Rechtsanwälte für Wirtschaftsrecht, Unternehmensberatung und Sanierung

Massgeschneiderte Beratung auf höchstem Niveau ist die Grundlage der nachhaltigen Zufriedenheit unserer Mandanten.

Als mittelständische, auf das Wirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit Standorten in München, Nürnberg und Berlin betreuen wir Ihre rechtlichen Anliegen kompetent, effektiv und “auf den Punkt”, egal wo Sie uns brauchen.

Die Ausstattung unserer Kanzleistandorte mit modernster Technik erlaubt es uns, mit Ihnen jederzeit auf über große Distanz auch über Videokonferenz zu kommunizieren.

Wenn Sie also auf dem Gebiet des (internationalen) Wirtschaftsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts oder auch des Sanierungs- und Insolvenzrechts einen lösungsorientierten Partner suchen, sind wir gerne an Ihrer Seite! Individuelle Beratung, Vertragsgestaltung, und Prozessvertretung gehören zu unseren Stärken, auf die Sie bauen können

Unser Ziel

Die Effektive Durchsetzung Ihrer Rechte und Interessen Stehen im Zentrum Unserer Beratung.

Gemeinsam mit Ihnen als Mandanten erörtern wir zunächst eingehend Ihre Ziele und Wünsche. Sodann identifizieren wir unter Einbeziehung unserer interdisziplinären Betrufsträger mit Ihnen zusammen den Weg, um Ihr Ziel zu erreichen. Die Erfassung komplexer Sachverhalte und die Entwicklung einer klaren und nachvollziehbaren Handlungsstruktur für Ihr Vorhaben bilden dabei die Kernkompetenzen unserer Kanzlei.

Kompetenzen

Die Spezialisten unserer Kanzlei stehen Ihnen auf ihren jeweiligen Fachgebieten gerne zur Verfügung. Zur der für Sie zu bearbeitenden Fragestellung wählen Sie das in Betracht kommende Tätigkeitsgebiet aus, für das wir in unserer Kanzlei den oder die richtigen Experten haben.

Unser Fachwissen ist immer topaktuell, intensive Aus- und Weiterbildung ist für uns Selbstverständlichkeit.

Geschichte

3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälte
ca. 100 MITARBEITER

Die Rechtsanwaltskanzlei Pöhlmann Früchtl Oppermann ist ursprünglich aus dem Zusammenschluss dreier mittelständischer Rechtsanwaltskanzleien an den Standorten München und Nürnberg im Jahr 2005 entstanden. Um der zunehmenden Nachfrage des Marktes nach überregionalen, interdisziplinären Rechtsdienstleistungen gerecht zu werden, haben wir eine entsprechende Kanzleistruktur aufgebaut, die im Jahre 2020 durch den Beitritt der Rechtsanwaltskanzlei Houben aus Berlin sinnvoll ergänzt wurde. Hierdurch können wir unseren Mandanten ein Höchstmaß an Flexibilität, kompetente Ansprechpartner vor Ort und eine moderne Beratungsstruktur bieten.

An unseren Standorten in München, Nürnberg und Berlin sind wir mit 22 Berufsträgern, davon 8 mit der Berechtigung einen oder mehrere Fachanwaltstitel zu führen, dort für Sie tätig, wo Sie uns brauchen. Mit dieser Struktur können wir uns Ihrem Vorhaben professionell, schnell und “auf den Punkt” annehmen. Komplexe Beratungen begleiten wir mit interdisziplinären Teams, um für Sie sämtliche Facetten einer rechtlichen Gestaltung zu beleuchten. Dabei achten unsere Spezialisten auf eine klare und verständliche Sprache. Jederzeitige Erreichbarkeit und Kommunikation sind für uns wichtige Bausteine einer langfristigen Partnerschaft.

3 Standorte
22 Berufsträger
8 Fachanwälte
ca. 100 MITARBEITER

Zertifizierung

An unserem Kanzleistandort in München sind wir seit dem 20.12.2012 nach DIN ISO 9001:2015 zertifiziert. Die Re-Zertifizierung ist letztmals durch die SGS Société Générale de Surveillance SA, Zürich am 05.04.2023 erfolgreich vorgenommen worden. Das Zertifikat führen wir unter der Nummer DE13/81840258. Daneben verfügen alle Standorte innerhalb der CURATOR AG über zusätzliche Zertifizierungen für die von uns auch ausgeübte Tätigkeit der Insolvenzverwaltung und damit über eine ganzheitlich geordnete Struktur sowie eine niedergeschriebene Ablauf- und Aufbauorganisation, die regelmäßig durch unabhängige Auditoren im Rahmen interner und externer Audits überprüft wird.

Die Zertifizierung ermöglicht es uns, noch flexibler unsere Prozesse ggf. auch in bestimmten Bereichen kurzfristig und optimal für unsere Mandanten anzupassen. Personenunabhängig sind wir durch die Zertifizierung in der Lage, die hohe Qualität unserer Arbeit für unsere Mandanten transparent zu gestalten und Kontinuität zu sichern.

Soziales Engagement

Weitere informationen zum verein perspektiven E.V. und zu den von uns unterstüzten massnahmen

Bereits vor Jahren haben sich unsere Partner über ihr berufliches Engagement hinaus auch für die Rechte der schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft eingesetzt. In diesem Bestreben haben sich insgesamt sieben mittelständische Unternehmer im Februar 2011 zusammengefunden und den Verein Perspektiven e.V. zur Unterstützung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher gegründet. Im Rahmen dieses Vereins werden Spendengelder sowohl durch Beiträge als auch durch Charity-Veranstaltungen generiert und dann auf direktem Wege zum Zwecke der Ausbildung oder der Förderung von Freizeitaktivitäten an Kinder und Jugendliche eingesetzt.

Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Verein hierbei zu 100% ehrenamtlich geführt wird und die Gelder gerade nicht einfach an Träger von Kinder- und Jugendheimen weitergeleitet, sondern gezielt und direkt zum Wohle der Kinder und Jugendlichen verwendet werden. Gerne unterstützen wir daher sowohl finanziell als auch durch unsere ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstände und Mitglieder im Verein Perspektiven e.V. die Ziele des Vereins und sorgen dafür, dass auch diesen Kindern eine positive Zukunftsperspektive aufgezeigt werden kann.

Weitere informationen zum verein perspektiven E.V. und zu den von uns unterstüzten massnahmen:

Logo Verein Perspektiven

Hilfe für die Ukraine

Der seit Februar 2022 währende Krieg in der Ukraine und die damit einsetzende Fluchtbewegung innerhalb Europas hat uns dazu bewogen, auch dort helfend aktiv zu werden. Gemeinsam mit weiteren Freunden, die teilweise selbst aus verschiedenen Regionen der Ukraine stammen, wurde der gemeinnützige Verein Ukraine Donation e.V. gegründet. Zweck des Vereins ist es Sach- und Geldspenden einzusammeln, um diese dann im Rahmen von eigens organisierten Hilfstransporten direkt nach Dnipro zu bringen. Dort werden Krankenhäuser, Kinderheime, aber auch ukrainische Flüchtlingsfamilien mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und - wenn benötigt - mit Kleidung versorgt. Teilweise kommen Familien mit wortwörtlich nichts als der eigenen Kleidung in Dnipro aus den unmittelbar von Kampfhandlungen betroffenen Regionen an. In diesem Zusammenhang erreichen uns dramatische Schicksale, gleichzeitig aber auch ungblaublich große Dankbarkeit der Zivilbevölkerung.

Ukraine Verein vor dem LKW

Deswegen möchten wir auch Sie dafür gewinnen, nach Ihren Möglichkeiten einen Beitrag für Menschen in größter Not zu spenden. Nähere Informationen finden Sie unter auf der Webseite UADONATION unseres Vereins.

Logo Verein Udonation

Wir stellen uns vor

Mit einem Klick erhalten Sie alle Infomation über das jeweilige PFO Mitglied

Bei uns finden Sie Berufsträger für die verschiedensten Fachgebiete, die sich in speziell für Ihren Fall zusammengestellten Teams um Sie kümmern.

Wir verstehen uns nicht nur als konstruktive aber auch kritische Prüfer, Berater und Ideengeber, sondern auch als visionäre Wegbereiter, die zu Lösungen anregen.

Klicken Sie auf ein Foto, um mehr über die jeweilige Person zu erfahren.

Niederlassungen

M N B

Wir haben Büros in München, Nürnberg und Berlin, um Sie erfolgreich und nahe an Ihrem Standort betreuen zu können.

München

Landsberger Straße 346, 80687 München
t +49-89-23806-0 f +49-89-23806-120
e muenchen@pfo-anwaelte.de

Nürnberg

Nordostpark 7-9, 90411 Nürnberg
t +49-911-59890-20 f +49-911-59890-49
e nuernberg@pfo-anwaelte.de

Berlin

Fasanenstraße 71, 10719 Berlin
t +49-30-484824-60 f +49-911-59890-95
e berlin@pfo-anwaelte.de

Curator

Um den wachsenden Anforderungen an die Betreuung von Insolvenzverfahren gerecht zu werden, agieren die Rechtsanwälte unserer Kanzlei, die auch als Insolvenzverwalter bestellt werden und tätig sind, seit dem 1.12.2012 unter der CURATOR AG - Insolvenzverwaltungen, an der wir als einer von zwei Gründungsgesellschafter beteiligt sind. Die CURATOR AG ist bundesweit tätig, und hier kooperieren allein für diesen Tätigkeitsbereich inzwischen 14 Insolvenzverwalter aus neun Kanzleien, die über ein interdisziplinäres Know How und ein umfassendes Netzwerk verfügen und die in einem engen Verbund in großen und komplexen Verfahren sich gegenseitig unterstützen.

Als Insolvenzverwalter und auch als Sachwalter im Rahmen von Eigenverwaltungen werden Dr. Stefan Oppermann, Alexander Kubusch, André Houben und Sirko Hampel regelmäßig von vielen Insolvenzgerichten bestellt und sind im Verbund der CURATOR AG tätig. Im Bereich der Insolvenzverwaltung sind alle unsere Standorte sowohl nach DIN ISO 9001:2015 als auch nach GOI (Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung) vom TÜV Austria zertifiziert und decken alle Bereiche der Insolvenzverwaltung ab. Sämtliche Verwalter sind dazu in der Lage, Verfahren jeder Größenordnung zu betreuen, Insolvenzpläne zu erarbeiten und (vorläufige) Eigenverwaltungen zu beaufsichtigen. Insolvenzrechtliche Beratungen von Gläubigern und die Begleitung von Schuldnern in Eingeverwaltungsverfahren erfolgen im Rahmen unserer anwaltlichen Tätigkeit in der PFO.

News

Wir halten Sie auf dem Laufenden mit aktuellen Informationen und hilfreichen News.

Download: Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft

Überblick

In einem Insolvenzverfahren sind im Ausgangspunkt alle Insolvenzforderungen gleichrangig. Sie werden in § 38 der Insolvenzordnung (InsO) über deren Gläubiger definiert. Danach ist nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger jeder persönliche Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Die wirtschaftlich wichtigsten Steuern aus dem Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens hebt § 55 Abs. 4 InsO allerdings systemwidrig in den Rang von (vorrangig zu befriedigenden) Masseverbindlichkeiten. Eine Herabstufung findet sich dagegen in § 39 InsO. Die Norm macht von der Regel des § 38 InsO einige Ausnahmen, so sind zum Beispiel nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO die nach Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen nachrangig. Die nachrangigen Forderungen werden erst bedient, wenn sämtliche nicht nachrangigen voll befriedigt sind, und haben daher kaum eine Chance auf Quotenzahlung. Nachrangig sind auch Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft.

Die Qualifikation eines Darlehens als Gesellschafterdarlehen ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Insolvenzrechtlich gewährt der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens, wie soeben erwähnt, nur eine nachrangige Insolvenzforderung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO. Die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens sowie seine Rückzahlung vor dem Insolvenzereignis führen unter den Voraussetzungen des § 135 InsO zur Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlungen.

Diese Regelungen greifen jedoch nicht bei allen Gesellschaftstypen ein, vielmehr bestimmt § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO:

„Absatz 1 Nr. 5 gilt [nur] für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“

Eine Ausnahme gilt nach Satz 2 der Vorschrift für sogenannte Sanierungskredite bis zur nachhaltigen Sanierung.

Ausgenommen sind nach § 39 Abs. 5 InsO auch nicht geschäftsführende Kleingesellschafter mit einer Beteiligung am Haftkapital von 10 % oder weniger.

Dagegen ist der Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO nicht auf Gesellschafterdarlehen im Wortsinne, also Darlehen eines Gesellschafters an „seine“ Gesellschaft, beschränkt, vielmehr erfasst er auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Die wirtschaftliche Entsprechung tritt dabei in zwei Varianten auf. Zum einen fallen hierunter Rechtshandlungen eines Gesellschafters, denen der wirtschaftliche Gehalt einer Darlehensvergabe zukommt, und zum anderen Darlehen von Dritten, die wegen ihrer Nähe zur Gesellschaft als „gesellschaftergleiche Dritte“ angesehen werden. Möglich ist daneben eine Kombination aus beiden Varianten.

Dies gilt insbesondere für Darlehen verbundener Unternehmen, wobei die Verbindung vertikal in der Weise bestehen kann, dass der Dritte an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist. Die Verbindung kann aber auch horizontal ausgebildet sein, wenn ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften - der das Darlehen annehmenden und der das Darlehen gewährenden Gesellschaft -beteiligt ist, und zwar an der letztgenannten in maßgeblicher Weise. Eine maßgebliche Beteiligung liegt vor, wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des darlehensgewährenden Unternehmens einen bestimmenden Einfluss ausüben kann. Bei der darlehensnehmenden Gesellschaft muss die Beteiligung lediglich über dem Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO liegen, was auch bei mittelbaren Beteiligungen gilt. Kombination der horizontalen und vertikalen Verbindungen sind möglich.

Zu entscheiden war vorliegend ein Fall, bei dem es um Einordnung des Darlehensgebers als gesellschaftergleicher Dritter im dargestellten Sinne ging.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer A-GmbH, deren Alleingesellschafter und bis 2016 auch Geschäftsführer HA war. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter der A-GmbH & Co. KG (KG), über deren Vermögen auf Antrag vom 10.11.2014 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Alleiniger Kommanditist der KG war BA, ihre Komplementärin war – wie nicht unüblich - ohne Beteiligung am Haftkapital die A-Beteiligungs-GmbH, deren Gesellschafter wiederum zu 10 % HA und zu 90 % BA waren.

Die A-GmbH hatte der KG 2010 ein Darlehen gewährt, das bei deren Insolvenzeröffnung mit rund 90.000 € valutierte. Diese Forderung hatte die A-GmbH zur Insolvenztabelle der KG als nicht nachrangige Insolvenzforderung angemeldet, der Beklagte hatte sie unter anderem deshalb bestritten, weil sie nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sei.

Mit seiner Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle im Rang des § 38 InsO hatte der Kläger weder vor dem Landgericht noch dem Oberlandesgericht Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision zwar wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, die Revision aber im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen. Die Forderung des Klägers sei nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO.

Die Begründung des BGH

Mangels einer natürlichen Person als haftender Gesellschafter fiel die KG unter die von § 39 Abs. 4 InsO definierten Gesellschaften.

Zudem war HA alleiniger Gesellschafter der das Darlehen gebenden A-GmbH. Er konnte damit bestimmenden Einfluss auf die Gewährung oder auf den Abzug des streitgegenständlichen Darlehens durch die A-GmbH ausüben.

Seine Beteiligung an der KG habe ebenfalls für eine horizontale Verbindung ausgereicht, so der BGH. HA sei zwar nicht unmittelbarer Gesellschafter der KG gewesen, aber mit einem Anteil von 10% an deren Komplementär-GmbH beteiligt gewesen und dadurch deren mittelbarer Gesellschafter. Zudem sei er bis zum 12.08.2014 auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin gewesen. Dies genüge für die Annahme einer Verbindung des HA, welche die Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen rechtfertige.

Diese Frage sei allerdings in der juristischen Literatur umstritten.

Eine Ansicht nehme an, dass der Gesellschafter der Komplementär-GmbH als mittelbarer Gesellschafter der GmbH & Co. KG auch dann in das Gesellschafterdarlehensrecht einbezogen sein kann, wenn er, wie vorliegend HA, nicht zugleich – als Kommanditist – an der KG beteiligt sei, aber über die Komplementär-GmbH mittelbar an der KG eine die Kleinbeteiligungsschwelle überschreitende Beteiligung an der schuldnerischen Gesellschaft halte. Daran fehle es, wenn die Komplementär-GmbH wie vorliegend nicht am Haftkapital der GmbH & Co. KG beteiligt sei. In diesem Fall reiche auch die Geschäftsführerstellung in der Komplementär-GmbH nicht für eine Einbeziehung in das Gesellschafterdarlehensrecht aus. Nach dieser Auffassung könnte die Forderung der A-GmbH im Rang des § 38 InsO zur Tabelle angemeldet werden.

Nach anderer Ansicht sei nicht erheblich, ob die Komplementär-GmbH am Haftkapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Nach dieser Auffassung wäre die Darlehensrückforderung der A-GmbH nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO folglich nachrangig.

Der BGH selbst hatte bislang nur den umgekehrten Fall entschieden und eine maßgebliche Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft angenommen. Er hatte dort die Stellung als (Allein-)Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der als GmbH & Co. KG verfassten Darlehensgeberin unabhängig von einer Kapitalbeteiligung der GmbH an der KG für ausreichend gehalten.

Gehe es jedoch um eine mittelbare Beteiligung an der darlehensnehmenden Gesellschaft, so der BGH jetzt, bedürfe es keines bestimmenden Einflusses. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO erfasse Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprächen. Wer Gesellschafter im Sinn des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nummer 5 Variante 1 InsO sei, richte sich in erster Linie nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben. Gesellschafter seien daher alle an der Schuldnerin unmittelbar beteiligten formalen Gesellschafter. Ein Kapitalanteil an der Gesellschaft sei nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt. Nach § 39 Abs. 5 InsO unterliege zudem ein geschäftsführender Gesellschafter auch bei gänzlich fehlender Beteiligung am Haftkapital dem Gesellschafterdarlehensrecht.

Zwar liege der tragende Grund der Nachrangigkeit darin, dass der Gesellschafter eine Geschäftstätigkeit (fremd-)finanziere, die ihm mittelbar über seine Stellung als Gesellschafter zugutekomme. Dazu bedürfe es aber nicht zwingend eines Kapitalanteils. Das für die Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts erforderliche Eigeninteresse könne auch in einer Lenkung der Geschäftstätigkeit zum Ausdruck kommen.

Für die vorliegend zu beurteilende mittelbare Beteiligung über die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gelte nichts anderes.

Im Streitfall habe danach eine hinreichende Verbindung zur darlehensnehmenden KG bestanden. Unerheblich sei ferner, dass HA im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG nicht mehr Geschäftsführer deren Komplementär-GmbH gewesen sei. Der damit verbundene Rückfall auf das Kleinbeteiligtenprivileg wäre nach der Rechtsprechung des BGH nur dann bedeutsam, wenn er, wie hier gerade nicht, vor Beginn des letzten Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG eingetreten wäre.

Download: Anfechtungsrechtliche Rechtsfolgen einer wegen Vorfristigkeit inkongruenten Leistung des Schuldners

Allgemeines

Die Insolvenzanfechtung dient der Masseanreicherung zum Zweck der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Für den betroffenen Anfechtungsgegner bedeutet sie dagegen einen harten Einschnitt in sein Vermögen, denn bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen hat er das an die Masse zurückzugewähren, was anfechtbar weggegeben wurde.

Jede Insolvenzanfechtung verlangt eine Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die die Gläubiger im Allgemeinen benachteiligt („objektive Gläubigerbenachteiligung“). Hinzukommen muss zu diesen in § 129 der Insolvenzordnung (InsO) niedergelegten Prämissen die Erfüllung eines der in §§ 130 bis 137 InsO Anfechtungstatbestände. Die in der Praxis wesentlichen Anfechtungstatbestände sind die Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 InsO und inkongruenter Deckungen gemäß § 131 InsO, die Vorsatzanfechtung im Sinne des § 133 InsO, die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO und die Anfechtung der Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen im Sinne des § 135 InsO.

Die Anfechtungsfrist der §§ 130 und 131 InsO ist recht kurz, angefochten werden können hiernach Rechtshandlungen aus den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag. Nach § 133 InsO unterliegen kongruente Rechtshandlungen aus den letzten vier Jahren, inkongruente Rechtshandlungen sogar aus den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag der Anfechtung.

Die Voraussetzungen der §§ 130 und 131 InsO unterscheiden sich ganz wesentlich danach, ob eine kongruente oder inkongruente Deckung angefochten werden soll. Aber auch im Zusammenhang mit § 133 InsO ist die Abgrenzung von Bedeutung, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Inkongruenz ein erhebliches Beweisanzeichen für den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners abgibt, wenn die Liquiditätslage des Schuldners zurzeit Rechtshandlung beengt war.

Der Grund für diese Sicht auf inkongruente Rechtshandlungen liegt in ihrer besonderen Verdächtigkeit. Ein Gläubiger, so die Gesetzesbegründung, der eine ihm nicht (oder nicht so oder nicht zu der Zeit, Ergänzung des Verfassers) zustehende Leistung erhält, erscheint weniger schutzwürdig als ein Gläubiger, dem eine kongruente Deckung gewährt wird.

Die Kongruenzanfechtung nach § 130 InsO verlangt, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Rechtshandlung zahlungsunfähig war und der Anfechtungsgegner dies positiv wusste oder dass – bei Rechtshandlungen nach dem Insolvenzantrag, aber vor Eröffnung des Verfahrens – der Anfechtungsgegner positive Kenntnis vom Insolvenzantrag hatte. Diese subjektiven Voraussetzungen sind häufig für den beweispflichtigen Insolvenzverwalter schwer nachzuweisen.

Die Anfechtung inkongruenter Deckungen nach § 131 InsO ist deutlich niederschwelliger. Bei Rechtshandlungen aus dem letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag reicht bereits die Inkongruenz aus, ohne dass weitere subjektive oder objektive Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Liegt die Handlung im zweiten oder dritten Monat vor dem Antrag, muss zur Inkongruenz nur die objektive Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinzukommen. Weitere subjektive Voraussetzungen sind auch hier nicht gefordert. Daran wird deutlich, dass die Anfechtung nach § 131 InsO für den Insolvenzverwalter deutlich einfacher ist als diejenige nach § 130 InsO.

Wann eine Rechtshandlung inkongruent ist, definiert § 131 Abs. 1 InsO wie folgt:

„Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.“

Ein Beispiel für „nicht zu beanspruchen“ ist die Besicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs, wenn eine solche bei der Darlehensvergabe nicht vereinbart worden war. Der Gläubiger einer Kaufpreisforderung kann ausschließlich deren Bezahlung verlangen, erlangt er Befriedigung durch Zwangsvollstreckung, ist diese inkongruent, weil er die Befriedigung „in dieser Art“ nicht verlangen konnte.

Eine Deckung ist „nicht zu der Zeit zu beanspruchen“, wenn der Gläubiger sie früher erhält als geschuldet, wenn also der Anspruch darauf im Zeitpunkt der Erfüllung entweder noch nicht fällig oder befristet war. Soll durch Banküberweisung der Eingang der Zahlung beim Gläubiger am Fälligkeitstag sichergestellt werden, ist dies nach bisher herrschender Meinung im Hinblick auf die Unwägbarkeit der Überweisungsdauer nur inkongruent, wenn die Überweisung mehr als fünf Tage vor der Fälligkeit erfolgt.

Welche Rechtsfolgen mit der Anfechtung einer vorfristigen Deckung verbunden sind, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht abschließend entschieden. Höchstrichterlich geklärt war nur, dass eine wegen verfrühter Leistung inkongruente Zahlung die Gläubiger in voller Höhe benachteiligt und daher vollständig zurückzugewähren ist, wenn noch vor Eintritt der Fälligkeit ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist, der Schuldner also ohne dessen Zustimmung bei Fälligkeit nicht mehr hätte leisten können. Ob in Fällen, bei denen der Schuldner bei Fälligkeit noch uneingeschränkt verfügungsbefugt war, lediglich der Zwischenzins bis zum Fälligkeitszeitpunkt, der in aller Regel keinen nennenswerten Betrag ausmacht, verlangt werden kann oder Rückgewähr der gesamten Leistung, hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Insolvenzordnung bislang ausdrücklich offengelassen. In der juristischen Literatur ist die Frage umstritten.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 15.08.2017 am 01.11.2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. Co. KG (Schuldnerin). Das LuftfahrtBundesamt leitete eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen die Fluggastrechte-VO gegen die Schuldnerin ein. In Bezug auf weitere Anzeigen von Fluggästen vereinbarte die Schuldnerin mit dem Luftfahrt-Bundesamt am 19.06.2017, dass insgesamt 295 Bußgeldbescheide im Gesamtumfang von 2.308.000 € zuzüglich Gebühren und Auslagen ergehen würden, mit denen die Altfälle abgegolten sein sollten. Die Schuldnerin erklärte sich bereit, diese Bußgeldbescheide zu akzeptieren und keine Einsprüche einzulegen. In der Folge ergingen die angekündigten Bußgeldbescheide, auf welche die Schuldnerin zuzüglich Gebühren und Auslagen Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.424.432,50 € leistete. Zahlungen in Höhe von 429.000 € erbrachte die Schuldnerin im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorfristig.

Der Kläger hat diese Zahlungen, soweit im Revisionsverfahren noch streitgegenständlich, unter dem Gesichtspunkt der inkongruenten Deckung gemäß § 131 InsO angefochten. Das Landgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Zahlungen aus dem letzten Monat vor dem Insolvenzantrag nebst Zinsen. Der BGH gibt ihm Recht.

Die Begründung des BGH

Der BGH entscheidet jetzt, dass entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts die Masse aufgrund der verfrühten Zahlungen nicht nur um entgangene Nutzungsvorteile (entgangener Zwischenzins) geschmälert worden sei, weshalb die geleisteten Zahlungen als solche, mithin in voller Höhe, zurückgewährt werden müssten.

Allerdings habe der BGH es als Frage der Zurechenbarkeit angesehen, ob die wenige Tage nach Zahlung eingetretene Fälligkeit einer Anfechtung in voller Höhe des Zahlungsbetrags entgegenstehe. Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum unterliege die verfrühte Leistung grundsätzlich im Ganzen, auch als Geldzahlung, nicht etwa nur hinsichtlich des Zwischenzinses, der Anfechtung. Nach der Gegenauffassung solle nur Nutzungsersatz („Zwischenzins“) für die Zeitspanne zu zahlen sein, in der der Anfechtungsgegner keinen Anspruch auf die Leistung gehabt habe.

Der BGH schließt sich der überwiegenden Auffassung im Schrifttum an. Hierfür sprächen Wortlaut, Regelungszusammenhang sowie Sinn und Zweck der Anfechtungsvorschriften. Rechtsfolge des § 131 Abs. 1 InsO sei die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung. Eine Unterscheidung nach der Art der Inkongruenz sehe das Gesetz nicht vor. Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben sei, müsse gemäß § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Inkongruenzanfechtung einer verfrühten, nicht zu der Zeit zu beanspruchenden Leistung ziele darauf ab, einem so bevorzugten Gläubiger den ihm gewährten Vorteil vor den anderen Gläubigern wieder zu nehmen und dadurch die Gläubigergleichbehandlung herbeizuführen. Der Vorteil für den Gläubiger aber bestehe in der ganzen Leistung. Der Abzug des Zwischenzinses behebe für sich allein die Inkongruenz der verfrühten Zahlung nicht. Auch könne der Umstand, dass die vorzeitig getilgte Schuld doch noch vor Eröffnung durch Vereinbarung fällig geworden sein möge, die Anfechtbarkeit nicht rückwirkend zu beseitigen.

Download: Autowaschanlage reißt Heckspoiler ab – Haftung des Betreibers

Allgemeines

Aus einem schuldrechtlichen Vertrag, zum Beispiel einem Kauf- oder Werkvertrag, obliegt den Parteien in erster Linie die Erfüllung der Hauptpflichten. Diese sind etwa beim Kaufvertrag gemäß § 433 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Pflicht des Verkäufers, die Kaufsache zu übergeben und dem Käufer das Eigentum daran zu verschaffen, wohingegen der Käufer die Pflicht zur Kaufpreiszahlung und zur Abnahme der Kaufsache hat. Die Parteien können aber auch sogenannte Nebenpflichten treffen, insbesondere Schutz- und Obhutspflichten treffen, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen kann.

Derjenige, der eine Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschanlage - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer, etwa der Nutzer der Waschanlage - möglichst zu verhindern. Daher hat der Betreiber einer Waschanlage dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die danach erforderliche Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere, insbesondere seine Kunden vor Schäden zu bewahren. Offensichtlich ist allerdings auch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend entgegengewirkt werden kann.

Im Allgemeinen kommt eine Haftung jedoch nur in Betracht, wenn schuldhaft gehandelt wird, das heißt fahrlässig oder vorsätzlich. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Grundsätzlich trägt der Geschädigte, der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs, die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung kausal für den Schadenseintritt war. Steht dies fest, bestimmt § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass der Schädiger sich hinsichtlich des Verschuldens entlasten muss, das Gesetz vermutet hier also widerleglich das Verschulden.

Abweichend von dieser regelmäßigen Beweislastverteilung bei der Pflichtverletzung und der Schadenskausalität ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus - nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten hat, sondern er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen. In einem solchen Fall braucht der Geschädigte daher nur den Schaden und seine Entstehung im Bereich des Schädigers nachzuweisen.

Diese Beweislastverteilung ermöglicht eine deutlich erleichterte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei der Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten durch den Vertragspartner.

Der zu entscheidende Fall

Die Beklagte betreibt eine sogenannte Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das, soweit hier von Interesse, wie folgt lautet

"Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen

Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz."

Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: "Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!".

Der Kläger fuhr im Juli 2021 mit seinem PKW – Land Rover, Modell Range Rover Sport HSE – in die Waschanlage der Beklagten. Das Fahrzeug war serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattet, einem am hinteren Ende des Fahrzeugdachs, horizontal über der nach unten abfallenden Heckscheibe, bündig in der Karosserie sitzenden Bauteil. Der Kläger verließ sein Fahrzeug und startete den Waschvorgang ordnungsgemäß. Während des Waschvorgangs wurde der Spoiler abgerissen, was einen Schaden am Fahrzeug verursachte.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz der ihm entstandenen Schäden, nämlich

  • Reparaturkosten, 2.372,53 €
  • Merkantiler Minderwert, 200,00 €
  • Gutachterkosten, 621,78 €
  • Auslagenpauschale, 25,00 €
  • Nutzungsausfallentschädigung für den Tag der Reparatur, 119,00 €.

Das wegen des unter 5.000,00 € liegenden Streitwerts zuständige Amtsgericht (AG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, das Landgericht (LG) hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf die Revision des Klägers das Urteil des AG wiederhergestellt.

Die Begründung des BGH

Der BGH sieht die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die auf dem außer Streit stehenden Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen beruhen, sei es zu der Schädigung gekommen, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet sei, falle in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers, also der Beklagten.
Aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursachen für diesen Schaden seien nicht ersichtlich. Das Fahrzeug des Klägers sei vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden gewesen. Der Kläger habe daher berechtigt darauf vertrauen dürfen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde.

Dieses Vertrauen sei insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben könne, der Kunde habe hierauf keinen Einfluss. Ihm sei es regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen zu identifizieren, die konstruktionsbedingt nicht geeignet seien, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.

Dem Kläger stehe gemäß §§ 631, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs zu.

Die Beklagte habe die gegen sie streitende Vermutung der Pflichtverletzung (siehe oben) nicht widerlegt und den ihr gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt. Sie hätte darlegen und beweisen müssen, dass sie die konstruktionsbedingte Inkompatibilität weder kannte noch kennen musste oder sie alles Erforderliche und Zumutbare unternommen habe, um das Einfahren eines Fahrzeugs in ihre Waschanlage zu verhindern, für das diese Anlage konstruktionsbedingt nicht geeignet sei. Dies habe sie nicht getan.

Die Beklagte - die sich ausweislich der in der Waschanlage angebrachten Schilder der Gefahr einer Beschädigung insbesondere von Heckspoilern grundsätzlich bewusst gewesen sei - habe schon nicht dargelegt, sich darüber informiert zu haben, für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet sei. Ebenso wenig habe sie dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hätte, auf deren Grundlage die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs vermieden worden wäre. Dass es bislang keinen entsprechenden Schadensfall gegeben habe, entlaste sie nicht.

Die Beklagte habe sich auch nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet.

Das in der Anlage angebrachte, mit "Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen" überschriebene Schild reiche als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur "nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (...) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.)" erwähne. Am Fahrzeug des Klägers habe der Heckspoiler jedoch zur Serienausstattung gehört. Der Hinweis sei folglich sogar geeignet, das Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Funktion der Anlage zu stärken.

Der Zettel mit der Aufschrift "Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!" sei angesichts des darüber befindlichen Schildes unklar und stelle keinen ausreichenden Hinweis dar.

Download: Unlauterkeit des Schuldners beim Bargeschäft

Allgemeines

Die Insolvenzanfechtung dient der Anreicherung der Masse mit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weggegebenen Vermögensgegenständen des Schuldners. Anfechtbar sind Rechtshandlungen, die die Gläubigergesamtheit benachteiligen, wenn zusätzlich die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt sind. Die Anfechtungstatbestände finden sich in den §§ 130 bis 137 der Insolvenzordnung (InsO). Anfechtbar sind danach zum Beispiel Deckungshandlungen aus den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag, inkongruente Deckungen nach § 131 InsO unter erleichterten Bedingungen, kongruente Deckungen nach § 130 InsO unter strengeren Voraussetzungen. Hat der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt, seine Gläubiger zu benachteiligen, und wusste der Anfechtungsgegner um diesen Vorsatz, können Rechtshandlungen angefochten werden, die bis zu vier Jahren, bei Inkongruenz sogar bis zu zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind.

Die drohende Insolvenzanfechtung kann allerdings auch dazu führen, dass ein finanziell schlecht gestellter Marktteilnehmer Schwierigkeiten bei der Suche nach Geschäftspartnern hat, da diese um den dauerhaften Erhalt der für ihre Leistung durch den Schuldner bewirkten Gegenleistung fürchten müssen. Dem sucht die Norm des § 142 InsO entgegenzuwirken, die sogenannte Bargeschäfte, die allerdings bei inkongruenten Deckungen im Sinne des § 131 InsO nie gegeben sind, von der Anfechtung ausnimmt:

§ 142 Bargeschäft

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) 1Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. 2Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. 1Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

Der Grund für dieses Bargeschäftsprivileg liegt nach der Gesetzesbegründung darin, „dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen.“ Geschützt werden sollen dadurch die Geschäftspartner des Schuldners bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 InsO in ihrem Vertrauen darauf, die Gegenleistung des Schuldners behalten zu dürfen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm eine wirtschaftliche Gesamtbewertung vorgenommen, die der Sicherheit des Geschäftsverkehrs den Vorrang vor der Masseanreicherung einräumt, wenn nicht die strengen Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO vorliegen und zusätzlich der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat.

Daraus folgt zwangsläufig, dass die Unlauterkeit mehr voraussetzt als den Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 InsO. Was genau hierfür zu verlangen ist, regelt § 142 InsO nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisiert nun mit der Besprechungsentscheidung die Anforderungen an diesen Begriff. Er hat seinem Urteil die folgenden Leitsätze vorangestellt:

1. Ein Schuldner handelt bei einem Bargeschäft unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung eines Bargeschäfts handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.

2. Ein unlauteres Handeln liegt nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte ist einer von drei Kommanditisten der Schuldnerin.

Die Schuldnerin war als Dienstleisterin im Baugewerbe tätigt. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel.

Seit Beginn des Jahres 2017 erbrachte der Beklagte aufgrund vertraglicher Vereinbarung Dienstleistungen (Bauleitung und -überwachung) für die Schuldnerin. Seine Leistungen wurden jeweils im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet, so mit Rechnungen vom 03.05.2019 und 04.06.2019. Im Übrigen ergab sich folgender zeitlicher Ablauf:

31.01.2019
Die H, eine Gläubigerin der Schuldnerin, stellte dieser zwei Rechnungen über insgesamt 43.903,90 €. Die Schuldnerin bezahlte nicht. Daraufhin mahnte die H sie wiederholt.

17.05.2019
Die H drohte mit Klageerhebung.

29.05.2019
Der Geschäftsführer der Schuldnerin teilte deren Gesellschaftern, darunter dem Beklagten, mit, dass ein Liquiditätsbedarf von 600.000 € bestehe, und forderte die Kommanditisten auf, bis zum 11.07.2019 jeweils 200.000 € einzuzahlen. Andernfalls könnten weder Gläubiger bedient noch neue Verbindlichkeiten begründet werden. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

31.05.2019
Die Schuldnerin zahlte trotz der Ankündigung, keine Zahlungen zu leisten, an diesem Tag und am 21.06.2019 insgesamt 188.640,53 €, darunter 63.599,54 € an den Beklagten für Rechnungen vom 03.05.2019 und 04.06.2019.

12.06.2019
Die Schuldnerin zahlte weiterhin teilweise auf die Forderungen der H, sodass zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags eine Restforderung dieser Gläubigerin von 24.817,54 € offenstand.

25.08.2019
Die Schuldnerin stellte einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.

01.11.2019
Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.

Der Kläger verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung die Erstattung der Zahlungen an den Beklagten.

Das Landgericht gab der Klage weitgehend statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.

Die Begründung des BGH

Die Zahlungen an den Beklagten lagen zwar im Anfechtungszeitraum des § 130 InsO, seien aber dennoch nicht § 130 InsO als kongruente Deckungshandlungen anfechtbar, weil es sich jeweils um Bargeschäfte nach § 142 InsO gehandelt habe.

Die allgemeinen Voraussetzungen des § 142 InsO seien gegeben. Es habe ein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung vorgelegen, der nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt sei. Die Schuldnerin habe die erbrachten Dienstleistungen des Beklagten aufgrund der monatlich unmittelbar nach der Leistungserbringung erfolgten Rechnungsstellung jeweils innerhalb von 30 Tagen bezahlt. Die so bezahlten Leistungen des Beklagten seien gleichwertig gewesen.

Auch auf die Grundsätze der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen, da ein unlauteres Handeln der Schuldnerin nicht festgestellt werden könne.

Die Schuldnerin habe zwar die Zahlungen mit dem Beklagten bekannten Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen, die erforderliche Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns sei jedoch nicht gegeben.

In der juristischen Literatur sei allerdings umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein unlauteres Handeln des Schuldners im Sinne des § 142 InsO anzunehmen sei. Einigkeit bestehe nur insoweit, dass Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienten, unlauter seien. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung würden als Beispiele insbesondere die Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger oder die Abstoßung von für die Unternehmensfortführung notwendigem Betriebsvermögen in der Absicht, den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen, genannt. Umstritten sei dagegen, ob unterhalb dieser Schwelle Unlauterkeit zu bejahen sei.

Der BGH entscheidet, dass der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter handele, wenn es weniger um die Abwicklung von Bargeschäften gehe als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies komme in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führe oder dazu genutzt werde, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.

Der Gesetzgeber der Aktuellen Fassung des § 142 InsO habe an die Rechtsprechung zur Absichtsanfechtung nach § 31 der früheren Konkursordnung angeknüpft, wonach Benachteiligungsabsicht in Fällen, in denen der Anfechtungsgegner nur erhielt, was ihm rechtlich gebührte, insbesondere dann anzunehmen gewesen sei, wenn sich ergab, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Pflichten oder auf Erlangung weiterer Kredite ankam, sondern mehr auf die Schädigung der übrigen Gläubiger. Eine Handlung, durch die einer Rechtspflicht genügt werde, könne durch den Zweck, auf den sie gerichtet sei, unlauteren Charakter bekommen. In solchen Fällen sei das die Handlung des Schuldners bestimmende Motiv maßgebend für ihre Charakterisierung.

Deshalb erfordere das Merkmal des „unlauteren Handelns“ mehr als das Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können.

Danach komme unlauteres Verhalten in verschiedenen Fallgestaltungen in Betracht:

  • Unlauter könne ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für Gegenleistungen sein, die nicht zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich seien, insbesondere bei einem bargeschäftlichen Einsatz von Vermögen für Leistungen, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können, etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder der Abstoßung von für die Betriebsfortführung notwendigem Vermögen, wenn der Schuldner den Gegenwert den Gläubigern entziehen will.
  • Eine gezielte Benachteiligung von Gläubigern und damit unlauteres Handeln könne ferner vorliegen, wenn es dem Schuldner (statt auf die Erfüllung einer bestehenden vertraglichen Pflicht aus dem Bargeschäft) auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankomme, etwa um den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten. Gleiches könne gelten, wenn ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch im Vorfeld eines als unabwendbar erkannten und vom Schuldner beabsichtigten Insolvenzantrags erfolge oder für eine Sanierungsberatung für einen untauglichen Sanierungsversuch.
  • Ein unlauteres Verhalten kommt weiter in Betracht, wenn der Schuldner nahestehende Personen im Sinne des § 138 InsO besser behandele als andere Gläubiger. Hier sprächen die objektiven Umstände dafür, dass bestimmendes Motiv für die Erfüllung der Forderung das persönliche oder gesellschaftsrechtliche Näheverhältnis sei. Gleiches gelte, wenn einer nahestehenden Person gezielt letzte Vermögenswerte übertragen würden oder wenn der bargeschäftliche Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen dazu eingesetzt werde, Waren und Leistungen an den Schuldner abzusetzen, um dessen verbleibende Vermögenswerte auf das liefernde Unternehmen überzuleiten.

Das fortlaufende Erwirtschaften von Verlusten reiche dagegen ebenso wenig wie das Verletzen der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO oder der Massesicherungspflicht nach § 15b InsO. Ersteres ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung, Letzteres aus der Rechtsprechung des BGH, die die Verletzung der Antragspflicht für sich genommen schon nicht ausreichen lasse, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu begründen. Um so weniger könne sie deshalb Grundlage der Unlauterkeit sein.

Da der Kläger sich vorliegend allein darauf berufen habe, dass die Schuldnerin einen verlustträchtigen Betrieb fortsetzte, könne dies keine Unlauterkeit der Zahlungen an den Beklagten begründen.

Bei der bezahlten Bauleitung und -überwachung der Bauprojekte der Schuldnerin handele es sich nicht um ein neu in der Krise mit einem Gesellschafter abgeschlossenes Geschäft, sondern um die unveränderte Fortsetzung einer laufenden Geschäftsbeziehung, die für die Unternehmensfortführung notwendig gewesen sei.

Die Geschäftsführung habe die Schuldnerin bei Mitwirkung der Gesellschafter und der Gläubiger für grundsätzlich sanierungsfähig gehalten. Erkennbar gescheitert sei die Sanierung zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen (noch) nicht gewesen.

Dass sich die Schuldnerin an den im Schreiben vom 29.05.2019 angekündigten Zahlungsstopp nicht gehalten habe, begründe für sich genommen keine Unlauterkeit. Ein darin möglicherweise liegender Verstoß gegen das gesetzliche Zahlungsverbot aus § 15b InsO genüge hierfür allein, wie dargelegt, nicht.

Entscheidend gegen Unlauterkeit spreche, dass die Zahlungen für Leistungen erfolgten, die für den Fortgang der Bauprojekte der Projektgesellschaften essentiell gewesen seien und damit unmittelbar dazu gedient hätten, den einstweiligen Fortbestand des Geschäftsbetriebs während laufender Sanierungsbemühungen zu sichern.

Es sei schließlich nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin den Beklagten als Gesellschafter gegenüber anderen, der Schuldnerin nicht nahestehenden Gläubigern bevorzugt behandelt habe. Sie habe vielmehr im Zeitraum vom 31.05. bis zum 21.06.2019 nicht nur die Rechnungen des Beklagten, sondern zugleich Rechnungen verschiedener anderer Gläubiger beglichen. Es sei nicht festgestellt, dass der Beklagte auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, entgegen dem angekündigten Zahlungsstopp Zahlungen fortzusetzen, eingewirkt hätte.

Allgemeines

Nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) steht dem Arbeitgeber grundsätzlich ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zu:

1Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. 2Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. 3Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“

Der Arbeitgeber kann das Weisungsrecht allerdings nicht schrankenlos ausüben, vielmehr hat er bei der Erteilung von Weisungen billiges Ermessen zu wahren. Dessen Beurteilung kann insbesondere dann Schwierigkeiten bereiten, wenn der Arbeitgeber sachliche, betriebliche Gründe für die Weisung benennen kann, der Arbeitnehmer aber starke und berechtigte Interessen an ihrem Unterbleiben hat, beispielhaft, wenn die angewiesene Tätigkeit seinen Gesundheitszustand gefährdet.

Ein Beispiel für eine derartige Weisung ist die Erlaubnis, ganz oder teilweise im Homeoffice zu arbeiten, und deren Widerruf. Hierum geht es im Besprechungsfall.

Der zu entscheidende Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers auf einen 500 km entfernten Dienstort und einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung. Die Beklagte ist Zulieferer und Dienstleister im industriellen, insbesondere im Automotive-Bereich. Der 1969 geborene Kläger ist ledig und hat keine Unterhaltspflichten. Seit Anfang 2017 ist er zunächst als „Leiter Planung und Projektmanagement, seit April 2018 als „Fachbereichsleiter UTW, Planung und Projektmanagement“ am Standort der Beklagten in O. beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung beträgt 7.299 €. Zu 80 % arbeitet er im Homeoffice.

Nach dem Arbeitsvertrag bezieht sich sein Einsatzbereich auf den gesamten Bereich der Unternehmensgruppe der Beklagten. Nach Schließung ihres Standorts in O. versetzte die Beklagte den Kläger schriftlich an ihren – 500 km entfernten – Standort in M. Im selben Schreiben wies sie darauf hin, dass die übrigen vertraglichen Bedingungen bestehen bleiben, aber die Tätigkeit nunmehr im Betrieb in M. zu erbringen ist. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag übersandte die Beklagte für den Fall der Unwirksamkeit der Versetzung eine ordentliche Kündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis mit veränderten Bedingungen am Standort M. fortzusetzen (sogenannte Änderungskündigung). Dieses Angebot lehnte der Kläger ab.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine Versetzung an den Standort M. unwirksam ist, und hilfsweise – für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag –, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet wird.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln gab der Kündigungsschutzklage statt. Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Berufung, die jedoch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln keinen Erfolg hatte.

Die Begründung des LAG Köln

Das LAG hält beide Klageanträge für begründet, weil die Beklagte bei der Ausübung ihres Weisungsrechts die nach § 106 GewO zu beachtende Grenze des billigen Ermessens bezüglich der Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice zu erbringen, nicht eingehalten habe.

Der Arbeitgeber könne nach § 106 GewO grundsätzlich einseitig, also ohne Zustimmung des Arbeitnehmers und notfalls gegen dessen Willen die Einzelheiten der Dienste in fachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht konkretisieren und gegebenenfalls auch ändern. Die Grenzen dieses Rechts ergäben sich unter anderem aus § 106 Satz 3 GewO. Bezüglich der Versetzung nach M. sei eine Verletzung dieser Grenzen nicht zu erkennen.

Im Hinblick auf den mit der Versetzung nach M. verbundenen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis habe die Beklagte sich dagegen nicht an die Grenzen des billigen Ermessens gehalten. Diese Grenzen seien nur gewahrt, wenn der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und dabei die beiderseitigen Interessen gewahrt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Kläger habe ein erhebliches Bestands- und Ortinteresse. Er sei familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet (genauere Angaben finden sich in der Entscheidung nicht). Diese Interessen würden nicht durch diejenigen der Beklagten überwogen. Der Kläger habe zu seinem Arbeitsablauf unbestritten vorgetragen, der Kontakt zu den Kunden geschehe projektbezogen vor Ort, bis dahin per Telefon und Computer. Er, der Kläger, betreue in erheblichem Umfang auch Kunden mit weit entferntem Sitz, sogar im Ausland. Für die Kunden sei unerheblich, ob er vom Standort in O. oder M. agiere.

Die Beklagte habe dagegen nachvollziehbar nur zu ihrer Entscheidung vorgetragen, den Standort in O. zu schließen. Ihre Argumentation, es sei Teil des Unternehmenskonzepts und der Arbeitskultur der Firma, dass grundsätzlich mit den Kollegen vor Ort gearbeitet werde, habe sie selbst nicht durchgehend befolgt. Zudem habe sie dieses Konzept nicht an der konkreten Aufgabe des Klägers gemessen. Sie habe nicht dargelegt, welche Tätigkeiten der Kläger nur vor Ort ausüben könne.

Zusammengefasst sei die Betriebsschließung und die Zuweisung des Klägers nach M. nicht nur sachgerecht, sondern folge einem dringenden betrieblichen Bedürfnis. Das gelte aber nicht für den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis. Damit hatte die Klage mit dem ersten Antrag Erfolg.

Auch der zweite Antrag sei begründet. Aus den dargestellten Gründen fehle es hinsichtlich der Homeoffice-Regelung an einer nachvollziehbaren Organisationsentscheidung der Beklagten. Vor diesem Hintergrund hätte es ausgereicht, den unverhältnismäßigen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis zu unterlassen und den Kläger bei ansonsten unveränderten Bedingungen statt dem Betrieb in O. demjenigen in M. zuzuordnen. Im Hinblick darauf und mangels geeigneter Organisationsentscheidung fehle der (Änderungs)Kündigung das notwendige dringende betriebliche Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Die Kündigung konnte daher keinen Bestand haben, sondern war unwirksam.

Nach einer Pressemitteilung ist das Urteil des LAG Köln rechtskräftig.

Download: Anscheinsbeweis für private Fahrzeugnutzung betrieblicher Fahrzeuge

Überblick

Die steuerrechtlichen Folgen vermeintlicher oder tatsächlicher privater Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge bieten sehr häufig Anlass für streitige Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die private Nutzung eines Fahrzeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Die Vorschrift ist auch für Leasingfahrzeuge anzuwenden.

Fehlt es mangels privater Nutzung an einer Entnahme, ist die Bewertungsregel in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anzuwenden. Im Streitfall muss das Gericht sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat. Für eine private Nutzung spricht allerdings nach der Rechtsprechung der sogenannte Beweis des ersten Anscheins. Der Beweis des ersten Anscheins (auch prima-facie-Beweis) ist nicht gesetzlich geregelt, aber gewohnheitsrechtlich anerkannt. Er erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis zum Beispiel eines ursächlichen Zusammenhangs ohne exakte Tatsachengrundlage allein auf Grund von Erfahrungssätzen, mithin auf Basis der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Beweis des ersten Anscheins kann erschüttert werden.

Bezogen auf die private Fahrzeugnutzung bedeutet dies: Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, ist deshalb regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.

Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehens, also etwa eine rein betriebliche Nutzung, ergibt.

Der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge wird im Regelfall jedoch noch nicht erschüttert, wenn für privat veranlasste Fahrten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden haben. Er kann aber erschüttert sein, wenn für private Fahrten ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht, das dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Entsprechendes gilt, wenn im Privatvermögen und im betrieblichen Bereich jeweils mehrere Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Dabei ist der für eine Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis umso eher erschüttert, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Denn bei einer Gleichwertigkeit der Fahrzeuge ist nach der Rechtsprechung keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das Dienstfahrzeug zu nutzen.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger ist Prüfungssachverständiger (eine nähere Qualifikation seiner beruflichen Tätigkeit findet sich im Urteil nicht) und erzielte in den Streitjahren (2011 bis 2013) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

2010 schloss er einen Leasingvertrag über einen BMW 740d X Drive (BMW) ab. Dem Vertrag lag bei der Berechnung der Leasingraten ein Fahrzeuggrundpreis von 89.563,01 € netto zugrunde. Der Kläger machte die Leasingkosten in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.

2012 leaste der Kläger zusätzlich einen Lamborghini Aventador (Lamborghini) über 36 Monate bei einer monatlichen Leasingrate in Höhe von 5.474,03 € netto (Fahrzeuggrundpreis 279.831,93 € netto). Der Kläger versah das Fahrzeug mit einer Werbefolie mit dem Text "Prüfsachverständiger …". Die Aufwendungen für den Lamborghini machte der Kläger ebenfalls in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.

Für beide Fahrzeuge führte der Kläger jeweils handschriftlich Fahrtenbücher. Unstreitig wurden die Fahrzeuge - wie es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG voraussetzt - zu mehr als 50 % betrieblich genutzt.

In den Streitjahren hatte der Kläger außerdem zwei weitere Fahrzeuge im Privatvermögen, einen Ferrari 360 Modena Spider und einen Jeep Commander.

Das Finanzamt (FA) kürzte die streitigen Aufwendungen für den Lamborghini nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG um 2/3 und minderte die Betriebsausgaben für dieses Fahrzeug (2012: um 4.289 € netto; 2013: um 32.835 € netto). Es ging von einer Entnahme für die private Nutzung des Lamborghini aus, die grundsätzlich mit monatlich 1 % von 279.831,93 € netto zu bewerten sei. Da dieser Betrag in beiden Streitjahren höher als 1/3 der tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug war, setzte das FA unter Ansatz der Kostendeckelung nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.11.2009 (IV C 6 – S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, 1326, Tz. 18 ff.) die um 2/3 gekürzten tatsächlichen Kosten als Entnahme an.

Für den BMW setzte es eine Entnahme für die Privatnutzung in Höhe von monatlich 1 % von 89.563,01 € netto (= 10.740 € pro Jahr) an.

Die Fahrtenbücher des Klägers seien nicht lesbar und deshalb nicht anzuerkennen.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg, auf die Revision des Klägers hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Sache aufgehoben und an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen.

Die Begründung des BFH

Im vorliegenden Fall habe das FG bei der Prüfung, ob der Kläger den für eine Privatnutzung des BMW und des Lamborghini sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert habe, bereits den gesetzlichen Maßstab für die Überzeugungsbildung verkannt. An seine Feststellungen sei der BFH daher revisionsrechtlich nicht gebunden, weshalb das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben könne.

Das FG hatte angenommen, der Kläger habe den für eine Privatnutzung des BMW und des Lamborghini sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Dieser wäre nicht durch ordnungsgemäße Fahrtenbücher entkräftet. Die handschriftlichen Aufzeichnungen des Klägers hätten nicht die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erfüllt, da viele der Angaben nicht lesbar seien. Teilweise hätten zudem Angaben gefehlt. Die vom Kläger vorgelegten Transkripte der handschriftlich geführten Fahrtenbücher in Form maschinenschriftlicher Tabellen seien nicht zu berücksichtigen, weil die Transkripte nachgeschrieben seien und die Anforderungen an ein zeitnah geführtes ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht erfüllten. Der Anscheinsbeweis sei auch nicht durch andere Tatsachen entkräftet. Dass dem Kläger andere Luxusfahrzeuge im Privatvermögen zur Verfügung gestanden hätten, widerlege den Anscheinsbeweis nicht. Es handele sich um andere Fahrzeugtypen mit unterschiedlichem Prestige und unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten.

Der BFH hält dies für rechtsfehlerhaft.

Es sei unzutreffend, dass der für eine Privatnutzung sprechende Anschein nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erschüttert werden könne. Werde substantiiert vorgetragen, die Fahrzeuge seien ausschließlich betrieblich genutzt worden, müsse das FG den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen aufklären und bei seiner Würdigung sämtliche Umstände berücksichtigen. Dem sei das FG nicht nachgekommen.

Es sei vorliegend nicht von vornherein auszuschließen, dass die Fahrtenbücher und die daraus angefertigten Transkripte geeignet seien, den Vortrag, wonach die Fahrzeuge nicht privat genutzt worden seien, so ausreichend zu substantiieren, dass sich ein Sachverhalt ergebe, der geeignet sei, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Das FG hätte deshalb dem Vortrag des Klägers, dass sich das Fahrtenbuch und das Transkript inhaltlich decken und sich aus den Eintragungen ergebe, dass es keine Privatfahrten gegeben habe, nachgehen müssen. Dem stehe die Transkription der teilweise nicht lesbaren Fahrtenbücher nicht entgegen. Ob ein handschriftlich geführtes Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu verwerfen sei, wenn dessen Aufzeichnungen (teilweise) nicht lesbar seien, sei nicht streiterheblich, solange es um die vorrangig zu klärende Frage gehe, ob eine Privatnutzung überhaupt stattgefunden habe.

Auch die übrigen Feststellungen des FG seien nicht geeignet, seine Würdigung zu tragen, dass die Fahrzeuge im Privatvermögen des Klägers nicht ausreichten, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Die Annahme des FG, es handele sich (im Vergleich zu den betrieblichen Fahrzeugen) um Fahrzeuge mit anderem Prestige und anderen Nutzungsmöglichkeiten, sei nicht durch Tatsachen unterlegt. Maßgeblich seien die in der Rechtsprechung für eine solche Prüfung herausgearbeiteten Vergleichskriterien wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit, Ausstattung, Fahrleistung, Prestige, womit hat sich das FG nicht auseinandergesetzt habe.

Eigene Feststellung könne der BFH revisionsrechtlich nicht treffen. Für das weitere Verfahren im zweiten Rechtszug weist der BFH aber darauf hin, dass das FG die Unangemessenheit der Aufwendungen durch die beiden Fahrzeuge zu prüfen habe, auch wenn die bisherigen Feststellungen deren Annahme nicht rechtfertige.

Zu berücksichtigen seien dabei die Größe des Unternehmens, die Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns, die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben. Es könne auch entscheidungserheblich sein, ob es einen objektiven Grund für den (angeblichen) Mehraufwand gebe und wie weit die private Lebenssphäre des Klägers berührt werde. Das FG werde hinsichtlich der von ihm verneinten objektiven Eignung des Fahrzeugs für den Betriebserfolg in die Betrachtung auch einzubeziehen haben, dass der Kläger den mit einer Werbefolie versehenen Lamborghini nach seinem Vortrag (den der Kläger gegebenenfalls nachzuweisen hätte) gezielt für den Besuch bestimmter Kundenkreise eingesetzt habe.

Download: Schenkungsteuer bei Forderungsverzicht zwischen GmbH-Gesellschaftern im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung

Überblick

Vergleiche zunächst den Überblick in der nachfolgenden Kommentierung zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31.07.2024 (II R 20/22).

Im Besprechungsfall ging es anders als in der Entscheidung vom 31.07.2024 jedoch nicht um die schenkungsteuerrechtliche Einordnung der Gewährung eines Darlehens mit einem unter dem Marktzins vereinbarten Zinssatz, sondern um den Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung in einer GmbH. Auch diesen Sachverhalt subsumiert der BFH im Ergebnis unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).

Zu beurteilen war in dem im Tatsächlichen recht komplexen Besprechungsfall die Frage, ob eine gesellschaftsrechtliche Abrede in Gestalt einer von den Beteiligungsquoten abweichenden Zuordnung der Kapitalrücklage an einen Gesellschafter im Fall ihrer zivilrechtlichen Zulässigkeit schenkungsteuerrechtliche Auswirkungen haben kann.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger, sein Vater (V) und sein Bruder (B) schlossen am 27.06.2006 einen notariell beurkundeten Vertrag über die Errichtung einer GmbH mit einem Stammkapital von 27.000 €. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb, die Verwaltung, Nutzung und Verwertung eigenen Vermögens sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen. Jeder Gesellschafter war zu einem Drittel am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Die Einlagen erbrachten sie bar.

Nach § 9 Nr. 2 der Satzung stand der auszuschüttende Gewinn den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zu, sofern nicht eine andere Gewinnverteilung unter Zustimmung jedes benachteiligten Gesellschafters beschlossen werden würde. Entsprechendes galt für die Zuweisung und Auflösung der Kapitalrücklagen. Beschlüsse waren grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen. Änderungen der Satzung sowie Nebenabreden bedurften der notariellen Beurkundung.

Nach § 9 Nr. 2 der Satzung stand der auszuschüttende Gewinn den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zu, sofern nicht eine andere Gewinnverteilung unter Zustimmung jedes benachteiligten Gesellschafters beschlossen werden würde. Entsprechendes galt für die Zuweisung und Auflösung der Kapitalrücklagen„Die Gesellschaft soll bislang im Privatvermögen der Gesellschafter gehaltenes Kapitalvermögen zusammenfassen und einheitlich anlegen. Die Gesellschafter werden zu diesem Zwecke aus ihrem Privatvermögen Geld- und Wertpapiervermögen einbringen, ggfs. auch andere Vermögenswerte. Die zur Nutzung eingebrachten Vermögenswerte werden vereinbarungsgemäß den Kapitalrücklagen zugeführt, daneben werden für jeden Gesellschafter Verrechnungskonten geführt, auf die die Gewinnanteile der Gesellschafter, Entnahmen aus den Kapitalrücklagen und Einlagen zunächst verbucht werden. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass jeder Gesellschafter über seinen Teil der Rücklagen frei verfügen kann und insbes. bei disquotalen Einlagen jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils der Kapitalrücklagen bleibt, die Kapitalrücklagen also nicht im Verhältnis der Beteiligungen zu je 1/3 den Gesellschaftern zugerechnet werden.“. Beschlüsse waren grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen. Änderungen der Satzung sowie Nebenabreden bedurften der notariellen Beurkundung.

Am 01.07.2006 fassten die Gesellschafter folgenden Beschluss:

„Die Gesellschaft soll bislang im Privatvermögen der Gesellschafter gehaltenes Kapitalvermögen zusammenfassen und einheitlich anlegen. Die Gesellschafter werden zu diesem Zwecke aus ihrem Privatvermögen Geld- und Wertpapiervermögen einbringen, ggfs. auch andere Vermögenswerte. Die zur Nutzung eingebrachten Vermögenswerte werden vereinbarungsgemäß den Kapitalrücklagen zugeführt, daneben werden für jeden Gesellschafter Verrechnungskonten geführt, auf die die Gewinnanteile der Gesellschafter, Entnahmen aus den Kapitalrücklagen und Einlagen zunächst verbucht werden. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass jeder Gesellschafter über seinen Teil der Rücklagen frei verfügen kann und insbes. bei disquotalen Einlagen jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils der Kapitalrücklagen bleibt, die Kapitalrücklagen also nicht im Verhältnis der Beteiligungen zu je 1/3 den Gesellschaftern zugerechnet werden.“

Zwischen Juli 2006 und Januar 2010 erbrachte V mehrere Bar- und Sachleistungen an die GmbH, die zuletzt als „Kapitalrücklage V“ gebucht wurden. Auf diese Weise wurde der Kapitalrücklage der GmbH insgesamt ein Betrag von 4,95 Mio. € zugeführt.

2012 beschlossen die Gesellschafter in einem notariellen Vertrag, das Stammkapital von 27.000 € auf 554.500 € zu erhöhen. Zur Übernahme der neuen Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 263.750 € wurden nur der Kläger und B zugelassen. Die Kapitalerhöhung erfolgte in der Weise, dass der Kläger und B im Wege der Sacheinlage Beteiligungen an anderen Gesellschaften in die GmbH einbrachten, deren Buchwert jeweils ca. 2,4 Mio. € betrug. Die Differenz zu den übernommenen Kapitalerhöhungsgeschäftsanteilen von jeweils ca. 2,1 Mio. EUR wurde in die Kapitalrücklage der GmbH eingestellt.

Hierdurch verringerte sich die Beteiligung des V von 33,33 % auf rund 1,6 % und erhöhten sich die Beteiligungen des Klägers und die des B von jeweils 33,33 % auf ca. 49,2 %. Für den Verzicht des V auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung trafen die Beteiligten in dem notariellen Vertrag eine Ausgleichsvereinbarung, wonach die Veränderung der Kapitalbeteiligungen auch zu einer Veränderung der Ansprüche der Gesellschafter an und auf die Kapitalrücklage, führt. Hierdurch ergab sich für V eine Wertminderung in Bezug auf seine Beteiligung an der GmbH in Höhe von 1,0 Mio. €. Zum Ausgleich dieses Verlusts verpflichteten sich der Kläger und B zu lebenslänglichen Zahlungen an V von monatlich 14.500 €. Bei Tod des V sollten 75 % hiervon an seine Ehefrau, die Mutter des Klägers und des B, gezahlt werden.

Das Finanzamt (FA) sah den Wertverlust des V mit dieser Vereinbarung nicht als ausgeglichen an. Es handele sich wegen der Teilunentgeltlichkeit um eine sogenannte gemischte Schenkung von V an den Kläger und B.

Es nahm (bei genauer Darstellung der zugrundeliegenden Einsatzbeträge) an, die Kapitalrücklage sei für Zwecke der Berechnung des Wertverlusts nicht jedem der Gesellschafter zu einem Drittel, sondern allein dem V zuzurechnen, und stellte daher dem Wert der Rücklage vor Kapitalerhöhung in Höhe von rund 3,6 Mio. € den Wert der Rücklage nach Kapitalerhöhung in Höhe von 125.685 € und den vereinbarten Wertausgleich von rund 1,06 Mio. EUR gegenüber. In Höhe des Differenzbetrags ging es von einer hälftigen Bereicherung des Klägers und des B aus und setzte Schenkungsteuer in Höhe von rund 157.000 € fest.

Nach erfolglosem Einspruch des Klägers gab das Finanzgericht seiner Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision des FA hatte Erfolg, der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab.

Die Begründung des BFH

Der BFH stellt seiner Entscheidung folgenden Leitsatz voraus:

Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.

Er hält den Beschluss der GmbH-Gesellschafter darüber, dass disquotale Einlagen nur dem einlegenden Gesellschafter zustehen und nicht im Verhältnis der Gesellschaftsbeteiligungen verteilt würden, für zulässig und daher für zivilrechtlich wirksam, er sei auch steuerrechtlich anzuerkennen.

Mit dem Gesellschafter-Beschluss vom 01.07.2006 sei im Einklang mit der in § 9 Nr. 2 der Satzung bestimmt worden, dass „insbesondere bei disquotalen Einlagen jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils der Kapitalrücklagen bleibt, die Kapitalrücklagen also nicht im Verhältnis der Beteiligungen zu je 1/3 den Gesellschaftern zugerechnet werden“. Der Beschluss habe daher auf einer satzungsmäßigen Grundlage beruht, sodass er ohne Beachtung der für eine Satzungsänderung nach § 53 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) an sich erforderlichen notariellen Beurkundung wirksam gewesen sei.

Der Wirksamkeit stehe auch § 19 der Satzung nicht entgegen, der vorgesehen habe, dass nicht nur Satzungsänderungen, sondern auch Nebenabreden der notariellen Beurkundung bedurften. Denn im Unterschied zu den gesetzlichen Beurkundungspflichten führe die Verletzung einer nur durch Satzung aufgestellten Beurkundungsvorschrift nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses. Der vorliegende Beschluss sei allerdings als einstimmiger der Anfechtung nicht unterworfen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gelte, wie der BFH im Urteil vom 31.07.2024 näher darstellt, als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert werde. Eine freigebige Zuwendung setze nach der bisherigen Rechtsprechung drei Aspekte voraus

  • in objektiver Hinsicht, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führe und
  • die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich sei, und
  • in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit.

Vorliegend habe V durch den Verzicht auf einen vollen Ausgleich des von ihm aufgebrachten Betrags der Kapitalrücklage eine freigebige Zuwendung in diesem Sinne an den Kläger bewirkt.

Die objektive Bereicherung des Klägers liege darin, dass er aufgrund des Forderungsverzichts des V die bei diesem aufgrund der Kapitalerhöhung entstandene Wertminderung seines Anteils nicht vollständig habe ausgleichen müssen. Obwohl die Kapitalrücklage nach dem Gesellschafterbeschluss vom 01.07.2006 allein dem V zugestanden habe, sei sie in der Wertverlustberechnung vom 15.11.2012 allen Gesellschaftern in Höhe ihrer jeweiligen Beteiligungsquote zugerechnet worden, ohne dass der Kläger und B hierfür einen vollwertigen Ausgleich zu leisten gehabt hätten. Hierin liege ein vermögenswerter Vorteil, um den der Kläger und B bereichert worden seien.

Diese Bereicherung sei ersichtlich auf Kosten des V erfolgt, der auf diesen Teil der Rücklage verzichtet habe.

V habe auch den erforderlichen Willen zur Freigebigkeit gehabt. Hierfür genüge es, wenn sich der Zuwendende, hier V, der (Teil-)Unentgeltlichkeit seiner Leistung bewusst sei. Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reiche regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus, ohne dass es auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes ankomme. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille sei dagegen nicht erforderlich.

Diese Voraussetzungen seien erfüllt. V sei (zumindest) auf Grund der Unterzeichnung der Wertverlustberechnung bekannt gewesen, dass bei der Bestimmung der Ausgleichsleistung die Kapitalrücklage der GmbH den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer quotalen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zugerechnet worden war, obwohl mit dem Beschluss vom 01.07.2006 bindend festgelegt worden sei, dass jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils der Kapitalrücklage bleibe, die Kapitalrücklage also gerade nicht im Verhältnis der Beteiligungen sämtlichen Gesellschaftern zugerechnet werden sollte.

Damit sei V bewusst gewesen, dass die vom Kläger und B an ihn zu leistende Ausgleichszahlung den entstandenen Wertverlust auf seine Kosten nur teilweise ausgleichen würde. Das reiche unabhängig von seinen Motiven für die Zuwendung für die Annahme des Bewusstseins der (Teil-)Unentgeltlichkeit aus.

Schließlich sei die Festsetzung der Steuer durch das FA auch der Höhe nach zutreffend.

Download: Schenkungsteuer bei unter dem Marktzins verzinsten Darlehen

Überblick

Schenkungsteuer fällt nach § 7 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) nicht nur in Fällen der klassischen Zuwendung eines Kapitalbetrags oder sonstigen Wertgegenstands im Sinne der §§ 516 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an, sondern in einer Vielzahl weiterer Fälle. Grundtatbestand ist § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: Als Schenkungen unter Lebenden gilt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Schuldner der Schenkungsteuer ist nach § 20 Abs. 1 ErbStG – etwas überraschend – nicht nur der Erwerber, sondern auch der Schenker. Beide sind Gesamtschuldner im Sinne des § 44 der Abgabenordnung (AO). Die Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Steuerschuldners steht im Ermessen der Finanzverwaltung, wobei es ermessensgerecht ist, dass die Steuerfestsetzung zunächst gegen den Beschenkten erfolgt. Der Schenker kann in der Regel dann als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden, wenn die Durchsetzung des Schenkungsteueranspruches beim Beschenkten auf Probleme stößt (zum Beispiel bei dessen Vermögenslosigkeit oder gar Insolvenz). Dieser drohenden Inanspruchnahme sollte der Schenker im eigenen Interesse während des Laufs der steuerlichen Verjährungsfisten angemessen Rechnung tragen. Zu beachten ist darüber hinaus, dass nach § 10 Abs. 2 ErbStG die Übernahme der Steuer durch den Schenker als zusätzliche freigebige Zuwendung besteuert wird.

Im Besprechungsfall ging es um die schenkungsteuerrechtliche Einordnung der Gewährung eines Darlehens mit einem unter dem Marktzins vereinbarten Zinssatz, die der Bundesfinanzhof (BFH) unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG subsumiert.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger erhielt mit Vertrag vom 03.11.2016 von seiner Schwester ein Darlehen in Höhe von 1.875.768,05 EUR. Das Darlehen galt als zum 01.01.2016 ausgezahlt. Die Darlehenssumme wurde rückwirkend zum 01.01.2016 mit 1 % verzinst. Das Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden. Die Darlehensaufnahme durch den Kläger erfolgte mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs seines Vaters, mithin als wirtschaftlich tätige Person. Für derartige Darlehen hatte zum 01.01.2016 nach den Angaben der Deutschen Bundesbank der Marktzins bei 2,81 % gelegen.

Die Schwester war zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe noch minderjährig und wurde durch einen sogenannten Ergänzungspfleger vertreten. Weshalb die Ergänzungspflegschaft, die einen Teilentzug der elterlichen Sorge beinhaltet, angeordnet worden war, lässt sich weder dem Urteil des BFH noch demjenigen der Vorinstanz (Finanzgericht [FG] Mecklenburg-Vorpommern) entnehmen.

Das Finanzamt (FA) setzte Schenkungsteuer in Höhe von 229.500 EUR fest. Dabei ging es von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 785.008 EUR mit Wirkung zum 01.01.2016 aus. In der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung sah es eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 5,5 %. Da es sich um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte, bewertete es den Nutzungsvorteil gemäß § 13 Abs. 2 Halbs. 2 BewG mit dem 9,3-Fachen des Jahreswerts in Höhe von 84.409,56 (1.875.768,05 EUR × 4,5 %), mithin 785.008,91 EUR.

Der Einspruch des Klägers und seine Klage hatten keinen Erfolg.

Er macht mit seiner Revision geltend, es liege schon keine freigebige Zuwendung vor. Weder seiner Schwester noch dem als Ergänzungspfleger agierenden Rechtsanwalt sei die teilweise Unentgeltlichkeit bewusst gewesen. Zudem habe er einen niedrigeren Zinssatz als 5,5 % für die zur Nutzung überlassene Geldsumme durch die vorgelegten Darlehensangebote nachgewiesen.

Der BFH hebt das Urteil des FG und den Schenkungsteuerbescheid auf und setzt die Steuer unter Abweisung der Klage im Übrigen auf 59.140 € fest.

Die Begründung des BFH

Zwar sei das FG zutreffend von einer freigebigen Zuwendung § 7 Abs. 1 Nr. ErbStG aufgrund der zinsverbilligten Darlehensgewährung ausgegangen. Die Höhe der Bemessungsgrundlage bestimmt sich jedoch nicht nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 5,5 %, da ein niedrigerer Wert festgestellt werden könne.

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gelte als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert werde. Eine freigebige Zuwendung setze nach der bisherigen Rechtsprechung drei Aspekte voraus

  • in objektiver Hinsicht, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führe und
  • die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich sei, und
  • in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit.

Diese Voraussetzungen erfülle allgemein die Zuwendung eines niedrig verzinslichen Darlehens. Deren Gegenstand sei die teilweise unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen. Der Empfänger eines niedrig verzinsten Darlehens erfahre durch die Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu einem niedrigeren Zinssatz als dem marktüblichen zu nutzen, eine Vermögensmehrung bei gleichzeitigem Verzicht des Darlehensgebers auf den Marktzins, die der Schenkungsteuer unterliege. Gegenstand der Zuwendung sei somit der kapitalisierte Nutzungsvorteil.

Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer freigebigen Zuwendung bedürfe es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen. Hierfür genüge es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasse.

Vorliegend seien diese Voraussetzungen insgesamt erfüllt. Die unentgeltliche Vermögensverschiebung liege in dem Nutzungsvorteil aus dem unter dem marktüblichen Zinssatz vereinbarten vertraglichen Zins, also in der Differenz von 1,81 %.

Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt. Sowohl der Schwester des Klägers als auch dem Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger habe bei einem Zinssatz von 1 % und einer grundsätzlich unbestimmten Laufzeit bewusst gewesen sein müssen, dass das Darlehen teilweise unentgeltlich gewährt worden wäre. Bei der Schwester habe eine zutreffende laienhafte Erfassung des rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalts genügt. Nicht ausschlaggebend sei, ob die Beteiligten davon ausgingen, dass eine alternative und zugleich sichere Anlage des Geldes zu keinem höheren Zinssatz möglich gewesen wäre.

Fehlerhaft sei dagegen die Annahme des FG, bei der Bewertung sei der Zinssatz von 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG anzuwenden, da kein niedriger Zinssatz feststehe.

Der gesetzliche Zinssatz komme nach der gesetzlichen Anordnung nur zur Anwendung, „wenn kein anderer Wert feststeht“, ein anderer Wert sei daher heranzuziehen, wenn dieser feststehe.

Die diesbezüglichen Feststellungen des FG seien widersprüchlich. Es hatte festgestellt, dass die Darlehenszinsen für wirtschaftlich selbständige Personen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren im Durchschnitt des Jahres 2016 bei 2,81 % effektiv gelegen hätten und dass das Darlehen im Streitfall nach vierjähriger Laufzeit hätte gekündigt werden können. Trotz dieser Feststellung sei das FG zu dem Ergebnis gekommen, dass ein niedrigerer als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Dies sei offensichtlich widersprüchlich. In einem solchen Fall könne der BFH revisionsrechtlich selbst die notwendigen Feststellungen treffen, einer Zurückverweisung an das FG bedürfe es nicht.

Nach den Feststellungen des FG stehe ein anderer Wert im Sinne des § 15 Abs. 1 BewG fest.

Es könne unentschieden bleiben, ob der festgestellte Zinssatz darauf zurückzuführen sei, dass der Steuerpflichtige diesen Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote selbst nachgewiesen habe. Dem Gesetzeswortlaut sei nicht zu entnehmen, dass der Steuerpflichtige einen anderen Wert nachweisen müsse. Anders als andere Vorschriften ordne § 15 Abs. 1 BewG weder an, dass der Steuerpflichtige tätig werden müsse, noch, dass ein Nachweis zu erfolgen habe. Vielmehr sei § 15 Abs. 1 BewG im Passiv formuliert und fordere daher lediglich das Feststehen eines anderen Werts.

Der als Schenkung anzusehende Nutzungsvorteil des Klägers bestehe danach in dem Zinsvorteil, der mit der Differenz zwischen dem marktüblichen Darlehenszinssatz von 2,81 % und dem vereinbarten Zinssatz von 1 % anzusetzen sei, also 1,81 %. Deshalb brauche auch nicht entschieden zu werden, ob der gesetzliche Zinssatz von 5.5 %, wie der Kläger wohl meinte, verfassungswidrig sei.

Nach allem sei die Schenkungsteuer auf 59.140 EUR festzusetzen.

Für die Ermittlung der schenkungsteuerrechtlichen Bereicherung sei nach § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 BewG von einem Jahreswert des Nutzungsvorteils von 1,81 % der Darlehenssumme in Höhe von 1.875.768,05 € auszugehen, also einem Jahreswert von 33.951,40 €. Dieser sei gemäß § 13 Abs. 2 BewG mit dem Faktor 9,3 zu multiplizieren, so dass sich ein Wert der Bereicherung für die freigebige Zuwendung von 315.748,02 € ergebe. Nach Abzug des Freibetrags von 20.000 € verbleibe nach der gesetzlich erforderlichen Abrundung ein steuerpflichtiger Erwerb von 295.700 €. Der anzuwendende Steuersatz in der auf Geschwister anzuwendenden Steuerklasse II belaufe sich gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG bei einem Erwerb bis einschließlich 300.000 € auf 20 %. Die festzusetzende Steuer betrage daher 59.140 EUR.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Besprechungsentscheidung der Steuerpflichtige zwar günstigere Zinssätze nicht nachweisen muss, er aber zum „Feststehen eines anderen Werts“ beitragen kann (und sollte), indem er die Parameter der Vergleichbarkeit seines Darlehens mit den aus den Statistiken – etwa der Deutschen Bundesbank - berücksichtigungsfähigen Darlehen aufzeigt.

Download: Glaubhaftmachung des Insolvenzeröffnungsgrunds der Zahlungsunfähigkeit durch das Finanzamt

Überblick

Ein Insolvenzverfahren wird gemäß § 13 der Insolvenzordnung (InsO) nie von Amts wegen, sondern nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt ist neben dem Insolvenzschuldner (Schuldner) jeder Insolvenzgläubiger (Gläubiger). Die Antragsvoraussetzungen unterscheiden sich. Bei dem hier behandelten Gläubigerantrag sind die Erfordernisse des § 14 InsO zu beachten. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht.

Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt in der Regel vor, wenn der Antrag die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Insbesondere das Erfordernis der Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrunds zeigt bereits, dass niemand ohne hinreichenden Anlass einen Eröffnungsantrag stellen dürfen soll. Das im Gesetz angesprochene rechtliche Interesse wird daher im Allgemeinen nur bedeutsam, wenn Umstände bekannt werden, die trotz Glaubhaftmachung der Gläubigerforderung und des Eröffnungsgrunds ernstliche Zweifel an dem schutzwürdigen Anliegen des antragstellenden Gläubigers aufkommen lassen.

Eröffnungsgründe sind bei einem Gläubigerantrag ausschließlich die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO und die insolvenzrechtliche Überschuldung nach § 19 InsO, die nicht mit der bilanziellen Überschuldung identisch ist. Bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 InsO ist allein ein Schuldnerantrag zulässig.

Glaubhaftmachung ist nach dem im Insolvenzverfahren entsprechend anzuwendenden § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) weniger als der Vollbeweis nach § 286 ZPO, da für die Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Behauptung alle Beweismittel zulässig sind, auch die bei § 286 ZPO nicht gestattete Versicherung an Eides statt.

Erst wenn der Gläubiger seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht hat, ist sein Antrag zulässig und das Gericht leitet das weitere Verfahren ein, wozu es zunächst gemäß § 14 Abs. 2 InsO den Schuldner zu hören hat.

Vorliegend ging es um die Frage, in welcher Weise das Finanzamt (FA) für seien Insolvenzantrag den Insolvenzeröffnungsgrund glaubhaft machen kann.

Der zu entscheidende Fall

Das FA beantragte mit Schreiben vom 23.02.2022, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen. Mit dem Antrag reichte das Finanzamt eine im Einzelnen nach Steuerart, Zeitraum der Steuer, Fälligkeit und Höhe gegliederte Aufstellung der offenstehenden Forderungen für die Jahre von 2017 bis 2021 wegen Einkommen- und Umsatzsteuer nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen sowie Verzögerungsgeld und Vollstreckungskosten über insgesamt 44.762,48 € ein. Weiter erklärte es, dass die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen gegeben seien, und legte die gegen den Schuldner ergangenen Steuerbescheide vor. Lediglich für die Einkommensteuer des II. und IV. Quartals 2020 sowie für 2021 waren Bescheide nicht beigefügt.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch Beschluss vom 07.04.2022 zurückgewiesen. Es hat den Antrag für unzulässig gehalten, weil das FA die bestehenden Forderungen mittels einer Übersicht zwar ausreichend dargelegt, aber nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe. Mit dem Antrag sei entweder ein vollstreckbarer Titel oder eine unterzeichnete und gesiegelte Vollstreckbarerklärung vorzulegen. Insbesondere für die Finanzverwaltung bestehe eine vereinfachte Möglichkeit, eine unterzeichnete und gesiegelte Vollstreckbarkeitserklärung zu übersenden. Auch der Eröffnungsgrund sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Darlegung, der Schuldner habe die Forderungen nicht beglichen, rechtfertigte nicht die Annahme, dass dieser nicht nur zahlungsunwillig, sondern auch zahlungsunfähig sei.

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will das Finanzamt weiterhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erreichen. Seine Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

Die Begründung des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) führt aus, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung der Insolvenzantrag eines FA, der auf Steuerforderungen gestützt wird, als Mindesterfordernis die Vorlage der ergangenen Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners voraussetzt. Insoweit bestehe für das FA keine Sonderregelung. Es gebe keinen Rechtssatz, dass reine Kontoauszüge öffentlich-rechtlicher Rechtsträger zuverlässiger seien als diejenigen anderer Gläubiger.

Dagegen sei auf den zum Beleg eingereichten Unterlagen keine Unterschrift oder gar Siegelung zu verlangen. Dies hat der BGH in einem Parallelverfahren mit Beschluss ebenfalls vom 19.09.2024 (IX ZB 13/22) näher damit begründet, dass an die Glaubhaftmachung der Forderungen der Finanzbehörden als öffentlich-rechtliche Hoheitsträger keine nach dem Zweck des (Steuer)Gesetzes nicht veranlassten formalen Anforderungen zu stellen seien. Vielmehr genüge die Vorlage eines Steuerbescheids zur Glaubhaftmachung einer Steuerforderung auch dann, wenn dieser weder unterschrieben noch mit einem Dienstsiegel versehen sei. Ein formularmäßig oder mithilfe automatischer Einrichtungen erlassener Verwaltungsakt bedürfe nach § 119 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) keiner Unterschrift. Da die nach § 157 AO erforderliche Schriftform auch bei Übersendung einer Bescheidkopie gewahrt werde, sei zum Zwecke der Insolvenzantragstellung keine (nachträgliche) Unterschrift oder gar Siegelung zu verlangen.

Das Beschwerdegericht hätte deshalb Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Forderung durch Vorlage der erwähnten Bescheide glaubhaft gemacht ist. Die Glaubhaftmachung eines Teilbetrags einer Forderung oder einer von mehreren behaupteten Forderungen könne genügen.

Es bedürfe zur Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrunds im Streitfall nicht der Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines Gerichtsvollziehers oder Vollstreckungsbeamten oder des Protokolls der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners.

Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrunds erfordere nicht unbedingt die Vorlage einer Bescheinigung über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch oder der Erklärung des Finanzamts, erfolglos gegen den Steuerschuldner vollstreckt zu haben. Der antragstellende Gläubiger könne den Eröffnungsgrund auch auf andere Weise glaubhaft machen. Die schlichte Nichtbegleichung einer unbestrittenen Forderung könne im Einzelfall eine weitere Glaubhaftmachung entbehrlich machen. Ein Indiz für die fehlende Zahlungsfähigkeit könne es auch sein, wenn der Schuldner auf Zahlungsaufforderungen durch das FA nicht reagiere und einem angekündigten Vollstreckungsversuch weder entgegentrete noch den Zugang zur Wohnung ermögliche.

Das FA habe vorgetragen, ab dem 13.10.2020 sei beim Schuldner Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Am 12.10.2020 sei aufgrund einer Kontenpfändung letztmals eine Zahlung in Höhe von 2.230,70 € eingegangen, welche jedoch in keinem Verhältnis zum Gesamtbetrag der Rückstände in Höhe von 44.762,48 € stehe. Bei einer Anschlusspfändung am 03.12.2020 habe es kein pfändbares Guthaben auf diesem Konto mehr gegeben. Der Schuldner habe erklärt, selbst keine Einnahmen mehr zu haben. Auf eine Ladung des Schuldners sei verzichtet worden, weil bereits drei Einträge aus dem Jahr 2021 im Schuldnerverzeichnis wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft vorlägen und der Schuldner dem Vollziehungsbeamten den Kontakt verwehre.

Bei dieser Sachlage habe das Beschwerdegericht nicht annehmen dürfen, der Schuldner sei nicht zahlungsunfähig, sondern zahlungsunwillig.

Die Beschwerdeentscheidung sei deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen, das die weiteren Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu prüfen haben werde.

Ergänzung: Das Rechtsbeschwerdegericht muss die Sache nicht zwingend an die Vorinstanz, hier das Beschwerdegericht zurückverweisen, so dass auch eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht, wie der BGH sie hier vorgenommen hat, möglich ist. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn bereits das Beschwerdegericht die Sache an das Ausgangsgericht, hier das Insolvenzgericht, zur weiteren Aufklärung hätte zurückverweisen müssen.

Wie das vorliegende Insolvenzantragsverfahren seinen Fortgang nehmen wird, nachdem der Insolvenzantrag bereits am 23.02.2022 gestellt worden war, bleibt allerdings abzuwarten.

Download: Vermeidung widerstreitender Steuerfestsetzung bei Organschaft nach Rechtsprechungsänderung

Überblick

Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Klagepartei während des laufenden Rechtsstreits eröffnet, wird dieser nach § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen. Dasselbe gilt nach § 240 Satz 2 ZPO, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (sogenannter starker vorläufiger Insolvenzverwalter). Dies ist der Fall, wenn das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren an den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot erlässt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr erstmals höchstrichterlich zu klären, ob § 240 Abs. 2 ZPO im Fall der Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens nach § 31 Abs. 1 des Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetzes (StaRUG) analog anzuwenden ist, sodass anhängig Rechtsstreite durch die Anzeige unterbrochen werden.

Nach § 38 StaRUG gelten für Verfahren in Restrukturierungssachen, soweit das StaRUG selbst nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Dennoch verneint der BFH eine analoge Anwendbarkeit des § 240 Satz 2 ZPO hier. Da die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache lediglich die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens sei und nur Unterlassungs- und Anzeigepflichten beim Schuldner auslöse, führe sie zu keiner mit § 240 Satz 2 ZPO vergleichbaren Lage, die durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners gekennzeichnet sei. Die Voraussetzungen für eine Analogie lägen daher nicht vor.

Steuerrechtlich knüpft die Besprechungsentscheidung an die durch das Urteil des BFH vom 16.03.2023 (V R 14/21) erfolgte Rechtsprechungsänderung zur Organschaft an.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) voraus, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die weitergehenden Voraussetzungen des § 14 KStG, insbesondere ein Gewinnabführungsvertrag, brauchen nicht vorzuliegen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach kommt damit als Organgesellschaft nur eine juristische Person in Betracht. Die Handelsgesellschaften, zum Beispiel OHG und KG, erfüllen diese Voraussetzungen nicht, weshalb sie traditionell nicht als organgesellschaftsfähig angesehen wurden. Im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das auf Vorlage durch den BFH ergangen war, hat der BFH mit der Entscheidung vom 16.03.2023 abweichend hiervon entschieden: „Eine Personenhandelsgesellschaft mit einer "kapitalistischen Struktur" kann Organgesellschaft sein, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind (Anschluss an das EuGH-Urteil Finanzamt für Körperschaften Berlin vom 15.04.2021 - C 868/19, EU:C:2021:285 und insoweit Aufgabe des BFH-Urteils vom 02.12.2015 - V R 25/13, BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547).“ Die erwähnte kapitalistische Struktur setzt lediglich voraus, dass Komplementär der KG eine Kapitalgesellschaft – in der Regel eine GmbH – ist.

Diese Rechtsprechungsänderung führt bei den Betroffenen zu steuerlichem Änderungsbedarf. Die bisher selbst der Umsatzsteuer unterworfene KG mit „kapitalistischer Struktur“, die unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nunmehr als Organgesellschaft des Organträgers zu behandeln ist, hat wegen der von ihr gezahlten Umsatzsteuer Erstattungsansprüche gegen das Finanzamt (FA) aus § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), wohingegen derjenige, der nach der geänderten Rechtsprechung als Organträger anzusehen ist, im Grundsatz die Steuer für die Organgesellschaft abzuführen hätte. Soweit dessen Umsatzsteuerveranlagung rechtsbeständig ist, darf sie nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht zu seinen Ungunsten geändert werden, auch wenn sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes – etwa des BFH – geändert hat, sofern er nicht einen entsprechenden Antrag (zu seinen Lasten) stellt.

Mit dem Urteil vom 16.03.2023 hat der BFH unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben, der gemäß § 166 AO im Steuerrecht Drittwirkung entfalten könne, geurteilt, es könne nicht zugleich beansprucht werden, dass einerseits die KG nach der geänderten BFH-Rechtsprechung als Organgesellschaft behandelt werde, während andererseits der Organträger, der erst aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung als Organträger anzusehen sei, Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO in die frühere BFH-Rechtsprechung beanspruche, nach der er nicht Organträger für die KG war. Daher sei unter Berücksichtigung schon bisheriger Rechtsprechung dieser Widerstreit dahingehend aufzulösen, dass der Unternehmensteil der Organschaft, zu dessen Gunsten der Änderungsschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO wirke, diesen durch die Stellung eines Änderungsantrags entfallen lassen müsse, um so ein widersprüchliches Verhalten in Bezug auf die Besteuerung der Umsätze des anderen Unternehmensteils der Organschaft zu vermeiden.

Diese Entscheidung, die eine Art negativer Drittwirkung des Grundsatzes von Treu und Glauben schafft, bestätigt der BFH mit seinem vorliegenden Urteil.

Der zu entscheidende Fall

Auf die für die Besteuerung maßgeblichen Aspekte zusammengestrichen war folgender Sachverhalt zu entscheiden: Die klagende KG mit „kapitalistischer Struktur“ war nach der neueren Rechtsprechung als umsatzsteuerrechtliche Organgesellschaft einer TL-GmbH als Organträger anzusehen. Im Streitjahr 2016 war die KG noch als selbständige Unternehmerin zur Umsatzsteuer veranlagt worden, woraus sich eine positive Steuer ergab. Im Hinblick auf die oben erwähnte Rechtsprechung des EuGH, aber vor Erlass des BFH-Urteils vom 16.03.2023, beantragte sie die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids für 2016, weil sie sich nunmehr als Organgesellschaft der TL-GmbH begriff.

Nach erfolglosem Einspruch gab das das Finanzgericht (FG) Münster ihrer Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision des FA hatte Erfolg. Der BFH hob die Sache auf und verwies aus mehreren Gründen an das FG zurück.

Die Begründung des BFH

Zunächst hatte das FG nicht hinreichend sicher festgestellt, dass die KG nicht nur finanziell, sondern auch wirtschaftlich in das Unternehmen der TL-GmbH eingegliedert war. Dies wird es nachzuholen haben.

Vor allem aber konnte das FG die neuere Rechtsprechung des BFH zu § 176 AO, also die Notwendigkeit eines Änderungsantrags hinsichtlich der Veranlagung der TL-GmbH für das Streitjahr, noch nicht berücksichtigen, sodass es der Klage ohne die Feststellung eines solchen Antrags stattgegeben hatte.

Der BFH sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das Steuerrechtsverhältnis bestehe wegen der – insoweit unterstellten – Organschaft allein zwischen der TL-GmbH als Organträger und dem FA, es erstrecke sich lediglich auf die KG als Organgesellschaft, also als Mitglied des Organkreises. Diese auf dasselbe Steuerrechtsverhältnis bezogene Spiegelbildlichkeit erfordere eine sowohl auf Organträger als auch auf Organgesellschaft bezogene Betrachtung von Treu und Glauben.

Bestätigt werde dies Sicht durch die Haftungsnorm des § 73 Satz 1 AO. Danach haftet eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist, vor allem mithin für die durch die Organgesellschaft selbst aufgrund ihrer Umsatztätigkeit verursachten Steuern. Diese Haftung, so der BFH, liefe leer, wenn auf das Antragserfordernis in Person des Organträgers verzichtet werde. Da der Haftungsschuldner, hier die KG, höchstens die Steuer schulde, die gegen den Steuerschuldner festgesetzt worden sei oder werden könne, seien dem in dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Fall, dass eine Steuer wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr festgesetzt werden könne, andersartige Hindernisse gleichzusetzen, die – wie vorliegend eine Berufung auf Vertrauensschutz – einer Festsetzung gegen den Organträger als Steuerschuldner dauerhaft entgegenstünden. Denn könnte der Organträger – ohne Antragserfordernis – bei seiner Besteuerung eine Beurteilung entsprechend der alten, aufgegebenen Rechtsprechung verlangen, würde die auf die Umsätze der Organgesellschaft geschuldete Steuer bei ihm nicht festgesetzt, so dass es nicht zum Erlass eines Haftungsbescheids gegen die Organgesellschaft – in Bezug auf deren Umsätze – kommen könnte.

Dieses Ergebnis sei unabhängig davon richtig, ob ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO oder die Anfechtung einer Steuerfestsetzung in Rede stünden.

Schließlich stehe das Unionsrecht der Rechtsprechung des BFH vorliegend nicht entgegen.

Download: Lohnsteuerabführung – Rückforderung durch den Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse

Überblick

Ein Insolvenzverfahren führt in der Regel dazu, dass das gesamte Vermögen des Schuldners verwertet wird, um die Gläubiger zu befriedigen. Zudem hat er die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Zudem führen nicht selten Veräußerungsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter zu steuerlichen Gewinnen des Schuldners. Diese sind der Einkommensteuer zu unterwerfen, falls nicht ausreichend Verlustvorträge zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist die so begründete Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit und daher durch den Insolvenzverwalter zu entrichten, erfüllt der Verwalter diese Pflicht jedoch nicht, kann nach der Rechtsprechung des BFH das Finanzamt den Schuldner nach Einstellung des Insolvenzverfahrens hierfür wieder selbst in Anspruch nehmen. Eine dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung steht dem nicht entgegen, da diese Masseverbindlichkeiten nicht erfasst.

Es erscheint daher verständlich, wenn der Schuldner zumindest die Kosten des Insolvenzverfahrens (vor allem die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters) steuerlich geltend machen möchte.

Zu denken ist hier zunächst an die Berücksichtigung der Aufwendungen als sogenannte außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nach dieser Vorschrift wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, scheiden insoweit aus.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte allerdings bereits mit Urteil vom 16.12.2021 (VI R 41/18) entschieden, dass die Aufwendungen für das Insolvenzverfahren mangels Außergewöhnlichkeit nicht hierunter fallen. Die Überschuldung von Privatpersonen sei, so der BFH, kein gesellschaftliches Randphänomen. Insolvenzverfahren seien keineswegs unüblich, wie schon die Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Jahre 1999 zeige. Von dieser Möglichkeit hätten bis Ende 2019 rund 2,13 Mio. Privatpersonen Gebrauch gemacht. Außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG lägen daher nicht vor.

Vorliegend hatte die Schuldnerin allerdings auch geltend gemacht, die Kosten seien als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach §§ 22 Nr. 2, 23 EStG oder denjenigen aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG zu berücksichtigen.

Der zu entscheidende Fall

2016 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverwalterin verwertete im Streitjahr 2017 zwei in den Jahren 2009 und 2010 von der Schuldnerin erworbene, vermietete Mehrfamilienhäuser. Diesbezüglich erklärte die Schuldnerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der entsprechende Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung.

2020 wurde das Insolvenzverfahren beendet. Einer Restschuldbefreiung bedurfte es wegen der vollständigen Befriedigung der Gläubiger der Klägerin aufgrund der Verwertung deren Vermögens im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.

Die Schuldnerin beantragte nun den Abzug von „Kosten des Insolvenzverfahrens“ als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Die Schuldnerin beantragte nun den Abzug von „Kosten des Insolvenzverfahrens“ als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Dies lehnte das Finanzamt (FA) ab. Einspruch und Klage der Schuldnerin waren erfolglos. Mit ihrer Revision hat die Klägerin insofern Erfolg, als der BFH das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufhebt und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückverweist.

Die Begründung des BFH

Der BFH hält es für denkbar, dass die Schuldnerin berechtigt sein könnte, einen Teil der Aufwendungen des Insolvenzverfahrens als Werbungkosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG in Abzug zu bringen. Diese erfassen die Veräußerung von Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Dieser Tatbestand sei durch die Verwertung der Vermietungsobjekte durch die Insolvenzverwalterin erfüllt worden. Die Veräußerungen lagen innerhalb der Zehn-Jahres-Frist. Der Schuldnerin seien auch die (willentlichen) Veräußerungen der Insolvenzverwalterin für steuerliche Zwecke als eigene zuzurechnen. Denn ein Insolvenzverwalter handele (auch) steuerlich nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) mit Wirkung für und gegen den Schuldner.

Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften § 23 Abs. 1 EStG sei der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen.

Zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen müsse ein Veranlassungszusammenhang bestehen. Eine derartige Veranlassung liege vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf die Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit bestehe und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Einkünfteerzielung getätigt würden. Maßgeblich sei, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen sei.

Die Würdigung des FG, dass die im Streit stehenden Aufwendungen nicht durch die Veräußerung der beiden Vermietungsobjekte veranlasst gewesen seien, sei jedenfalls insoweit nicht zu beanstanden, als es sich um Kosten handele, die in einem ausschließlichen (allgemeinen) Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin gestanden hätten. Daran ändere nichts, dass die Gläubiger hier eine vollständige Befriedigung erhalten hätten, denn das Verfahren sei wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden.

Es bestehe auch kein objektiver Veranlassungszusammenhang zwischen der Erzielung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften durch die Verwertung der Vermietungsobjekte und den unmittelbar durch das Insolvenzverfahren verursachten Aufwendungen. Das Insolvenzverfahren sei zwar ursächlich für die Verwertung der Vermietungsobjekte im Sinne einer einfachen Kausalität geworden sein. Dies genüg jedoch nicht, denn die Aufwendungen des Insolvenzverfahrens seien nicht alleine durch einzelne Tätigkeiten des Insolvenzverwalters, sondern durch die Übernahme der Geschäftsführung für das gesamte Insolvenzverfahren veranlasst.

Der vorliegende Sachverhalt sei auch nicht mit dem einer Zwangsverwaltung vergleichbar, so dass es nicht darauf ankomme, ob die durch eine Zwangsverwaltung verursachten Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar seien.

Zutreffend habe das FG auch die ausschließlich durch das Insolvenzverfahren verursachten Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG versagt, weil kein Veranlassungszusammenhang mit den Vermietungseinkünften bestehe. Insbesondere sei die Verneinung eines Veranlassungszusammenhangs zur Nutzungsüberlassung der Vermietungsobjekte insoweit plausibel und nachvollziehbar, als die Tätigkeit des Insolvenzverwalters nach § 1 Satz 1 InsO auf die Verwertung des Vermögens des Schuldners zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, mithin gerade auf die Beendigung der Nutzungsüberlassung durch den Schuldner, gerichtet sei.

Die Sache sei jedoch nicht spruchreif und deshalb an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen könne nicht entschieden werden, ob sämtliche der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen seien. Denn das FG habe nicht festgestellt, inwieweit es sich bei den „Kosten des Insolvenzverfahrens“ um ausschließlich durch jenes Verfahren verursachte Aufwendungen oder aber um solche gehandelt habe, die zwar im Rahmen des Insolvenzverfahrens angefallen seien, jedoch vordergründig durch eine einen Einkünftetatbestand verwirklichende Tätigkeit der Schuldnerin veranlasst worden und daher steuerlich berücksichtigungsfähig seien.

Nach dem objektiven Nettoprinzip unterliege der Einkommensteuer nur das Nettoeinkommen, also der Saldo aus den Erwerbseinnahmen und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen. Dies verpflichte, jedenfalls diejenigen Aufwendungen zum Abzug zuzulassen, die steuerlich berücksichtigungsfähig gewesen wären, wenn die Schuldnerin die Vermietungsobjekte außerhalb eines Insolvenzverfahrens (selbst, nicht die Insolvenzverwalterin) veräußert hätte.

Download: Kein Gesellschafterbeschluss für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG erforderlich

Überblick

Bei drohender Überschuldung im Sinne des § 18 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) ist nur der Schuldner oder die schuldnerische Gesellschaft, nicht dagegen die Insolvenzgläubiger, berechtigt, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens steht seit dem 01.01.2021 daneben auch ein als großenteils außergerichtlich konzipiertes Verfahren nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) zur Verfügung, das nach § 29 StaRUG die nachhaltige Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO zum Ziel hat.

In Rechtsprechung und Literatur zu diesem noch recht neuen Gesetz ist umstritten, ob die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG im Fall einer juristischen Person allein durch die Geschäftsleitung, zum Beispiel bei einer GmbH durch den Geschäftsführer, möglich ist oder ob sie eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses bedarf. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hierzu findet sich nicht.

Eine, unter anderem vom Amtsgericht (AG) Dresden vertretene, Auffassung verneint die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Diese Auffassung argumentiert unter anderem, dass die mit der Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses verbundene Zeitverzögerung die gesetzgeberische Intention schneller Restrukturierung bei drohender Zahlungsunfähigkeit konterkariere.

Eine modifizierte, auch vom AG Nürnberg präferierte, Ansicht folgt der Auffassung des AG Dresden zumindest dann, wenn ein Restrukturierungsplan bzw. ein Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren ist. Vor allem wird dies angenommen, wenn im Falle einer Überschuldung die positive Fortbestehensprognose nur noch auf die mehrheitliche Unterstützung des Restrukturierungskonzepts durch die Gläubiger gestützt werden kann. Teilweise wird als zusätzliche Voraussetzung für die Einschränkung des Gesellschaftereinflusses gefordert, dass die Beteiligung der Gesellschafter bereits wertlos ist.

Dagegen verlangen andere juristische Stimmen bei Unterschieden in Detailfragen, etwa das Landgericht (LG) Berlin, jedenfalls bei drohender Zahlungsunfähigkeit und dann, wenn im Zuge des Restrukturierungsverfahrens in Gesellschafterrechte eingegriffen werden soll, einen vorherigen Gesellschafterbeschluss, weil es sich um ein den Gesellschaftszweck änderndes Grundlagengeschäft oder zumindest um eine besonders bedeutsame und außergewöhnliche Maßnahme handle. Zudem wird angeführt, dass ein auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit gestützter Insolvenzantrag ebenfalls eines Gesellschafterbeschlusses bedürfe, was allerdings seinerseits streitig und in der InsO nicht, zumindest nicht ausdrücklich, geregelt ist.

Die Anteilsinhaber seien wegen möglicher Eingriffe in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan außerdem schutzbedürftig.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart schließt sich der Auffassung an, die keinen Gesellschafterbeschluss für die Einleitung des Verfahrens nach dem StaRUG verlangt, wenn ein Restrukturierungsplan bzw. ein Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren ist.

Auf die in seinem Beschluss auch (und sehr ausführlich) behandelten Probleme aus dem Zwangsvollstreckungs- und dem Gesellschaftsrecht wird hier nicht eingegangen.

Der Beschluss ist zwar inzwischen (wohl) rechtskräftig, es ist jedoch zu beachten, dass es sich einerseits um ein Verfahren über die Aussetzung der Zwangsvollstreckung vor der eigentlichen Sachentscheidung handelte, nicht um ein Urteil, und andererseits nach wie vor eine höchstrichterliche Klärung der streitigen Frage durch den Bundesgerichtshof nicht erfolgt ist. Der Beschluss des OLG Stuttgart bietet daher noch keine abschließende Gewähr, dass andere Gerichte, auch Amtsgerichte als Restrukturierungsgerichte, nicht auch in Zukunft einen Gesellschafterbeschluss verlangen werden. Unbeachtet kann der Beschluss allerdings kaum bleiben.

Die Begründung des OLG Stuttgart

Für seine Auffassung, so das OLG Stuttgart, spreche, dass in § 7 Abs. 4 StaRUG ausdrücklich die Kapitalherabsetzung, der Ausschluss von Bezugsrechten und die Übertragung von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten als planmäßige Gestaltungsmöglichkeiten genannt seien. In diesen einschneidenden Fällen werde die Gesellschafterversammlung häufig nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustimmen. Dadurch würde der Anwendungsbereich des StaRUG erheblich reduziert, und der Schuldnerin häufig allein der Weg bleiben, Insolvenzantrag zu stellen.

Zudem schaffe § 28 StaRUG die Möglichkeit, auch größere Gruppen von Planbetroffenen durch gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen zu überstimmen und damit Restrukturierungsmaßnahmen gerade gegen den Widerstand der Gesellschafter durchzuführen. Sei ihre Zustimmung zur Einleitung des Verfahrens erforderlich, könne das Verfahren durch die Gesellschafter entgegen der gesetzgeberischen Intention blockiert werden.

Diese Überlegungen hätten nicht nur für die Berechtigung der Einleitung eines StaRUG-Verfahrens im Außenverhältnis zu gelten, sondern auch für das Innenverhältnis zu den Gesellschaftern.

Auch das Schutzbedürfnis der Anteilseigner gebietet keine andere Betrachtungsweise.

Anderes ergebe sich auch nicht aus der Gesetzgebungsgeschichte. Zwar seien §§ 2, 3 des Regierungsentwurfs zum StaRUG im Rechtsausschuss gestrichen worden und stattdessen in § 43 Abs. 1 StaRUG die Verpflichtung des Geschäftsleiters vorgesehen worden, darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt, dies gebiete aber keine andere Sicht auf die Dinge.

§ 2 des Regierungsentwurfs sah insbesondere vor, dass die Geschäftsleiter im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren, und dass Beschlüsse und Weisungen der Überwachungsorgane und anderer Organe unbeachtlich seien, soweit sie der gebotenen Wahrung der Gläubigerinteressen entgegenstünden. Diese Entwurfsregelung sei indessen nicht speziell auf die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG zugeschnitten gewesen, vielmehr habe sie als Korrektiv für die den Geschäftsleitern im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit zukommende Macht dienen sollen, Entscheidungen zu treffen, die sich zu Lasten der Gläubiger auswirkten.

Die Streichung der §§ 2,3 des Regierungsentwurfs sei lediglich mit Blick auf ihr unklares Verhältnis zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten erfolgt, wobei der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Streichung keine Haftungslücken hinterlasse, und dass das Bedürfnis nach Gläubigerschutz, das mit der Rückbildung der davon betroffenen gläubigerschützenden Haftungsnormen einhergehe, durch die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen aufgefangen werde. Für die Frage der Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses lasse sich aus der Streichung daher wenig ableiten, vielmehr bleibe das Gesetz im Hinblick auf die sich aus der Streichung des § 2 ergebenden Konsequenzen unklar und konturlos.

Da sich aus § 32 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 StaRUG auch Verpflichtungen der Gesellschafter ergäben, hätten selbst dann, wenn man in Anwendung des allgemeinen Gesellschaftsrechts im Ausgangspunkt vom Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses und von der Verbindlichkeit von Weisungen der Gesellschafter ausginge, Einschränkungen zu gelten, wenn ein Restrukturierungsplan bzw. ein Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren sei.

Download: Restrukturierungsfähigkeit gemäß § 30 StaRUG nur bei unternehmerischer Tätigkeit einer natürlichen Person - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit

Überblick

Natürliche Personen sind ausnahmslos insolvenz-, nicht aber restrukturierungsfähig, wie sich aus § 30 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ergibt:

§ 30 Restrukturierungsfähigkeit
(1) Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können vorbehaltlich des Absatzes 2 von jedem insolvenzfähigen Schuldner in Anspruch genommen werden. Für natürliche Personen gilt dies nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind.

(2) Die Bestimmungen dieses Kapitels sind auf Unternehmen der Finanzbranche im Sinne des § 1 Absatz 19 des Kreditwesengesetzes nicht anzuwenden.

Der Gesetzeswortlaut scheint, was die Restrukturierungsfähigkeit natürlicher Personen angeht, eindeutig und keiner abweichenden Auslegung fähig zu sein. Dennoch stellt sich die Frage, was unter „unternehmerisch tätig“ im Sinne der Vorschrift in Grenzfällen zu verstehen ist. § 30 StaRUG selbst definiert dies nicht.

Der Unternehmerbegriff des § 14 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden, da er rechtsgeschäftsorientiert ist. Eine gängige Definition zu § 30 StaRUG lautet dagegen: Eine unternehmerische Tätigkeit liegt vor, wenn die natürliche Person eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbstständig ausübt und dabei im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko in organisatorisch verfestigter Form wirtschaftlich tätig ist. Entscheidende Betonung liegt damit auf dem Merkmal der Selbständigkeit der natürlichen Person.

Probleme kann im Einzelfall die Abgrenzung zwischen dem privaten und dem unternehmerischen Teil der Tätigkeit bereiten, da § 30 StaRUG die Restrukturierungsfähigkeit auf den unternehmerischen Teil „soweit“ begrenzt.

Erfüllt der Betreffende diese persönlichen Voraussetzungen nicht, hat das Restrukturierungsverfahren von vornherein keine Aussicht auf Umsetzung. In der Konsequenz hat das Gericht gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG eine Restrukturierungssache aufzuheben, wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das angezeigte Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht auf Umsetzung hat. Einen solchen Fall hatte das Amtsgericht (AG) Köln vorliegend zu entscheiden.

Es stellte sich hier die Frage, ob das Halten von Gesellschaftsbeteiligungen und eine Geschäftsführertätigkeit als unternehmerische Tätigkeit im Sinne der Vorschrift zu verstehen sind.

Der zu entscheidende Fall

Der Schuldner war ursprünglich als Einzelkaufmann im Bereich Entwicklung und Vertrieb von elektronischen Bauteilen für die HiFi-Industrie tätig. Später entschied er sich, Bauteile selbst zu fertigen und die dafür notwendige Filmkondensatorproduktion aufzubauen, allerdings als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X-UG, welche wiederum alleinige Gesellschafterin der U-GmbH war. Der Schuldner war auch Geschäftsführer der U-GmbH. und übernahm für deren Kredite persönliche Bürgschaftsverpflichtungen.

Am 30.01.2024 wurde über das Vermögen der U-GmbH ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung und Anordnung eines Schutzschirmverfahrens nach § 270c der Insolvenzordnung (InsO) gestellt und mit Beschluss vom 01.02.2024 ein vorläufiger Sachwalter bestellt.

Am 10.03.2024 hat der Schuldner gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG ein Restrukturierungsvorhaben angezeigt und angeregt, von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen und den Entwurf eines Restrukturierungsplans vorgelegt.

Die Banken hätten im Eigenverwaltungsverfahren der U-GmbH Kredite fällig gestellt, für die er die Bürgschaftsverpflichtungen übernommen habe, die nunmehr drohten, ebenfalls fällig gestellt zu werden. Anhand der beigefügten Ertragsplanung sei davon auszugehen, dass er, der Schuldner, drohend zahlungsunfähig sei.

Die Begründung des AG Köln

Das AG Köln stellt seinem Beschluss folgende Leitsätze voran:

1. Die Differenzierung des § 304 InsO in Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren kann im Rahmen des StaRUG nur teilweise, aber nicht vollständig herangezogen werden. Das StaRUG erfordert anders als die Abgrenzung im Rahmen des § 304 InsO gerade keine abschließende, generelle Einordnung als Verbraucher oder Unternehmer. Dem StaRUG liegt vielmehr eine gespaltene Betrachtung der natürlichen Person zugrunde („soweit sie unternehmerisch tätig ist“).

2. Das Halten von Gesellschaftsanteilen durch eine natürliche Person (Schuldner) an einer operativ tätigen GmbH genügt für sich genommen nicht, um für den Schuldner den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zu eröffnen.

3. Soweit der Schuldner bewusst das Konstrukt über eine Anteile haltende haftungsbeschränkte Gesellschaft wählt, liegt dem regelmäßig das Ziel zu Grunde, das unternehmerische Risiko gerade von der natürlichen Person weg zu verlagern. Dass er zusätzlich Bürgschaften für die Darlehnsverpflichtungen der Gesellschaft übernommen hat und die Anteile hält, eröffnet keine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG.

Das Gericht hob die Restrukturierungssache des Schuldners auf, da das angezeigte Restrukturierungsvorhaben hat keine Aussicht auf Erfolg habe.

Der Anwendungsbereich der §§ 29, 30 StaRUG sei nicht eröffnet. Der Schuldner sei nicht in diesem Sinne unternehmerisch tätig, zudem sei die unternehmerische Tätigkeit der GmbH (Produktion, Entwicklung und Vertrieb von elektronischen Bauteilen) bereits in einem eigenen Eigenverwaltungsverfahren und werde dort restrukturiert. Eine zusätzliche parallele Restrukturierung derselben unternehmerischen Tätigkeit im StaRUG-Verfahren sei daher nicht möglich.

Unabhängig hiervon erfülle aber auch die Tätigkeit des Schuldners nicht die Anforderungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG.

Dass nach der Rechtsprechung für den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH das Regelinsolvenzverfahren und nicht das Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO Anwendung finde, könne nicht auf den Anwendungsbereich von § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG übertragen werden. Dem StaRUG liege anders als § 304 InsO eine gespaltene Betrachtung der natürlichen Person zugrunde, „soweit sie unternehmerisch tätig ist“.

Der Schuldner habe vorliegend bewusst die Tätigkeit als Einzelkaufmann aufgegeben und das Konstrukt über die Anteile haltende haftungsbeschränkte UG und die GmbH gewählt. Ziel sei gewesen, das unternehmerische Risiko gerade von der natürlichen Person weg zu verlagern. Die Bürgschaftsübernahmen für die Darlehensverpflichtungen der GmbH und das Halten der Anteile eröffne keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. Der Schuldner strebe vielmehr Befreiung von seinen Bürgschaftsforderungen an. Einer solchen „Restschuldbefreiung“ diene das StaRUG nicht.

Der Beschluss des AG Köln ist rechtskräftig, nachdem das Landgericht Köln die Beschwerde des Schuldners durch Beschluss vom 01.10.2024 (13 T 97/24) zurückgewiesen hat.

Download: Mängelgewährleistung beim Werkvertrag - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit

Überblick

Nach § 633 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hat der Unternehmer dem Besteller das zu erstellende Werk, beispielsweise ein Wohnhaus, frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat und, soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, wenn das Werk sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.

Bei Vorliegen eines oder mehrerer Mängel bestimmt § 634 BGB die Gewährleistungsrechte des Bestellers (ganz ähnlich wie § 437 BGB die Rechte des Käufers bei Mängeln der Kaufsache):

„Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. nach § 635 Nacherfüllung verlangen,
2. nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,
3. nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und
4. nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.“

Die Handhabung dieser Vorschrift ist nicht nur wegen der vielfachen Verweise auf andere Paragraphen nicht ganz einfach.

Die Ausübung der Rechte nach den Nrn. 2 bis 4 setzt im Allgemeinen voraus, dass der Besteller zunächst Nacherfüllung vom Unternehmer verlangt. Das Verhältnis der Gewährleistungsrechte zueinander hängt davon ab, ob der Besteller ein Recht ausübt, das den Vertrag beendet, oder im Gegenteil die Wahl des Rechts ergibt, dass er die Leistung trotz des Mangels behalten möchte wie etwa bei der Erklärung der Minderung. Soweit der Besteller zum Beispiel nach Nr. 2 den Mangel selbst beseitigten will, gewährt ihm das Gesetz hierfür einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Unternehmer. Nach ständiger Rechtsprechung kann er auch einen Kostenvorschuss verlangen, den er nach Durchführung der Mangelbeseitigung abzurechnen hat.

Der zu entscheidende Fall

Die Parteien streiten über Ansprüche der Beklagten auf Zahlung von Kostenvorschüssen für die Beseitigung von Schallschutzmängeln an dem von der Klägerin als Unternehmer errichteten Wohnhaus der Beklagten. Zuvor hatten sie wegen derselben Mängel eine Minderung der Vergütung erklärt.

Die Klägerin erstellte eine Schlussrechnung, aus der sich zu ihren Gunsten eine Restforderung ergab, die sie im vorliegenden Verfahren eingeklagt hat, was aber vor dem Bundesgerichtshof (BGH) nicht mehr in Streit steht. Die Beklagten haben widerklagend gestützt auf ihre erklärte Minderung Rückzahlung von ihrer Meinung nach bereits überzahlter Vergütung verlangt. Zu den geltend gemachten Mängeln gehören Schallschutzmängel betreffend „Lüfter“, „Abwasseranlage“ und „Trittschall“.

Das Landgericht (LG) hat zur Feststellung der behaupteten Mängel und über die Frage, wie sich die festgestellten Mängel auf den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auswirken, Beweis erhoben. Hinsichtlich der Schallschutzmängel hat das LG die Forderung der Beklagten für unbegründet erachtet, da diese Mängel keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks hätten.

In der Berufungsinstanz haben die Beklagten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 20.000 € nicht mehr als Minderungsbetrag, sondern als Kostenvorschuss begehrt. Nach einer weiteren Beweisaufnahme zum Vorliegen der behaupteten Schallschutzmängel und der Höhe der Mängelbeseitigungskosten hat das Berufungsgericht die Klägerin verurteilt, an die Beklagten weitere 16.730,36 € als Kostenvorschuss zu zahlen.

Der Revision der Klägerin blieb daher der Erfolg versagt.

Die Begründung des BGH

Der Anspruch auf Kostenvorschuss, so der BGH, folge aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 und 3 BGB und sei nicht nach § BGB § 634 Nr. 2, § 637 Absatz 1, § 635 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

Nach § 637 Abs. 1 BGB sei das Selbstvornahmerecht und der Anspruch auf Kostenvorschuss zwar ausgeschlossen, wenn der Unternehmer zu Recht die Nacherfüllung verweigere. Nach § 635 Abs. 3 BGB könne der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei. Diese Voraussetzungen lägen indessen offensichtlich nicht vor. Zum einen bestünden Schallschutzmängel, die für die Qualität des Wohnens von nicht unwesentlicher Bedeutung seien, zum anderen seien die Aufwendungen zur Mangelbeseitigung keinesfalls unangemessen.

Die Kostenvorschussansprüche seien auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagten wegen derselben Mängel zunächst die Minderung der Vergütung erklärt hatten.

Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen sei, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt habe, existiere nicht. Weder § 634 BGB noch §§ 637, 638 BGB regelten, in welchem Verhältnis das Recht des Bestellers auf Minderung der Vergütung und die ihm zustehende Befugnis zur Selbstvornahme sowie sein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses stehen. Nach dem Gesetzeswortlaut sei vielmehr davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.

Es sei gesetzgeberische Absicht gewesen, dass grundsätzlich die Geltendmachung eines Mängelrechts andere Mängelrechte nicht ausschließe. Nur wenn der Besteller Schadensersatz statt der Leistung begehre, sei ausdrücklich geregelt, dass der Anspruch auf Nacherfüllung erlösche, sobald der Besteller dieses Recht ausübe (§§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 4 BGB). Diese Regelung diene dem Schutz des Unternehmers, der sich darauf einstellen können solle, nicht mehr einem Anspruch auf Nacherfüllung ausgesetzt zu sein. Damit werde ihm eine sicherere Einsatzplanung der von ihm vorgehaltenen und auf seinen Baustellen einzusetzenden Produktionsmittel gewährleistet, da er nicht parallel auf Schadensersatz und Nacherfüllung in Anspruch genommen werden könne.

Der BGH hatte bereits abgelehnt, diese Regelung auf die Befugnis zur Selbstvornahme und damit den Anspruch auf Kostenvorschuss zu erstrecken (BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17). Diese Rechtsprechung beruhe auf dem Wortlaut von § 281 Abs. 4 BGB, der gesetzgeberischen Absicht und dem Sinn und Zweck des Kostenvorschussanspruchs. Dieser diene dazu, dem Besteller die Nachteile und Risiken abzunehmen, die mit einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung einhergingen. Wähle der Besteller Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes, könne er den Mangel selbst beseitigen und die damit verbundenen Aufwendungen als Schaden von dem Unternehmer erstattet verlangen. Durch die Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung anstelle der Selbstvornahme solle der Besteller aber nicht schlechter gestellt werden. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses sei deshalb nur gewährleistet, wenn der Besteller – auch nach Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes – weiterhin Vorschuss verlangen könne.

Dem Besteller stehe es daher frei, nach seiner Erklärung, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes zu verlangen, den Mangel zunächst nicht zu beseitigen und den Schaden in Anlehnung an die in §§ 634 Nr. 3, 638 BGB geregelte Minderung zu bemessen. Das hindere ihn aber nicht, sich später für eine Beseitigung des Mangels zu entscheiden und deshalb einen Kostenvorschussanspruch hierfür geltend zu machen.

Diese Erwägungen hätten entsprechend für das Verhältnis der Minderung nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB zum Kostenvorschussanspruch zu gelten. Wähle der Besteller zunächst das Mängelrecht der Minderung, steht es ihm grundsätzlich frei, zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen. Die Rechtsnatur der Minderung stehe dem nicht entgegen.

Mit der Minderung bringe der Besteller zum Ausdruck, keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer zu wollen, weshalb mit ihr der Nacherfüllungsanspruch erlösche. Zudem bringe der Besteller zum Ausdruck, das Werk trotz des Mangels behalten zu wollen, so dass wegen dieses Mangels der Rücktritt vom Vertrag grundsätzlich ausgeschlossen sei. Das Gleiche gelte für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des großen Schadensersatzes, mit dem die Rückgängigmachung des Vertrags verlangt werde. Dagegen sei der Besteller nach erklärter Minderung nicht gehindert, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend zu machen.

Hiervon ausgehend könne der Besteller auch nach erklärter Minderung den Mangel beseitigen und die dafür getätigten Aufwendungen als Schadensersatz statt der Leistung von dem Unternehmer erstattet verlangen. Dies sei ihm weder nach der Gesetzessystematik noch aufgrund der Gestaltungswirkung der Minderung verwehrt.

Minderung und Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes seien ihrem Inhalt nach darauf gerichtet, das verletzte Leistungsinteresse des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalte, auszugleichen. Diese Mängelrechte schlössen sich daher nicht aus, sondern ergänzten sich. Um einen möglichst umfassenden Ausgleich des Leistungsinteresses zu gewährleisten, sei es gerechtfertigt, dem Besteller ergänzend einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung (kleinen Schadensersatz) zuzubilligen, wenn ein über den Minderungsbetrag hinausgehender Schaden entstehe. Dieser könne auch nach erklärter Minderung in – über den Betrag der durch die Minderung ersparten Vergütung hinausgehenden – aufgewandten Mängelbeseitigungskosten bestehen.

Dem Unternehmer sei hier kein schützenswertes Interesse zuzubilligen, nach einer einmal erfolgten Minderung der Vergütung nicht mehr auf die Kosten einer Mängelbeseitigung in Anspruch genommen zu werden. Es bestehe kein Grund, über das Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs hinaus die Dispositionsfreiheit des Bestellers zugunsten des Unternehmers einzuschränken. Es sei vielmehr der Unternehmer, der in doppelter Weise vertragswidrig gehandelt habe, indem er weder ein mangelfreies Werk hergestellt habe noch seiner Nacherfüllungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sei.

Die Gestaltungswirkung der Minderung beschränke sich damit auf die Mängelrechte der Nacherfüllung, des Rücktritts und des großen Schadensersatzes in Form der Rückgängigmachung des Vertrags. Sie nehme dem Besteller, der das mangelhafte Werk behalte, jedoch nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung in vollem Umfang durchzusetzen.

Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH (Urteil vom 09.05.2018 –VIII ZR 26/17) stehe dieser Entscheidung entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen, da der VIII. Zivilsenat zum Mängelgewährleistungsrecht beim Kauf gleichlautend geurteilt habe.

Download: Beweisführung im Schadensfall - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit

Überblick

Rechtsstreite nach Schadensereignissen sind vielleicht nicht die Regel, aber zumindest sehr häufig. Gestritten wird dabei einerseits um die Schadensverursachung, andererseits über die Höhe des Schadens, der sowohl in der Beschädigung von Sachen als auch in der Verletzung der Person liegen kann, Auch psychische Beeinträchtigungen können im Einzelfall in Betracht kommen. Autounfälle sind als Schadensverursachung in erster Linie zu nennen.

Die Beweisführung obliegt im Grundsatz dem Geschädigten. Er muss alle Voraussetzungen einer Schadensersatznorm dartun und, wenn diese vom Gegner bestritten werden, auch beweisen.

Bei Schäden im außervertraglichen Bereich ist eine zentrale Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Der Geschädigte muss danach die Verletzungshandlung des Anspruchsgegners, den Schadeneintritt und die Höhe sowie die Kausalität zwischen der Handlung und dem eingetretenen Schaden behaupten und gegebenenfalls beweisen.

Was für den Beweis erforderlich ist, bestimmt das Zivilprozessrecht, konkret § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO):

„Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.“

Auf der Grundlage dieser Vorschrift ist der volle Beweis zu erbringen, das heißt, dass das Gericht vom Vorliegen der zu beweisenden Tatsache subjektiv überzeugt sein muss, wenn es sie seiner Urteilsfindung zugrundlegen will. Bloße Wahrscheinlichkeiten reichen dafür ebenso wenig aus wie auf der anderen Seite keine absolute Gewissheit verlangt wird, die ohnehin nicht zu erlangen wäre.

Von der Grundregel des § 286 ZPO gibt es allerdings viele Abweichungen. Teilweise ergeben sich diese aus dem materiellen Recht. So wird etwa im Zusammenhang mit der sogenannten Vorsatzanfechtung nach § 133 der Insolvenzordnung, die den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon verlangt, letztere vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass der Schuldner bei der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war und die anderen Gläubiger benachteiligt werden.

Neben den gesetzlichen Beweiserleichterungen gibt es eine große Zahl solcher, die in der Rechtsprechung herausgebildet wurden.

Zu den im Schadensersatzprozess häufigsten Beweiserleichterungen gehört § 287 ZPO, der das Beweismaß zugunsten des Geschädigten reduziert:

„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen...“

Auch vorliegend geht es um Schäden, von denen der Kläger behauptet, sie seien bei einem Unfall mit dem Beklagten zu 1 entstanden. Der ebenfalls beklagte Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1, die Beklagte zu 2, behauptet dagegen, der Unfall habe schon gar nicht stattgefunden, er sei vorgetäuscht worden. Jedenfalls aber seien die vom Kläger behaupteten Schäden nicht auf den Unfall zurückzuführen. Für eine solche Manipulation gab es tatsächlich erhebliche Anhaltspunkte:

  • Das Unfallereignis lag kurz nach Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger.
  • Der Kläger veräußerte das Fahrzeug kurzfristig nach dem behaupteten Unfall und verweigerte der Beklagten zu 2 eine Besichtigung der (angeblichen) Schäden.
  • Er ließ ein Gutachten über die Höhe des Schadens und dessen Verursachung durch eine GmbH erstellen, deren Geschäftsführer er selbst war.

Versicherungsbetrug durch manipulierte Unfälle mit Kraftfahrzeugen ist in der Praxis nicht selten und durch die Versicherungsgesellschaften häufig nur schwer nachzuweisen, da in aller Regel beide Unfallbeteiligte dabei kollusiv zusammenwirken.

Der zu entscheidende Fall

Der Kläger nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch

Er fuhr nach seiner Behauptung am 14.12.2017 mit einem Mercedes-Benz E63 AMG, der am 27.11.2017 auf ihn zugelassen worden war, auf einer Bundesstraße. Der Beklagte zu 1 war Halter eines bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Mercedes-Benz Sprinter. Der Kläger behauptet, auf der Höhe einer wegen einer Baustelle verkürzten Auffahrt habe der Beklagte zu 1 beim Wechsel von der Einfädelspur auf die rechte Fahrspur nicht auf sein Fahrzeug geachtet, weshalb es zu einer seitlichen Kollision gekommen sei.

Am 18.12.2017 erstellte die R-GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, ein Schadensgutachten über Schäden an der rechten Seite des Mercedes-Benz E63 AMG. Die Besichtigung des PKW, der bereits einen Vorschaden hatte, durch die Beklagte zu 2 verweigerte er und veräußerte das Fahrzeug kurzfristig.

Das Landgericht (LG) hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Berufung des Klägers im Beschlusswege, also ohne mündliche Verhandlung, zurückgewiesen. Es hat angenommen, die geltend gemachten Fahrzeugschäden könnten nicht bei dem vom Kläger geschilderten Unfallgeschehen entstanden sein. Die Richtigkeit der Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen B. zum Zustand des Klägerfahrzeugs vor Fahrtantritt vorausgesetzt, könnten die nicht kompatiblen Schäden im Nachhinein hinzugekommen sein. Es stehe die ernsthafte Möglichkeit einer Manipulation im Raum. Dieser Verdacht werde gestützt durch die Verweigerung der erbetenen Besichtigung. Wenn der Kläger meine, bestimmte abgrenzbare Schäden (Türaußengriff, Beifahrertür, rechter Außenspiegel, Scheinwerfer, rechte Seitenwand) seien auch nach den Feststellungen des Sachverständigen auf das Unfallereignis zurückzuführen, ändere dies nichts. Der Kläger hätte darzulegen, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden sei. Dies erfordere bei einem Vorschaden die Darlegung eines bestimmten, näher abgrenzbaren Teils des Schadens. Daran fehle es hier. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche der Schäden an den von ihm nun benannten Fahrzeugteilen durch die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug entstanden seien und welche nicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen fänden sich etwa an der rechten Seitenwand Spurenzeichnungen, die durch die Streifkollision mit dem Mercedes-Benz Sprinter verursacht worden sein könnten, aber auch ein Spurenbild, welches wegen des Richtungsverlaufs nicht zu dem geschilderten Unfallhergang passe. Abgesehen davon habe der Kläger auch nicht dargelegt, welche der zahlreichen, im Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Der BGH hebt den Beschluss des OLG sowie das zugrundeliegende Verfahren auf und verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Begründung des BGH

Der BGH meint, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs solle als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergehe, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien hätten. In diesem Sinne gebiete die Norm in Verbindung mit den Grundsätzen der ZPO die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Hiergegen werde unter anderem verstoßen, wenn das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt habe.

Das OLG habe verfahrensfehlerhaft allein tragend darauf abgestellt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, welche der behaupteten Schäden durch die Kollision entstanden seien und welche durch den Vorschaden. Er habe auch nicht dargelegt, welche der in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren Kompatibilität vom Privatsachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich seien.

Dagegen meint der BGH, es seien schon keine weiteren Darlegungen des Klägers zur Abgrenzung der Beschädigungen erforderlich gewesen. Denn der Sachverständige habe Ausführungen dazu gemacht, welche Beschädigungen durch die vom Kläger behauptete Kollision verursacht worden sein könnten. Diese reiche als Vortrag aus. Eine andere Frage sei, wie der Kläger dies beweisen könne.

Der Kläger habe zudem konkret vorgetragen, welche der geltend gemachten Beschädigungen durch den Unfall verursacht worden sein sollen. Er habe unter Bezugnahme auf das Gutachten ausgeführt, über die bloße Unfallkompatibilität hinausgehend sei nachgewiesen, dass bestimmte abgrenzbare Beschädigungen durch das Unfallereignis verursacht worden seien. Der Sachverständige habe konkrete Schäden zuordnen können. Es sei nicht ersichtlich, was der Kläger zur Abgrenzung der Beschädigungen hätte weiter sachdienlich darlegen oder ausführen können.

Ebenso überspannt seien die Anforderungen, die das OLG an den Vortrag zu den erforderlichen Reparaturarbeiten gestellt habe.

§ 287 ZPO erleichtere über seinen Wortlaut hinaus nicht nur die Beweisführung, sondern bereits die Darlegung der zugrunde liegenden Tatsachen. Der Geschädigte müsse zur substantiierten Darlegung des geltend gemachten Schadens weder ein Privatgutachten vorlegen noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend ergänzen. Er könne durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in welcher geringeren als von ihm ursprünglich geltend gemachten Höhe Reparaturkosten anfallen.

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht habe die Möglichkeit einer Manipulation bislang nur ernsthaft angenommen, sich davon aber nicht überzeugt. Es könne daher nicht sicher ausgeschlossen werden, dass es zu dem Ergebnis gelange, der geltend gemachte Anspruch bestehe zumindest teilweise.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH nicht etwa einen manipulierten Unfall ausgeschlossen, sondern lediglich das Verfahren des OLG für fehlerhaft erachtet. Über den Fortgang des Prozesses ist damit noch keine Aussage getroffen, vielmehr muss zunächst der Sachverhalt durch das OLG weiter aufgeklärt werden.

Download: Anfechtbarkeit der Bestellung von Sicherheiten als unentgeltliche Leistung - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit

Überblick

Das Insolvenzanfechtungsrecht ist eine der schwierigsten Rechtsmaterien, obwohl die Insolvenzordnung (InsO) es in lediglich in 19 Vorschriften, ihren §§ 129 bis 147 regelt, und ist von einer starken Kasuistik geprägt.

Grundvoraussetzung jeder Anfechtung ist gemäß § 129 Abs. 1 InsO eine vor der Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlung, die die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger benachteiligt. Die Benachteiligung einzelner Gläubiger reicht dagegen nicht aus. Nach der gängigen Definition des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse (die Summe der Insolvenzforderungen) vermehrt oder die Aktivmasse (das in die Insolvenzmasse fallende Vermögen des Schuldners ohne Abzug der Verbindlichkeiten) verkürzt hat, wenn sich mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten, also eine höhere Insolvenzquote hätte ausgeschüttet werden können. Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung ist isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Eine Gläubigerbenachteiligung entfällt nicht deshalb, weil die anzufechtende Rechtshandlung in Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat. Als Vorteil der Masse sind nur solche Folgen zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der angefochtenen Rechtshandlung zusammenhängen.

Nicht gläubigerbenachteiligend ist der bloße Austausch von Sicherheiten, wenn die neue vom Schuldner gewährte Sicherheit keinen höheren Wert hat als die ursprüngliche, denn hierdurch erlangt er die zunächst gewährte Sicherheit zurück.

Zu diesem Erfordernis müssen die Voraussetzungen mindestens eines sogenannten Anfechtungstatbestands hinzukommen, etwa diejenigen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO oder diejenigen der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO, die – nicht ganz zutreffend – auch als Schenkungsanfechtung bezeichnet wird. § 134 Abs. 1 InsO lautet:

„Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.“

Während der Ablauf der Vier-Jahres-Frist im Allgemeinen relativ einfach festzustellen ist, bereitet die Subsumtion unter den Begriff „unentgeltliche Leistung“ durchaus Schwierigkeiten. Leistung in diesem Sinne ist jede Rechtshandlung, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen.

Sind an diesem Vorgang lediglich der Insolvenzschuldner und der spätere Anfechtungsgegner beteiligt, wird eine Leistung des Schuldners als unentgeltlich angesehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung des Anfechtungsgegners gegenübersteht, die dem vom Schuldner aufgegebenen Vermögenswert nach dem objektiven Wertverhältnis entspricht. Ob die Erfüllung einer schuldrechtlichen Verpflichtung entgeltlich ist, richtet sich danach, ob diese entgeltlich begründet wurde. So ist die Übereignung einer verkauften Sache entgeltlich, wenn für sie ein angemessener Kaufpreis vereinbart war, denn der Kaufvertrag war hier entgeltlich. Demgegenüber ist die Erfüllung eines Schenkungsversprechens, etwa die Übereignung eines Grundstücks, unentgeltlich, weil der zugrundeliegende rein schuldrechtliche Schenkungsvertrag unentgeltlich war.

Eine Sonderstellung nimmt die Stellung von Sicherheiten durch den Schuldner ein. Hier sagt die Rechtsprechung im Grundsatz, dass die Sicherheitenbestellung für eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners entgeltlich ist, wenn die Verbindlichkeit selbst entgeltlich begründet wurde, und unentgeltlich im gegenteiligen Fall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Sicherheit zusammen mit der Begründung der Verbindlichkeit bestellt wird.

Besichert der Schuldner die Verbindlichkeit eines Dritten, ist dies in aller Regel unentgeltlich, weil durch sie der Masse nichts zufließt.

Erhält der Schuldner nach der vertraglichen Absprache zwar auch einen Vermögenswert, hat seine Leistung aber den höheren Wert, kann diese eventuell wegen Teilunentgeltlichkeit angefochten werden.

Der zu entscheidende Fall

Etwas vereinfacht hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über folgenden Sachverhalt zu entscheiden.

Der Schuldner verpfändete am 30.05.2008 an die Klägerin, ein Kreditinstitut, ein Termingeldkonto über 40.000 € zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen eine GmbH (Darlehen), zudem übernahm er zur Sicherung dieser Forderungen eine Bürgschaft zugunsten der Klägerin.

Am 12.10.2014 schloss er eine private Rentenversicherung ab und veranlasste die Überweisung des Versicherungsbeitrags in Höhe von 51.500 € an den Versicherer. Die Ansprüche und Rechte aus diesem Versicherungsvertrag trat der Schuldner am 29.12.2014 in voller Höhe an die Klägerin, zur Sicherung von Ansprüchen gegen ihn selbst und die Gesellschaft (Restforderung aus dem Darlehen) ab. 2016 wurde über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet und auf Antrag vom 09.03.2017 am 17.08.2017 auch über das Vermögen des Schuldners. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Klägerin meldete eine Forderung über 90.000 € aus der vom Schuldner übernommenen Bürgschaft zur Insolvenztabelle an. Sie kündigte gegenüber dem Versicherer den Versicherungsvertrag und bat um Auszahlung des Rückkaufswerts, der sich auf 55.000 € belief. Der Versicherer zahlte die Summe an den Beklagten aus.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Auskehrung dieses Betrags und beruft sich hierzu auf ein Absonderungsrecht. Der Beklagte wendet dagegen die Anfechtbarkeit der Sicherheit ein, die Klägerin meint der Anfechtungsanspruch sei verjährt, außerdem habe es sich um einen nicht gläubigerbenachteiligenden Sicherheitentausch gehandelt, der nicht angefochten werden könne.

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der BGH hebt das Urteil und das zugrundeliegende Verfahren auf und verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Begründung des BGH

Aus den angegebenen Daten folgt ohne Weiteres, dass der Anfechtungszeitraum von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag gemäß § 134 InsO nicht abgelaufen ist, die Abtretung erfolgte am 29.12.2014, der Antrag wurde am 09.03.2017 gestellt. Diese Zession war auch unproblematisch eine Rechtshandlung im Sinne der §§ 129, 134 InsO.

Was die Gläubigerbenachteiligung angeht, bezieht sich der BGH auf die eingangs wiedergegebene Definition. Nach seiner ständigen Rechtsprechung kann allerdings, selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Benachteiligung fehlen, wenn der Gläubiger im Umfang der Zahlung insolvenzbeständig am Schuldnervermögen gesichert war. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Rechtshandlung dazu führt, dass eine wirksam und unanfechtbar bestellte Sicherheit unmittelbar durch eine gleichwertige andere Sicherheit ersetzt wird, ohne dass damit für das Schuldnervermögen ein zusätzlicher Rechtsverlust verbunden wäre, allerdings nur in dem Umfang des für die ursprüngliche Sicherheit vereinbarten Sicherungszwecks.

Ob die Voraussetzungen eines solchen unmittelbaren Austausches gleichwertiger Sicherheiten gegeben waren, konnte der BGH den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.

Das Guthaben des zugunsten der Klägerin verpfändeten Termingeldkontos belaufe sich, so der BGH, auf 40.000 €; die Zahlung an den Versicherer habe jedoch 51.500 € betragen. Mangels anderweitiger Feststellungen muss der Schuldner folglich über den Wert des ursprünglich verpfändeten Guthabens hinausgehendes Vermögen eingesetzt haben, um den Versicherungsbeitrag leisten zu können. Ferner habe das Berufungsgericht ausdrücklich offengelassen, ob sich die Sicherungsabrede im Zuge der Neubesicherung geändert habe und deshalb die Sicherungszession gläubigerbenachteiligend sei, weil die vorgenommene Neubesicherung die Verpfändung des Termingeldkontos letztlich ersetzt habe.

Weiter stehe nicht fest, dass die Freigabe des zugunsten der Klägerin verpfändeten Termingeldkontos erst erfolgt sei, nachdem der Schuldner der Klägerin die Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherheit abgetreten habe. Sollte er die Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag erst an die Klägerin abgetreten haben, nachdem er bereits über das Guthaben des Termingeldkontos verfügt habe, fehle es an einem, die Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO ausschließenden, unmittelbaren Sicherheitentausch. Denn in diesem Fall hätte der Klägerin in dem Zeitraum zwischen Verfügung des Schuldners über das Guthaben und Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag keine Sicherheit zugestanden. Nur eine ununterbrochene Sicherheitenkette könne jedoch zu einem Ausschluss der Gläubigerbenachteiligung führen.

Dies wird das OLG im zweiten Rechtszug aufzuklären haben.

Auch die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO konnte der BGH nicht abschließend beurteilen, weil es an Feststellung des OLG fehlte.

Der BGH geht revisionsrechtlich davon aus, dass die Klägerin aus der zugunsten der GmbH bestellten Sicherung vorgeht.

Ausgehend von der oben dargestellten Frage, wann eine Sicherheit unentgeltlich bestellt wird, führt der BGH aus, die Besicherung einer fremden Schuld sei grundsätzlich unentgeltlich, entgeltlich aber dann, wenn der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber für seine Leistung die Kreditgewährung an einen Dritten verspreche. Von der Schenkungsanfechtung freigestellt sei der Sicherungsnehmer schließlich auch dann, wenn er für die Zuwendung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung an diesen oder einen Dritten erbringe. Dagegen reiche das Versprechen, einen sonst durchsetzbaren Rückforderungsanspruch gegen einen Dritten stehen zu lassen, nicht aus, um die nachträgliche Besicherung der fremden Schuld als entgeltlich einordnen zu können.

Wie die Dinge insoweit hier liegen, lasse sich aufgrund der Feststellungen des OLG nicht abschließend entscheiden.

Dass die Zession auch der Besicherung der zugunsten der Klägerin vom Schuldner übernommenen Bürgschaft diene, führe nicht dazu, dass es sich um eine Sicherheit für eigene Verbindlichkeiten des Schuldners handele. Die Grundsätze zur Unentgeltlichkeit der Besicherung fremder Schuld hätten auch zu gelten, wenn der Schuldner eine Personalsicherheit (etwa eine Bürgschaft) für die fremde Schuld übernehme und zusätzlich zur Absicherung der Ansprüche aus der Personalsicherheit eine weitere Sicherheit bestelle. Diese Besicherung der eigenen Verbindlichkeit aus der Personalsicherheit sei ebenfalls nach den Grundsätzen einer Fremdbesicherung zu behandeln. Ob die Klägerin hierfür eine ausreichende Gegenleistung erbracht habe, sei nicht festgestellt.

Für die nachträgliche Bestellung einer neuen Sicherheit ergebe sich nicht bereits eine ausgleichende Gegenleistung daraus ergebe, dass der Schuldner der Klägerin im Jahr 2008 eine andere Sicherheit bestellt habe und diese Sicherheit eine entgeltliche Leistung dargestellt habe. Ob die Leistung des Schuldners entgeltlich sei, richte sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Rechtserwerbs der Klägerin als Anfechtungsgegnerin an der neuen Sicherheit. Die Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit folge nicht allein daraus, dass eine zuvor für die gleichen Verbindlichkeiten bestellte Sicherheit eine entgeltliche Leistung darstellte. Bei der Besicherung einer fremden Verbindlichkeit komme es vielmehr darauf an, ob der Gläubiger eine ausgleichende Gegenleistung erbringe.

Dass der Schuldner ausweislich der Sicherungsvereinbarung die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auch zur Absicherung eigener Verbindlichkeiten vorgenommen habe, schließe die Anfechtung nicht in Gänze aus, es komme hier eine Anfechtung wegen Teilunentgeltlichkeit in Betracht. Sei die Leistung des Schuldners teilbar, könne die Anfechtung auf den unentgeltlichen Teil der Leistung beschränkt werden. Diese Voraussetzungen seien regelmäßig erfüllt, wenn der Schuldner die Sicherheit sowohl für eine eigene wie für eine fremde Schuld bestelle. Die Teilbarkeit der Leistung ergebe sich aus den unterschiedlichen Arten der besicherten Verbindlichkeiten. Damit könne in diesen Fällen allein die Besicherung der fremden Schuld als unentgeltliche Leistung angefochten werden.

Schließlich weist der BGH darauf hin, dass für den Fall einer (Teil)Anfechtbarkeit der Zession der Beklagte diese auch einwenden könne, da selbst bei eingetretener Verjährung des Anfechtungsanspruchs er nach § 146 Abs. 2 InsO hierzu berechtigt sei. Die Vorschrift bestimmt, dass der Insolvenzverwalter auch bei eingetretener Verjährung die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern kann. Dies betreffe auch die Erfüllung von Aus- und Absonderungsrechten.

Download: Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit durch einen Träger der Gesamtsozialversicherung - Eine Entscheidungskommentierung von Dr. Dietmar Onusseit

Überblick

Ein zulässiger Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners setzt nach § 14 der Insolvenzordnung (InsO) voraus, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Insolvenzeröffnungsgrund glaubhaft macht. Eröffnungsgründe sind zum einen die insolvenzrechtliche Überschuldung nach § 19 InsO und zum anderen die Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach § 18 InsO nur bei einem Eigenantrag des Schuldners Eröffnungsgrund.

Für die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO einer geordneten Gegenüberstellung der zum Stichtag zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und derjenigen, die in den folgenden drei Wochen fällig werden sowie der aktuellen liquiden Mittel des Schuldners und den in den folgenden drei Wochen hinzukommenden Mittel, etwa in Form einer Liquiditätsbilanz. Von einer Zahlungsunfähigkeit ist danach regelmäßig auszugehen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Dass der Gläubiger im Allgemeinen kaum in der Lage sein wird, eine solche Liquiditätsbilanz oder einen vergleichbaren Nachweis zu erstellen, hat den Gesetzgeber veranlasst, eine andere Methode für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit in § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu ermöglichen. Danach ist die „Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat“.

Zahlungseinstellung ist wiederum nach der Rechtsprechung des BGH dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist.

Entscheidend, so der BGH, ist die am Beweismaß (sogenannter Vollbeweis) des § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen. Die Zahlungseinstellung kann aus einem einzigen Indiz gefolgert werden, wenn dieses Indiz eine hinreichende Aussagekraft hat. Nach der Rechtsprechung gilt dies insbesondere für die Erklärung des Schuldners, nicht zahlungsfähig zu sein. Fehlt es an einem hinreichend aussagekräftigen einzelnen Indiz, kommt der Schluss auf eine Zahlungseinstellung nur in Betracht, wenn die Gesamtheit der Indizien die begründete Überzeugung rechtfertigt.

Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen für eine Zahlungseinstellung häufig nicht. Es müssen dann Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafürsprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf fehlender Liquidität des Schuldners beruht. Solche Umstände können darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren (weitere) Leistungserbringung er zur weiteren Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Ferner kann der Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung ein größeres Gewicht verleihen. Ein schematisches Vorgehen verbietet sich. Maßgebend ist, dass die zusätzlichen Umstände im konkreten Einzelfall ein Gewicht erreichen, das der nach der Rechtsprechung des BGH besonders bedeutsamen Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können.

Auch beim Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern kommt es darauf an, ob die gesamten Umstände ein Gewicht erreichen, das einer Erklärung des Schuldners gleichsteht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können. Die mehr als halbjährige Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen bildet nach ständiger Rechtsprechung ein erhebliches Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung, das den Schluss allein tragen kann. Eine mehrmonatige – nicht notwendig sechsmonatige – Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist geeignet, eine Zahlungseinstellung nahezulegen. Daher kann ein Rückstand von mehr als vier vollen Monatsbeiträgen bei einem einzigen Sozialversicherungsträger die Zahlungseinstellung begründen. Geringfügigere Zahlungsverzögerungen reichen dagegen nicht aus, die Zahlungseinstellung allein zu rechtfertigen. Dies alles hat der BGH in einem relativ neuen Urteil vom 28.04.2022 - IX ZR 48/21 – zum wiederholten Mal entschieden.

Das Amtsgericht Hamburg – Insolvenzgericht - (AG) hatte im vorliegenden Fall darüber zu entscheiden, ob der den Insolvenzantrag stellende Sozialversicherungsträger den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit ausreichend glaubhaft gemacht hatte. Dieser hatte sich der Möglichkeit bedient, die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen, indem er sich auf die von ihm behauptete Zahlungseinstellung des Schuldners stützte.

Der zu entscheidende Fall

Der Sozialversicherungsträger (Antragstellerin) hatte seinen Insolvenzantrag darauf gestützt, dass die Schuldnerin fällige Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 01.11.2023 bis 30.06.2024 in Höhe von insgesamt 10.823,76 EUR schulde. Aufgrund des vorliegenden Rückstandszeitraums von mehr als sechs Monaten sei der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gegeben.

Mit Verfügung vom selben Tag wies das AG darauf hin, dass die Antragstellerin bisher die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe. Insbesondere sei nicht nachzuvollziehen, weshalb in dem Geschäftslokal der Schuldnerin kein Vollstreckungsversuch unternommen worden sei. Die Antragstellerin könne die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin insbesondere durch die Vorlage des Protokolls über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch des Gerichtsvollziehers oder über die Abgabe der Vermögensauskunft der Schuldnerin erbringen. Ferner wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass weder das AG noch das Landgericht Hamburg (LG) der sog. „Sechs-Monats-Rückstands-Indiz-Rechtsprechung“ des BGH folgen.

Die Antragstellerin reichte beim AG mehrere Drittschuldnererklärungen und Empfangsbekenntnisse der ...bank im Zusammenhang mit Pfändungsversuchen gegenüber der Schuldnerin im Juni, September und November 2023 sowie im März 2024 ein. Alle Pfändungsversuche bezogen sich auf dasselbe Bankkonto der Schuldnerin.

Durch Beschluss vom 29.07.2024 wies das Amtsgericht den Eröffnungsantrag als unzulässig ab, weil die Antragstellerin entgegen § 14 InsO den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit trotz des gerichtlichen Hinweises nicht glaubhaft gemacht habe. Die unternommenen Bankkontenpfändungsversuche änderten hieran nichts, da schon nicht vorgetragen oder ersichtlich oder glaubhaft gemacht sei, dass es sich insoweit um das einzige Konto der Schuldnerin gehandelt habe.

Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Schuldnerin habe über einen Zeitraum von insgesamt acht Monaten Gesamtsozialversicherungsbeträge nicht beglichen. Die letzte Zahlung sei am 16.01.2024, mithin vor sieben Monaten, erfolgt. Dieses Zahlungsverhalten komme nach der Rechtsprechung des BGH einer Zahlungseinstellung gleich. Es sei bei der Schuldnerin bereits zu vorrangigen Kontopfändungen von drei weiteren Gläubigern mit einem Forderungsvolumen von 7.088,87 EUR gekommen sei. Nur vier Monate später sei das Forderungsvolumen dreier vorrangiger Gläubiger auf einen Betrag von 22.538,98 EUR angestiegen.

Das AG half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem LG zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin durch ihr eigenes Vorbringen bestätige, nicht glaubhaft machen zu können, dass die von ihr dargelegten Kontopfändungsversuche das einzige Bankkonto der Schuldnerin betrafen. Eine erfolglose Pfändung in ein einziges Bankkonto des Schuldners genüge zur Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes der Zahlungsunfähigkeit jedoch allein nicht. Nichts Anderes gelte für einen mehr als sechsmonatigen Beitragsrückstand gegenüber einem Sozialversicherungsträger.

Die Begründung des Landgerichts Hamburg

Das LG weist die sofortige Beschwerde zurück.

Die Antragstellerin habe den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Sie habe keine weiteren Unterlagen, wie etwa das Protokoll über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch eines Gerichtsvollziehers oder über die Abgabe der Vermögensauskunft der Schuldnerin vorgelegt. Auch eine eidesstattliche Versicherung der Schuldnerin oder entsprechende schriftliche Erklärungen der Schuldnerin lägen nicht vor. Dasselbe gelte für eine eidesstattliche Versicherung einer sachkundigen Person, aus der sich ergebe, dass die Schuldnerin nicht zahlungsfähig sei.

Auch Sozialversicherungsträger hätten das Vorliegen eines Insolvenzgrundes in gleicher Weise glaubhaft zu machen wie andere Gläubiger auch. Die Strafbarkeit der Nichtabführung von Beiträgen sei einer von mehreren Umständen, der bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen seien. Sie bilde allein jedoch keinen Anlass, den Grundsatz der freien Beweiswürdigung teilweise außer Kraft zu setzen. Denn in der Praxis dürfte ein Schuldner eher Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen als beispielsweise Forderungen seiner Warenlieferanten, da er andernfalls Gefahr liefe, den Geschäftsbetrieb nicht fortführen zu können.

Der vom BGH in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 - IX ZB 238/05 aufgestellten Beweisregel, bei Rückständen von mindestens sechs Monaten sei in der Regel von Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen, werde nicht gefolgt.

Hinzukomme, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin nicht geschlossen sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin keinen Vollstreckungsversuch hinsichtlich des Geschäftslokals der Schuldnerin unternommen habe. Denn es bestehe vor diesem Hintergrund zumindest die Möglichkeit, dass die Schuldnerin zwar Sozialversicherungsbeiträge (bewusst) nicht zahle, im Übrigen aber ihre Gläubiger bediene und auch bedienen könne. Dies nachzuprüfen sei nicht Aufgabe des Insolvenzeröffnungsverfahrens. Es genüge daher nicht, dass die Antragstellerin auf die Drittschuldnererklärungen der ...bank und auf weitere Vollstreckungsgläubiger verweise. Da es sich bei diesen Gläubigern ebenfalls um Sozialversicherungsträger handele, gelte das soeben Gesagte entsprechend. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Schuldnerin ihre institutionellen Gläubiger nachrangig behandele, um zunächst aus ihrer Sicht für den Geschäftsbetrieb relevantere Gläubigerforderungen zu bedienen.

Die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO, über die der BGH zu entscheiden hätte, hat das LG nicht zugelassen.

Den kritischen Leser der Entscheidung überrascht nicht nur Letzteres, denn das Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfte in einem Fall wie dem vorliegenden dazu führen, den Zulassungsgrund der „Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung“ gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auszufüllen. Die Auffassung des LG mag ohne Weiteres juristisch vertretbar sein, möglicherweise hat sie sogar mehr für sich als die dargestellte Rechtsprechung des BGH, gegen die das LG sich ausdrücklich wendet. Das LG setzt sich jedoch hiermit nur ansatzweise auseinander und bezieht sich lediglich auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2006, anstatt das oben dargestellte wesentlich neuere Urteil aus dem Jahr 2022 in seine Würdigung einzubeziehen.

In den letzten Monaten haben sich vermehrt Mandanten an uns gewandt, um Unterstützung bei der Abwehr von Zahlungsansprüchen der MULPOR Company zu erhalten. Diese Ansprüche betreffen in der Regel Forderungen, die im Zusammenhang mit einem angeblichen Vertrag über die Veröffentlichung von Unternehmensdaten im „International Fairs Directory“ stehen.

Die Vorgehensweise der MULPOR:

Die MULPOR bereitet ein unscheinbares Formular vor, dass auf den ersten Blick lediglich der Bestätigung von Unternehmensdaten zu dienen scheint. Ohne dass dies klar ersichtlich ist, führt die Unterzeichnung dieses Dokuments jedoch – nach Ansicht der MULPOR Company – zu einem verbindlichen Vertragsabschluss. Der Vertragspartner sitzt in Costa Rica, und das Vertragsverhältnis unterliegt vermeintlich dem costa-ricanischen Recht. Als Ergebnis erhalten die Betroffenen kurz darauf eine Rechnung in Höhe von 1.210,00 EUR, die sich jedoch über eine Laufzeit von drei Jahren auf deutlich höhere Beträge summiert.

Unsere Einschätzung zur Abwehr der Forderung:

Nach unserer rechtlichen Auffassung bestehen gute Chancen, sich erfolgreich gegen diese Forderungen zur Wehr zu setzen. Dies stützen wir insbesondere auf die folgenden Argumente:

  • Unwirksamkeit der Rechtswahl: Die im Vertrag enthaltene Klausel, wonach costa-ricanisches Recht gelten soll, ist nach unserer Einschätzung rechtlich fragwürdig und dürfte in vielen Fällen unwirksam sein.
  • Arglistige Täuschung:Der Vertrag ist durch eine arglistige Täuschung seitens der MULPOR zustande gekommen, da die Betroffenen über den tatsächlichen Inhalt des Dokuments im Unklaren gelassen wurden. Ein solcher Vertrag ist nach unserer Auffassung anfechtbar.
  • Fehlende Gegenleistung:Zudem fehlt es dem Vertrag an einer echten Gegenleistung seitens der MULPOR, was die Wirksamkeit des Vertrags weiter in Frage stellt.

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