangel an liquiden Mitteln nicht befriedigen konnte. Die Rangrücktrittsvereinbarung habe der Durchsetzbarkeit der Forderung nicht entgegengestanden, weil sie nicht gegenüber der Schuldnerin gewirkt habe.
Die Nachrangvereinbarung habe nur die Befriedigungsreihenfolge unter den beiden Darlehensgebern der T (B und der weitere Darlehensgeber) betroffen, und zwar nur die Verteilungsreihenfolge im Fall der Veräußerung des Projekts - eine der Veräußerung des Projekts vorausgehende Durchsetzungssperre zugunsten des weiteren Darlehensgebers habe nicht geregelt werden sollen. Hintergrund sei die Erfüllung der von dem weiteren Darlehensgeber zur Finanzierung des Immobilienprojekts geforderten „Eigenkapitalquote“ gewesen. Die B habe kein Interesse an einer Beschränkung ihrer Gläubigerrechte, die über den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung hinausging, gehabt. Der T sei es nur darum gegangen, die von dem weiteren Darlehensgeber geforderte „Eigenkapitalquote“ zu schaffen. Jedenfalls aus dem Wortlaut der Vereinbarung ergebe sich daher zugunsten der Schuldnerin nichts.
Anderes folge auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 417 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Danach solle ein Schuldbeitritt ins Leere gehen, wenn die Schuld, die mit übernommen werden soll, nicht bestehe. Dies sei hier aber nicht der Fall. Schlüge die Nachrangabrede auf die Schuldnerin durch, wäre der Schuldbeitritt als Sicherungsinstrument wertlos.
Das Indiz der erkannten Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz könne darüber hinaus vorliegen. Die Schuldnerin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die Forderung aus dem Schuldbeitritt nicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO fällig gewesen sei. Ob der Schuldner seine (objektiv gegebene) Zahlungsunfähigkeit erkannt habe, hängt in erster Linie davon ab, ob er die Tatsachen gekannt habe, welche die Zahlungsunfähigkeit begründeten, und ob die gesamten Umstände zwingend auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinwiesen. Ein Irrtum hierüber sei belanglos, wenn der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit zwingend naheliege, was der Fall sei, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst sei, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen könne, der Schuldner sei zahlungsunfähig. Angesichts der vorstehenden Ausführungen habe sich die Schuldnerin vorliegend der Erkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht verschließen dürfen.
Dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit habe schließlich die nur vorläufige Vollstreckbarkeit des Titels nicht entgegengestanden. Die Wirkungen eines solchen Titels seien allerdings in der juristischen Literatur umstritten, wenn die Forderung trotz der Titulierung zwischen Gläubiger und Schuldner streitig geblieben sei. Zum Teil werde die Auffassung vertreten, es komme auch hier lediglich auf den materiellen Bestand der Forderung an. Andere Stimmen wollten die Forderung stets vollständig berücksichtigen, weil der Schuldner es sonst in der Hand habe, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit durch Bestreiten zu beeinflussen. Wieder andere wollten nur solche Titel berücksichtigen, die auf einer gerichtlichen Sachprüfung beruhten, was zum Beispiel für einen Vollstreckungsbescheid nicht zutrifft. Schließlich werde vertreten, die Forderung sei nur mit einem Teil des Nennwerts zu berücksichtigen.
Der BGH meint, es komme im Ausgangspunkt auf die objektive Rechtslage an. Die Zahlungsunfähigkeit sei ein objektiver Zustand, sie setze voraus, dass die berücksichtigten Forderungen bestünden und fällig seien. Fehle es hieran, ändere auch ein vorläufig vollstreckbarer Titel nichts. Allerdings könne er auf die Nachweispflicht Auswirkungen haben.
Nach ständiger Rechtsprechung werde eine Zahlungspflicht im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO allein schon dadurch nachgewiesen, dass für eine Geldforderung ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorgelegt werde.
Folglich seien Einwendungen des Schuldners gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit nicht zu berücksichtigen, solange der Titel vollstreckbar sei. Solche seien in dem jeweils vorgesehen Verfahren, also dem Vollstreckungsrecht der jeweiligen Prozessordnung oder in der Berufung, zu prüfen, nicht bei § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO.
Ob Einwendungen gegen den vollstreckbaren Titel ausnahmsweise nicht im dafür vorgesehenen Verfahren verfolgt werden müssten, wenn die Tatsachen, die dem Titel entgegenstünden, unstreitig oder offensichtlich seien, habe der BGH zuletzt offengelassen. In einer früheren Entscheidung sei er davon ausgegangen, dass in offensichtlichen Fällen das Insolvenzgericht die Prüfung selbst nachholen könne.
Zu berücksichtigen sei allerdings, dass auch der Titelgläubiger die titulierte Forderung für zweifelhaft halten und aus diesem Grund von einer Vollstreckung aus dem noch nicht rechtskräftigen Vollstreckungstitel absehen könne. Deshalb sei der Schuldner erst dann gehalten, die Forderung in Höhe ihres Nennwerts bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen für eine Vollstre-ckung aus dem Titel vorlägen und der Titelgläubiger die Vollstreckung eingeleitet oder den Titel Im Insolvenzeröffnungsverfahren vorgelegt habe.
Hierfür spreche das Ziel der Insolvenzordnung, durch eine frühzeitige Verfahrenser-öffnung eine geordnete und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen und im Interesse des Rechtsverkehrs eine fortgesetzte Teilnahme von Schuldnern mit erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten am Rechts- und Geschäftsverkehr zu ver-hindern. Bleibe der Schuldner untätig oder seien zum Beispiel Vollstreckungsschutz-anträge etwa mangels liquider (Sicherungs-)Mittel erfolglos, sei es nicht gerechtfer-tigt, die vorläufig vollstreckbar titulierte Forderung im Rahmen der Zahlungsunfähig-keitsprüfung unberücksichtigt zu lassen und dem Schuldner auf diesem Weg die Möglichkeit einzuräumen, das Insolvenzverfahren weiter hinauszuschieben.
Dass der Schuldner gehalten sei, die titulierte Forderung bei der Beurteilung der Zah-lungsunfähigkeit zu berücksichtigen, folge aus der Beweiswirkung des Titels. Der vor-läufig vollstreckbare Titel beweise den Bestand der Forderung sowohl für die Zwecke des Eröffnungsverfahrens als auch für die (vorgelagerte) Beurteilung der Zahlungs-unfähigkeit durch den Schuldner. Deshalb sei die Forderung im Liquiditätsstatus in voller Höhe - und nicht nur den durch die Vollstreckung erwartbaren Abfluss liquider Mittel oder sonstiger Anteile - zu passivieren.
Lägen nicht nur die Voraussetzungen für eine Vollstreckung aus dem Titel vor, son-dern leite der Titelgläubiger die Vollstreckung ein, trete zur Beweiswirkung des Titels hinzu, dass der Schuldner zur Abwendung der Vollstreckung liquide Mittel benötige. Daher erscheine eine nur anteilige Berücksichtigung der streitigen Forderung nicht (mehr) gerechtfertigt.
Die Beweiswirkung des vorläufig vollstreckbaren Titels wirke auch im Anfechtungsprozess fort und müsse vom Anfechtungsgegner entkräftet werden. Hierzu müsse der Anfechtungsgegner den Bestand der titulierten Forderung widerlegen.
Vgl. auch die Besprechung zu BGH, Beschluss vom 21.11.2024 – IX ZB 38/24, auf unserer Website. Dort geht es um die Frage, ob ein rechtskräftiger Titel bei der Ermittlung eines Insolvenzgrunds (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) ausnahmslos Berücksichtigung findet.
Vorbemerkung
Erstinstanzliche Entscheidungen können durch denjenigen, der durch sie beschwert ist, im Allgemeinen mindestens einer weiteren Überprüfung in der nächsthöheren Instanz zugeführt werden. Dies erfordert regelmäßig eine nicht unerhebliche Zeitspanne, sodass die sehr häufig mögliche Vollstreckung aus der erstinstanzlichen Entscheidung bis zur Entscheidung der zweiten oder gar dritten Instanz schon vollendete Tatsachen schaffen kann. Dies zu verhindern, gibt es in allen Prozessordnungen die Möglichkeit einer einstweiligen Aussetzung der Vollziehung in unterschiedlicher rechtlicher Gestalt durch entsprechende Anordnungen.
Das gilt auch für Beschlüsse des Insolvenzgerichts, soweit sie mit der (sofortigen) Beschwerde angreifbar sind (dazu § 6 der Insolvenzordnung – InsO -). Insbesondere ist hier der Beschluss über die Insolvenzeröffnung in seinen Wirkungen kaum mehr rückgängig zu machen, auch wenn der Eröffnungsbeschluss vom Landgericht (LG) als Beschwerdegericht später aufgehoben werden sollte. Nach § 4 InsO sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechend anwendbar, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt. Auf diesem Wege gelten für das insolvenzrechtliche Verfahren auch die Vorschriften der ZPO über die (sofortige) Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO entsprechend.
Nach § 570 Abs. 3 ZPO kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung über die Beschwerde eine einstweilige Anordnung erlassen, insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen. Das gilt gemäß § 575 Abs. 5 ZPO i. V. m. § 570 Abs. 3 ZPO auch im Fall der Rechtsbeschwerde, die insbesondere dann zulässig ist, wenn das Beschwerdegericht sie zulässt.
Die Aussetzung der Vollziehung einer erstinstanzlichen Entscheidung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, kommt im Rechtsbeschwerdeverfahren nach der Rechtsprechung dann in Betracht, wenn durch die weitere Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als den anderen Beteiligten im Falle der Aufschiebung der vom Insolvenzgericht beschlossenen Maßnahme, die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist und die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es in diesem Verfahrensstadium nicht, das Gesetz begnügt sich hier mit einer Wahrscheinlichkeitsentscheidung.
Vorliegend geht es um einen Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem dieses das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet hatte. Die Beschwerde des Schuldners zum LG blieb ohne Erfolg, das LG hatte aber die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, die der Schuldner auch eingelegt hatte. Parallel dazu beantragte er die Aussetzung der Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses.
Der zu entscheidende Fall
Die Darstellung des Sachverhalts beruht auf der Beschwerdeentscheidung des LG Karlsruhe (Beschluss vom 14.10.2024 - 20 T 23/24), da der BGH seiner Entscheidung keinen Sachverhalt vorangestellt hat.
Zwei (Insolvenz)Gläubiger hatten einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt. Zur Glaubhaftmachung des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit (§§ 14, 17 InsO) stützten sie sich auf Titel, die sie aufgrund testamentarischer Erbfolge von der Erblasserin erworben hatten, hierunter ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. Der Schuldner verweigerte die Bedienung der von den Gläubigern vorgelegten Titel mit der Begründung, die Gläubiger seien nicht Erben geworden, da das zu ihren Gunsten errichtete Testament unwirksam sei.
Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nach Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hob das LG den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurück.
Der Schuldner erhob gegen die beiden Gläubiger „Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO“ und „Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO“ zum LG Karlsruhe unter anderem mit den Anträgen festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus den von den Gläubigern aufgeführten Titeln unzulässig sei. Zur Begründung führte er (auch hier) aus, die Erbeinsetzung der beiden Gläubiger sei unwirksam. Das LG Karlsruhe stellte die Zwangsvollstreckung aus den genannten Titeln auf weiteren Antrag des Schuldners einstweilen ein.
Späterhin eröffnete das Insolvenzgericht, dessen erster Eröffnungsbeschluss aufgehoben worden war, (erneut) das Insolvenzverfahren. Die gegen diesen Beschluss vom Schuldner eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG Karlsruhe als unbegründet zurück. Der Schuldner verfolgte die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses mit der Rechtsbeschwerde weiter und beantragte im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung der Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde. Der vorliegend zur Entscheidung allein anstehende Antrag auf einstweilige Anordnung hatte vor dem BGH Erfolg.
Die Begründung des BGH
Die Begründung des BGH ist recht knapp. Er erachtet den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 4 InsO, §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 2 ZPO als zulässig.
Auch in der Sache selbst sei die Rechtslage hinsichtlich der die Entscheidung des Beschwerdegerichts tragenden Gründe in einem entscheidenden Punkt zumindest zweifelhaft. Das Beschwerdegericht habe angenommen, dass die Gläubiger ihre Forderung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO glaubhaft gemacht und darüber hinaus auch nachgewiesen hätten, weil diese durch das Urteil des OLG Karlsruhe rechtskräftig tituliert worden sei, obwohl der Schuldner unstreitig eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil erreicht habe. Entscheidend sei, so das LG, dass es im Streitfall im Ergebnis weder über § 767 ZPO noch über § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) – Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung - möglich sei, die Rechtskraft der Entscheidung des OLG Karlsruhe zu durchbrechen, weil keine gegenüber dem Ursprungsprozess neuen Einwendungen erhoben worden seien.
Ob diese Argumentation die Beschwerdeentscheidung trage, sei höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Insbesondere sei zweifelhaft, ob der Gläubiger – wie das Beschwerdegericht angenommen habe – auch in einem solchen Fall (einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus dem Titel, der zur Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit dienen soll) seiner Darlegungslast durch die Vorlage des rechtskräftigen Titels genüge oder ob vom Gläubiger im Hinblick auf die erfolgte Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel nunmehr die Glaubhaftmachung oder gegebenenfalls sogar der Beweis seiner Forderung zu verlangen sei, er also so behandelt werden müsste, als hätte er keinen Titel für seine Forderung vorlegen können. Diese offene Rechtsfrage lässt der BGH ausreichen und trifft zudem folgende Abwägung der den Parteien drohenden Nachteile:
Dem Schuldner drohten durch die Vollziehung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses voraussichtlich größere Nachteile als den Gläubigern durch die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine nähere Begründung für dieses allerdings plausible Ergebnis liefert der BGH nicht.
Vgl. auch die Besprechung zu BGH, Urteil vom 23.01.2025 – IX ZR 229/22, auf unserer Website. Dort geht es um die Frage, ob ein vorläufig vollstreckbarer Titel bei der Ermittlung des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit Berücksichtigung findet.
Download: Insolvenz der Fluggesellschaft: Beförderungsanspruch ist nur ausnahmsweise eine Masseverbindlichkeit
Allgemeines
Moderne Gesetze sind im Allgemeinen abstrakt generell gefasst, sie versuchen nicht jeden denkbaren Einzelfall in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen zu beschreiben, weil die Lebenswirklichkeit zu vielgestaltig ist, um sie in ein Gesetz zu fassen. Es ist deshalb Sache des Gesetzesanwenders, zum Beispiel des Richters oder des Rechtsanwalts, den jeweils zu beurteilenden Sachverhalt unter die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelungen zu subsumieren. Hierzu haben sich Auslegungsregeln entwickelt, die die Subsumtion erleichtern können.
Vielfach ist ein Fall ausdrücklich geregelt, ein anderer möglicherweise vergleichbarer aber nicht. Der Gesetzesanwender steht dann vor der Frage, ob er das Gesetz auch auf seinen Fall analog anwenden kann oder ob sich dies verbietet.
Eine Analogie setzt zunächst eine Regelungslücke im Gesetz voraus. Erforderlich ist ferner, dass die Interessenlage des gesetzlich geregelten Falls mit der des zu entscheidenden Falls übereinstimmt. Zusätzlich müssen auch die Wertungsgrundlage und die gesetzgeberische Interessenbewertung der Gesetzesnorm auf den zu entscheidenden Fall zutreffen.
Schließlich darf die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen sein. Es muss sich mithin um eine unbewusste Gesetzeslücke handeln. Hat der Gesetzgeber einen Fall dagegen bewusst von der Regelung ausgeschlossen, verbietet sich die Analogie.
Vorliegend geht es um einen Fall der Insolvenzanfechtung, bei dem unter anderem maßgeblich die erbrechtliche Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des für Miterben einschlägigen § 2041 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf einen Alleinerben in Rede stand.
Der Rechtsstreit ist prozessual etwas ungewöhnlich eingebunden. Im Allgemeinen befindet sich in einem Anfechtungsrechtsstreit der Insolvenzverwalter in der Rolle des Klägers, der Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Vorliegend hatte der Insolvenzverwalter die Klägerin zwar außergerichtlich in Anspruch genommen, aber nicht verklagt. Diese möchte nun als Klägerin festgestellt wissen, dass der Verwalter nicht zur Anfechtung gegenüber ihren Gläubigern berechtigt ist. Darüber hinaus verlangt sie die Feststellung, nicht zur Herausgabe eines Kaufpreises für ein Grundstück an den Insolvenzverwalter verpflichtet zu sein.
Der zu entscheidende Fall
Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des 2016 verstorbenen Erblassers. Die Klägerin, die Alleinerbin des Erblassers, macht geltend, dass der Erlös aus dem Verkauf einer zum Nachlass gehörenden Immobilie nicht Bestandteil der Insolvenzmasse geworden sei und Verfügungen der Klägerin über diesen Erlös nicht der Insolvenzanfechtung durch den Beklagten unterlägen.
Der Erblasser war verheiratet und hatte einen Sohn und eine Tochter, die Klägerin. Alleinerbin ist aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern die Tochter. In einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete sie sich, an ihren Bruder einen Betrag von 90.000 € zur Abgeltung von etwaigen erbrechtlichen Ansprüchen am dereinstigen Nachlass der Mutter zu bezahlen.
2019 veräußerte die Alleinerbin eine zum Nachlass gehörende Immobilie für 480.000 €. Vom Kaufpreis wurde ein Teilbetrag in Höhe von 90.000 € unmittelbar an den Bruder ausgezahlt. Ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 132.320,99 € wurde zur Ablösung einer auf der Immobilie lastenden Grundschuld verwendet. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 257.679,01 € wurde auf ein Anderkonto der Rechtsanwälte O. ausgezahlt, die zuvor sowohl für den Erblasser als auch für die Alleinerbin in diversen Rechtsstreitigkeiten tätig waren. Ein eigenes Konto besaß die in Vermögensverfall geratene Alleinerbin nicht. Das Geld wurde in der Folgezeit bis 2021 unter anderem zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten und von eigenen Verbindlichkeiten von der Alleinerbin vollständig verbraucht. Außerdem veranlasste die Alleinerbin fünf Zahlungen von dem Anderkonto an verschiedene Gläubiger des Klägers in Höhe von insgesamt 8.700,46 € und weitere sechs Barzahlungen in Höhe von insgesamt 6.000 € an den Kläger selbst.
Die Alleinerbin einigte sich 2020 mit ihrer Mutter, der Witwe des Erblassers, in einem gerichtlichen Vergleich auf die Zahlung von Zugewinnausgleich und beantragte sodann im November 2020 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass forderte der Beklagte die Klägerin auf, den auf dem Anderkonto der Rechtsanwälte O. eingegangenen Veräußerungserlös in Höhe von 257.679,01 € auf das von ihm eingerichtete Insolvenzanderkonto zu überweisen. Außerdem forderte er verschiedene Gläubiger der Klägerin auf, von dem Anderkonto auf Veranlassung der Klägerin erhaltene Beträge zum Nachlass zurückzuzahlen. Im Januar 2023 wurden Forderungen zur Insolvenztabelle in Höhe von 219.284,08 € festgestellt, darunter die Zugewinnausgleichsansprüche der Mutter der Alleinerbin über rund 210.000 €.
Die Klägerin meint, der Erlös aus dem noch vor Insolvenzeröffnung vorgenommenen Verkauf der Immobilie sei Teil ihres Eigenvermögens geworden, über das sie frei habe verfügen können. Sie begehrt die Feststellung, dass der Veräußerungserlös nicht Bestandteil des Nachlasses geworden sei und ihre Verfügungen über den Erlös damit auch nicht der Insolvenzanfechtung unterlägen.
Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg, mit ihrer Revision konnte die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen.
Die Begründung des BGH
Der BGH erläutert, dass sich der Umfang der Insolvenzmasse auch im Nachlassinsolvenzverfahren nach der allgemeinen Vorschrift des § 35 der Insolvenzordnung (InsO) richtet. [§ 35 InsO lautet: „Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse)“.] Die Vorschrift baue im Nachlassinsolvenzverfahren auf den vorrangig zu berücksichtigenden Regeln des allgemeinen Vermögensrechts sowie des Erbrechts in einem engeren Sinne auf. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der Nachlassinsolvenzmasse sei der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung und nicht der des Erbfalls. Mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens werde das Eigenvermögen des Erben und der Nachlass getrennt.
Der Nachlass sei keine statische, abgeschlossene Vermögensmasse. Zur Nachlassinsolvenzmasse gehörten daher alle Gegenstände, Rechte und Rechtspositionen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass noch unterscheidbar vom Eigenvermögen des vorhanden seien. Da rechtsgeschäftliche Verfügungen des Erben über Gegenstände der Insolvenzmasse, etwa ein Grundstück, auch in der Nachlassinsolvenz wirksam blieben, gehöre nicht zur Insolvenzmasse, was ihr der Erbe zwischenzeitlich durch Verfügung entzogen habe. Das stehe nicht im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, wonach die Wirkungen der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens so weit wie möglich auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen werden sollten. Damit sei jedoch nicht gemeint, dass im Sinne einer Fiktion das Insolvenzverfahren so abzuwickeln sei, als sei bereits im Zeitpunkt des Erbfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Die Immobilie, die die Klägerin im Zeitraum zwischen dem Erbfall und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert habe, sei daher nicht mehr Gegenstand der Insolvenzmasse. Der Kaufpreis habe folglich ursprünglich nicht zum Nachlass gehört.
Dennoch gehöre der auf das Anderkonto der Rechtsanwälte O. eingezahlte Veräußerungserlös vorliegend im Ergebnis zum Nachlass und sei damit Teil der Insolvenzmasse geworden [vorliegend handelt es sich allerdings eher um einen Ausnahmefall]. Dieses Ergebnis könne entgegen der Berufungsentscheidung allerdings nicht auf eine Analogie zu § 2041 BGB gestützt werden.
Gemäß § 2041 Satz 1 BGB gehöre zum Nachlass, was auf Grund eines zum Nachlass gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft, das sich auf den Nachlass beziehe, erworben werde. Bei der unter diese Norm fallenden Veräußerung eines Nachlassgegenstands trete der durch die Veräußerung erlangte Ersatzgegenstand, in der Regel der Kaufpreis, ohne weiteres an die Stelle des veräußerten Nachlassgegenstands, ohne dass es auf den subjektiven Willen des Erben ankomme, für den Nachlass zu handeln. Die erbrechtlichen Fälle dieser sogenannten dinglichen Surrogation hätten den Zweck, die realen Werte eines bestimmten Sondervermögens (hier des Nachlasses) zu binden und im Interesse bestimmter begünstigter Personen (bei § 2041 BGB der Erben) und der Nachlassgläubiger über alle Wechsel der zu ihm gehörenden konkreten Bestandteile hinweg zusammen zu halten und für den Zweck des Sondervermögens zu reservieren. Aufgrund seiner Stellung im BGB gelte § 2041 BGB allerdings nur für die Erbengemeinschaft, im Fall des Alleinerben sei eine dingliche Surrogation gesetzlich nicht vorgesehen.
Eine analoge Anwendung auf Verfügungen eines Alleinerben sei nicht zulässig. Bei § 2041 BGB handele es sich um eine Sondervorschrift. Die dingliche Surrogation sei kein allgemeines Prinzip des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sie stelle den Schutz des von ihr begünstigten Vermögens (Nachlass) über den sachenrechtlichen Publizitätsgrundsatz und sei schon deswegen nur für bestimmte Einzelfälle vorgesehen.
Der Grundsatz der dinglichen Surrogation sei dort anerkannt, wo es einer Sonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben oder des Erbschaftsbesitzers bedürfe. Die in der Rechtsprechung anerkannte analoge Anwendung des § 2041 BGB für den Fall, dass nur ein Erbe vorhanden sei und eine Testamentsvollstreckung bestehe, beruhe darauf, dass der Nachlass aufgrund der Anordnung der Testamentsvollstreckung ein vom Eigenvermögen des Erben getrenntes Sondervermögen bilde.
An einem Sondervermögen fehle es aber im Regelfall beim Alleinerben. Im Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft vermischten sich bei ihm das Eigenvermögen und der Nachlass. Nutzungen aus Nachlassgegenständen oder Erlöse aus Veräußerungen von Nachlassgegenständen flössen in das ungeteilte Vermögen des Erben. Vom Erben geleistete Zahlungen könnten aus dem Eigenvermögen stammen oder aus Nachlassmitteln. Getrennte Vermögensmassen wie im Fall der Erbengemeinschaft oder der Testamentsvollstreckung gebe es beim Alleinerben nicht. Die für die Zwecke des Nachlassinsolvenzverfahrens erforderliche Trennung der Vermögensmassen trete erst später mit der Insolvenzeröffnung ein, soweit dies noch dinglich möglich sei.
Schließlich fehle es in Anbetracht der Möglichkeit zur schuldrechtlichen Inanspruchnahme des Erben nach § 1978 BGB auch an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Danach sei der Erbe den Nachlassgläubigern für die bisherige Verwaltung so verantwortlich, wie wenn er von der Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen gehabt hätte. Zweck dieser Vorschrift sei es, den Nachlass den Nachlassgläubigern möglichst ungeschmälert zur Verfügung stehen zu lassen. Der Erbe habe daher alles, was er durch die Verwaltung des Nachlasses erlangt habe, dem Insolvenzverwalter herauszugeben.
Die Zugehörigkeit des Veräußerungserlöses zum Nachlass ergebe sich beim Alleinerben entgegen vereinzelten Stimmen in der juristischen Literatur auch nicht aus einer möglichst weiten Definition des Begriffs des Nachlasses.
Die weitere Frage, ob der Erbe kraft seines – gegebenenfalls für den Vertragspartner nicht erkennbaren – Willens rechtsgeschäftlich Gegenstände mit dinglicher Wirkung für den Nachlass erwerben könne, hatte der BGH zuletzt in einem Urteil aus dem Jahr 1989 offengelassen. Nunmehr entscheidet er diese Frage dahingehend, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Erlös dem Nachlass zuzurechnen sei, was er wie folgt begründet.
Ob ein vom Erben erworbener Gegenstand zum Nachlass gehören könne, wenn der Erbe beim Erwerbsakt in dem Willen handele, dass der fragliche Gegenstand dem Nachlass zufallen solle, sei in der juristischen Literatur umstritten.
Der BGH lässt auch hier offen, ob die Zugehörigkeit eines durch den Verkauf von Nachlassgegenständen erzielten Veräußerungserlöses zum Nachlass allein vom – gegebenenfalls dem Vertragspartner offengelegten - Willen des Alleinerben abhängen könne. Jedenfalls wenn der Erbe den Erlös aus der Veräußerung eines Nachlassgegenstands so strikt von seinem Eigenvermögen trenne, dass dieser damit einem Sondervermögen gleichstehe, und das Rechtsgeschäft nach den objektiven Umständen erkennbar der Verwaltung des Nachlasses diene, folge daraus eine fortbestehende Zuordnung des Veräußerungserlöses zum Nachlass.
Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Klägerin sei vermögenslos gewesen. Die Veräußerung der Immobilie sei zudem – zumindest auch – zur Verwaltung des Nachlasses erfolgt, da von dem vereinbarten Kaufpreis ein Teil zur Ablösung der Grundschuld und ein weiterer Teil zur Abgeltung von erbrechtlichen Ansprüchen des Bruders der Klägerin verwendet worden sei. Von dem auf dem Anderkonto eingegangenen Restbetrag habe die Klägerin auch noch offene Honorarforderungen der Rechtsanwälte O. gegen den Erblasser beglichen. Anderweitige Einzahlungen auf das Anderkonto seien nicht erfolgt, was insgesamt den Schluss rechtfertige, der Erlös stehe einem Sondervermögen gleich. Im Ergebnis war damit die Klage insoweit unbegründet.
Den Antrag auf Feststellung, dass Verfügungen der Klägerin über den Erlös aus dem Verkauf der Immobilie nicht der Insolvenzanfechtung unterlägen, behandelt der BGH mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses bereits als unzulässig. Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters richteten sich gegen den Empfänger einer anfechtbaren Leistung. Entscheidungen über die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung wirkten allein im Verhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem jeweiligen Anfechtungsgegner. Der Erbe eines Nachlasses, über den das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet sei, sei an einem solchen Anfechtungsrechtstreit nicht beteiligt.
Vgl. auch das zum selben Insolvenzverfahren wie die vorliegende Entscheidung ergangene Urteil des BGH vom 19.12.2024 – IX ZR 120/23. Auch diese Entscheidung ist auf unserer Website kommentiert.
Download: Insolvenz der Fluggesellschaft: Beförderungsanspruch ist nur Insolvenzforderung
Auf unserer Website ist bereits ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den Rechten des Fluggastes in der Insolvenz der Fluggesellschaft besprochen worden (BGH, Urteil vom 11.07.2024 – IX ZR 247/22). Während es dort um Ausgleichszahlungen von 250 € pro Person zuzüglich Zinsen und darüber hinaus Erstattung der für eine Ersatzbeförderung aufgewendeten Kosten in Höhe von 602,48 € nebst Zinsen im Rang von Masseverbindlichkeiten ging, die der Kläger dort erfolglos begehrte, verlangt der Kläger vorliegend nach zweifacher Umbuchung seiner Flüge Ersatz für Rückflugkosten nach Annullierung des Rückflugs durch die beklagte Fluggesellschaft im nämlichen insolvenzrechtlichen Rang.
Siehe auch das ebenfalls auf unserer Website besprochene Urteil des BGH vom 16.01.2025 – IX ZR 236/23, bei dem die Kosten der Ersatzbeförderung ausnahmsweise Masseverbindlichkeiten begründeten.
Insolvenzrechtliche Ausgangslage
Welche Befriedigungschancen eine Forderung in der Insolvenz des Schuldners hat, hängt entscheidend von ihrem insolvenzrechtlichen Rang ab. Neben den hier nicht interessierenden Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen sind dies Insolvenzforderungen nach § 38 der Insolvenzordnung (InsO) und sogenannte Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die im eröffneten Insolvenzverfahren nur vom Insolvenzverwalter begründet werden können. Das Privileg der Masseverbindlichkeiten rechtfertigt sich, jedenfalls für vertragliche Ansprüche aus der Überlegung, dass derjenige, der sich auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlässt, darauf vertrauen können muss, dass er seine Gegenleistung aus der Insolvenzmasse vollständig erhält.
Insolvenzforderungen sind dagegen Forderungen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet waren.
Während die Masseverbindlichkeiten abgesehen von Fällen der Masseunzulänglichkeit volle Befriedigung erwarten dürfen, erhalten die Insolvenzgläubiger nur die Insolvenzquote, die häufig sehr niedrig ist, wie gerade auch der vorliegende Fall zeigt, in dem lediglich eine Quote von 0,1 % auf die Insolvenzforderungen gezahlt wurde. Nicht selten wird gar keine Quote gezahlt.
Im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung wird kein Insolvenzverwalter bestellt, diese Aufgabe übernimmt der Schuldner oder im Fall einer juristischen Person, etwa einer GmbH, ihr Geschäftsführer. Masseverbindlichkeiten begründet folglich hier der sich selbst verwaltende Schuldner.
Anders als Insolvenzforderungen können Masseverbindlichkeiten nicht durch ein Insolvenzplanverfahren geregelt werden, sie sind vielmehr unabhängig vom Inhalt des Insolvenzplans vollständig zu befriedigen.
Der zu entscheidende Fall
Am 16.08.2018 buchte der Kläger bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen für sich und seine Ehefrau Flüge von Frankfurt a. M. nach Windhuk in Namibia und von dort zurück nach Frankfurt a. M. im August 2019 zu einem Gesamtpreis von 1.799,96 EUR, den er vollständig bezahlte.
Am 01.12.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte setzte den Flugbetrieb fort.
Der Kläger nahm wohl, das geht aus dem Urteil des BGH nicht ganz eindeutig hervor, eine erste Umbuchung der Flugreise vor. Am 04.03.2020 buchte der Kläger unter derselben Buchungsnummer erneut um auf Flüge von Frankfurt a. M. nach Varadero in Kuba am 06.03.2020 und von dort zurück nach Frankfurt a. M. am 24.03.2020 für 2.057,40 EUR inklusive einer Umbuchungsgebühr von 280 EUR und zahlte den Differenzbetrag. Der Hinflug erfolgte plangemäß. Am 20.03.2020 annullierte die Beklagte den Rückflug pandemiebedingt. Sie wies auf die Luftbrücke des Auswärtigen Amts hin und kümmerte sich selbst nicht um eine Ersatzbeförderung. Der Kläger buchte daraufhin am 20.03.2020 Rückflüge mit der Fluggesellschaft Air Canada mit einem Umsteigeaufenthalt in Montreal zu einem Preis von 4.067,72 EUR. Darüber hinaus zahlte er 158,70 EUR für die erforderlichen kanadischen Visa.
Der Kläger meldete seine Forderungen nicht zur Insolvenztabelle an. Das Insolvenzverfahren wurde zum 30.11.2020 aufgehoben. Nach dem Insolvenzplan erhalten Insolvenzgläubiger eine Basisquote in Höhe von 0,1 %.
Der Kläger verlangte Erstattung der für die Ersatzbeförderung aufgewendeten Kosten und erhob weitere Nebenforderungen.
Das Amtsgericht Frankfurt a. M. gab der Klage nur in Höhe der Insolvenzquote statt. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Landgericht Frankfurt a. M. die Beklagte antragsgemäß. Die Revision der Beklagten führte zur Abweisung der über die Quote hinausgehenden Klageforderung.
Die Begründung des BGH
Grundlage des klägerischen Begehrens auf Erstattung der Kosten des Rückflugs von Varadero nach Frankfurt a. M. mit der Fluggesellschaft Air Canada sei Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Art 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (kurz: Fluggastrechte-VO, vgl. hierzu umfassender unsere Besprechung der oben erwähnten Entscheidung des BGH vom 11.07.2024, dort ist auch näher begründet, weshalb der Fall im Übrigen nach deutschem nationalen Insolvenzrecht zu lösen ist).
Der BGH sieht in den geltend gemachten Ansprüchen nur Insolvenzforderungen nach § 38 der Insolvenzordnung (InsO). Sie könnten gemäß §§ 254, § 254b InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur nach Maßgabe des Insolvenzplans, also in Höhe der Insolvenzquote zuerkannt werden.
Zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermögensansprüche seien nach § 38 InsO Insolvenzforderungen, die nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle, verfolgt werden könnten, wie sich aus § 87 InsO ergebe. Dies gelte auch für Beförderungsansprüche. Daraus abgeleitete Sekundäransprüche, die aus der Nichterfüllung insolvenzbedingt nicht durchsetzbarer Ansprüche folgten, begründeten keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO.
Die Beförderungsansprüche des Klägers aus seiner Buchung im August 2018 seien folglich zunächst nur Insolvenzforderungen gewesen. Die Fortsetzung des Flugbetriebs habe diese Insolvenzforderungen, wie der BGH schon mehrfach entschieden hatte, nicht zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet. Gleiches gelte für die Durchführung des Hinflugs. Die allein auf eine teilweise Erfüllung gestützte Erwartung, der Insolvenzverwalter werde auch die restliche Insolvenzforderung vollständig befriedigen (hier also den Rückflug durchführen), genüge dafür ebenfalls nicht.
Die Beförderungsansprüche seien auch nicht infolge der Umbuchungen nachträglich zu Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO geworden.
Zwar könne eine Insolvenzforderung durch Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgläubiger zu einer Masseverbindlichkeit werden, sie erfordere indessen angesichts ihrer einschneidenden Wirkungen, dass die Anforderungen an eine Schuldumschaffung (sogenannte Novation) erfüllt seien, was nicht festgestellt werden könne.
Eine Novation setze voraus, dass das alte Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt und damit zugleich das alte Schuldverhältnis aufgehoben werden solle, so dass die Beteiligten nicht mehr darauf zurückgreifen könnten. Die nach Insolvenzeröffnung erfolgte Umbuchung genüge vorliegend diesen Voraussetzungen nicht. Es fehle insbesondere an dem Willen, das alte Schuldverhältnis aufzuheben, so dass die Parteien hierauf nicht zurückgreifen könnten.
Umbuchungen seien Änderungen hinsichtlich des Reisetermins, des Reiseziels, des Ortes des Reiseantritts, der Unterkunft oder der Beförderungsart. Sie änderten den bestehenden Vertrag lediglich ab, höben ihn aber weder auf noch ersetzen sie ihn durch einen neuen Vertrag, denn die übrigen Vertragsbestimmungen blieben hier unverändert. So führe eine Umbuchung, wenn der Fluggast das ursprünglich vereinbarte Entgelt bereits bezahlt habe, nicht dazu, dass nunmehr ein erneuter Anspruch auf Bezahlung des Entgelts entstehe.
Daran gemessen stellten selbst weitreichende Änderungen wie der Austausch des Flugziels oder eine erhebliche Verschiebung des Reisezeitraums wegen der unverändert fortbestehenden Anbindung an das ursprüngliche Vertragsverhältnis keine Novation dar. Eine etwa anfallende Umbuchungsgebühr sei nur ein vertraglich vereinbartes Entgelt für das Recht des Fluggasts, eine grundsätzlich verbindlich gebuchte Flugleistung durch eine andere ersetzen zu dürfen. Die Aufwertung einer Insolvenzforderung zu einer voll werthaltigen Masseverbindlichkeit habe der Kläger im Gegenzug für die im Verhältnis zum Flugpreis untergeordnete Umbuchungsgebühr nicht erwarten dürfen. Nichts anderes gelte für die Erteilung einer Buchungsbestätigung für den umgebuchten Flug.
Der Insolvenzplan gelte auch für während des Insolvenzverfahrens abgeänderte Insolvenzforderungen.
Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Kosten für die Rückbeförderung durch eine andere Fluggesellschaft, die Air Canada, könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagte den Kläger anlässlich der Umbuchung darüber hätte aufklären müssen, dass trotz der kostenpflichtigen Umbuchung der Anspruch auf die umgebuchte Beförderungsleistung nur nach Maßgabe der Bestimmungen über die Insolvenzforderungen durchsetzbar sei. Ob es eine solche Aufklärungspflicht überhaupt gebe, könne dahinstehen. Dass der Beförderungsanspruch Insolvenzforderung bleibe und der Kläger eine Umbuchungsgebühr bezahlte, reiche jedenfalls nicht aus, um eine Aufklärungspflicht zu begründen. Das Risiko, ob die Beklagte den Flug durchführe, sei unverändert geblieben.
Allgemeines
Moderne Gesetze sind im Allgemeinen abstrakt generell gefasst, sie versuchen nicht jeden denkbaren Einzelfall in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen zu beschreiben, weil die Lebenswirklichkeit zu vielgestaltig ist, um sie in ein Gesetz zu fassen. Es ist deshalb Sache des Gesetzesanwenders, zum Beispiel des Richters oder des Rechtsanwalts, den jeweils zu beurteilenden Sachverhalt unter die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelungen zu subsumieren. Hierzu haben sich Auslegungsregeln entwickelt, die die Subsumtion erleichtern können.
Vielfach ist ein Fall ausdrücklich geregelt, ein anderer möglicherweise vergleichbarer aber nicht. Der Gesetzesanwender steht dann vor der Frage, ob er das Gesetz auch auf seinen Fall analog anwenden kann oder ob sich dies verbietet.
Eine Analogie setzt zunächst eine Regelungslücke im Gesetz voraus. Erforderlich ist ferner, dass die Interessenlage des gesetzlich geregelten Falls mit der des zu entscheidenden Falls übereinstimmt. Zusätzlich müssen auch die Wertungsgrundlage und die gesetzgeberische Interessenbewertung der Gesetzesnorm auf den zu entscheidenden Fall zutreffen.
Schließlich darf die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen sein. Es muss sich mithin um eine unbewusste Gesetzeslücke handeln. Hat der Gesetzgeber einen Fall dagegen bewusst von der Regelung ausgeschlossen, verbietet sich die Analogie.
Vorliegend geht es um einen Fall der Insolvenzanfechtung, bei dem unter anderem maßgeblich die erbrechtliche Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des für Miterben einschlägigen § 2041 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf einen Alleinerben in Rede stand.
Der Rechtsstreit ist prozessual etwas ungewöhnlich eingebunden. Im Allgemeinen befindet sich in einem Anfechtungsrechtsstreit der Insolvenzverwalter in der Rolle des Klägers, der Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Vorliegend hatte der Insolvenzverwalter die Klägerin zwar außergerichtlich in Anspruch genommen, aber nicht verklagt. Diese möchte nun als Klägerin festgestellt wissen, dass der Verwalter nicht zur Anfechtung gegenüber ihren Gläubigern berechtigt ist. Darüber hinaus verlangt sie die Feststellung, nicht zur Herausgabe eines Kaufpreises für ein Grundstück an den Insolvenzverwalter verpflichtet zu sein.
Der zu entscheidende Fall
Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des 2016 verstorbenen Erblassers. Die Klägerin, die Alleinerbin des Erblassers, macht geltend, dass der Erlös aus dem Verkauf einer zum Nachlass gehörenden Immobilie nicht Bestandteil der Insolvenzmasse geworden sei und Verfügungen der Klägerin über diesen Erlös nicht der Insolvenzanfechtung durch den Beklagten unterlägen.
Der Erblasser war verheiratet und hatte einen Sohn und eine Tochter, die Klägerin. Alleinerbin ist aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern die Tochter. In einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete sie sich, an ihren Bruder einen Betrag von 90.000 € zur Abgeltung von etwaigen erbrechtlichen Ansprüchen am dereinstigen Nachlass der Mutter zu bezahlen.
2019 veräußerte die Alleinerbin eine zum Nachlass gehörende Immobilie für 480.000 €. Vom Kaufpreis wurde ein Teilbetrag in Höhe von 90.000 € unmittelbar an den Bruder ausgezahlt. Ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 132.320,99 € wurde zur Ablösung einer auf der Immobilie lastenden Grundschuld verwendet. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 257.679,01 € wurde auf ein Anderkonto der Rechtsanwälte O. ausgezahlt, die zuvor sowohl für den Erblasser als auch für die Alleinerbin in diversen Rechtsstreitigkeiten tätig waren. Ein eigenes Konto besaß die in Vermögensverfall geratene Alleinerbin nicht. Das Geld wurde in der Folgezeit bis 2021 unter anderem zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten und von eigenen Verbindlichkeiten von der Alleinerbin vollständig verbraucht. Außerdem veranlasste die Alleinerbin fünf Zahlungen von dem Anderkonto an verschiedene Gläubiger des Klägers in Höhe von insgesamt 8.700,46 € und weitere sechs Barzahlungen in Höhe von insgesamt 6.000 € an den Kläger selbst.
Die Alleinerbin einigte sich 2020 mit ihrer Mutter, der Witwe des Erblassers, in einem gerichtlichen Vergleich auf die Zahlung von Zugewinnausgleich und beantragte sodann im November 2020 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass forderte der Beklagte die Klägerin auf, den auf dem Anderkonto der Rechtsanwälte O. eingegangenen Veräußerungserlös in Höhe von 257.679,01 € auf das von ihm eingerichtete Insolvenzanderkonto zu überweisen. Außerdem forderte er verschiedene Gläubiger der Klägerin auf, von dem Anderkonto auf Veranlassung der Klägerin erhaltene Beträge zum Nachlass zurückzuzahlen. Im Januar 2023 wurden Forderungen zur Insolvenztabelle in Höhe von 219.284,08 € festgestellt, darunter die Zugewinnausgleichsansprüche der Mutter der Alleinerbin über rund 210.000 €.
Die Klägerin meint, der Erlös aus dem noch vor Insolvenzeröffnung vorgenommenen Verkauf der Immobilie sei Teil ihres Eigenvermögens geworden, über das sie frei habe verfügen können. Sie begehrt die Feststellung, dass der Veräußerungserlös nicht Bestandteil des Nachlasses geworden sei und ihre Verfügungen über den Erlös damit auch nicht der Insolvenzanfechtung unterlägen.
Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg, mit ihrer Revision konnte die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen.
Die Begründung des BGH
Der BGH erläutert, dass sich der Umfang der Insolvenzmasse auch im Nachlassinsolvenzverfahren nach der allgemeinen Vorschrift des § 35 der Insolvenzordnung (InsO) richtet. [§ 35 InsO lautet: „Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse)“.] Die Vorschrift baue im Nachlassinsolvenzverfahren auf den vorrangig zu berücksichtigenden Regeln des allgemeinen Vermögensrechts sowie des Erbrechts in einem engeren Sinne auf. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der Nachlassinsolvenzmasse sei der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung und nicht der des Erbfalls. Mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens werde das Eigenvermögen des Erben und der Nachlass getrennt.
Der Nachlass sei keine statische, abgeschlossene Vermögensmasse. Zur Nachlassinsolvenzmasse gehörten daher alle Gegenstände, Rechte und Rechtspositionen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass noch unterscheidbar vom Eigenvermögen des vorhanden seien. Da rechtsgeschäftliche Verfügungen des Erben über Gegenstände der Insolvenzmasse, etwa ein Grundstück, auch in der Nachlassinsolvenz wirksam blieben, gehöre nicht zur Insolvenzmasse, was ihr der Erbe zwischenzeitlich durch Verfügung entzogen habe. Das stehe nicht im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, wonach die Wirkungen der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens so weit wie möglich auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen werden sollten. Damit sei jedoch nicht gemeint, dass im Sinne einer Fiktion das Insolvenzverfahren so abzuwickeln sei, als sei bereits im Zeitpunkt des Erbfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Die Immobilie, die die Klägerin im Zeitraum zwischen dem Erbfall und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert habe, sei daher nicht mehr Gegenstand der Insolvenzmasse. Der Kaufpreis habe folglich ursprünglich nicht zum Nachlass gehört.
Dennoch gehöre der auf das Anderkonto der Rechtsanwälte O. eingezahlte Veräußerungserlös vorliegend im Ergebnis zum Nachlass und sei damit Teil der Insolvenzmasse geworden [vorliegend handelt es sich allerdings eher um einen Ausnahmefall]. Dieses Ergebnis könne entgegen der Berufungsentscheidung allerdings nicht auf eine Analogie zu § 2041 BGB gestützt werden.
Gemäß § 2041 Satz 1 BGB gehöre zum Nachlass, was auf Grund eines zum Nachlass gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft, das sich auf den Nachlass beziehe, erworben werde. Bei der unter diese Norm fallenden Veräußerung eines Nachlassgegenstands trete der durch die Veräußerung erlangte Ersatzgegenstand, in der Regel der Kaufpreis, ohne weiteres an die Stelle des veräußerten Nachlassgegenstands, ohne dass es auf den subjektiven Willen des Erben ankomme, für den Nachlass zu handeln. Die erbrechtlichen Fälle dieser sogenannten dinglichen Surrogation hätten den Zweck, die realen Werte eines bestimmten Sondervermögens (hier des Nachlasses) zu binden und im Interesse bestimmter begünstigter Personen (bei § 2041 BGB der Erben) und der Nachlassgläubiger über alle Wechsel der zu ihm gehörenden konkreten Bestandteile hinweg zusammen zu halten und für den Zweck des Sondervermögens zu reservieren. Aufgrund seiner Stellung im BGB gelte § 2041 BGB allerdings nur für die Erbengemeinschaft, im Fall des Alleinerben sei eine dingliche Surrogation gesetzlich nicht vorgesehen.
Eine analoge Anwendung auf Verfügungen eines Alleinerben sei nicht zulässig. Bei § 2041 BGB handele es sich um eine Sondervorschrift. Die dingliche Surrogation sei kein allgemeines Prinzip des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sie stelle den Schutz des von ihr begünstigten Vermögens (Nachlass) über den sachenrechtlichen Publizitätsgrundsatz und sei schon deswegen nur für bestimmte Einzelfälle vorgesehen.
Der Grundsatz der dinglichen Surrogation sei dort anerkannt, wo es einer Sonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben oder des Erbschaftsbesitzers bedürfe. Die in der Rechtsprechung anerkannte analoge Anwendung des § 2041 BGB für den Fall, dass nur ein Erbe vorhanden sei und eine Testamentsvollstreckung bestehe, beruhe darauf, dass der Nachlass aufgrund der Anordnung der Testamentsvollstreckung ein vom Eigenvermögen des Erben getrenntes Sondervermögen bilde.
An einem Sondervermögen fehle es aber im Regelfall beim Alleinerben. Im Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft vermischten sich bei ihm das Eigenvermögen und der Nachlass. Nutzungen aus Nachlassgegenständen oder Erlöse aus Veräußerungen von Nachlassgegenständen flössen in das ungeteilte Vermögen des Erben. Vom Erben geleistete Zahlungen könnten aus dem Eigenvermögen stammen oder aus Nachlassmitteln. Getrennte Vermögensmassen wie im Fall der Erbengemeinschaft oder der Testamentsvollstreckung gebe es beim Alleinerben nicht. Die für die Zwecke des Nachlassinsolvenzverfahrens erforderliche Trennung der Vermögensmassen trete erst später mit der Insolvenzeröffnung ein, soweit dies noch dinglich möglich sei.
Schließlich fehle es in Anbetracht der Möglichkeit zur schuldrechtlichen Inanspruchnahme des Erben nach § 1978 BGB auch an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Danach sei der Erbe den Nachlassgläubigern für die bisherige Verwaltung so verantwortlich, wie wenn er von der Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen gehabt hätte. Zweck dieser Vorschrift sei es, den Nachlass den Nachlassgläubigern möglichst ungeschmälert zur Verfügung stehen zu lassen. Der Erbe habe daher alles, was er durch die Verwaltung des Nachlasses erlangt habe, dem Insolvenzverwalter herauszugeben.
Die Zugehörigkeit des Veräußerungserlöses zum Nachlass ergebe sich beim Alleinerben entgegen vereinzelten Stimmen in der juristischen Literatur auch nicht aus einer möglichst weiten Definition des Begriffs des Nachlasses.
Die weitere Frage, ob der Erbe kraft seines – gegebenenfalls für den Vertragspartner nicht erkennbaren – Willens rechtsgeschäftlich Gegenstände mit dinglicher Wirkung für den Nachlass erwerben könne, hatte der BGH zuletzt in einem Urteil aus dem Jahr 1989 offengelassen. Nunmehr entscheidet er diese Frage dahingehend, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Erlös dem Nachlass zuzurechnen sei, was er wie folgt begründet.
Ob ein vom Erben erworbener Gegenstand zum Nachlass gehören könne, wenn der Erbe beim Erwerbsakt in dem Willen handele, dass der fragliche Gegenstand dem Nachlass zufallen solle, sei in der juristischen Literatur umstritten.
Der BGH lässt auch hier offen, ob die Zugehörigkeit eines durch den Verkauf von Nachlassgegenständen erzielten Veräußerungserlöses zum Nachlass allein vom – gegebenenfalls dem Vertragspartner offengelegten - Willen des Alleinerben abhängen könne. Jedenfalls wenn der Erbe den Erlös aus der Veräußerung eines Nachlassgegenstands so strikt von seinem Eigenvermögen trenne, dass dieser damit einem Sondervermögen gleichstehe, und das Rechtsgeschäft nach den objektiven Umständen erkennbar der Verwaltung des Nachlasses diene, folge daraus eine fortbestehende Zuordnung des Veräußerungserlöses zum Nachlass.
Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Klägerin sei vermögenslos gewesen. Die Veräußerung der Immobilie sei zudem – zumindest auch – zur Verwaltung des Nachlasses erfolgt, da von dem vereinbarten Kaufpreis ein Teil zur Ablösung der Grundschuld und ein weiterer Teil zur Abgeltung von erbrechtlichen Ansprüchen des Bruders der Klägerin verwendet worden sei. Von dem auf dem Anderkonto eingegangenen Restbetrag habe die Klägerin auch noch offene Honorarforderungen der Rechtsanwälte O. gegen den Erblasser beglichen. Anderweitige Einzahlungen auf das Anderkonto seien nicht erfolgt, was insgesamt den Schluss rechtfertige, der Erlös stehe einem Sondervermögen gleich. Im Ergebnis war damit die Klage insoweit unbegründet.
Den Antrag auf Feststellung, dass Verfügungen der Klägerin über den Erlös aus dem Verkauf der Immobilie nicht der Insolvenzanfechtung unterlägen, behandelt der BGH mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses bereits als unzulässig. Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters richteten sich gegen den Empfänger einer anfechtbaren Leistung. Entscheidungen über die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung wirkten allein im Verhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem jeweiligen Anfechtungsgegner. Der Erbe eines Nachlasses, über den das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet sei, sei an einem solchen Anfechtungsrechtstreit nicht beteiligt.
Vgl. auch das zum selben Insolvenzverfahren wie die vorliegende Entscheidung ergangene Urteil des BGH vom 19.12.2024 – IX ZR 120/23. Auch diese Entscheidung ist auf unserer Website kommentiert.
Allgemeines
Die Insolvenzanfechtung ist eines der Mittel – häufig das einzige -, das dem Insolvenzverwalter zur Anreicherung der Insolvenzmasse zur Verfügung steht. Sie setzt gemäß § 129 der Insolvenzordnung (InsO) stets voraus, dass die anzufechtende Rechtshandlung vor der Insolvenzverfahrenseröffnung vorgenommen wurde und die Gläubigergemeinschaft als solche benachteiligte. In der Regel reicht hierfür eine mittelbare Benachteiligung aus, für deren Feststellung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz abzustellen ist. Ohne Gerichtsverhandlung ist der Zeitpunkt einer außergerichtlichen Einigung maßgebend.
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt dann vor, wenn durch die angefochtene Handlung entweder die Schuldenmasse (die Insolvenzforderungen) vermehrt oder die Aktivmasse (das zugunsten der Gläubiger zu verwertende Vermögen des Schuldners) verkürzt und dadurch der Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert, gefährdet oder verzögert wird, mit anderen Worten: wenn die im Ergebnis des Insolvenzverfahrens an die Insolvenzgläubiger auszuschüttende Quote durch die Handlung sinkt. Erforderlich ist mithin, dass die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gewesen wären. Das ist indessen nicht der Fall, wenn die Insolvenzmasse auch ohne die Anfechtung ausreicht, um alle Ansprüche der Insolvenzgläubiger zu erfüllen, was allerdings nur in selten Ausnahmefällen vorkommt.
Grundsätzlich muss der Insolvenzverwalter die Gläubigerbenachteiligung im Rechtsstreit vortragen und beweisen. Nach der Lebenserfahrung spricht allerdings ein sogenannter Anscheinsbeweis dafür, dass in einem einmal eröffneten Insolvenzerfahren die Masse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen. Sind die Voraussetzungen dieses Anscheinsbeweises für eine weiterhin bestehende Gläubigerbenachteiligung erfüllt, kann der Anfechtungsgegner diesen erschüttern oder nach allgemeinen Beweisgrundsätzen entkräften. Gelingt ihm dies nicht, legt das Gericht das Bestehen der Gläubigerbenachteiligung seiner Entscheidung zugrunde. Liegen zusätzlich die Voraussetzungen eines der in den §§ 130 bis 137 InsO geregelten Anfechtungstatbestände vor, unterliegt die Rechtshandlung der Anfechtung, der Anfechtungsgegner hat dann nach § 143 InsO das in die Insolvenzmasse zurückzugewähren, was durch die Handlung aus ihr fortgegeben wurde.
Im Allgemeinen befindet sich im Anfechtungsrechtsstreit der Insolvenzverwalter in der Rolle des Klägers, der Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Vorliegend hatte der Insolvenzverwalter den Anfechtungsgegner zwar außergerichtlich in Anspruch genommen, aber nicht verklagt. Der Anfechtungsgegner möchte nun als Kläger festgestellt wissen, dass der Verwalter nicht zur Anfechtung berechtigt ist.
Der zu entscheidende Fall
Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des 2016 verstorbenen Erblassers. Der Kläger macht geltend, der Beklagte sei nicht befugt, Anfechtungsansprüche aus dem Nachlassinsolvenzverfahren gegen den Kläger oder seine Gläubiger geltend zu machen, was auf folgendem Sachverhalt beruht.
Der Erblasser war verheiratet und hatte einen Sohn und eine Tochter. Alleinerbin ist aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern die Tochter. In einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete sie sich, an ihren Bruder einen Betrag von 90.000 € zur Abgeltung von etwaigen erbrechtlichen Ansprüchen am dereinstigen Nachlass der Mutter zu bezahlen.
2019 veräußerte die Alleinerbin eine zum Nachlass gehörende Immobilie für 480.000 €. Vom Kaufpreis wurde ein Teilbetrag in Höhe von 90.000 € unmittelbar an den Bruder ausgezahlt. Ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 132.320,99 € wurde zur Ablösung einer auf der Immobilie lastenden Grundschuld verwendet. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 257.679,01 € wurde auf ein Anderkonto der Rechtsanwälte O. ausgezahlt, die zuvor sowohl für den Erblasser als auch für die Alleinerbin in diversen Rechtsstreitigkeiten tätig waren. Ein eigenes Konto besaß die in Vermögensverfall geratene Alleinerbin nicht. Die Alleinerbin verbrauchte das Geld in der Folgezeit bis 2021 unter anderem zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten und von eigenen Verbindlichkeiten. Außerdem veranlasste die Alleinerbin fünf Zahlungen von dem Anderkonto an verschiedene Gläubiger des Klägers in Höhe von insgesamt 8.700,46 € und weitere sechs Barzahlungen in Höhe von insgesamt 6.000 € an den Kläger selbst.
Die Alleinerbin einigte sich 2020 mit ihrer Mutter, der Witwe des Erblassers, in einem gerichtlichen Vergleich auf die Zahlung von Zugewinnausgleich und beantragte sodann im November 2020 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass.
Der beklagte Insolvenzverwalter verlangte vom Kläger außergerichtlich im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO (Anfechtung unentgeltlicher Leistungen) die Rückzahlung des Gesamtbetrags in Höhe von 14.700,46 €.
Im Januar 2023 wurden Forderungen zur Insolvenztabelle in Höhe von 219.284,08 € festgestellt, darunter die Zugewinnausgleichsansprüche der Mutter der Alleinerbin über rund 210.000 €.
Der Kläger meint, der Erlös aus dem noch vor Insolvenzeröffnung vorgenommenen Verkauf der Immobilie sei nicht Teil des Nachlasses und damit Teil der Insolvenzmasse, sondern Teil des Eigenvermögens der Alleinerbin geworden, über das sie frei habe verfügen können, eine Anfechtung im vorliegenden Nachlassinsolvenzverfahren sei daher schon deshalb nicht möglich. Zudem fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO, weil die Forderungen der Mutter auf Zugewinnausgleich tatsächlich nicht bestünden.
Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, von ihm die Zahlung von 14.700,46 € an sich als Insolvenzverwalter verlangen. Ferner verlangt er Unterlassung der Inanspruchnahme von Gläubigern des Klägers auf Rückzahlung, die diese zur Begleichung ihrer Forderungen gegen den Kläger von dem Anderkonto der Rechtsanwälte O. erhalten haben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, vom Kläger einen Betrag von 471,56 € und die Barzahlungen über 6.000 € zur Insolvenzmasse zu fordern, und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungs- und Unterlassungsantrag weiter, soweit das Berufungsgericht seine Anträge zurückgewiesen hat.
Die Begründung des BGH
Der BGH erachtet sowohl den Feststellungs- wie den Unterlassungsantrag des Klägers für unbegründet.
Der auf dem Rechtsanwaltsanderkonto verwahrte Teilbetrag aus dem Immobilienkaufpreis gehöre zum Nachlass und falle damit entgegen der Annahme des Klägers in die Insolvenzmasse des Nachlassinsolvenzverfahrens. Die Zahlungen an den Kläger und seine Gläubiger erfolgten daher aus der Insolvenzmasse. Diese Auffassung hat der entscheidende Senat mit ebenfalls auf den 19.12.2024 datierenden Urteil (IX ZR 119/23), bei dem es um dasselbe Insolvenzverfahren ging, näher begründet. Auch diese Entscheidung ist auf unserer Website kommentiert, sodass insoweit darauf verwiesen werden kann.
Die gemäß § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung sei ebenfalls gegeben. Der eingangs dieser Besprechung dargestellte Anscheinsbeweis greife auch in einem Nachlassinsolvenzverfahren ein. Es wäre daher Sache des Klägers gewesen, diesen Beweis zumindest zu erschüttern. Dies sei ihm nicht gelungen. Insbesondere habe er keine Tatsachen dargelegt oder bewiesen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vollständigen Ausgleichs aller Gläubigeransprüche ergebe. Auf das Nichtbestehen der zur Tabelle festgestellten Forderung auf Zugewinnausgleich könne er sich nicht berufen.
Es seien Forderungen zur Tabelle in Höhe von über 215.000 € festgestellt worden, ohne dass diese nach § § 178 Abs. 1 InsO vom Insolvenzverwalter oder einem anderen Gläubiger bestritten worden wären. Die für diese festgestellten Forderungen vorgenommene Eintragung in die Tabelle wirke daher gemäß § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Es stehe deshalb für die Zwecke des Insolvenzverfahrens fest, dass die angemeldeten und festgestellten Forderungen bestünden. Darauf, dass sich die Rechtskraftwirkung nach § 178 Abs. 3 InsO nur auf den Insolvenzverwalter und die Insolvenzgläubiger erstrecke und sich grundsätzlich nicht gegenüber anderen Personen wie hier den Kläger entfalte, komme es dabei nicht an. Die Feststellung einer Forderung zur Tabelle habe zur Folge, dass sie vom Insolvenzverwalter bei der Schlussverteilung zu berücksichtigen und in das Verteilungsverzeichnis nach § 188 InsO aufzunehmen sei. Mithin könne der Anfechtungsgegner im Anfechtungsprozess nicht einwenden, die Insolvenzmasse sei ausreichend, weil die Feststellung einer Forderung zur Tabelle zu Unrecht erfolgt sei. Reiche die Insolvenzmasse ohne Rückgewähr der anfechtbar weggegebenen Mittel schon nicht zur Befriedigung der Gläubiger von festgestellten Forderungen aus, stehe fest, dass die Insolvenzmasse unzureichend sei. Ob angemeldete, aber (noch) nicht festgestellte Forderungen zusätzlich zu berücksichtigen seien, bedurfte folglich keiner Entscheidung.
Der Unterlassungsantrag schließlich sei schon deswegen unbegründet, weil es zu den Aufgaben des Beklagten als Insolvenzverwalter gehöre, Insolvenzanfechtungsansprüche zu prüfen und durchzusetzen. Insoweit stehe einem Dritten kein Anspruch gegen einen Insolvenzverwalter zu, dass dieser keine Anfechtungsansprüche gegen die Gläubiger des Dritten geltend mache.
Download: Mitgliedsbeiträge für Fitnessstudio – einkommensteuerrechtlich keine außergewöhnlichen Belastungen
Außergewöhnliche Belastungen
Außergewöhnliche Belastungen können unter den Voraussetzungen der §§ 33 bis 33b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, reduzieren also die Steuerlast. Der Grundtatbestand des § 33 EStG beschreibt sie wie folgt:
„(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2) 1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen …“
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der Zweck dieser Regelung, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen sind daher die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sowie private Aufwendungen, die über die Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein hinausgehen. Deshalb sind nur atypische Aufwendungen steuerfrei.
Nach dem Gesetzeswortlaut erwachsen Aufwendungen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann, der Steuerpflichtige also keine tatsächliche Entschließungsfreiheit hat, bestimmte Aufwendungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Eine solche tatsächliche Zwangslage kann nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht jedoch durch eine maßgeblich vom eigenen menschlichen Willen des Steuerpflichtigen beeinflusste Situation.
Krankheitskosten und damit Kosten, die einem objektiv (anomalen) regelwidrigen Körperzustand geschuldet sind, entstehen dem Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen.
Für Menschen mit Behinderungen gewährt § 33b EStG Pauschbeträge für den Abzug, die sich im Wesentlichen nach dem Grad der Behinderung richten. Beispielhaft beträgt der Pauschbetrag bei einem Grad der Behinderung von 20 % 384 € und bei einem Grad von 90 % 2.460 €.
Der zu entscheidende Fall
Der körperlich beeinträchtigten Klägerin wurde wegen zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen sowie zur funktionellen Verbesserung und Schmerzreduktion im Streitjahr ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Die Krankenkasse der Klägerin übernahm die Kosten hierfür.
Das Funktionstraining führte die Klägerin zunächst bei einem Kneipp Verein durch, konnte dieses dort aufgrund ihrer privaten und beruflichen Situation aber nur samstags wahrnehmen. Deshalb entschied sich die Klägerin, das Funktionstraining in einem näher gelegenen Fitnessstudio mit entsprechend lizensierten Übungsleitern mit zeitgünstigeren Trainingsangeboten durchzuführen.
Dafür musste sie sowohl dem Verein … e.V. als auch dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten und dort das Grundmodul „…“ buchen, das zum Beispiel die Nutzung des Schwimmbads für Aqua-Fitnesskurse und des Saunabereichs eröffnete. Die dafür anfallenden Kosten übernahm die Krankenkasse der Klägerin – anders als die Kosten für das Funktionstraining – nicht.
In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin unter anderem die Kosten der Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio und des Grundmoduls „…“ sowie die Mitgliedsbeiträge für den Verein … e.V. als außergewöhnliche Belastungen geltend. Neben den wöchentlichen Beiträgen von … € für 38 Wochen begehrte sie den Abzug von Fahrtkosten. Das Finanzamt lehnte dies ab. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht half ihrer Klage nur in Bezug auf die Fahrtkosten und die Vereinsbeiträge ab. Bezüglich der Mitgliedsbeiträge für das Studio und des Entgelts für das Grundmodul hatte die Klage keinen Erfolg.
Ihre hierauf gerichtete Revision wies der BFH zurück, weil die dahingehenden Aufwendungen der Klägerin nicht zwangsläufig entstanden seien.
Die Begründung des BFH
Insbesondere handele es handelt sich hierbei nicht um tatsächlich zwangsläufig entstandene Krankheitskosten, sondern um Kosten für vorbeugende oder der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen, die nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten dienten. Denn das mit der Mitgliedschaft im Fitnessstudio und dem Grundmodul „…“ einhergehende Leistungsangebot werde nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Dieser Aufwand beruhe daher auf einer freien Willensentschließung sei deshalb nicht den abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist.
Die Aufwendungen seien der Klägerin auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten und das Grundmodul „…“ buchen musste, um an dem medizinisch indizierten Funktionstraining teilnehmen zu können. Die Entscheidung, für ein ärztlich verordnetes Funktionstraining einem Fitnessstudio beizutreten, sei in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens. Daher könnten weder die „Verknüpfung“ von Mitgliedschaft im Fitnessstudio, Zusatzmodul und Funktionstraining noch die von der Klägerin vorgebrachten Praktikabilitätserwägungen (Fahrt- und Parkkostenersparnis, Kurse auch unter der Woche, Nachholung ausgefallener Kurse), eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit begründen.
Zudem könne die Klägerin das dahingehende Leistungsangebot des Studios, wie beispielsweise die Nutzung der Sauna und des Schwimmbads für (andere nicht verordnete) Aqua-Fitnesskurse, nutzen. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin, wie sie vorgetragen habe, von diesen Nutzungsmöglichkeiten keinen Gebrauch mache.
Download: Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft
Überblick
In einem Insolvenzverfahren sind im Ausgangspunkt alle Insolvenzforderungen gleichrangig. Sie werden in § 38 der Insolvenzordnung (InsO) über deren Gläubiger definiert. Danach ist nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger jeder persönliche Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Die wirtschaftlich wichtigsten Steuern aus dem Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens hebt § 55 Abs. 4 InsO allerdings systemwidrig in den Rang von (vorrangig zu befriedigenden) Masseverbindlichkeiten. Eine Herabstufung findet sich dagegen in § 39 InsO. Die Norm macht von der Regel des § 38 InsO einige Ausnahmen, so sind zum Beispiel nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO die nach Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen nachrangig. Die nachrangigen Forderungen werden erst bedient, wenn sämtliche nicht nachrangigen voll befriedigt sind, und haben daher kaum eine Chance auf Quotenzahlung. Nachrangig sind auch Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft.
Die Qualifikation eines Darlehens als Gesellschafterdarlehen ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Insolvenzrechtlich gewährt der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens, wie soeben erwähnt, nur eine nachrangige Insolvenzforderung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO. Die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens sowie seine Rückzahlung vor dem Insolvenzereignis führen unter den Voraussetzungen des § 135 InsO zur Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlungen.
Diese Regelungen greifen jedoch nicht bei allen Gesellschaftstypen ein, vielmehr bestimmt § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO:
„Absatz 1 Nr. 5 gilt [nur] für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“
Eine Ausnahme gilt nach Satz 2 der Vorschrift für sogenannte Sanierungskredite bis zur nachhaltigen Sanierung.
Ausgenommen sind nach § 39 Abs. 5 InsO auch nicht geschäftsführende Kleingesellschafter mit einer Beteiligung am Haftkapital von 10 % oder weniger.
Dagegen ist der Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO nicht auf Gesellschafterdarlehen im Wortsinne, also Darlehen eines Gesellschafters an „seine“ Gesellschaft, beschränkt, vielmehr erfasst er auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Die wirtschaftliche Entsprechung tritt dabei in zwei Varianten auf. Zum einen fallen hierunter Rechtshandlungen eines Gesellschafters, denen der wirtschaftliche Gehalt einer Darlehensvergabe zukommt, und zum anderen Darlehen von Dritten, die wegen ihrer Nähe zur Gesellschaft als „gesellschaftergleiche Dritte“ angesehen werden. Möglich ist daneben eine Kombination aus beiden Varianten.
Dies gilt insbesondere für Darlehen verbundener Unternehmen, wobei die Verbindung vertikal in der Weise bestehen kann, dass der Dritte an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist. Die Verbindung kann aber auch horizontal ausgebildet sein, wenn ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften - der das Darlehen annehmenden und der das Darlehen gewährenden Gesellschaft -beteiligt ist, und zwar an der letztgenannten in maßgeblicher Weise. Eine maßgebliche Beteiligung liegt vor, wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des darlehensgewährenden Unternehmens einen bestimmenden Einfluss ausüben kann. Bei der darlehensnehmenden Gesellschaft muss die Beteiligung lediglich über dem Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO liegen, was auch bei mittelbaren Beteiligungen gilt. Kombination der horizontalen und vertikalen Verbindungen sind möglich.
Zu entscheiden war vorliegend ein Fall, bei dem es um Einordnung des Darlehensgebers als gesellschaftergleicher Dritter im dargestellten Sinne ging.
Der zu entscheidende Fall
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer A-GmbH, deren Alleingesellschafter und bis 2016 auch Geschäftsführer HA war. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter der A-GmbH & Co. KG (KG), über deren Vermögen auf Antrag vom 10.11.2014 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Alleiniger Kommanditist der KG war BA, ihre Komplementärin war – wie nicht unüblich - ohne Beteiligung am Haftkapital die A-Beteiligungs-GmbH, deren Gesellschafter wiederum zu 10 % HA und zu 90 % BA waren.
Die A-GmbH hatte der KG 2010 ein Darlehen gewährt, das bei deren Insolvenzeröffnung mit rund 90.000 € valutierte. Diese Forderung hatte die A-GmbH zur Insolvenztabelle der KG als nicht nachrangige Insolvenzforderung angemeldet, der Beklagte hatte sie unter anderem deshalb bestritten, weil sie nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sei.
Mit seiner Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle im Rang des § 38 InsO hatte der Kläger weder vor dem Landgericht noch dem Oberlandesgericht Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision zwar wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, die Revision aber im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen. Die Forderung des Klägers sei nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO.
Die Begründung des BGH
Mangels einer natürlichen Person als haftender Gesellschafter fiel die KG unter die von § 39 Abs. 4 InsO definierten Gesellschaften.
Zudem war HA alleiniger Gesellschafter der das Darlehen gebenden A-GmbH. Er konnte damit bestimmenden Einfluss auf die Gewährung oder auf den Abzug des streitgegenständlichen Darlehens durch die A-GmbH ausüben.
Seine Beteiligung an der KG habe ebenfalls für eine horizontale Verbindung ausgereicht, so der BGH. HA sei zwar nicht unmittelbarer Gesellschafter der KG gewesen, aber mit einem Anteil von 10% an deren Komplementär-GmbH beteiligt gewesen und dadurch deren mittelbarer Gesellschafter. Zudem sei er bis zum 12.08.2014 auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin gewesen. Dies genüge für die Annahme einer Verbindung des HA, welche die Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen rechtfertige.
Diese Frage sei allerdings in der juristischen Literatur umstritten.
Eine Ansicht nehme an, dass der Gesellschafter der Komplementär-GmbH als mittelbarer Gesellschafter der GmbH & Co. KG auch dann in das Gesellschafterdarlehensrecht einbezogen sein kann, wenn er, wie vorliegend HA, nicht zugleich – als Kommanditist – an der KG beteiligt sei, aber über die Komplementär-GmbH mittelbar an der KG eine die Kleinbeteiligungsschwelle überschreitende Beteiligung an der schuldnerischen Gesellschaft halte. Daran fehle es, wenn die Komplementär-GmbH wie vorliegend nicht am Haftkapital der GmbH & Co. KG beteiligt sei. In diesem Fall reiche auch die Geschäftsführerstellung in der Komplementär-GmbH nicht für eine Einbeziehung in das Gesellschafterdarlehensrecht aus. Nach dieser Auffassung könnte die Forderung der A-GmbH im Rang des § 38 InsO zur Tabelle angemeldet werden.
Nach anderer Ansicht sei nicht erheblich, ob die Komplementär-GmbH am Haftkapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Nach dieser Auffassung wäre die Darlehensrückforderung der A-GmbH nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO folglich nachrangig.
Der BGH selbst hatte bislang nur den umgekehrten Fall entschieden und eine maßgebliche Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft angenommen. Er hatte dort die Stellung als (Allein-)Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der als GmbH & Co. KG verfassten Darlehensgeberin unabhängig von einer Kapitalbeteiligung der GmbH an der KG für ausreichend gehalten.
Gehe es jedoch um eine mittelbare Beteiligung an der darlehensnehmenden Gesellschaft, so der BGH jetzt, bedürfe es keines bestimmenden Einflusses. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO erfasse Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprächen. Wer Gesellschafter im Sinn des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nummer 5 Variante 1 InsO sei, richte sich in erster Linie nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben. Gesellschafter seien daher alle an der Schuldnerin unmittelbar beteiligten formalen Gesellschafter. Ein Kapitalanteil an der Gesellschaft sei nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt. Nach § 39 Abs. 5 InsO unterliege zudem ein geschäftsführender Gesellschafter auch bei gänzlich fehlender Beteiligung am Haftkapital dem Gesellschafterdarlehensrecht.
Zwar liege der tragende Grund der Nachrangigkeit darin, dass der Gesellschafter eine Geschäftstätigkeit (fremd-)finanziere, die ihm mittelbar über seine Stellung als Gesellschafter zugutekomme. Dazu bedürfe es aber nicht zwingend eines Kapitalanteils. Das für die Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts erforderliche Eigeninteresse könne auch in einer Lenkung der Geschäftstätigkeit zum Ausdruck kommen.
Für die vorliegend zu beurteilende mittelbare Beteiligung über die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gelte nichts anderes.
Im Streitfall habe danach eine hinreichende Verbindung zur darlehensnehmenden KG bestanden. Unerheblich sei ferner, dass HA im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG nicht mehr Geschäftsführer deren Komplementär-GmbH gewesen sei. Der damit verbundene Rückfall auf das Kleinbeteiligtenprivileg wäre nach der Rechtsprechung des BGH nur dann bedeutsam, wenn er, wie hier gerade nicht, vor Beginn des letzten Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG eingetreten wäre.
Download: Anfechtungsrechtliche Rechtsfolgen einer wegen Vorfristigkeit inkongruenten Leistung des Schuldners
Allgemeines
Die Insolvenzanfechtung dient der Masseanreicherung zum Zweck der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Für den betroffenen Anfechtungsgegner bedeutet sie dagegen einen harten Einschnitt in sein Vermögen, denn bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen hat er das an die Masse zurückzugewähren, was anfechtbar weggegeben wurde.
Jede Insolvenzanfechtung verlangt eine Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die die Gläubiger im Allgemeinen benachteiligt („objektive Gläubigerbenachteiligung“). Hinzukommen muss zu diesen in § 129 der Insolvenzordnung (InsO) niedergelegten Prämissen die Erfüllung eines der in §§ 130 bis 137 InsO Anfechtungstatbestände. Die in der Praxis wesentlichen Anfechtungstatbestände sind die Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 InsO und inkongruenter Deckungen gemäß § 131 InsO, die Vorsatzanfechtung im Sinne des § 133 InsO, die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO und die Anfechtung der Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen im Sinne des § 135 InsO.
Die Anfechtungsfrist der §§ 130 und 131 InsO ist recht kurz, angefochten werden können hiernach Rechtshandlungen aus den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag. Nach § 133 InsO unterliegen kongruente Rechtshandlungen aus den letzten vier Jahren, inkongruente Rechtshandlungen sogar aus den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag der Anfechtung.
Die Voraussetzungen der §§ 130 und 131 InsO unterscheiden sich ganz wesentlich danach, ob eine kongruente oder inkongruente Deckung angefochten werden soll. Aber auch im Zusammenhang mit § 133 InsO ist die Abgrenzung von Bedeutung, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Inkongruenz ein erhebliches Beweisanzeichen für den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners abgibt, wenn die Liquiditätslage des Schuldners zurzeit Rechtshandlung beengt war.
Der Grund für diese Sicht auf inkongruente Rechtshandlungen liegt in ihrer besonderen Verdächtigkeit. Ein Gläubiger, so die Gesetzesbegründung, der eine ihm nicht (oder nicht so oder nicht zu der Zeit, Ergänzung des Verfassers) zustehende Leistung erhält, erscheint weniger schutzwürdig als ein Gläubiger, dem eine kongruente Deckung gewährt wird.
Die Kongruenzanfechtung nach § 130 InsO verlangt, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Rechtshandlung zahlungsunfähig war und der Anfechtungsgegner dies positiv wusste oder dass – bei Rechtshandlungen nach dem Insolvenzantrag, aber vor Eröffnung des Verfahrens – der Anfechtungsgegner positive Kenntnis vom Insolvenzantrag hatte. Diese subjektiven Voraussetzungen sind häufig für den beweispflichtigen Insolvenzverwalter schwer nachzuweisen.
Die Anfechtung inkongruenter Deckungen nach § 131 InsO ist deutlich niederschwelliger. Bei Rechtshandlungen aus dem letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag reicht bereits die Inkongruenz aus, ohne dass weitere subjektive oder objektive Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Liegt die Handlung im zweiten oder dritten Monat vor dem Antrag, muss zur Inkongruenz nur die objektive Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinzukommen. Weitere subjektive Voraussetzungen sind auch hier nicht gefordert. Daran wird deutlich, dass die Anfechtung nach § 131 InsO für den Insolvenzverwalter deutlich einfacher ist als diejenige nach § 130 InsO.
Wann eine Rechtshandlung inkongruent ist, definiert § 131 Abs. 1 InsO wie folgt:
„Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.“
Ein Beispiel für „nicht zu beanspruchen“ ist die Besicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs, wenn eine solche bei der Darlehensvergabe nicht vereinbart worden war. Der Gläubiger einer Kaufpreisforderung kann ausschließlich deren Bezahlung verlangen, erlangt er Befriedigung durch Zwangsvollstreckung, ist diese inkongruent, weil er die Befriedigung „in dieser Art“ nicht verlangen konnte.
Eine Deckung ist „nicht zu der Zeit zu beanspruchen“, wenn der Gläubiger sie früher erhält als geschuldet, wenn also der Anspruch darauf im Zeitpunkt der Erfüllung entweder noch nicht fällig oder befristet war. Soll durch Banküberweisung der Eingang der Zahlung beim Gläubiger am Fälligkeitstag sichergestellt werden, ist dies nach bisher herrschender Meinung im Hinblick auf die Unwägbarkeit der Überweisungsdauer nur inkongruent, wenn die Überweisung mehr als fünf Tage vor der Fälligkeit erfolgt.
Welche Rechtsfolgen mit der Anfechtung einer vorfristigen Deckung verbunden sind, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht abschließend entschieden. Höchstrichterlich geklärt war nur, dass eine wegen verfrühter Leistung inkongruente Zahlung die Gläubiger in voller Höhe benachteiligt und daher vollständig zurückzugewähren ist, wenn noch vor Eintritt der Fälligkeit ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist, der Schuldner also ohne dessen Zustimmung bei Fälligkeit nicht mehr hätte leisten können. Ob in Fällen, bei denen der Schuldner bei Fälligkeit noch uneingeschränkt verfügungsbefugt war, lediglich der Zwischenzins bis zum Fälligkeitszeitpunkt, der in aller Regel keinen nennenswerten Betrag ausmacht, verlangt werden kann oder Rückgewähr der gesamten Leistung, hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Insolvenzordnung bislang ausdrücklich offengelassen. In der juristischen Literatur ist die Frage umstritten.
Der zu entscheidende Fall
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 15.08.2017 am 01.11.2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. Co. KG (Schuldnerin). Das LuftfahrtBundesamt leitete eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen die Fluggastrechte-VO gegen die Schuldnerin ein. In Bezug auf weitere Anzeigen von Fluggästen vereinbarte die Schuldnerin mit dem Luftfahrt-Bundesamt am 19.06.2017, dass insgesamt 295 Bußgeldbescheide im Gesamtumfang von 2.308.000 € zuzüglich Gebühren und Auslagen ergehen würden, mit denen die Altfälle abgegolten sein sollten. Die Schuldnerin erklärte sich bereit, diese Bußgeldbescheide zu akzeptieren und keine Einsprüche einzulegen. In der Folge ergingen die angekündigten Bußgeldbescheide, auf welche die Schuldnerin zuzüglich Gebühren und Auslagen Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.424.432,50 € leistete. Zahlungen in Höhe von 429.000 € erbrachte die Schuldnerin im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorfristig.
Der Kläger hat diese Zahlungen, soweit im Revisionsverfahren noch streitgegenständlich, unter dem Gesichtspunkt der inkongruenten Deckung gemäß § 131 InsO angefochten. Das Landgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Zahlungen aus dem letzten Monat vor dem Insolvenzantrag nebst Zinsen. Der BGH gibt ihm Recht.
Die Begründung des BGH
Der BGH entscheidet jetzt, dass entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts die Masse aufgrund der verfrühten Zahlungen nicht nur um entgangene Nutzungsvorteile (entgangener Zwischenzins) geschmälert worden sei, weshalb die geleisteten Zahlungen als solche, mithin in voller Höhe, zurückgewährt werden müssten.
Allerdings habe der BGH es als Frage der Zurechenbarkeit angesehen, ob die wenige Tage nach Zahlung eingetretene Fälligkeit einer Anfechtung in voller Höhe des Zahlungsbetrags entgegenstehe. Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum unterliege die verfrühte Leistung grundsätzlich im Ganzen, auch als Geldzahlung, nicht etwa nur hinsichtlich des Zwischenzinses, der Anfechtung. Nach der Gegenauffassung solle nur Nutzungsersatz („Zwischenzins“) für die Zeitspanne zu zahlen sein, in der der Anfechtungsgegner keinen Anspruch auf die Leistung gehabt habe.
Der BGH schließt sich der überwiegenden Auffassung im Schrifttum an. Hierfür sprächen Wortlaut, Regelungszusammenhang sowie Sinn und Zweck der Anfechtungsvorschriften. Rechtsfolge des § 131 Abs. 1 InsO sei die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung. Eine Unterscheidung nach der Art der Inkongruenz sehe das Gesetz nicht vor. Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben sei, müsse gemäß § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Inkongruenzanfechtung einer verfrühten, nicht zu der Zeit zu beanspruchenden Leistung ziele darauf ab, einem so bevorzugten Gläubiger den ihm gewährten Vorteil vor den anderen Gläubigern wieder zu nehmen und dadurch die Gläubigergleichbehandlung herbeizuführen. Der Vorteil für den Gläubiger aber bestehe in der ganzen Leistung. Der Abzug des Zwischenzinses behebe für sich allein die Inkongruenz der verfrühten Zahlung nicht. Auch könne der Umstand, dass die vorzeitig getilgte Schuld doch noch vor Eröffnung durch Vereinbarung fällig geworden sein möge, die Anfechtbarkeit nicht rückwirkend zu beseitigen.
Download: Autowaschanlage reißt Heckspoiler ab – Haftung des Betreibers
Allgemeines
Aus einem schuldrechtlichen Vertrag, zum Beispiel einem Kauf- oder Werkvertrag, obliegt den Parteien in erster Linie die Erfüllung der Hauptpflichten. Diese sind etwa beim Kaufvertrag gemäß § 433 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Pflicht des Verkäufers, die Kaufsache zu übergeben und dem Käufer das Eigentum daran zu verschaffen, wohingegen der Käufer die Pflicht zur Kaufpreiszahlung und zur Abnahme der Kaufsache hat. Die Parteien können aber auch sogenannte Nebenpflichten treffen, insbesondere Schutz- und Obhutspflichten treffen, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen kann.
Derjenige, der eine Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschanlage - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer, etwa der Nutzer der Waschanlage - möglichst zu verhindern. Daher hat der Betreiber einer Waschanlage dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die danach erforderliche Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere, insbesondere seine Kunden vor Schäden zu bewahren. Offensichtlich ist allerdings auch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend entgegengewirkt werden kann.
Im Allgemeinen kommt eine Haftung jedoch nur in Betracht, wenn schuldhaft gehandelt wird, das heißt fahrlässig oder vorsätzlich. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Grundsätzlich trägt der Geschädigte, der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs, die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung kausal für den Schadenseintritt war. Steht dies fest, bestimmt § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass der Schädiger sich hinsichtlich des Verschuldens entlasten muss, das Gesetz vermutet hier also widerleglich das Verschulden.
Abweichend von dieser regelmäßigen Beweislastverteilung bei der Pflichtverletzung und der Schadenskausalität ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus - nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten hat, sondern er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen. In einem solchen Fall braucht der Geschädigte daher nur den Schaden und seine Entstehung im Bereich des Schädigers nachzuweisen.
Diese Beweislastverteilung ermöglicht eine deutlich erleichterte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei der Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten durch den Vertragspartner.
Der zu entscheidende Fall
Die Beklagte betreibt eine sogenannte Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das, soweit hier von Interesse, wie folgt lautet
"Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen
Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz."
Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: "Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!".
Der Kläger fuhr im Juli 2021 mit seinem PKW – Land Rover, Modell Range Rover Sport HSE – in die Waschanlage der Beklagten. Das Fahrzeug war serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattet, einem am hinteren Ende des Fahrzeugdachs, horizontal über der nach unten abfallenden Heckscheibe, bündig in der Karosserie sitzenden Bauteil. Der Kläger verließ sein Fahrzeug und startete den Waschvorgang ordnungsgemäß. Während des Waschvorgangs wurde der Spoiler abgerissen, was einen Schaden am Fahrzeug verursachte.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz der ihm entstandenen Schäden, nämlich
Das wegen des unter 5.000,00 € liegenden Streitwerts zuständige Amtsgericht (AG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, das Landgericht (LG) hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf die Revision des Klägers das Urteil des AG wiederhergestellt.
Die Begründung des BGH
Der BGH sieht die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die auf dem außer Streit stehenden Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen beruhen, sei es zu der Schädigung gekommen, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet sei, falle in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers, also der Beklagten.
Aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursachen für diesen Schaden seien nicht ersichtlich. Das Fahrzeug des Klägers sei vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden gewesen. Der Kläger habe daher berechtigt darauf vertrauen dürfen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde.
Dieses Vertrauen sei insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben könne, der Kunde habe hierauf keinen Einfluss. Ihm sei es regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen zu identifizieren, die konstruktionsbedingt nicht geeignet seien, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.
Dem Kläger stehe gemäß §§ 631, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs zu.
Die Beklagte habe die gegen sie streitende Vermutung der Pflichtverletzung (siehe oben) nicht widerlegt und den ihr gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt. Sie hätte darlegen und beweisen müssen, dass sie die konstruktionsbedingte Inkompatibilität weder kannte noch kennen musste oder sie alles Erforderliche und Zumutbare unternommen habe, um das Einfahren eines Fahrzeugs in ihre Waschanlage zu verhindern, für das diese Anlage konstruktionsbedingt nicht geeignet sei. Dies habe sie nicht getan.
Die Beklagte - die sich ausweislich der in der Waschanlage angebrachten Schilder der Gefahr einer Beschädigung insbesondere von Heckspoilern grundsätzlich bewusst gewesen sei - habe schon nicht dargelegt, sich darüber informiert zu haben, für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet sei. Ebenso wenig habe sie dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hätte, auf deren Grundlage die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs vermieden worden wäre. Dass es bislang keinen entsprechenden Schadensfall gegeben habe, entlaste sie nicht.
Die Beklagte habe sich auch nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet.
Das in der Anlage angebrachte, mit "Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen" überschriebene Schild reiche als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur "nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (...) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.)" erwähne. Am Fahrzeug des Klägers habe der Heckspoiler jedoch zur Serienausstattung gehört. Der Hinweis sei folglich sogar geeignet, das Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Funktion der Anlage zu stärken.
Der Zettel mit der Aufschrift "Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!" sei angesichts des darüber befindlichen Schildes unklar und stelle keinen ausreichenden Hinweis dar.
Download: Unlauterkeit des Schuldners beim Bargeschäft
Allgemeines
Die Insolvenzanfechtung dient der Anreicherung der Masse mit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weggegebenen Vermögensgegenständen des Schuldners. Anfechtbar sind Rechtshandlungen, die die Gläubigergesamtheit benachteiligen, wenn zusätzlich die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt sind. Die Anfechtungstatbestände finden sich in den §§ 130 bis 137 der Insolvenzordnung (InsO). Anfechtbar sind danach zum Beispiel Deckungshandlungen aus den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag, inkongruente Deckungen nach § 131 InsO unter erleichterten Bedingungen, kongruente Deckungen nach § 130 InsO unter strengeren Voraussetzungen. Hat der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt, seine Gläubiger zu benachteiligen, und wusste der Anfechtungsgegner um diesen Vorsatz, können Rechtshandlungen angefochten werden, die bis zu vier Jahren, bei Inkongruenz sogar bis zu zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind.
Die drohende Insolvenzanfechtung kann allerdings auch dazu führen, dass ein finanziell schlecht gestellter Marktteilnehmer Schwierigkeiten bei der Suche nach Geschäftspartnern hat, da diese um den dauerhaften Erhalt der für ihre Leistung durch den Schuldner bewirkten Gegenleistung fürchten müssen. Dem sucht die Norm des § 142 InsO entgegenzuwirken, die sogenannte Bargeschäfte, die allerdings bei inkongruenten Deckungen im Sinne des § 131 InsO nie gegeben sind, von der Anfechtung ausnimmt:
§ 142 Bargeschäft
(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.
(2) 1Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. 2Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. 1Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.
Der Grund für dieses Bargeschäftsprivileg liegt nach der Gesetzesbegründung darin, „dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen.“ Geschützt werden sollen dadurch die Geschäftspartner des Schuldners bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 InsO in ihrem Vertrauen darauf, die Gegenleistung des Schuldners behalten zu dürfen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm eine wirtschaftliche Gesamtbewertung vorgenommen, die der Sicherheit des Geschäftsverkehrs den Vorrang vor der Masseanreicherung einräumt, wenn nicht die strengen Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO vorliegen und zusätzlich der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat.
Daraus folgt zwangsläufig, dass die Unlauterkeit mehr voraussetzt als den Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 InsO. Was genau hierfür zu verlangen ist, regelt § 142 InsO nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisiert nun mit der Besprechungsentscheidung die Anforderungen an diesen Begriff. Er hat seinem Urteil die folgenden Leitsätze vorangestellt:
1. Ein Schuldner handelt bei einem Bargeschäft unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung eines Bargeschäfts handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.
2. Ein unlauteres Handeln liegt nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet.
Der zu entscheidende Fall
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte ist einer von drei Kommanditisten der Schuldnerin.
Die Schuldnerin war als Dienstleisterin im Baugewerbe tätigt. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel.
Seit Beginn des Jahres 2017 erbrachte der Beklagte aufgrund vertraglicher Vereinbarung Dienstleistungen (Bauleitung und -überwachung) für die Schuldnerin. Seine Leistungen wurden jeweils im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet, so mit Rechnungen vom 03.05.2019 und 04.06.2019. Im Übrigen ergab sich folgender zeitlicher Ablauf:
31.01.2019
Die H, eine Gläubigerin der Schuldnerin, stellte dieser zwei Rechnungen über insgesamt 43.903,90 €. Die Schuldnerin bezahlte nicht. Daraufhin mahnte die H sie wiederholt.
17.05.2019
Die H drohte mit Klageerhebung.
29.05.2019
Der Geschäftsführer der Schuldnerin teilte deren Gesellschaftern, darunter dem Beklagten, mit, dass ein Liquiditätsbedarf von 600.000 € bestehe, und forderte die Kommanditisten auf, bis zum 11.07.2019 jeweils 200.000 € einzuzahlen. Andernfalls könnten weder Gläubiger bedient noch neue Verbindlichkeiten begründet werden. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.
31.05.2019
Die Schuldnerin zahlte trotz der Ankündigung, keine Zahlungen zu leisten, an diesem Tag und am 21.06.2019 insgesamt 188.640,53 €, darunter 63.599,54 € an den Beklagten für Rechnungen vom 03.05.2019 und 04.06.2019.
12.06.2019
Die Schuldnerin zahlte weiterhin teilweise auf die Forderungen der H, sodass zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags eine Restforderung dieser Gläubigerin von 24.817,54 € offenstand.
25.08.2019
Die Schuldnerin stellte einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.
01.11.2019
Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
Der Kläger verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung die Erstattung der Zahlungen an den Beklagten.
Das Landgericht gab der Klage weitgehend statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.
Die Begründung des BGH
Die Zahlungen an den Beklagten lagen zwar im Anfechtungszeitraum des § 130 InsO, seien aber dennoch nicht § 130 InsO als kongruente Deckungshandlungen anfechtbar, weil es sich jeweils um Bargeschäfte nach § 142 InsO gehandelt habe.
Die allgemeinen Voraussetzungen des § 142 InsO seien gegeben. Es habe ein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung vorgelegen, der nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt sei. Die Schuldnerin habe die erbrachten Dienstleistungen des Beklagten aufgrund der monatlich unmittelbar nach der Leistungserbringung erfolgten Rechnungsstellung jeweils innerhalb von 30 Tagen bezahlt. Die so bezahlten Leistungen des Beklagten seien gleichwertig gewesen.
Auch auf die Grundsätze der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen, da ein unlauteres Handeln der Schuldnerin nicht festgestellt werden könne.
Die Schuldnerin habe zwar die Zahlungen mit dem Beklagten bekannten Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen, die erforderliche Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns sei jedoch nicht gegeben.
In der juristischen Literatur sei allerdings umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein unlauteres Handeln des Schuldners im Sinne des § 142 InsO anzunehmen sei. Einigkeit bestehe nur insoweit, dass Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienten, unlauter seien. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung würden als Beispiele insbesondere die Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger oder die Abstoßung von für die Unternehmensfortführung notwendigem Betriebsvermögen in der Absicht, den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen, genannt. Umstritten sei dagegen, ob unterhalb dieser Schwelle Unlauterkeit zu bejahen sei.
Der BGH entscheidet, dass der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter handele, wenn es weniger um die Abwicklung von Bargeschäften gehe als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies komme in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führe oder dazu genutzt werde, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.
Der Gesetzgeber der Aktuellen Fassung des § 142 InsO habe an die Rechtsprechung zur Absichtsanfechtung nach § 31 der früheren Konkursordnung angeknüpft, wonach Benachteiligungsabsicht in Fällen, in denen der Anfechtungsgegner nur erhielt, was ihm rechtlich gebührte, insbesondere dann anzunehmen gewesen sei, wenn sich ergab, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Pflichten oder auf Erlangung weiterer Kredite ankam, sondern mehr auf die Schädigung der übrigen Gläubiger. Eine Handlung, durch die einer Rechtspflicht genügt werde, könne durch den Zweck, auf den sie gerichtet sei, unlauteren Charakter bekommen. In solchen Fällen sei das die Handlung des Schuldners bestimmende Motiv maßgebend für ihre Charakterisierung.
Deshalb erfordere das Merkmal des „unlauteren Handelns“ mehr als das Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können.
Danach komme unlauteres Verhalten in verschiedenen Fallgestaltungen in Betracht:
Das fortlaufende Erwirtschaften von Verlusten reiche dagegen ebenso wenig wie das Verletzen der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO oder der Massesicherungspflicht nach § 15b InsO. Ersteres ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung, Letzteres aus der Rechtsprechung des BGH, die die Verletzung der Antragspflicht für sich genommen schon nicht ausreichen lasse, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu begründen. Um so weniger könne sie deshalb Grundlage der Unlauterkeit sein.
Da der Kläger sich vorliegend allein darauf berufen habe, dass die Schuldnerin einen verlustträchtigen Betrieb fortsetzte, könne dies keine Unlauterkeit der Zahlungen an den Beklagten begründen.
Bei der bezahlten Bauleitung und -überwachung der Bauprojekte der Schuldnerin handele es sich nicht um ein neu in der Krise mit einem Gesellschafter abgeschlossenes Geschäft, sondern um die unveränderte Fortsetzung einer laufenden Geschäftsbeziehung, die für die Unternehmensfortführung notwendig gewesen sei.
Die Geschäftsführung habe die Schuldnerin bei Mitwirkung der Gesellschafter und der Gläubiger für grundsätzlich sanierungsfähig gehalten. Erkennbar gescheitert sei die Sanierung zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen (noch) nicht gewesen.
Dass sich die Schuldnerin an den im Schreiben vom 29.05.2019 angekündigten Zahlungsstopp nicht gehalten habe, begründe für sich genommen keine Unlauterkeit. Ein darin möglicherweise liegender Verstoß gegen das gesetzliche Zahlungsverbot aus § 15b InsO genüge hierfür allein, wie dargelegt, nicht.
Entscheidend gegen Unlauterkeit spreche, dass die Zahlungen für Leistungen erfolgten, die für den Fortgang der Bauprojekte der Projektgesellschaften essentiell gewesen seien und damit unmittelbar dazu gedient hätten, den einstweiligen Fortbestand des Geschäftsbetriebs während laufender Sanierungsbemühungen zu sichern.
Es sei schließlich nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin den Beklagten als Gesellschafter gegenüber anderen, der Schuldnerin nicht nahestehenden Gläubigern bevorzugt behandelt habe. Sie habe vielmehr im Zeitraum vom 31.05. bis zum 21.06.2019 nicht nur die Rechnungen des Beklagten, sondern zugleich Rechnungen verschiedener anderer Gläubiger beglichen. Es sei nicht festgestellt, dass der Beklagte auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, entgegen dem angekündigten Zahlungsstopp Zahlungen fortzusetzen, eingewirkt hätte.
Allgemeines
Nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) steht dem Arbeitgeber grundsätzlich ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zu:
„1Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. 2Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. 3Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“
Der Arbeitgeber kann das Weisungsrecht allerdings nicht schrankenlos ausüben, vielmehr hat er bei der Erteilung von Weisungen billiges Ermessen zu wahren. Dessen Beurteilung kann insbesondere dann Schwierigkeiten bereiten, wenn der Arbeitgeber sachliche, betriebliche Gründe für die Weisung benennen kann, der Arbeitnehmer aber starke und berechtigte Interessen an ihrem Unterbleiben hat, beispielhaft, wenn die angewiesene Tätigkeit seinen Gesundheitszustand gefährdet.
Ein Beispiel für eine derartige Weisung ist die Erlaubnis, ganz oder teilweise im Homeoffice zu arbeiten, und deren Widerruf. Hierum geht es im Besprechungsfall.
Der zu entscheidende Fall
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers auf einen 500 km entfernten Dienstort und einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung. Die Beklagte ist Zulieferer und Dienstleister im industriellen, insbesondere im Automotive-Bereich. Der 1969 geborene Kläger ist ledig und hat keine Unterhaltspflichten. Seit Anfang 2017 ist er zunächst als „Leiter Planung und Projektmanagement, seit April 2018 als „Fachbereichsleiter UTW, Planung und Projektmanagement“ am Standort der Beklagten in O. beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung beträgt 7.299 €. Zu 80 % arbeitet er im Homeoffice.
Nach dem Arbeitsvertrag bezieht sich sein Einsatzbereich auf den gesamten Bereich der Unternehmensgruppe der Beklagten. Nach Schließung ihres Standorts in O. versetzte die Beklagte den Kläger schriftlich an ihren – 500 km entfernten – Standort in M. Im selben Schreiben wies sie darauf hin, dass die übrigen vertraglichen Bedingungen bestehen bleiben, aber die Tätigkeit nunmehr im Betrieb in M. zu erbringen ist. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag übersandte die Beklagte für den Fall der Unwirksamkeit der Versetzung eine ordentliche Kündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis mit veränderten Bedingungen am Standort M. fortzusetzen (sogenannte Änderungskündigung). Dieses Angebot lehnte der Kläger ab.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine Versetzung an den Standort M. unwirksam ist, und hilfsweise – für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag –, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet wird.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln gab der Kündigungsschutzklage statt. Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Berufung, die jedoch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln keinen Erfolg hatte.
Die Begründung des LAG Köln
Das LAG hält beide Klageanträge für begründet, weil die Beklagte bei der Ausübung ihres Weisungsrechts die nach § 106 GewO zu beachtende Grenze des billigen Ermessens bezüglich der Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice zu erbringen, nicht eingehalten habe.
Der Arbeitgeber könne nach § 106 GewO grundsätzlich einseitig, also ohne Zustimmung des Arbeitnehmers und notfalls gegen dessen Willen die Einzelheiten der Dienste in fachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht konkretisieren und gegebenenfalls auch ändern. Die Grenzen dieses Rechts ergäben sich unter anderem aus § 106 Satz 3 GewO. Bezüglich der Versetzung nach M. sei eine Verletzung dieser Grenzen nicht zu erkennen.
Im Hinblick auf den mit der Versetzung nach M. verbundenen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis habe die Beklagte sich dagegen nicht an die Grenzen des billigen Ermessens gehalten. Diese Grenzen seien nur gewahrt, wenn der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und dabei die beiderseitigen Interessen gewahrt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Kläger habe ein erhebliches Bestands- und Ortinteresse. Er sei familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet (genauere Angaben finden sich in der Entscheidung nicht). Diese Interessen würden nicht durch diejenigen der Beklagten überwogen. Der Kläger habe zu seinem Arbeitsablauf unbestritten vorgetragen, der Kontakt zu den Kunden geschehe projektbezogen vor Ort, bis dahin per Telefon und Computer. Er, der Kläger, betreue in erheblichem Umfang auch Kunden mit weit entferntem Sitz, sogar im Ausland. Für die Kunden sei unerheblich, ob er vom Standort in O. oder M. agiere.
Die Beklagte habe dagegen nachvollziehbar nur zu ihrer Entscheidung vorgetragen, den Standort in O. zu schließen. Ihre Argumentation, es sei Teil des Unternehmenskonzepts und der Arbeitskultur der Firma, dass grundsätzlich mit den Kollegen vor Ort gearbeitet werde, habe sie selbst nicht durchgehend befolgt. Zudem habe sie dieses Konzept nicht an der konkreten Aufgabe des Klägers gemessen. Sie habe nicht dargelegt, welche Tätigkeiten der Kläger nur vor Ort ausüben könne.
Zusammengefasst sei die Betriebsschließung und die Zuweisung des Klägers nach M. nicht nur sachgerecht, sondern folge einem dringenden betrieblichen Bedürfnis. Das gelte aber nicht für den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis. Damit hatte die Klage mit dem ersten Antrag Erfolg.
Auch der zweite Antrag sei begründet. Aus den dargestellten Gründen fehle es hinsichtlich der Homeoffice-Regelung an einer nachvollziehbaren Organisationsentscheidung der Beklagten. Vor diesem Hintergrund hätte es ausgereicht, den unverhältnismäßigen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis zu unterlassen und den Kläger bei ansonsten unveränderten Bedingungen statt dem Betrieb in O. demjenigen in M. zuzuordnen. Im Hinblick darauf und mangels geeigneter Organisationsentscheidung fehle der (Änderungs)Kündigung das notwendige dringende betriebliche Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Die Kündigung konnte daher keinen Bestand haben, sondern war unwirksam.
Nach einer Pressemitteilung ist das Urteil des LAG Köln rechtskräftig.
Download: Anscheinsbeweis für private Fahrzeugnutzung betrieblicher Fahrzeuge
Überblick
Die steuerrechtlichen Folgen vermeintlicher oder tatsächlicher privater Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge bieten sehr häufig Anlass für streitige Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die private Nutzung eines Fahrzeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Die Vorschrift ist auch für Leasingfahrzeuge anzuwenden.
Fehlt es mangels privater Nutzung an einer Entnahme, ist die Bewertungsregel in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anzuwenden. Im Streitfall muss das Gericht sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat. Für eine private Nutzung spricht allerdings nach der Rechtsprechung der sogenannte Beweis des ersten Anscheins. Der Beweis des ersten Anscheins (auch prima-facie-Beweis) ist nicht gesetzlich geregelt, aber gewohnheitsrechtlich anerkannt. Er erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis zum Beispiel eines ursächlichen Zusammenhangs ohne exakte Tatsachengrundlage allein auf Grund von Erfahrungssätzen, mithin auf Basis der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Beweis des ersten Anscheins kann erschüttert werden.
Bezogen auf die private Fahrzeugnutzung bedeutet dies: Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, ist deshalb regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.
Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehens, also etwa eine rein betriebliche Nutzung, ergibt.
Der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge wird im Regelfall jedoch noch nicht erschüttert, wenn für privat veranlasste Fahrten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden haben. Er kann aber erschüttert sein, wenn für private Fahrten ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht, das dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Entsprechendes gilt, wenn im Privatvermögen und im betrieblichen Bereich jeweils mehrere Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Dabei ist der für eine Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis umso eher erschüttert, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Denn bei einer Gleichwertigkeit der Fahrzeuge ist nach der Rechtsprechung keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das Dienstfahrzeug zu nutzen.
Der zu entscheidende Fall
Der Kläger ist Prüfungssachverständiger (eine nähere Qualifikation seiner beruflichen Tätigkeit findet sich im Urteil nicht) und erzielte in den Streitjahren (2011 bis 2013) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
2010 schloss er einen Leasingvertrag über einen BMW 740d X Drive (BMW) ab. Dem Vertrag lag bei der Berechnung der Leasingraten ein Fahrzeuggrundpreis von 89.563,01 € netto zugrunde. Der Kläger machte die Leasingkosten in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.
2012 leaste der Kläger zusätzlich einen Lamborghini Aventador (Lamborghini) über 36 Monate bei einer monatlichen Leasingrate in Höhe von 5.474,03 € netto (Fahrzeuggrundpreis 279.831,93 € netto). Der Kläger versah das Fahrzeug mit einer Werbefolie mit dem Text "Prüfsachverständiger …". Die Aufwendungen für den Lamborghini machte der Kläger ebenfalls in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.
Für beide Fahrzeuge führte der Kläger jeweils handschriftlich Fahrtenbücher. Unstreitig wurden die Fahrzeuge - wie es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG voraussetzt - zu mehr als 50 % betrieblich genutzt.
In den Streitjahren hatte der Kläger außerdem zwei weitere Fahrzeuge im Privatvermögen, einen Ferrari 360 Modena Spider und einen Jeep Commander.
Das Finanzamt (FA) kürzte die streitigen Aufwendungen für den Lamborghini nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG um 2/3 und minderte die Betriebsausgaben für dieses Fahrzeug (2012: um 4.289 € netto; 2013: um 32.835 € netto). Es ging von einer Entnahme für die private Nutzung des Lamborghini aus, die grundsätzlich mit monatlich 1 % von 279.831,93 € netto zu bewerten sei. Da dieser Betrag in beiden Streitjahren höher als 1/3 der tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug war, setzte das FA unter Ansatz der Kostendeckelung nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.11.2009 (IV C 6 – S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, 1326, Tz. 18 ff.) die um 2/3 gekürzten tatsächlichen Kosten als Entnahme an.
Für den BMW setzte es eine Entnahme für die Privatnutzung in Höhe von monatlich 1 % von 89.563,01 € netto (= 10.740 € pro Jahr) an.
Die Fahrtenbücher des Klägers seien nicht lesbar und deshalb nicht anzuerkennen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg, auf die Revision des Klägers hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Sache aufgehoben und an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen.
Die Begründung des BFH
Im vorliegenden Fall habe das FG bei der Prüfung, ob der Kläger den für eine Privatnutzung des BMW und des Lamborghini sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert habe, bereits den gesetzlichen Maßstab für die Überzeugungsbildung verkannt. An seine Feststellungen sei der BFH daher revisionsrechtlich nicht gebunden, weshalb das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben könne.
Das FG hatte angenommen, der Kläger habe den für eine Privatnutzung des BMW und des Lamborghini sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Dieser wäre nicht durch ordnungsgemäße Fahrtenbücher entkräftet. Die handschriftlichen Aufzeichnungen des Klägers hätten nicht die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erfüllt, da viele der Angaben nicht lesbar seien. Teilweise hätten zudem Angaben gefehlt. Die vom Kläger vorgelegten Transkripte der handschriftlich geführten Fahrtenbücher in Form maschinenschriftlicher Tabellen seien nicht zu berücksichtigen, weil die Transkripte nachgeschrieben seien und die Anforderungen an ein zeitnah geführtes ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht erfüllten. Der Anscheinsbeweis sei auch nicht durch andere Tatsachen entkräftet. Dass dem Kläger andere Luxusfahrzeuge im Privatvermögen zur Verfügung gestanden hätten, widerlege den Anscheinsbeweis nicht. Es handele sich um andere Fahrzeugtypen mit unterschiedlichem Prestige und unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten.
Der BFH hält dies für rechtsfehlerhaft.
Es sei unzutreffend, dass der für eine Privatnutzung sprechende Anschein nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erschüttert werden könne. Werde substantiiert vorgetragen, die Fahrzeuge seien ausschließlich betrieblich genutzt worden, müsse das FG den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen aufklären und bei seiner Würdigung sämtliche Umstände berücksichtigen. Dem sei das FG nicht nachgekommen.
Es sei vorliegend nicht von vornherein auszuschließen, dass die Fahrtenbücher und die daraus angefertigten Transkripte geeignet seien, den Vortrag, wonach die Fahrzeuge nicht privat genutzt worden seien, so ausreichend zu substantiieren, dass sich ein Sachverhalt ergebe, der geeignet sei, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Das FG hätte deshalb dem Vortrag des Klägers, dass sich das Fahrtenbuch und das Transkript inhaltlich decken und sich aus den Eintragungen ergebe, dass es keine Privatfahrten gegeben habe, nachgehen müssen. Dem stehe die Transkription der teilweise nicht lesbaren Fahrtenbücher nicht entgegen. Ob ein handschriftlich geführtes Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu verwerfen sei, wenn dessen Aufzeichnungen (teilweise) nicht lesbar seien, sei nicht streiterheblich, solange es um die vorrangig zu klärende Frage gehe, ob eine Privatnutzung überhaupt stattgefunden habe.
Auch die übrigen Feststellungen des FG seien nicht geeignet, seine Würdigung zu tragen, dass die Fahrzeuge im Privatvermögen des Klägers nicht ausreichten, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Die Annahme des FG, es handele sich (im Vergleich zu den betrieblichen Fahrzeugen) um Fahrzeuge mit anderem Prestige und anderen Nutzungsmöglichkeiten, sei nicht durch Tatsachen unterlegt. Maßgeblich seien die in der Rechtsprechung für eine solche Prüfung herausgearbeiteten Vergleichskriterien wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit, Ausstattung, Fahrleistung, Prestige, womit hat sich das FG nicht auseinandergesetzt habe.
Eigene Feststellung könne der BFH revisionsrechtlich nicht treffen. Für das weitere Verfahren im zweiten Rechtszug weist der BFH aber darauf hin, dass das FG die Unangemessenheit der Aufwendungen durch die beiden Fahrzeuge zu prüfen habe, auch wenn die bisherigen Feststellungen deren Annahme nicht rechtfertige.
Zu berücksichtigen seien dabei die Größe des Unternehmens, die Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns, die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben. Es könne auch entscheidungserheblich sein, ob es einen objektiven Grund für den (angeblichen) Mehraufwand gebe und wie weit die private Lebenssphäre des Klägers berührt werde. Das FG werde hinsichtlich der von ihm verneinten objektiven Eignung des Fahrzeugs für den Betriebserfolg in die Betrachtung auch einzubeziehen haben, dass der Kläger den mit einer Werbefolie versehenen Lamborghini nach seinem Vortrag (den der Kläger gegebenenfalls nachzuweisen hätte) gezielt für den Besuch bestimmter Kundenkreise eingesetzt habe.
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